Deutscher Bundestag Direkte Demokratie in Europa und der Bundesrepublik Deutschland Funktionsweise und Vor- bzw. Nachteile in der Gegenüberstellung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 346/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 2 Direkte Demokratie in Europa und der Bundesrepublik Deutschland Funktionsweise und Vor- bzw. Nachteile in der Gegenüberstellung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 346/10 Abschluss der Arbeit: 3. September 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 3 Inhalt 1. Einleitung 4 2. Begriff und Formen direkter Demokratie 4 2.1. Definitionen 4 2.2. Formen direkter Demokratie 5 3. Bestehende Regelungen der direkten Demokratie 6 3.1. Direkte Demokratie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 6 3.2. Direkte Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorgaben des Grundgesetzes 10 3.3. Direkte Demokratie in den Verfassungen der Bundesländer 11 3.3.1. Das zweistufige Verfahrensmodell am Beispiel Baden- Württembergs 11 3.3.2. Das dreistufige Verfahrensmodell am Beispiel Brandenburgs 13 4. Vor- und Nachteile direkter Demokratie aus Sicht der Literatur 14 4.1. Argumente für direkte Demokratie 14 4.2. Argumente gegen direkte Demokratie 15 5. Mögliche Einführung einer Volksgesetzgebung auf Bundesebene 16 5.1. Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates 16 5.2. Notwendigkeit einer Verfassungsänderung 16 5.3. Bundesstaatsprinzip 17 5.4. Budgetrecht des Parlaments 18 6. Bisherige Initiativen zur Verankerung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene 18 6.1. Enquete-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages (1976) 19 6.2. Bundesregierung Schmidt (1978) 19 6.3. SPD-Bundestagsfraktion und A-Länder (1991) 19 6.4. Gruppe der PDS/Linke Liste (1992) 20 6.5. Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (1992) 20 6.6. Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat (1993) 21 6.7. SPD-Fraktion (1993) 22 6.8. Gruppe PDS/Linke Liste (1994) 22 6.9. Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (1994) 23 6.10. Gruppe der PDS (1997) 23 6.11. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (1998) 23 6.12. Fraktion der PDS (1999) 24 6.13. Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (2002) 24 6.14. Fraktion der FDP (2003/2004) 24 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 4 1. Einleitung Die Fragestellung, ob und in welchem Ausmaß Bürger direkt an politischen Entscheidungen beteiligt werden sollen, ist ein klassisches Thema rechtswissenschaftlicher Forschung.1 Ungeachtet der damit verbundenen Problemstellungen2 erfährt direkte Demokratie weltweit mehr und mehr Zuspruch und spielte insbesondere bei der Demokratisierung mittel- und osteuropäischen Staaten eine wichtige Rolle.3 Auch in Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland wird über einen Ausbau direkter Demokratie diskutiert. Zuletzt wurden entsprechende Gesetzesinitiativen im Jahr 2006 in den Bundestag eingebracht.4 Die vorliegende Ausarbeitung untersucht die Elemente direkter Demokratie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union inklusive der Bundesrepublik Deutschland sowie in den einzelnen Bundesländern. Weiter werden Argumente für bzw. gegen die sachorientierte Bürgerbeteiligung aus Sicht der Literatur erörtert und die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Einführung einer Volksgesetzgebung auf Bundesebene dargestellt. 2. Begriff und Formen direkter Demokratie 2.1. Definitionen Die Termini der „direkten“ und „plebiszitären Demokratie“ werden synonym und als Gegenbegriff zur „repräsentativen Demokratie“ verstanden. Direkte Demokratie bezeichnet als Sammelbegriff direkte Beteiligungsformen des Volkes an politischen Sachentscheidungen. Davon zu unterscheiden sind Wahlen zu öffentlichen Ämtern, also Entscheidungen über personelle Fragen. Direktwahlen , etwa von Bürgermeistern oder Staatsoberhäuptern, werden nicht als Elemente direkter Demokratie verstanden.5 Der Terminus des Volkes umfasst die Gesamtheit der abstimmungsberechtigten Bevölkerung. 1 Walter-Rogg, Direkte Demokratie, in: Die EU-Staaten im Vergleich: Strukturen, Prognose, Politikinhalte , 3. Auflage 2008, S. 237. 2 Vgl. hierzu das vielzitierte Diktum Theodor Heuss, nach dem Plebiszite eine „Prämie für Demagogen “ seien: Nachweis bei Grotz, Direkte Demokratie in Europa: Erträge, Probleme und Perspektiven der vergleichenden Forschung, PVS 2009, 286 (296). 3 Walter-Rogg (Fn. 1), S. 237. 4 Vgl. hierzu die die Gesetzentwürfe BT-Drs. 16/474 vom 25. Januar 2006 (FDP), BT-Drs. 16/680 vom 15. Februar 2006 (Bündnis 90/ Die Grünen) und BT-Drs. 16/1411 vom 9. Mai 2006 (Die Linke). Auf Empfehlung des Innenausschusses (BT-Drs. 16/12019 vom 18. Februar 2009) erfolgte die Ablehnung der eingebrachten Initiativen durch den Bundestag, vgl. hierzu Plenarprotokoll 16/217, S. 23584. 5 Walter-Rogg (Fn. 1), S. 238. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 5 Vereinzelt wird unterschieden zwischen „Referendum“ und „Volksentscheid“6. Während in einem Referendum das Volk über eine von einer staatlichen Institution (Regierung oder Parlament) erarbeitete bzw. beschlossene Vorlage abstimmt, schließt der Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung auch die Entscheidung über eine aus der Bevölkerung initiierte Vorlage ein. Nachfolgend kommt es auf diese Unterscheidung nicht an. Der Begriff des Referendums wird synonym für den Begriff der Volksabstimmung als Oberbegriff für alle Sachentscheidungen durch das Volk verwendet. Insbesondere in Deutschland wird unterschieden zwischen Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Die Volksinitiative bezeichnet die Einbringung eines Gesetzes in den Gesetzgebungsprozess durch eine Gruppe von Bürgern.7 Unter Volksbegehren wird eine von einer vorgeschriebenen Anzahl von Stimmberechtigten ausgehende Initiative aus dem Volk verstanden, die auf Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes durch das Volk im Wege eines Volksentscheides gerichtet ist.8 Der Begriff des Volksentscheides meint den Gesetzesbeschluss durch das Volk über einen vorgelegten Gesetzentwurf.9 2.2. Formen direkter Demokratie Elemente direkter Demokratie werden unterschieden nach ihrer Verbindlichkeit, ob sie zwingend sind und in welchem Stadium einer Sachentscheidung sie stattfinden.10 Ein Referendum ist obligatorisch, wenn die Verfassung zwingend vorschreibt, über bestimmte Fragen eine Volksabstimmung abzuhalten. Dies kann etwa bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder bei Verfassungsänderungen der Fall sein. In diesem Fall legt die Regierung oder das Parlament den eigenen Beschluss dem Volk zur Bestätigung vor. Die Auslösung eines Referendums ist fakultativ, wenn die Entscheidung über die Durchführung der Volksabstimmung im politischen Ermessen des Initiators steht, nicht aber rechtlich vorgeschrieben ist. Die Initiative zu einem fakultativen Referendum kann von einem Staatsorgan oder aus dem Volk kommen. Ein bindendes Referendum besitzt Bindungswirkung im Hinblick auf die Beantwortung der Sachfrage , während ein bloß konsultatives Referendum den Staatsorganen freistellt, ob bzw. inwieweit das Abstimmungsergebnis letztlich umgesetzt wird. 6 So in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, Art. 138 ff. 7 Kühling, Volksgesetzgebung und Grundgesetz – „Mehr direkte Demokratie wagen“?, JuS 2009, S. 777 (778). 8 Volksbegehren, Volksentscheid, Volksabstimmung: Begrifflichkeiten und Modelle , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 237/09), 2009. 9 , (Fn. 8). 10 Siehe im Einzelnen: Hölscheidt/Menzenbach, Referenden in Deutschland und Europa, DÖV 2009, S. 777 ff.; , Referenden in Deutschland und Europa, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 133/09), 2009. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 6 3. Bestehende Regelungen der direkten Demokratie 3.1. Direkte Demokratie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Die meisten Mitgliedstaaten besitzen Erfahrungen mit Referenden. Die Verfassungen von 21 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehen nationale Referenden vor. Das obligatorische und bindende Referendum ist in neun Verfassungen der Mitgliedstaaten verankert11, fakultative Referenden bindenden Charakters normieren elf Verfassungen.12 Fakultative, konsultative Referenden sind in fünf Verfassungen der Mitgliedstaaten13 enthalten. Vier Verfassungen kennen ein konsultatives Referendum zusätzlich zu anderen Referendumsformen.14 Beteiligungsquoren sind in insgesamt sieben Mitgliedstaaten in der Verfassung vorgesehen15, Zustimmungsquoren enthalten fünf Verfassungen der Mitgliedstaaten.16 Keine verfassungsrechtlichen Grundlagen zur Durchführung von Volksabstimmungen finden sich in Belgien, Malta, den Niederlanden, der Tschechischen Republik, Zypern sowie der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene, mit Ausnahme der Art. 29, 118 GG. Die Situation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt sich wie folgt dar17: Die Verfassung Belgiens ist streng repräsentativ ausgestaltet und enthält keine Rechtsgrundlage für Referenden. Für ein bindendes Referendum müsste die Verfassung geändert werden. Gemäß der Verfassung Bulgariens kann ein nationales Referendum nur auf Grundlage eines Beschlusses des Parlaments abgehalten werden. Liegt ein Parlamentsbeschluss vor, so setzt der Präsident ein Datum für die Durchführung des Referendums fest. Vor der Ratifikation des Beitrittsvertrags mit der EU hat das bulgarische Parlament im Juli 2004 ein Referendumsgesetz verabschiedet . Hiernach muss ein konsultatives Referendum auf Initiative von 300 000 Bürgern abgehalten werden und ein obligatorisches Referendum auf Initiative von 600 000 Bürgern. Davon wurde bisher kein Gebrauch gemacht. In Dänemark sieht die Verfassung ein obligatorisches, bindendes Referendum bei der Übertragung von Hoheitsgewalt auf zwischenstaatliche Einrichtungen vor, wenn im Parlament nicht die 11 Dänemark, Estland, Irland, Lettland, Litauen, Österreich, Portugal, Slowakische Republik, Spanien. 12 Dänemark, Estland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Portugal, Slowakische Republik, Slowenien , Spanien, Ungarn. 13 Finnland, Griechenland, Luxemburg, Schweden, Rumänien. 14 Bulgarien, Irland, Österreich und Spanien. 15 Lettland (Art. 79 Abs. 2 VerfLettland), Österreich (Art. 45 Abs. 1 VerfÖsterreich), Polen (Art. 125 Abs. 3 VerfPolen), Portugal (Art. 115 Abs. 11 VerfPortugal), Slowakische Republik (Art. 98 Abs. 1 VerfSlowakische Republik), Slowenien (Art. 170 VerfSlowenien), Ungarn (Art. 28c Abs. 6 VerfUngarn). 16 Lettland (Art. 79 Abs. 1 VerfLettland), Litauen (Art. 151 VerfLitauen), Polen (Art. 235 Abs. 6 VerfPolen), Slowakische Republik (Art. 98 Abs. 1 VerfSlowakische Republik), Slowenien (Art. 170 VerfSlowenien). 17 Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Hölscheidt/Menzenbach (Fn. 10). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 7 hierfür erforderliche Fünfsechstelmehrheit erreicht wird. Eine Hoheitsgewalt übertragende Gesetzesvorlage gilt als angenommen durch Referendum, wenn nicht eine Mehrheit der abstimmenden Wähler, jedoch mindestens 30 Prozent sämtlicher Stimmberechtigten, gegen die Vorlage gestimmt hat. Daneben können Gesetze zur Ratifikation internationaler Verträge einem bindenden Referendum unterzogen werden, wenn das Parlament dies beschließt und hierzu ein spezielles Gesetz erlässt. Verfassungsänderungen müssen in Dänemark zunächst vom Parlament verabschiedet werden. Die Verfassung Estlands normiert ein obligatorisches Verfassungsreferendum, wenn bestimmte Verfassungsnormen betroffen sind. Daneben kennt sie ein fakultatives Verfassungsreferendum auf Initiative einer Dreifünftelmehrheit der Mitglieder des Parlaments. Die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge war ursprünglich einem Referendum entzogen. Im Jahr 2003 wurde durch Volksabstimmung ein Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes der Republik Estland angenommen ; es regelt, dass Estland der EU angehören darf und dass das estnische Grundgesetz an die Rechte und Pflichten des Beitrittsvertrages angepasst wird. Weder über die Europäische Verfassung noch über den Vertrag von Lissabon wurde ein Referendum durchgeführt, da dies von einer Mehrheit der Abgeordneten ausgeschlossen worden war. In Finnland haben Referenden nur fakultativen und konsultativen Charakter. Das Parlament kann das Volk konsultieren. Hierzu erlässt es vor der Abstimmung ein Gesetz, das die Durchführungsmodalitäten regelt. In Frankreich kann der Präsident jeden Gesetzentwurf zur Organisation der öffentlichen Gewalten , zu Reformen der staatlichen Wirtschafts-, Sozial- oder Umweltpolitik oder zur Ratifizierung eines Vertrags, der ohne Verfassungsverstoß Auswirkungen auf das Funktionieren der Institutionen hätte, einem Referendum unterstellen. Ein Referendum zu diesen Themen kann auch auf Initiative eines Fünftels der Mitglieder des Parlaments mit Unterstützung eines Zehntels der Wahlberechtigten anberaumt werden. Des Weiteren kennt die französische Verfassung das fakultative und bindende Referendum bei Verfassungsänderungen. Außerdem ist jeder Gesetzentwurf, der zur Ratifizierung eines Vertrags über den Beitritt eines Staates zur Europäischen Union ermächtigt , vom Präsidenten zum Volksentscheid zu bringen. Das Parlament kann jedoch durch einen von jeder Kammer mit Dreifünftelmehrheit angenommenen Antrag die Annahme des Gesetzentwurfs unter Einhaltung von Verfahrensvorschriften, die für Verfassungsänderungen gelten , zulassen. Danach wird ein Änderungsentwurf nicht zum Volksentscheid gebracht, wenn der Präsident beschließt, ihn dem als Kongress einberufenen Parlament vorzulegen. Gemäß der Verfassung Griechenlands kann der Präsident der Republik nach Beschluss der absoluten Mehrheit der Abgeordneten die Durchführung einer Volksabstimmung über besonders wichtige nationale Fragen anberaumen. Eine solche Abstimmung ist in der politischen Praxis bindend; eine verfassungsrechtlich vorgesehene Bindung gibt es nicht. Die Verfassung Irlands hält für jeden Integrationsschritt eine spezifische Verfassungsänderung für nötig. Die Verfassung kann nur durch ein vom Parlament angenommenes und per Referendum gebilligtes Gesetz geändert werden. Das Ergebnis des durchgeführten Referendums ist bindend . Im Juni 2008 sprachen sich die Iren im einzigen Referendum zum Vertrag von Lissabon gegen die Ratifikation aus. In einem zweiten Referendum vom 2. Oktober 2009 stimmten die Iren Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 8 schließlich für den Vertrag von Lissabon, so dass mit der Hinterlegung der unterzeichneten Vertragsurkunde auch die Ratifizierung in Irland abgeschlossen werden konnte. In Italien kennt die Verfassung ein fakultatives, aber bindendes Referendum bei Verfassungsänderungen . Außerdem kann das Parlament ein konsultatives Referendum auslösen. Explizit ausgeschlossen sind Referenden über die Ermächtigung zur Ratifikation internationaler Verträge. Die Verfassung Lettlands regelt ein bindendes, obligatorisches Referendum für die Änderungen bestimmter Artikel der Verfassung mit einem Zustimmungsquorum von mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten. Referenden über Vereinbarungen mit anderen Staaten sind untersagt. Um dennoch ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft zu ermöglichen, wurde ein entsprechendes verfassungsänderndes Gesetz erarbeitet, welches ein obligatorisches, bindendes Referendum über die EU-Mitgliedschaft und ein Referendum über sämtliche Änderungen der Bedingungen von Lettlands EU-Mitgliedschaft vorsieht, wenn die Hälfte der Mitglieder des Parlaments es verlangt. In der Verfassung Litauens ist ein obligatorisches Referendum über