Deutscher Bundestag Visuelle Zweisprachigkeit/Mehrsprachigkeit in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 349/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 2 Visuelle Zweisprachigkeit/Mehrsprachigkeit in Deutschland Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 349/10 Abschluss der Arbeit: 17. September 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 3 1. Einleitung Die visuelle Zweisprachigkeit bzw. Mehrsprachigkeit in Deutschland ordnet sich in den Kontext des Schutzes nationaler Minderheiten ein, der sich auch auf den Gebrauch ihrer Sprache erstreckt. In der Bundesrepublik Deutschland leben vier anerkannte nationale Minderheiten: - Sorben in Brandenburg und Sachsen, - Friesen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, - Dänen in Schleswig-Holstein sowie - Sinti und Roma. Der Begriff der „nationalen Minderheit“ wird entsprechend dem Vorschlag der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von 1993 definiert. Danach ist eine nationale Minderheit eine Gruppe von Personen, die - im Staatsterritorium lebt und dessen Staatsangehörigkeit besitzt, - langwährende, feste und fortdauernde Verbindungen mit diesem Staat besitzt, - eindeutige ethnische, kulturelle, religiöse oder sprachliche Charakteristika aufweist (objektive Merkmale), - ausreichend repräsentativ ist, obwohl - ihre Zahl geringer als die der übrigen Bevölkerung dieses Staates oder einer Region dieses Staates ist.1 Die Rechte nationaler Minderheiten werden u. a. aufgrund des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995 geschützt. Das Übereinkommen 2 ist in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Februar 1998 in Kraft. Das Übereinkommen verbietet jede Diskriminierung einer Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit sowie die Assimilierung von Angehörigen nationaler Minderheiten gegen deren Willen und verpflichtet die Vertragsstaaten zum Schutz der Freiheitsrechte, die für die Angehörigen nationaler Minderheiten besondere Bedeutung haben. Dazu gehören beispielsweise die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Zudem werden aufgrund des Übereinkommens die Pflege und Weiterentwicklung der Kultur und Sprache geschützt sowie die Schaffung eigener Medien und Zugang zu Medien gewährleistet. Im Zusammenhang mit den zu treffenden Schutzmaßnahmen im Bereich der Bildung, der Kultur, des Schulwesens und des gesellschaftlichen Lebens steht die Europäische Charta der Regionaloder Minderheitensprachen, mit der traditionell in einem Vertragsstaat gesprochene Sprachen als 1 Empfehlung 1201 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, abzurufen unter: http://assembly.coe.int//Main.asp?link=http://assembly.coe.int/Documents/AdoptedText/ta93/erec1201.htm#1. 2 Gesetz zu dem Rahmenübereinkommen des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten, BGBl. II 1997 S. 1406. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 4 bedrohter Aspekt des europäischen Kulturerbes geschützt und gefördert werden. Die Charta geht auf Initiativen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und der Ständigen Konferenz der Kommunal- und Regionalbehörden Europas zurück. Die Charta ist am 1. Januar 1999 in Deutschland in Kraft getreten. Nach dem Vertragsgesetz3 gilt sie in Deutschland als Bundesgesetz, das nachrangiges Recht - einschließlich Landesgesetze - bricht und gegenüber sonstigen Bundesgesetzen grundsätzlich als das speziellere Gesetz anzuwenden ist. Die Charta enthält die Kriterien für den Schutz der Regional- oder Minderheitensprachen und bezieht sich auf traditionell in einem Vertragsstaat gesprochene Sprachen. Als Minderheitensprachen werden die Sprachen der nationalen Minderheiten, die in Deutschland unter