das Inkrafttreten der Verfassung mit einem Zustimmungsquorum von 50 Prozent normiert. Außerdem regelt die Verfassung ein obligatorisches Referendum für Änderungen bestimmter Artikel. Außerdem sollen die wichtigsten Fragen des Lebens des Staates und des Volkes durch Referendum entschieden werden, welches auch auf Initiative von mindestens 300 000 wahlberechtigten Bürgern durchgeführt werden kann. Die Verfassung Luxemburgs erwähnt ein fakultatives und konsultatives Referendum. Danach können in den Fällen und unter den Bedingungen, die vom Gesetzgeber zu bestimmen sind, die Wähler aufgerufen werden, durch Referendum abzustimmen. Die Verfassung Maltas sieht keine Regelungen zu Referenden vor. Für den Beitritt zur EU wurde ein Sondergesetz zur Durchführung einer Volksbefragung verabschiedet. In der Verfassung der Niederlande findet sich keine Rechtsgrundlage zur Durchführung von Referenden auf nationaler Ebene. Nach der niederländischen Verfassung kann jedoch ein einmaliges Ad-hoc-Gesetz von Regierung und Parlament erlassen werden, das ein konsultatives Referendum erlaubt. Auf dieser Rechtsgrundlage wurde das erste und einzige Referendum auf nationaler Ebene abgehalten: über die Europäische Verfassung mit negativem Ausgang. Die Verfassung Österreichs sieht ein obligatorisches Verfassungsreferendum für Gesamtänderungen und ein fakultatives Referendum bei Teiländerungen der Verfassung vor, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrats oder des Bundesrats verlangt wird. Außerdem regelt die Verfassung ein fakultatives, konsultatives Referendum über Angelegenheiten von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung auf Beschluss des Nationalrats. Der Beitritt Österreichs zur EU wurde als Änderung der Grundstruktur der Verfassung angesehen und unterlag deshalb einem obligatorischen Referendum. Die Verfassung Polens normiert ein fakultatives, vom Parlament initiiertes Referendum bei der Übertragung von Hoheitsgewalt auf eine internationale Organisation oder ein internationales Organ durch einen völkerrechtlichen Vertrag. Daneben gibt es ein fakultatives bindendes Verfassungsreferendum für die Änderung einzelner Kapitel auf Initiative des Präsidenten, des Senats Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 9 oder eines Fünftels der Abgeordneten. Zusätzlich existiert ein außerordentliches fakultatives Referendum in Angelegenheiten von besonderer Bedeutung für den Staat im Einvernehmen von Präsident, Senat und absoluter Mehrheit des Parlaments. In Portugal kann der Staatspräsident auf Vorschlag der Regierung oder des Parlaments ein Referendum über Fragen von erheblichem nationalen Interesse durchführen, die von der Versammlung der Republik oder von der Regierung durch Abschluss internationaler Konventionen oder durch Gesetzgebungsakte entschieden werden müssen. Ein Referendum kann auch aus der Initiative von Bürgern hervorgehen. Seit der Verfassungsänderung vom Juni 2005 kann auch in Bezug auf die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge ein Referendum durchgeführt werden; ein Referendum über europäische Verträge gab es aber bisher nicht. Gemäß der Verfassung Rumäniens kann der Präsident nach Konsultation des Parlaments das Volk auffordern, seinen Willen in Bezug auf Fragen von nationalem Interesse durch ein Referendum zu äußern. Außerdem kennt die rumänische Verfassung noch obligatorische Referenden für die Entlassung des Präsidenten aus dem Amt und zur Bestätigung einer Verfassungsänderung. Die Verfassung Schwedens sieht die Möglichkeit konsultativer Volksabstimmungen aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses im Parlament vor. Außerdem kann eine Minderheit von mindestens einem Zehntel der Abgeordneten im Parlament eine Verfassungsänderung zeitgleich mit einer nationalen Parlamentswahl zur Volksabstimmung bringen, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten für den Antrag stimmt (fakultatives Verfassungsreferendum). Die Vorlage gilt als abgelehnt , wenn die Mehrheit der Abstimmungsteilnehmer dagegen stimmt und ihre Zahl größer ist als die Hälfte der bei den gleichzeitig stattfindenden Reichstagswahlen abgegebenen gültigen Stimmen. Die Verfassung der Slowakischen Republik normiert ein obligatorisches Referendum über die Verbindung mit oder die Trennung von einer Union mit anderen Staaten. Ein fakultatives Referendum kann auch zur Entscheidung anderer wichtiger Fragen von öffentlichem Interesse angeordnet werden. Daneben ist der Präsident verpflichtet, bei einer von 350 000 Bürgern unterstützten Petition oder einer Resolution des Nationalrats ein Referendum durchzuführen. Die Verfassung Sloweniens regelt ein fakultatives Referendum bei Verfassungsänderungen auf Initiative von mindestens 30 der 90 Abgeordneten. Außerdem kann die Nationalversammlung vor der Ratifikation eines internationalen Abkommens, durch welches die Ausübung der Teile der souveränen Rechte auf internationale Organisationen übertragen werden, einen Volksentscheid ausschreiben. Die Verfassung Spaniens schreibt bei einer Gesamtrevision oder bei fundamentalen Änderungen der Verfassung ein obligatorisches Verfassungsreferendum vor. Für weniger fundamentale Änderungen der Verfassung normiert sie ein fakultatives Verfassungsreferendum auf Initiative eines Zehntels der Mitglieder einer der beiden Kammern. Beide Verfassungsreferenden sind bindend. Schließlich kennt die Verfassung ein konsultatives Referendum über wichtige politische Fragen. Hierbei handelte es sich um ein nicht bindendes fakultatives Referendum auf Vorschlag des Ministers und Genehmigung durch den Kongress. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 10 In der Tschechischen Republik existiert keine Verfassungsbestimmung zu Referenden. Allerdings wurde 2002 ein spezielles Gesetz für EU-Fragen geschaffen, das Referenden ermöglicht. Gemäß der Verfassung Ungarns muss eine landesweite Volksabstimmung auf Anregung von mindestens 200 000 Bürgern abgehalten werden, deren Ergebnis für das Parlament verbindlich ist. Sie ist erfolgreich, wenn mindestens die Hälfte der abstimmenden Bürger, doch wenigstens mehr als ein Viertel aller wahlberechtigten Bürger auf die formulierte Frage eine identische Antwort geben. Ferner kann das Parlament eine landesweite Volksabstimmung auch auf Initiative des Präsidenten der Republik, der Regierung beziehungsweise eines Drittels der Parlamentsabgeordneten oder auf Anregung von 100 000 wahlberechtigten Bürgern anordnen. Über die sich aus einem bereits geltenden internationalen Vertrag ergebenden Verpflichtungen bzw. über den Inhalt der die Verpflichtungen beinhaltenden Gesetze darf keine landesweite Volksabstimmung abgehalten werden. Das Vereinigte Königreich verfügt über keine geschriebene Verfassung. Nationale Referenden sind in der britischen Verfassungstradition nicht verankert. Entsprechend dem Prinzip der Parlamentssouveränität kann das Parlament ein Gesetz einem Referendum unterstellen. Bisher hat ein Europareferendum auf der Grundlage eines hierzu speziell erlassenen Referendumsgesetzes stattgefunden. In der Verfassung Zyperns sind Referenden nicht vorgesehen. 3.2. Direkte Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorgaben des Grundgesetzes Für den Bereich des Bundes sind im Grundgesetz (GG) Abstimmungen nur in Art. 29 (Neugliederung des Bundesgebietes), Art. 118 (Neugliederung der badischen und württembergischen Länder ) und Art. 118a (Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg) vorgesehen. Das Grundgesetz ist auf eine fast ausschließlich mittelbare Ausübung von Staatsgewalt, die sogenannte repräsentative Demokratie, festgelegt.18 Hintergrund für den bewussten Verzicht auf plebiszitäre Elemente durch den Parlamentarischen Rat dürften wohl die demagogischen Praktiken der extremistischen Parteien in der Weimarer Republik gewesen sein, die zu einem tiefen Misstrauen gegenüber einer unmittelbaren Volksherrschaft führten.19Auf Landesebene ist eine direkte Beteiligung des Volkes an der Ausübung von Staatsgewalt in weiterem Umfang möglich.20 18 Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 20, Rn. 33. 19 Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz Kommentar, 11. Auflage 2008, Einl. S. 21. 20 Vgl. insgesamt zu den folgenden Ausführungen (Fn. 8) sowie Neumann, Sachunmittelbare Demokratie im Bundes- und Landesverfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder, 1. Auflage 2009, S. 337ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 11 3.3. Direkte Demokratie in den Verfassungen der Bundesländer Den verschiedenen Verfahrensmodellen in den Verfassungen der Bundesländer und in den einschlägigen Gesetzen über Volksbegehren und Volksabstimmungen ist gemein, dass dem Volksbegehren eine erste Unterschriftensammlung als Zulassungsantrag auf Durchführung des Volksbegehrens vorausgeht. Weiter werden die Landesverfassungen in ein sogenanntes Zweistufen- bzw. Dreistufenmodell eingeordnet. Diese Kategorisierung stellt darauf ab, ob sich der Landtag inhaltlich mit dem Antrag zu befassen hat (Dreistufenmodell) oder ob er bzw. die Landesregierung lediglich die Zulässigkeit des Volksbegehrens prüft und erst nach Durchführung des Volksbegehrens eine inhaltliche Prüfung vornimmt (Zweistufenmodell). Im Fall des Dreistufenmodells haben die Initiatoren bei der Parlamentsbehandlung ein Rederecht , so dass sie selbst den Volksvertretern ihren Vorschlag erläutern können. Das Volksbegehren wird nur dann durchgeführt, wenn der Landtag dem Anliegen nicht entsprochen hat und das Volksbegehren von ihm als zulässig erachtet wird. Im Anschluss daran folgt eine zweite Unterschriftensammlung . In einigen Bundesländern ist keine freie Unterschriftensammlung vorgesehen , es hat eine Eintragung in den Amtsräumen stattzufinden.21 Bei einem erfolgreichen Volksbegehren bedarf es zwingend eines Volksentscheides. In Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg- Vorpommern und Rheinland-Pfalz fordert der Landesgesetzgeber vor der Durchführung des Volksentscheides eine zweite Parlamentsbehandlung mit der Chance auf Übernahme der Vorlage. In einigen Bundesländern ist ein Volksentscheid nur erfolgreich, wenn die Mehrheit der Abstimmenden und zugleich ein bestimmter Prozentsatz der Stimmberechtigten im Sinne des Begehrens entscheiden, wobei zum Teil bei Verfassungsänderungen zusätzlich eine Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden erforderlich ist.22 Beim zweistufigen Verfahrensmodell erfolgt nach der Durchführung der ersten Unterschriftensammlung nur eine Prüfung der Zulässigkeit durch die Innenministerien bzw. Landesregierungen , jedoch keine inhaltliche Befassung mit der Initiative durch das Parlament. Bei erfolgreicher Zulässigkeitsprüfung folgt eine zweite Unterschriftensammlung, mithin das Volksbegehren (1. Stufe). Erst nach Überwindung dieser Hürde befasst sich der Landtag mit den Anliegen der Bürger . Bei Ablehnung der Gesetzesvorlage durch das Parlament kommt es zum Volksentscheid (2. Stufe). Bei unveränderter Übernahme der Gesetzesvorlage durch das Parlament entfällt dieser.23 3.3.1. Das zweistufige Verfahrensmodell am Beispiel Baden-Württembergs Neben Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen folgt Baden-Württemberg dem zweistufigen Verfahrensmodell, das im Folgenden stellvertretend für die anderen genannten Bundesländer dargestellt werden soll. Rechtsgrundla- 21 Rehmet, Direkte Demokratie in den deutschen Bundesländern, in: Schiller/Mittendorf (Hrsg.), Direkte Demokratie, 2002, S. 102 (104). 22 Rehmet, (Fn. 21), S. 102 (106). 23 Schaal, Das Verfahren zur Herbeiführung eines Volksentscheides als Filter am Beispiel eines Drei- Länder-Vergleichs, in Schiller/Miittendorf (Fn. 21), S. 153 (155). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 12 gen für die Durchführung von Volksabstimmungen und Volksbegehren in Baden-Württemberg bilden Art. 59, 60 der Verfassung (BaWüVerf)24, das Gesetz über Volksabstimmung und Volksbegehren (VAbstG)25 sowie die Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Volksabstimmungsgesetzes (LStO)26. Nach Maßgabe des § 25 VAbstG muss der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens von mindestens 10 000 Unterzeichnern, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung zum Landtag wahlberechtigt sind, gestellt werden. Gegenstand eines Volksbegehrens kann ein Gesetz, die Änderung der Landesverfassung oder die Auflösung des Landtages sein. Die Zulassung ist schriftlich bei dem Innenministerium zu beantragen, wobei mitgeteilt werden soll, in welchen Gemeinden Eintragungslisten ausgelegt werden. Der Antrag ist gem. § 27 Abs. 1 VAbstG zuzulassen, wenn dieser vorschriftsmäßig gestellt ist. Für den Fall, dass Gegenstand des Volksbegehrens die Einbringung einer Gesetzesvorlage ist, bedarf es der Beifügung eines ausgearbeiteten und mit Gründen versehenden Gesetzentwurfes, der der Landesverfassung nicht widersprechen darf. Eine Frist für die Sammlung der Unterschriften von 10 000 zum Landtag stimmberechtigten Personen ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht einzuhalten. Das Innenministerium setzt den Landtag und die Regierung vom Eingang des Antrages nach § 27 Abs. 1 VAbstG in Kenntnis und entscheidet binnen drei Wochen über seine die Zulassung. Wird der Antrag abgelehnt , so können die Vertrauensleute der Antragsteller binnen zwei Wochen nach Zugang der Entscheidung hiergegen den Staatsgerichtshof anrufen, § 27 Abs. 3 VAbstG. Das Volksbegehren ist gem. Art. 59 Abs. 2 BaWüVerf zustande gekommen, wenn es von mindestens einem Sechstel der Wahlberechtigten gestellt wird. Letztere müssen sich innerhalb der Eintragungsfrist , welche vom Innenministerium festgelegt wird und in der Regel vierzehn Tage beträgt , in die in Amtsräumen ausgelegten Listen eingetragen haben. Der Landesabstimmungsausschuss ermittelt die Gesamtzahl der gültigen Eintragungen und teilt das Ergebnis dem Landtag und der Regierung mit, § 37 VAbstG. Die Feststellung, ob das Volksbegehren gemäß § 37 Abs. 2 VAbstG zustande gekommen ist, kann durch Einspruch beim Staatsgerichtshof angefochten werden . Wird einer durch Volksbegehren eingebrachten Gesetzesvorlage durch den Landtag nicht unverändert zugestimmt, so ist dieses gem. Art. 60 Abs. 1 BaWüVerf zur Volksabstimmung zu bringen. Der Landtag hat in diesem Fall die Möglichkeit, dem Volk zusätzlich einen eigenen Gesetzentwurf zur Entscheidung vorzulegen. Bei der Volksabstimmung über eine eingebrachte Gesetzesvorlage entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Ein Gesetz ist dann beschlossen , wenn mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten zustimmt, Art. 60 Abs. 5 BaWüVerf. Für eine Verfassungsänderung im Wege einer Volksabstimmung erhöht sich das Quorum dergestalt, dass es der Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten bedarf, Art. 64 24 Verfassung des Landes Baden – Württemberg (BaWüVerf) vom 11. November 1953, GBl. S. 173, zuletzt geändert durch Gesetz am 6. Mai 2008 (GBl. S. 119). 25 Gesetz über Volksabstimmung und Volksbegehren (Volksabstimmungsgesetz- VAbstG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1984, GBl. S. 177. 26 Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Volksabstimmungsgesetz (Landesstimmordnung – LStO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1984, GBl. S. 170, zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 21. Februar 2000, GBl. S. 170. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 13 Abs. 3 BaWüVerf. Volksabstimmungen können nach Maßgabe des § 21 VAbstG binnen eines Monates nach öffentlicher Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses schriftlich beim Staatsgerichtshof durch begründeten Einspruch angefochten werden. Einspruchsberechtigt ist jeder Stimmberechtigte. 