das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten fallen, geschützt. Entsprechend der Verpflichtung in Art. 3 der Charta hat die Bundesrepublik erklärt, dass Minderheitensprachen im Sinne der Charta folgende Sprachen sind: das Dänische, das Obersorbische, das Niedersorbische, das Nordfriesische, das Saterfriesische und das Romanes der deutschen Sinti und Roma; Regionalsprache ist das Niederdeutsche.4 Die aufgrund der Charta ergehenden Schutz- und Fördermaßnahmen beziehen sich auf das Bildungswesen, vor allem den Unterricht der Sprache und in der Sprache, die Verwendung der Regional- oder Minderheitensprachen im Gerichtsverfahren, vor Verwaltungsbehörden, in Rundfunk und Presse, bei kulturellen Tätigkeiten und Einrichtungen sowie im wirtschaftlichen und sozialen Leben. 2. Nationale Regelungen Art. 10 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens verpflichtet die Vertragspartner zu der Anerkennung , dass jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, das Recht hat, ihre Minderheitensprache privat und in der Öffentlichkeit mündlich und schriftlich frei und ungehindert zu gebrauchen. Diese Pflicht ist auch in Art. 7 Abs. 1 lit d) der Sprachencharta enthalten („...Erleichterung des Gebrauchs von … Minderheitensprachen … und/oder die Ermutigung zu einem solchen Gebrauch“). Das Recht, für die Öffentlichkeit sichtbar Schilder, Auf- und Inschriften sowie andere visuelle Mitteilungen privater Art in der Minderheitensprache anzubringen, ist durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bundesweit gewährleistet.5 2.1. Sorben 2.1.1. Brandenburg In Art. 25 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf) und § 8 des Gesetzes zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) (SWG) vom 7. Juli 19946 hat das Land Brandenburg den Gebrauch der sorbischen Sprache (neben der grundgesetzlichen Verbürgung) nochmals 3 Gesetz vom 9. Juli 1998 zu der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992, BGBl. II 1998 S. 1314. 4 Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional - oder Minderheitensprachen vom 23. Januar 1998, BGBl. II S. 1334. 5 Bundesministerium des Innern (BMI), Dritter Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 25 Abs. 2 des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Februar 2009, S. 181, abzurufen unter: http://www.bmi.bund.de/cln_165/SharedDocs/ExterneLinks/DE/Themen/Minderheiten/Rahmenuebereinkommen_Mi nderheiten.html?nn=103976. 6 GVBl. I/94 S. 294. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 5 für frei erklärt. Nach Art. 25 Abs. 4 BbgVerf ist im Siedlungsgebiet der Sorben die sorbische Sprache in die öffentliche Beschriftung einzubeziehen. Art. 25 Abs. 5 BbgVerf enthält den Gesetzgebungsauftrag , die Ausgestaltung der Rechte der Sorben zu regeln.7 Nach § 11 Abs. 1 SWG sind öffentliche Gebäude und Einrichtungen, Straßen, Wege, Plätze und Brücken im angestammten Siedlungsgebiet der Sorben sowie Hinweisschilder hierauf in deutscher und niedersorbischer Sprache zu kennzeichnen. Als Ermessensvorschrift für die Doppelbeschriftung ist § 11 Abs. 2 SWG zu qualifizieren, wonach das Land Brandenburg darauf hinwirkt, dass auch andere als öffentliche Gebäude im angestammten Siedlungsgebiet in deutscher und niedersorbischer Sprache beschriftet werden, sofern diese für die Öffentlichkeit Bedeutung haben . Gemeint sind damit private Gebäude und Einrichtungen, bei denen es den Verantwortlichen freisteht, eine doppelsprachige Beschriftung anzubringen.8 Zum SWG hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur am 28. April 1997 eine Verwaltungsvorschrift erlassen (VV MWFK-Sorben)9. Nach deren Ziffer VII Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 unterfallen der