3.3.2. Das dreistufige Verfahrensmodell am Beispiel Brandenburgs Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein sowie Brandenburg besitzen ein dreistufiges Verfahrensmodell. In Brandenburg stellen Art. 75 ff. der Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf)27, das Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative , Volksbegehren und Volksentscheid (VAGBbg)28 sowie die Verordnung über das Verfahren bei Volksbegehren im Land Brandenburg (VVVBbg)29 die insoweit einschlägigen Rechtsgrundlagen dar. Die erste Verfahrensstufe bildet die Volksinitiative. Das Recht, eine Volksinitiative einzubringen , steht nach Art. 76 BgbVerf allen Einwohnern unabhängig von ihrer Stimmberechtigung zu. Volksinitiativen dürfen keinen Gegenstand beinhalten, zu dem während der vergangenen zwölf Monate erfolglos ein Volksentscheid durchgeführt wurde. Die Initiative muss den mit Gründen versehenen Wortlaut eines Gesetzentwurfes oder einer anderen Vorlage nach § 5 VAGBbg enthalten und bedarf zu ihrer Zulassung der Unterzeichnung durch mindestens 20 000 Stimmberechtigte. Gem. § 6 VAGBbg darf die Unterzeichnung frühestens ein Jahr nach Eingang der Volksinitiative beim Landtag erfolgt sein. Der Präsident des Landtages veranlasst unverzüglich nach Eingang der Volksinitiative die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen durch den Landesabstimmungsleiter. Letzterer legt innerhalb eines Monats einen Bericht über das Ergebnis der Prüfung vor, § 9 Abs. 5 VAGBbg. Der Hauptausschuß beschließt nach Vorliegen des Prüfungsergebnisses über die Zulässigkeit der Volksinitiative, § 9 Abs. 6 VAGBbg. Im Anschluss daran entscheidet der Landtag auf Grundlage der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses innerhalb von vier Monaten nach deren Eingang beim Präsidenten des Landtages über den Gesetzentwurf . Im Falle der Ablehnung des Gesetzentwurfes durch den Landtag findet auf Verlangen der Vertreter der Volksinitiative gem. Art. 77 Abs. 1 BbgVerf ein Volksbegehren statt. Das Verlangen nach Durchführung eines Volksbegehrens ist dem Präsidenten des Landtages binnen eines Monats nach der Bekanntgabe des Landtagsbeschlusses schriftlich anzuzeigen, § 13 Abs. 1, 2 VAGBbg. Hält die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtages das Volksbegehren für unzulässig, haben sie innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige das Verfassungsgericht 27 Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf) vom 22. August 1992, GVBl. S. 298, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 7. Juli 2009, GVBl. S. 191. 28 Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz – VAGBbg) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. April 1993, GVBl. S. 94, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 27. Mai 2009 GVBl. II, S.157, 159. 29 Verordnung über das Verfahren bei Volksbegehren im Land Brandenburg (Volksbegehrensverfahrensordnung – VVVBbg) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 1993, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juni 2009, GVBl. S. 386, 389. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 14 des Landes anzurufen, § 13 Abs. 3 VAGBbg. Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn nach Ablauf der Eintragungsfrist von vier Monaten mindestens 80 000 Stimmberechtigte Personen durch Eintragung in die in Amtsräumen ausliegenden Listen zugestimmt haben, § 21 Abs. 5 VAGBbg. Eine solche Feststellung erfolgt gem. § 21 Abs. 4 VAGBbg durch das Präsidium des Landtages. Entspricht der Landtag nicht binnen zwei Monaten dem Volksbegehren, so findet innerhalb von weiteren drei Monaten ein Volksentscheid statt, Art. 78 Abs. 1 BbgVerf, wobei der Landtag einen konkurrierenden Gesetzentwurf mit zur Abstimmung stellen kann. Ein Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage nach Artikel 76 ist durch Volksentscheid angenommen, wenn die Mehrheit derjenigen , die ihre Stimme abgegeben haben, jedoch mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten, zugestimmt hat. Für Verfassungsänderungen verlangt Art. 78 Abs. 3 BbgVerf die Zustimmung von zwei Dritteln der Abstimmenden, mindestens jedoch der Hälfte der Stimmberechtigten, die für die Verfassungsänderung gestimmt haben. Es zählen nur die gültigen Ja-und Nein-Stimmen. Sofern mehrere Gesetzentwürfe mit dem gleichen Gegenstand zur Abstimmung stehen, sind diese auf einem Stimmzettel aufzuführen (§ 44 Abs. 4 VAGBbg). Jeder Stimmberechtigte hat in einem solchen Fall nur eine Stimme, § 45 Abs. 3 VAGBbg. 4. Vor- und Nachteile direkter Demokratie aus Sicht der Literatur Während das Recht zur Mitwirkung an der Auswahl des politischen Führungspersonals, d.h. der Wahl der Abgeordneten des Parlaments, in allen demokratischen Verfassungen fest verankert ist, gehen die Vorstellungen über weitere, mit dem Repräsentationsprinzip vereinbare Formen politischer Mitwirkung auseinander. 4.1. Argumente für direkte Demokratie Die Befürworter direktdemokratischer Bürgerbeteiligung führen den in der Bevölkerung weit verbreiteten Wunsch nach erweiterter Mitbestimmung an.30 Demokratie bedeute Regierung durch und für das Volk. Wenn Bürger die Entscheidungen selber fällen und dadurch direkt in der Verantwortung sind, seien sie eher bereit, eventuell negative Folgen der Entscheidung mitzutragen. Volksabstimmungen verringerten die Kluft zwischen Staatsmacht und dem Volk. Im Gegensatz zu den Wahlen sei es dem Bürger im Rahmen einer Volksabstimmung auch einmal möglich, über ein eng gefasstes Einzelthema zu entscheiden. Das repräsentative System werde durch die direkte Bürgerbeteiligung ergänzt. Das Parlament bleibe der Ort der politischen Auseinandersetzung und Entschei- 30 Walter-Rogg (Fn. 1), S. 237 (237). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 15 dung. Das Parlament könne jederzeit eigene Gesetze verabschieden; der demokratische Entscheidungsprozess werde durch Volksabstimmungen nicht verzögert.31 Aus den Erfahrungen der Länder mit den dort vorhandenen Elementen direkter Demokratie zeige sich, dass die Volksgesetzgebung in der Vergangenheit zu keiner Gefährdung der Qualität des politischen Entscheidungsprozesses geführt und sich auch keine negativen Rückkoppelungseffekte auf das parlamentarische System, etwa durch Missbrauch, ergeben haben.32 Insofern böten die auf Landesebene bereits vorhandenen Elemente direkter Demokratie eine Orientierungshilfe für die Einführung der Volksgesetzgebung auf Bundesebene. 4.2. Argumente gegen direkte Demokratie Die Gegner direktdemokratischer Partizipation sehen in der Verbindung von repräsentativer und direkter Demokratie eine Verwischung von Verantwortlichkeiten. Direkte Beteiligungsverfahren seien mit der Funktionsweise der repräsentativen Demokratie nur dann kompatibel, wenn sie die abschließende Entscheidung repräsentativen Institutionen überlasse.33 Die Erfahrungen mit Volksabstimmungen in der Weimarer Republik hätten gezeigt: Der Zwang zur Mobilisierung der Massen honoriere nicht die sachliche begründete, sondern die propagandistisch wirksame Stellungnahme. Volksabstimmungen machten nur auf der überschaubaren lokalen Ebene Sinn, da dort die zu entscheidenden Fragen einfacher seien und die Zahl der Abstimmungsberechtigten geringer sei. Das Wesen der Demokratie sei der Kompromiss, nicht eine Ja-oder-Nein-Entscheidung ohne weitere Arbeit an der Lösung. Die Entscheidung politischer Fragen überfordere die Erfahrung und das Wissen vieler Bürger. Gut organisierte, aktive Minderheiten hätten die Möglichkeit, Sonderinteressen gegen eine passive Mehrheit durchzusetzen. Aktuelle Stimmungslagen der Bevölkerung beeinflussten das Ergebnis der Volksabstimmungen. In erster Linie steuerten die Antragsteller den Abstimmungsprozess und die Medien: es bestehe die Gefahr der Manipulation. Parlamentarische Entscheidungen böten im Gegensatz zu Volksabstimmungen ein dokumentiertes und transparentes Verfahren von Lesungen und Debatten. Ein per Volksabstimmung beschlossenes Gesetz erweckten den Anschein größerer Legitimation und sei weniger korrigierbar als parlamentarische Entscheidungen. 31 Vgl. , Plebiszite, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 3000 – 86/09), 2009. 32 Kühling (Fn. 7), S. 777 (783). 33 Vgl. Nachweise bei: Walter-Rogg (Fn. 1), S. 237 (243). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 16 Volksabstimmungen könnten dazu führen, dass das Parlament nur noch weniger wichtige Fragen zu entscheiden hätte. Es sei einfacher im Volk Gegner einer Änderung zu finden, als eine Mehrheit für etwas Neues. Der politische Prozess werde durch einen zusätzlichen Schritt in der Gesetzgebung verlangsamt. 5. Mögliche Einführung einer Volksgesetzgebung auf Bundesebene 5.1. Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widersprechen plebiszitäre Entscheidungsverfahren nicht den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates. In seiner Entscheidung vom 24. März 1982 zur Startbahn West hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es den Ländern freisteht, in ihrer verfassungsmäßigen Ordnung neben der Gesetzgebung durch ihre Parlamente auch ein Volksgesetzgebungsverfahren vorzusehen .34 Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass die Einführung von Elementen direkter Demokratie nicht gegen Art. 20 GG verstieße. 5.2. Notwendigkeit einer Verfassungsänderung Die Staatsgewalt wird nach Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 GG vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Dabei sind Wahlen Personalentscheidungen und Abstimmungen Entscheidungen über Sachfragen. Diese Bestimmung wird nach ganz überwiegender Auffassung so verstanden, dass Abstimmungen nur zulässig sein sollen, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht35. Die beiden einzigen Fälle einer im Grundgesetz vorgesehenen Abstimmung auf Bundesebene sind der Volksentscheid über die Neugliederung des Bundesgebietes nach Artikel 29 GG sowie die Abstimmung über eine Verfassung nach Artikel 146 GG. Den Ländern ist es nach Artikel 28 Abs. 1 GG unbenommen, in ihren Verfassungen im Rahmen ihrer Kompetenz plebiszitäre Elemente vor- 34 BVerfGE 60, 175 [207 f.]. So auch: Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Juni 1978, Art. 20 II, Rn. 97 35 Statt aller: Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Artikel 20 II, Rn. 44 und Sondermann, in: Mangold/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Kommentar, Artikel 20, Rn. 156, jeweils mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 17 zusehen36. Die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren in den Art. 76, 77 GG hingegen beschränkten die Gesetzesinitiative und Gesetzgebung auf die dort genannten Bundesorgane. Daher sei es unzulässig, Abstimmungen über weitere Gegenstände durch einfaches Bundesgesetz einzuführen . Für die Einführung der Volksgesetzgebung auf Bundesebene in Form bindender Referenden bedarf es nach dieser Auffassung einer Verfassungsänderung gem. Art. 79 Abs. 1, 2 GG. Der Gegenauffassung zufolge stellt Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ausweislich seines Wortlautes selbst taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Einführung der Volksgesetzgebung auf Bundesebene dar, so dass eine Verfassungsänderung nicht erforderlich sei.37 Konsultative, also nicht bindende Referenden könnten nach beiden Auffassungen ohne Verfassungsänderung durch einfaches Bundesrecht eingeführt werden, da die genannten Gründe für die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung nicht einschlägig sind.38 Insbesondere verletzt die Einführung der Volksgesetzgebung auf Bundesebene nicht das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf ein „freies Mandat“. Das Ergebnis einer konsultativen Volksbefragung entfaltet ungeachtet seines politischen Gewichts keine rechtliche Bindungswirkung; es liefert lediglich eine politische Entscheidungshilfe. Der durch eine Volksbefragung entstehende faktische Druck reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen das Prinzip des „freien Mandats“ anzunehmen. Erfahrungen mit den in Anwendung des Art. 29 GG durchgeführten Territorialplebisziten belegen, dass Volksbefragungsergebnisse jedenfalls nicht zwingend eine Vorwegnahme der politischen Entscheidung darstellen.39 5.3. Bundesstaatsprinzip Nach Art. 50 GG wirken die Länder über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit. Diese Aufgabenzuweisung ist eine Konkretisierung des in Art. 20 GG verankerten Bundesstaatsprinzips .40 Die Einführung einer Volksgesetzgebung müsste der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung auf Bundesebene Rechnung tragen, Art. 79 Abs. 3 GG. Die in der Vergangenheit vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten für die Ausgestaltung der Länderbeteiligung sehen zum einen die Einbindung des Bundesrates in Form eines Zustimmungserfordernisses und damit die Einführung eines Mischsystems aus Elementen der direkten und in- 36 BVerfGE 60, 175 [208]. Zu Volksbegehren und Volksentscheid in den Ländern siehe: , Direkte Demokratie: Rechtsgrundlagen und Praxis in den deutschen Bundesländern, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3– 336/04), 2004. 37 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20, Rn. 7; Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, ZPR 2004, S. 225 (229). 38 Hölscheidt/Menzenbach (Fn. 10); Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 20, Rn. 111; anders aber: Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Juni 1978, Art. 20 II, Rn. 45, der auf die „moralisch-politische Verbindlichkeit eines Volksbefragungsergebnisses“ abstellt. 39 Hölscheidt/Menzenbach (Fn. 10). 40 Pieroth (Fn. 37), Art. 50, Rn. 1 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 18 direkten Demokratie vor.41 Zum anderen werden Föderalquoren als Ausgestaltungsvarianten einer Länderbeteiligung diskutiert. Die im Jahr 2006 eingebrachten, im Ergebnis aber gescheiterten Gesetzentwürfe der Oppositionsparteien basierten beispielsweise auf diesem Lösungsansatz.42 Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Abstimmung durch das Volk zugleich als Bundesund als Landesvolk gewertet werden könnten. 5.4. Budgetrecht des Parlaments Das Budgetrecht des Parlaments gilt als ein Wesensmerkmal des Demokratieprinzips43, so dass die Entscheidung über den Haushalt in seiner Gesamtheit nicht Gegenstand der Volksgesetzgebung sein kann.44 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied im Jahr 2000, dass solche Gesetzesvorhaben unzulässig seien, die auf den Gesamtbestand des Haushaltes insoweit Einfluss nehmen, als durch ihre Finanzwirksamkeit das haushalterische Gleichgewicht gestört und dadurch mittelbar die parlamentarische Budgethoheit wesentlich beeinträchtigt wird.45 Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlins stellen außerbudgetäre Gesetze die Budgethoheit des Parlaments nicht grundsätzlich in Frage, auch wenn sie die Dispositionshoheit des Parlaments einschränkten. Die Haushaltsverantwortung des Parlaments werde nicht unterminiert, auch wenn seine Planungen und Prioritätensetzungen durch erfolgreiche Volksgesetzgebung modifiziert sein mögen. Das Parlament könne auch plebiszitäre Gesetze jederzeit ganz oder teilweise wieder aufheben.46 6. Bisherige Initiativen zur Verankerung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene Die nachfolgende Zusammenstellung ist beschränkt auf die Initiativen im Deutschen Bundestag zur Einführung von Elementen direkter Demokratie ins Grundgesetz seit der siebten Wahlperiode . 41 Die Einführung eines solchen Mischsystems befürwortet etwa: Kühling (Fn. 7), S. 777 (780); a.A. Engelken, Volksgesetzgebung auf Bundesebene und die unantastbare Ländermitwirkung nach Art. 79 Abs. 3 GG, DÖV 2006, S. 550 (553). 42 Vgl. hierzu die Nachweise unter Fn. 4. 