zweisprachigen Gestaltungspflicht nach § 11 Abs. 1: Beschriftungen von Richtzeichen zu innerörtlichen Zielen und zu Einrichtungen mit erheblicher Verkehrsbedeutung, Straßenschilder und sonstige innerörtliche Schilder von öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen ohne erhebliche Verkehrsbedeutung, Namensschilder für Plätze und Brücken sowie Hinweisschilder hierauf. Dazu gehören u. a. Ortseingangs- und Ortsausgangstafeln, Wegweiser auf Bundesstraßen und sonstigen Straßen mit größerer und geringerer Verkehrsbedeutung, Wegweisertafeln und Vorwegweiser. Die Ermessungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 SWG gilt gemäß Ziffer VII Abs. 2 Satz 2 VV MWFK-Sorben auch für andere Schilder innerhalb der Gemeinde , die nicht bereits in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 VV MWFK-Sorben genannt sind. Nach Ziffer VII Abs. 2 Satz 3 VV MWFK-Sorben soll die Möglichkeit einer zweisprachigen Beschriftung umfassend genutzt werden. Die Hauptsatzungen der überwiegenden Anzahl der Gemeinden und Landkreise des sorbischen Siedlungsgebietes enthalten die Verpflichtung, die öffentlichen Gebäude und Einrichtungen, Straßen, Wege, Plätze und Brücken zweisprachig zu beschriften. Angesichts der Haushaltslage erfolgt die Umsetzung dieser Festlegung allerdings nur schrittweise, beispielsweise anlässlich der Benennung oder Umbenennung von Straßen oder der Erneuerung der Schilder.10 So legt z.B. § 6 Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt Cottbus fest, dass öffentliche Gebäude und Einrichtungen bei Kennzeichnung deutsch und sorbisch zu beschriften sind, ebenso Straßen, Wege, Plätze und bei Namensgebung Brücken. In Cottbus sind bisher (Stand: Februar 2009) etwa 50 bis 60 Prozent der Straßen und Plätze zweisprachig beschildert, die Gebäude der Stadtverwaltung überwiegend. Die Hauptsatzung der Stadt Drebkau etwa bestimmt, dass öffentliche Gebäude und Einrichtungen zweisprachig beschriftet werden, wobei die Einführung schrittweise erfolgen und sich an der Reparaturbedürftigkeit der jeweiligen Schilder orientieren soll. 7 Lieber/Ebers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Loseblatt, Stand: Februar 2003, Art. 25 Ziffer 8. 8 Lieber/Ebers/Ernst (Fn. 7), Art. 25 Ziffer 8. 9 Abl. 97, S. 422. 10 BMI (Fn. 5). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 6 In einem Erlass über die zweisprachige Beschriftung von Verkehrszeichen im angestammten Siedlungsgebiet der Sorben vom 1. März 199911 hat das damalige Ministerium für Stadtentwicklung , Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg in Ausführung der bundes- und landesrechtlichen Vorgaben die zweisprachige Beschriftung im angestammten Siedlungsgebiet der Sorben geregelt. Der Erlass hat unter Einbeziehung des Sorbenrates eine mehrmalige Novellierung seit 1999 erfahren. Der Erlass ist weitgehend umgesetzt worden, wie eine Prüfung der unteren Straßenverkehrsbehörden vom Oktober 2000 ergeben hat. Soweit dies noch nicht geschehen ist, etwa weil Schilder erst kurz vor Veröffentlichung des Erlasses montiert worden waren und auch eine sorbischsprachige Ergänzung durch Aufkleber nicht möglich war, haben die Straßenbaubehörden zugesagt, diese bei einer Erneuerung umgehend dem zweisprachigen Standard anzupassen. Für die Benutzung der sorbischen Sprache vor Gericht bestimmte der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 ausdrücklich, dass die Sorben - weiterhin - das Recht haben, in ihren Heimatkreisen vor Gericht Sorbisch zu sprechen und dieses Recht nicht durch § 184 des („Die Gerichtssprache ist deutsch.“) berührt wird.12 So lautet nunmehr § 184 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes: „Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.