43 BVerfGE 70, 324 [356]; BremStGH NVwZ 1998, 388 (390); NWVerfGH, NVwZ 1982, 188 (189). 44 Kühling (Fn. 7), S. 777 (782). 45 BayVerfGH, NVwZ 2000, 401 (403). 46 VerfGH BE, Urteil vom 6. Oktober 2009, VerfGH 143/08 („Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin“). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 19 6.1. Enquete-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages (1976) Im Kapitel 1 ihres Schlussberichts47 setzte sich die Enquete-Kommission mit der Stärkung der politischen Mitwirkungsrechte der Bürger auseinander. Erörtert wurden unter anderem die Volksbefragung, das Volksbegehren, der Volksentscheid und etwaige andere Möglichkeiten einer Volksinitiative, ebenso die Fragen, von wem eine solche Beteiligung veranlasst werden könne, was Gegenstand einer Befragung des Volkes sein könne und welches gegebenenfalls deren Rechtsfolgen zu sein hätten. Im Ergebnis sah die Kommission die Bedenken gegen plebiszitäre Elemente im Grundgesetz gegenüber deren Chancen als diese überwiegend an und riet davon ab48. Neben der Beratung von plebiszitären Elementen beschäftigte sich die Kommission mit Vorschlägen , die darauf zielten, den Einfluss der Bürger bei den Wahlen zu vergrößern. Ein Vorschlag war, dass die Nominierung von Kandidaten durch Vorwahlen bestimmt werden solle, ein anderer , das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Landeslisten durch ein System begrenzt-offener Listen zu ersetzen. Außerdem prüfte die Kommission die Direktwahl des Bundespräsidenten49. 6.2. Bundesregierung Schmidt (1978) Die Bundesregierung legte einen Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren bei Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbefragung nach Artikel 29 Abs. 6 des Grundgesetzes (Neugliederung des Bundesgebietes) vor50. Die darin enthaltenen Regelungen betrafen ausschließlich das Verfahren, das weitgehend dem bei allgemeinen Wahlen entspricht. Eine Erweiterung der Gegenstände, über die ein Volksentscheid, ein Volksbegehren oder eine Volksbefragung durchgeführt wird, war darin nicht enthalten. Auf die einstimmige Beschlussempfehlung des Innenausschusses beschloss der Bundestag das Gesetz am 26. 4. 197951. Nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens trat es als Gesetz vom 30. 7. 197952 in Kraft. 6.3. SPD-Bundestagsfraktion und A-Länder (1991) Mit Gesetzentwurf vom 4. 6. 1991 wurde vorgeschlagen, über den Sitz von Parlament und Regierung der Bundesrepublik Deutschland per Volksentscheid zu befinden53. In dem begleiteten Gesetzentwurf waren Regelungen über das Verfahren zur Durchführung der Volksabstimmung vor- 47 Schlussbericht vom 9. 12. 1976, Drs. 7/5924. 48 Drs. 7/5924, S. 13. 49 Drs. 7/5924, S. 14 ff., 17 ff., 20 ff.. 50 Gesetzentwurf, Drs. 8/1646. 51 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, Drs. 8/2705; PlenProt 8/148, S. 11850 (D). 52 BGBl. I S. 1317. 53 Gesetzentwurf, Drs. 12/656. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 20 gesehen54. Von den damaligen so genannten A-Ländern, den Ländern Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, wurden im Bundesrat ähnlich formulierte Gesetzesanträge gestellt55. Die Initiatoren sprachen sich nachdrücklich für die stärkere Bürgerbeteiligung auf Bundesebene in Form von Volksinitiative, Volksbefragung und Volksentscheid aus und sahen in ihrem Entwurf den Einstieg in eine generelle und grundsätzliche Debatte über die Aufnahme plebiszitärer Elemente in die Verfassung. Die damalige Mehrheit lehnte die Initiative wegen ihrer generellen Skepsis gegenüber dem Plebiszit ab56. Beide Initiativen scheiterten bereits im Bundestag57. 6.4. Gruppe der PDS/Linke Liste (1992) Mit ihrem Entwurf eines Europa-Abstimmungsgesetzes58 vom 6. 10. 1992 schlug die Gruppe der PDS/Linke Liste vor, über das Zustimmungsgesetz zum Maastrichter Vertrag einen Volksentscheid durchzuführen. Ein solches Gesetz hielt die Initiatorin nach Artikel 20 Abs. 2 GG für zulässig , ohne dass das Grundgesetz geändert werden müsste. Die Initiative scheiterte im Bundestag59. Die CDU/CSU-Fraktion fürchtete, ein Referendum diene nicht der Informationsvermittlung, sondern der Polemik. Die SPD-Fraktion sprach sich für eine generelle Regelung über plebiszitäre Elemente in der Verfassung aus, lehnte eine Volksabstimmung , die lediglich auf den Maastricht-Vertrag ziele, hingegen ab60. 6.5. Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (1992) Der Entwurf der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen eines Gesetzes „zur Einführung von Volksinitiative , Volksbegehren und Volksentscheid im Grundgesetz“61 vom 25. 11. 1992 sah im Wesentlichen vor: Befassung des Parlaments mit einer Sachfrage aufgrund einer Initiative von 100.000 Stimmberechtigten (gleichzeitig erste Stufe für Volksgesetzgebung), 54 Gesetzentwurf, Drs. 12/657. 55 Gesetzesanträge, BRats-Drs. 350/91 und BRats-Drs. 351/91. 56 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Drs. 12/876, S. 2 f.. 57 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Drs. 12/794, 12/876; PlenProt 12/33, S. 2640 (B). 58 Gesetzentwurf, Drs. 12/3353. 59 PlenProt 12/126, S. 10879 (B). 60 Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht )“, Drs. 12/3895, S. 45. 61 Gesetzentwurf, Drs. 12/3826. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 21 Wenn der Bundestag der Volksinitiative nicht innerhalb von sechs Monaten zustimmt: Volksbegehren auf Durchführung eines Volksentscheids bei Vorliegen von einer Million Unterschriften (zweite Stufe), Volksentscheid: Zustandekommen von Gesetzen durch einfache, bei Verfassungsänderungen durch Zweidrittelmehrheit, Zugang der Initiatoren zu den öffentlich-rechtlichen Medien. Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid sollten in einem neuen Artikel 82a im Grundgesetz verankert werden. Das Verfahren sollte in einem „Bundesabstimmungsgesetz“ geregelt werden. Der Vorschlag auf Einführung plebiszitärer Elemente wurde in dem umfassenderen Gesetzentwurf „zur Verfassungsreform“ vom 27. 1. 199462 wiederholt. Die Initiative fand im Bundestag keine Mehrheit63. 6.6. Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat (1993) In Artikel 5 des Einigungsvertrages empfahlen die Vertragsparteien den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands, sich mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen. Im November 1991 setzten der Deutsche Bundestag und der Bundesrat eine gemeinsame Verfassungskommission aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates ein64. Einer der zentralen Beratungsgegenstände war die Frage, ob die Kommission die Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid oder von anderen Formen unmittelbarer Demokratie ins Grundgesetz empfehlen soll. Im Ergebnis gab sie keine Empfehlung ab, da sie zu keiner einheitlichen Beurteilung fand. Einigkeit bestand darüber, dass die Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie nicht in Frage gestellt werden sollte. Meinungsverschiedenheiten gab es darüber, ob dieses System um Elemente unmittelbarer Demokratie, insbesondere um Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid, ergänzt werden könne und solle65. Zwar erzielten entsprechende Vorschläge der SPD in dem Gremium eine Mehrheit, die für eine Empfehlung erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde jedoch verfehlt66. 62 Gesetzentwurf, Drs. 12/6686. 63 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Drs. 12/8165, S. 55; PlenProt 12/238, S. 21033 (D), 21034 (B). 64 Drs. 12//1590, 12/1670; BRats-Drs. 741/91 (Beschluss). 65 Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 83 f. 66 Drs. 12/6000, S. 84. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 22 6.7. SPD-Fraktion (1993) In ihrem Gesetzentwurf vom 1. 12. 199367 fasste die Fraktion der SPD all jene ihrer Vorschläge zusammen, für die sie nicht die Unterstützung der Gemeinsamen Verfassungskommission erhalten hatten: Willen zur Gerechtigkeit und Vollendung der inneren Einheit (Präambel), Datenschutz (Artikel 2a), Behinderte und sexuelle Identität (Artikel 3), Kriegsdienstverweigerung (Artikel 4), Informationszugangsrecht (Artikel 5), Lebensgemeinschaften und Schutz Schwangerer sowie Grundrechte für Kinder (Artikel 6), ziviler Ersatzdienst (Artikel 12a), Förderung von Minderheiten (Artikel 20a), Beschäftigungsförderung (Artikel 20b), Schaffung von Wohnraum(Artikel 20c), Gewährleistung der sozialen Sicherheit (Artikel 20d), Bildungsförderung (Artikel 20e), Tierschutz (Artikel 20f), Friedenspolitik und Rüstungsexporte sowie Verbot von ABC-Waffen (Artikel 26), Massenpetitionen (Artikel 45c), Bundesbeauftragter für Datenschutz (Artikel 45d). Ähnlich dem Entwurf der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen von 199268 sah der Entwurf der SPD einen neuen Artikel 82a mit einem dreistufigen Verfahren aus Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide vor. Im Wesentlichen unterschied er sich in den jeweils erforderlichen Quoren (z.B. 5 v.H. der Stimmberechtigten, also ca. 3 Mio. statt 1. Mio.) und in dem Recht des Bundestages im Volksentscheid einen alternativen Gesetzesbeschluss zum selben Gegenstand zur Abstimmung zu stellen. Auch diese Initiative scheiterte an der Mehrheit im Deutschen Bundestag69. 6.8. Gruppe PDS/Linke Liste (1994) Mit ihrem „Entwurf eine Gesetzes über die Annahme einer neuen Verfassung nach Artikel 146 des Grundgesetzes“ vom 12. 1. 199470 schlug die Gruppe PDS/Linke Liste vor, entsprechend Artikel 146 des Grundgesetzes das deutsche Volk „in freier Entscheidung“ über seine endgültige Verfassung entscheiden zu lassen. Gegenstand des Volksentscheides sollte der dem Gesetzentwurf als Anlage beigefügte Verfassungsentwurf des "runden Tisches" vom April 1990 sein. Der Verfassungsentwurf des "runden Tisches" sah in seinem Artikel 26 neben dem Wahlrecht Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid vor. Nach Artikel 32 sollten 100.000 Stimmberechtige das Recht haben, beim Bundestag einen Gesetzesbeschluss zu beantragen (Volksinitiative). Ein von mindestens 1 Mio. Stimmberechtigten getragenes Volksbegehren, dem der Bundestag nicht innerhalb eines halben Jahres zustimmt, sollte dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden (Artikel 119). 67 Gesetzentwurf, Drs. 12/6323. 68 Drs. 12/3826; siehe oben Punkt 6.5, S. 21. 69 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Drs. 12/8165, S. 47 f.; PlenProt 12/238, S. 21032 (B). 70 Gesetzentwurf, Drs. 12/6570. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 23 Der Entwurf scheiterte im Bundestag71. 6.9. Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (1994) In ihrem Antrag vom 1. 2. 199472 forderte die Gruppe Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, ein Ausführungsgesetz zu Artikel 146 des Grundgesetzes vorzulegen, das die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Prozess der Verfassungsreform gewährleistet und die Verabschiedung der Verfassung im Rahmen eines Referendums regelt. 6.10. Gruppe der PDS (1997) Mit ihrem „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der parlamentarischen Demokratie durch unmittelbare Demokratie“ vom 27. 11. 199773 initiierte die Gruppe der PDS erneut die verfassungsrechtliche Verankerung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden sowie die Erweiterung des Petitionsrechts, insbesondere durch Regelungen für Massenpetitionen. Der Entwurf sah darüber hinaus ein Grundrecht auf politische Teilhabe und ein Recht auf Verfahrensbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren vor sowie die Einrichtung des Amts eines Bürgerbeauftragten. Mit dem Entwurf vorgelegt wurde ein „Gesetz zur Regelung des Verfahrens von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid“ sowie ein „Gesetz zur Stellung und zu den Rechten der oder des Bürgerbeauftragten und des Petitionsausschusses“. Der Entwurf wurde nicht abschließend im Bundestag beraten. 6.11. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (1998) Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volksantrag, Volksbegehren und Volksabstimmung im Grundgesetz vom 24. 3. 199874. Wesentlicher Unterschied zu früheren Initiativen: Mit einem Volksantrag kann neben einem vollständigen Gesetzentwurf eine bloße Aufforderung an das Parlament gerichtet werden, in bestimmter Weise tätig zu werden. In dem Entwurf enthalten war ein „Bundesabstimmungsgesetz“. Der Entwurf wurde vom Bundestag abgelehnt75. 71 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Drs. 12/8165; PlenProt 12/238, S. 21033 (D). 72 Selbständiger Antrag, Drs. 12/6716. 73 Gesetzentwurf, Drs. 13/9280; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Drs. 13/11222. 74 Gesetzentwurf, Drs. 13/10261. 75 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, Drs. 13/11170; PlenProt 13/244, S. 22740B Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 24 6.12. Fraktion der PDS (1999) Entwurf eines Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (dreistufige Volksgesetzgebung) vom 9. 6. 199976: Neben der verfassungsrechtlichen Verankerung von Volksinitiative , Volksbegehren und Volksentscheid als dreistufiger Volksgesetzgebung sah der Entwurf auch ein Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vor. Auch diese Initiative hatte keinen Erfolg77. 6.13. Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (2002) Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz vom 13. 3. 200278. Anders als in früheren Initiativen sollten Volksinitiativen über das Haushaltsgesetz, über Abgabengesetze , Dienst- und Versorgungsbezüge, die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie über eine Wiedereinführung der Todesstrafe ausgeschlossen sein. Bundesregierung , eine Landesregierung sowie ein Drittel der Mitglieder des Bundestages sollten gegenüber einem Volksbegehren das Recht zur antizipierten Normenkontrolle erhalten. Die Beteiligungsrechte der Länder an der Gesetzgebung des Bundes über den Bundesrat sollten beim Volksentscheid dargestellt gewahrt werden, dass das Ergebnis der Abstimmung in einem Land als Abgabe seiner Bundesratsstimme gilt. Dieser Entwurf war die erste Initiative zur Einführung plebiszitärer Elemente ins Grundgesetz, die im Deutschen Bundestag eine Mehrheit erhielt79. Wegen Nichterreichen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit scheiterte sie gleichwohl. 6.14. Fraktion der FDP (2003/2004) Mit ihrem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23) zur Einführung eines Volksentscheids über eine europäischen Verfassung“ vom 4. 6. 200380, wiederholt eingebracht am 28. 4. 200481, schlug die Fraktion der FDP vor, die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu einem Vertrag, mit dem eine europäische Verfassung eingeführt wird, von einem Volksentscheid abhängig zu machen. Für eine Zustimmung sollte die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, mindestens aber ein Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten erforderlich sein. 76 Gesetzentwurf, Drs. 14/1129. 77 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, Drs. 14/2151; PlenProt 14/87, S. 8134 (C). 78 Gesetzentwurf, Drs. 14/8503. 79 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, Drs. 14/9260; PlenProt 14/240, S. 24032 (B). 80 Gesetzentwurf, Drs. 15/1112. 81 Gesetzentwurf, Drs. 15/2998. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 346/10 Seite 25 Die Mehrheit im Bundestag äußerte große Sympathie für das Anliegen, wies aber auf ihre eigene Initiative zur Einführung plebiszitärer Elemente, die nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten hatte82, hin und lehnte den Entwurf mit der Begründung ab, es wäre nicht sinnvoll, nur in einem Einzelfall einen Volksentscheid durchzuführen83. 82 Siehe oben Punkt 6.13, S. 24. 83 Beschlussempfehlungen und Berichte des Innenausschusses, Drs. 15/1897 und 15/4796, PlenProt 15/72, S. 6185 (A) bzw. 15/172, S. 16167 (A).