“ Soweit Sorben Rechtsstreitigkeiten in ihrer eigenen Sprache austragen möchten, werden Übersetzer hinzugezogen. Die Beschilderung der Gerichte ist zweisprachig. 2.1.2. Sachsen Nach Art. 6 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) sind die im Land lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes. „Das Land gewährleistet und schützt das Recht auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung, insbesondere durch Schulen, vorschulische und kulturelle Einrichtungen“ (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf). Art. 6 Abs. 2 SächsVerf gebietet, in der Landes- und Kommunalplanung die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes zu berücksichtigen. Nach § 8 des Gesetzes über die Rechte der Sorben (Sächsisches Sorbengesetz – SächsSorbG)13 ist der Gebrauch der eigenen Sprache ein wesentliches Merkmal sorbischer Identität. In der Vorschrift erkennt der Freistaat Sachsen die sorbischen Sprachen, insbesondere das Obersorbische, als Ausdruck des geistigen und kulturellen Reichtums an und erklärt ihren Gebrauch für frei (§ 8 Satz 2 und 3 SächsSorbG). Die Anwendung der sorbischen Sprache in Wort und Schrift im öffentlichen Leben und die Ermutigung dazu werden in § 8 Satz 4 SächsSorbG geschützt und gefördert. § 9 Abs. 1 SächsSorbG verleiht den Bürgern im sorbischen Siedlungsgebiet das Recht, sich vor Gerichten und Behörden des Freistaates Sachsen sowie vor den seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts der sorbischen Sprache zu bedienen, und zwar mit denselben Wirkungen, als würden sie sich der deutschen Sprache bedienen. Die Behörden des Freistaates Sachsen und die seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts können in sorbischer Sprache vorgetragene Anliegen der Bürger in sorbischer Sprache beantworten und entscheiden, wodurch sich keine Kostenbelastungen oder sonstige Nachteile für die sorbischen 11 ABl. S. 284. 12 Anlage I Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt III 1. des Einigungsvertrags vom 31. August 1990. 13 SächsSorbG vom 31. März 1999 (SächsGVBl. S. 161), zuletzt geändert durch Art. 10 Landkreis-NeugliederungsG vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 102). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 7 Bürger ergeben dürfen. Nach § 9 Abs. 2 SächsSorbG setzt sich der Freistaat Sachsen dafür ein, dass diese Festlegungen auch auf Bundesbehörden und Einrichtungen des Privatrechts, insbesondere des Verkehrs- und Fernmeldewesens, der Post, des Gesundheits- und Sozialwesen sowie der Kultur und Bildung, die im sorbischen Siedlungsgebiet ansässig sind, angewandt werden. Die visuelle Zweisprachigkeit ist explizit in § 10 SächsSorbG geregelt. Nach § 10 Abs. 1 SächsSorbG soll die Beschilderung im öffentlichen Raum durch die Behörden des Freistaates Sachsen und die seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, insbesondere an öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen, Straßen, Wegen, öffentlichen Plätzen und Brücken, in sorbischen Siedlungsgebieten in deutscher und sorbischer Sprache erfolgen. In § 10 Abs. 2 SächsSorbG heißt es: „Der Freistaat Sachsen und die seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wirken darauf hin, dass auch andere Gebäude von öffentlicher Bedeutung im sorbischen Siedlungsgebiet in deutscher und sorbischer Sprache beschriftet werden.“ Im sorbischen Siedlungsgebiet sind alle Gerichte zweisprachig beschildert. Die Kopfbögen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts sind darüber hinaus deutsch-sorbisch ausgestaltet. In jedem Gericht im sorbischen Siedlungsgebiet des Freistaates Sachsen spricht mindestens ein Mitarbeiter sorbisch, so dass die Bürger ihre Anliegen auch in sorbischer Sprache vortragen können. § 184 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes findet Anwendung. 2.2. Friesen 2.2.1. Schleswig-Holstein Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (SchlHVerf) hat die friesische Volksgruppe Anspruch auf Schutz und Förderung. Nach § 1 des Gesetzes zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum (FriesischG) vom 13. Dezember 200414 können sich Bürgerinnen und Bürger im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland in friesischer Sprache an Behörden wenden und Eingaben, Belege, Urkunden und sonstige Schriftstücke in friesischer Sprache vorlegen. Auch der mündliche Behördenverkehr kann grundsätzlich in friesischer Sprache abgewickelt werden. Zudem ist die Möglichkeit für zweisprachige Formulare und öffentliche Bekanntmachungen eröffnet. Nach § 3 Abs. 1 FriesischG ist im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland an Gebäuden der Landesbehörden und an Gebäuden der der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften , Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts die Beschilderung zweisprachig in deutscher und friesischer Sprache auszuführen. Vorhandene einsprachige Beschilderung darf durch eine Beschilderung in friesischer Sprache ergänzt werden. § 3 Abs. 1 FriesischG bestimmt, dass der Kreis Nordfriesland und die Kommunen im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland an öffentlichen Gebäuden und an den Gebäuden der ihrer Aufsicht unterstehenden Körperschaften , Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts die Beschilderung zweisprachig in deutscher und friesischer Sprache ausführen können. Gemäß § 3 Abs. 3 FriesischG wirkt das Land Schleswig-Holstein darauf hin, dass die Beschilderung an anderen öffentlichen Gebäuden sowie topografische Bezeichnungen im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland zweisprachig in deutscher und friesischer Sprache ausgeführt werden. Die in § 3 FriesischG genannten Bestimmungen können gemäß § 4 FriesischG sinngemäß auch für die durch die Behörden und Kör- 14 GVOBl. S-H 2004, Nr. 16, 481–483. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 8 perschaften im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland genutzten Siegel und Briefköpfe angewendet werden. Die Farben und das Wappen der Friesen können nach § 5 FriesischG im Kreis Nordfriesland neben den Landesfarben und dem Landeswappen verwendet werden. § 6 FriesischG ermöglicht es, die vorderseitige Beschilderung der Ortstafeln (Verkehrszeichen 310 der Straßenverkehrsordnung [StVO]) im Kreis Nordfriesland nach Maßgabe des § 46 Abs. 2 StVO zweisprachig in deutscher und friesischer Sprache zu gestalten. Dieses Ziel haben die Behörden des Landes gegebenenfalls unter näher zu benennenden Auflagen zur Gestaltung und Aufstellung der Schilder zu beachten und zu fördern. Auf der Grundlage des FriesischG wurden beispielsweise folgende Landesbehörden zweisprachig beschriftet: Amtsgerichte Husum und Niebüll, Dienststellen der Schutz-, Wasserschutz und Kriminalpolizei , Katasteramt Nordfriesland, Finanzamt Nordfriesland mit den Standorten Leck und Husum, Forstamt Nordfriesland, Straßenmeistereien in den Bezirken Leck und Bredstedt.15 Durch einen Erlass des Ministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr vom 11. Juni 2007 wurde die für die friesische Volksgruppe getroffene Sonderregelung für mehrsprachige Ortstafeln aktualisiert und auf alle Regional- und Minderheitensprachen ausgedehnt. Bis zum 31. Januar 2007 gab es bereits in 14 Gemeinden eine entsprechende Beschilderung: Borgsum (Föhr), Bredstedt, Dagebüll, Kampen (Sylt), Midlum (Föhr), Nebel (Amrum), Niebüll, Norddorf (Amrum), Oldsum (Föhr), Rantum (Sylt), Risum-Lindholm, Süderende (Föhr), Utersum (Föhr) und Westerland (Sylt). In weiteren Gemeinden gibt es dahin gehende Überlegungen.16 Entlang der Bahnstrecke Westerland–Husum wurden an den Stationen Westerland, Keitum, Morsum, Klanxbüll, Niebüll, Bredstedt, Husum mit finanzieller Unterstützung des Bundes (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien) und des Landes (Landesweite Verkehrsservicegesellschaft SH-– LVS) zweisprachige Bahnhofsschilder angebracht und mit Informationstafeln zu den Friesen und zum Friesischen ergänzt. An der Strecke von Niebüll nach Dagebüll Mole erhielten die Stationen Niebüll NEG, Deezbüll, Maasbüll, Dagebüll Kirche und Dagebüll Mole zweisprachige Stationsschilder.17 2.2.2. Niedersachsen In der Gemeinde Saterland in Niedersachsen können bestimmte Amtshandlungen in friesischer Sprache durchgeführt werden. So ist beispielsweise die Vorlage in Saterfriesisch verfasster Urkunden möglich. Öffentliche Bedienstete der Gemeinde, die diese Dokumente prüfen können, sind in der Verwaltung vorhanden. Sie weisen auf ihre saterfriesische Sprachkompetenz mit Türschildern hin. In Saterfriesisch eingereichte Anträge oder sonstige Anliegen werden auch in dieser Sprache beantwortet. In der Praxis spielt diese Möglichkeit jedoch keine Rolle.18 15 BMI (Fn. 5), S. 207 f. 16 BMI (Fn. 5), S. 208. 17 BMI (Fn. 5), S. 208. 18 BMI (Fn. 5), S. 199. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 349/10 Seite 9 Die Gemeinde Saterland hat ihr Logo der saterfriesischen Sprache („seelter lound“) angepasst. Da das am 19. September 2002 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Europäischen Charta der Regional - oder Minderheitensprachen den Gebrauch oder die Annahme der herkömmlichen und korrekten Formen von Ortsnamen garantiert, wurde eine entsprechende Beschilderung im Saterland durchgeführt. 2.3. Dänen Die dänische Minderheit im nördlichen Schleswig-Holstein (Landesteil Schleswig) hat nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 SchlHVerf Anspruch auf Schutz und Förderung. Durch den Erlass des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr vom 11. Juni 2007 sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Ortstafeln in Schleswig-Holstein generell auch mehrsprachig ausgestaltet sein können. Die Entscheidung treffen die jeweiligen Kommunen; sie tragen auch die Kosten. Das hat zu einem Umdenken der dänischen Minderheit hinsichtlich von zweisprachigen Ortsschildern in ihrem Siedlungsgebiet geführt . So hat die Stadt Flensburg 2008 auf Initiative der SSW-Fraktion erstmalig zweisprachige Ortsschilder (Flensburg/Flensborg) aufgestellt. In Museen des Siedlungsgebiets werden die Beschilderung und allgemeine Informationen zunehmend um das Dänische ergänzt. Der dänischen Minderheit ist an einer Verbesserung bei öffentlichen Hinweisschildern auf dänische Einrichtungen im Siedlungsgebiet sowie an einer zweisprachigen Beschriftung von Wander- und Fahrradwegen gelegen. Dies wird staatlicherseits unterstützt.19 Bereits heute können bei schleswigholsteinischen Verwaltungsbehörden im dänischen Siedlungsgebiet Urkunden in Dänisch eingereicht werden. Doch treten die Organisationen der dänischen Minderheit für eine verstärkte Verwendung ihrer Sprache im Kontakt mit der Verwaltung ein.20 2.4. Roma und Sinti Da die deutschen Sinti und Roma zweisprachig mit Romanes und Deutsch aufwachsen und beide Sprachen beherrschen, besteht für die Verwendung von Romanes vor Verwaltungsbehörden kein tatsächlicher Bedarf.21 Traditionelle Ortsbezeichnungen etc. in Romanes sind in Deutschland nicht bekannt, so dass sich bezüglich Romanes die Frage nach einer Umsetzung der Verpflichtung aus dem Rahmenabkommen nicht stellt. 19 BMI (Fn, 5), S. 209. 20 BMI (Fn. 5), S. 197. 21 BMI (Fn. 5), S. 200.