AUSARBEITUNG Thema: Aktuelle Rechtsprechung zu Art. 5 GG, insbesondere zur Definition des Begriffs „Meinung“ Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 16. Dezember 2005 Reg.-Nr.: WF III - 346/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 3 2. Aktuelle Probleme und Tendenzen in der Rechtsprechung 4 2.1. Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung 4 2.1.1. Der Meinungsbegriff 4 2.1.2. Tatsachenbehauptung 5 2.2. Mehrdeutigkeit 6 2.3. Offene Fragen 6 2.4. Schlussfolgerungen 7 2.5. Rechtsbegriffe 7 2.6. Unwahre Tatsachenbehauptungen und Medien 7 2.7. Satirische Aussagen und Schmähkritik 8 2.8. Verbreiten einer Aussage und Verdachtsberichterstattung 9 3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Art. 5 Abs. 1 GG 9 3.1. Ausgangspunkt: Schrankensystematik des Art. 5 GG 9 3.2. Das Spannungsverhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 10 - 3 - 1. Einleitung Nach Art. 5 Abs. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten. Zusammen mit den weiteren Kommunikationsfreiheiten, die Information aus allgemein zugänglichen Quellen als Voraussetzung der Meinungsbildung sowie die Formen der Meinungsverbreitung durch Massenmedien (Presse, Rundfunk und Film) bildet die Meinungsfreiheit die Grundlage der demokratischen Kommunikations - und Medienordnung der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betont in seiner Rechtsprechung immer wieder den überragenden Rang dieser Freiheitsrechte für einen pluralistisch-demokratischen Verfassungsstaat1. Schon 1958 im „Lüth-Urteil“ hat es die Meinungsfreiheit als für eine freiheitliche Demokratie „schlechthin konstituierend“ bezeichnet. Welch praktische Bedeutung das Recht auf Meinungsfreiheit hat, zeigt sich schon daran , dass sich das höchste deutsche Gericht allein in den letzten 5 Jahren annähernd 50 mal mit dieser Thematik befasst hat. Diese Entscheidungen machen deutlich, dass sich die Rechtsprechung im Wesentlichen mit zwei Problemkomplexen um den Schutzbereich und die Grenzen der Meinungsfreiheit auseinander zu setzen hatte: Zum einen beschäftigte die Gerichte vielfach das Spannungsverhältnis von allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit. Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit diesem Problemkomplex im Rahmen der Bild- und Wortberichterstattung bildet – besonders in der medialen Öffentlichkeit - das „Caroline von Hannover-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)2. Ein weiterer Schwerpunkt zeigt sich im Kontext der Beeinträchtigungen durch persönlichkeitsverletzende Tatsachenbehauptungen. Hier stellen sich Fragen nach Prüfkriterien , Abwägungsmaßstäben zur Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung , sowie daraus resultierende Pflichten des Äußernden. Aus jüngster Zeit datiert hierzu der Beschluss des BVerfG zur Bezeichnung des Bundesministers a. D. Stolpe als „IM-Sekretär“3, 1 BVerfGE 7, 198 (208); 35, 202 (221 f.); 71, 206 (219f.); 82, 272 (281 f.) 2 EGMR, Urteil vom 24.06.2004 – 59320/00, NJW 2004, 2647 3 BVerfG, 1 BvR 1696/98 vom 25.10.2005 - 4 - Einen Ansatz im Hinblick auf diese Prüfkriterien bietet die Rechtsprechung der vergangenen Jahre gerade im Hinblick auf den Ausbau und die Fortentwicklung der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit Entscheidungen zum Verhältnis von kommerzieller Werbung und Wettbewerbsrecht („Benetton-Urteil“ bzw. „Schockwerbung“)4. Hier werden vor allem Probleme der Mehrdeutigkeit von Aussagen angesprochen. 2. Aktuelle Probleme und Tendenzen in der Rechtsprechung 2.1. Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung Betrachtet man aktuelle Probleme des Presse- und Äußerungsrechts, so stößt man immer wieder auf Schwierigkeiten bei der Auslegung inkriminierter Äußerungen und deren Zuordnung zu den Bereichen Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung. Nach den Grundsätzen des BVerfG ist eine Aussage im Zweifel als Meinungsäußerung einzustufen, insbesondere dann, wenn sich tatsächliche und wertende Elemente vermischen 5. Art. 5 Abs. 1 GG schützt die unterschiedlichsten Verhaltensweisen. Ausgehend von dem Recht, die Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten, ist letztlich jede Art und Weise der Äußerung erfasst6. Hier knüpft wiederum die Grenzziehung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung an, welche in der jüngsten Rechtsprechungspraxis häufig Bestandteil von Entscheidungen war7. Denn die Vermengung wertender und tatsächlicher Bestandteile einer Äußerung bildet den Kern vieler Entscheidungen, und tritt besonders in Fällen journalistischer Wortberichterstattung bei unechten Fragen, Mehrdeutigkeiten oder verdeckten Behauptungen auf. 2.1.1. Der Meinungsbegriff In der Beurteilung des BVerfG ist der Begriff Meinung durch das Element der Stellungnahme , des Dafürhaltens, der Beurteilung geprägt8. Das Stellung beziehende Dafürhalten ist eine präskriptive Wertung, d.h. jede (persönlich ) Ansicht, Auffassung, Anschauung, Überzeugung, Einschätzung, Stellungnahme 4 BVerfG NJW 2003, 1303 5 BVerfG 85, 1 6 BVerfGE 54, 129 (138 f.); 76, 171 (192) 7 BGH WRP 2004, 367; BVerfG NJW 2003, 1303; BVerfG NJW 2004, 1942 8 BVerfGE 61, 1 (8) - 5 - und (Wert-) Urteil9. Für Meinungen ist demnach der subjektive Bezug zwischen dem Einzelnen und dem Gegenstand seiner Äußerung kennzeichnend10. Meinungen können aufgrund ihrer Subjektabhängigkeit nicht wahr oder unwahr, sondern nur wahrhaftig oder unaufrichtig, überlegt oder unbedacht, rational oder emotional, begründet oder grundlos sein11. Ferner ist Meinung als Begriff „grundsätzlich weit zu verstehen“12. Es gibt keine thematische oder zweckorientierte Einschränkung des Meinungsverständnisses, so dass eine Meinungsäußerung politisch, privat oder wirtschaftlich motiviert sein kann13. Mithin kommt es auch nicht auf Art und Qualität der Meinung an. So hat das BVerfG 2002 entschieden, dass selbst abwertende oder verletzende Formulierungen einer Aussage zum Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gehören14. 2.1.2. Tatsachenbehauptung Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit erstreckt sich grundsätzlich –jedoch nicht so umfassend- auch auf die Behauptung von Tatsachen, weil und soweit sie meinungsbezogen sind und damit ihrerseits zur Meinungsbildung beitragen15. Schwierigkeiten bereitet hierbei, dass Tatsachenbehauptungen im Gegensatz zu Meinungsäußerungen wahr oder unwahr sein können, indes unrichtige Information unter dem Blickwinkel der Meinungsbildung kein schützenswertes Gut ist16. Einschränkend gilt jedoch, dass nicht per se jede unrichtige Tatsachenbehauptung dem Grundrechtsschutz entzogen ist, vielmehr sieht das BVerfG Tatsachenbehauptungen als Bestandteil eines Kommunikationsprozesses an, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit nicht feststeht. Daher sind nur diejenigen Äußerungen ausgenommen, deren Unwahrheit der Äußernde kennt, also die bewusste Lüge, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht17. 9 vgl. Schulze-Fielitz, Hellmuth, in Dreier, Horst, Grundgesetz Kommentar Band I, Art. 5 Rn 62, 2. Auflage, Tübingen 2004 10 BVerfGE 33, 1 (14); 90 241 (247) 11 Grimm, Dieter, in NJW 1995, 1698 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung 12 BVerfGE 61, 1 (9); 71, 162 (179); 90, 241 (247 ff.) 13 vgl. Schulze-Fielitz, Hellmuth aaO 14 BVerfG NJW 2003, 660 15 BVerfGE 61 1 (8) 16 BVerfGE 54, 208 (219); zuletzt BVerfG, BvR 1696/98 vom 25.10.2005 – „Fall Stolpe“ 17 BVerfGE 90, 241 (249, 254); 99 185 (197); BVerfG NJW 2003, 1855; in der Literatur bestritten vgl. Schulze-Fielitz, Hellmuth, in Dreier, Horst, Grundgesetz Kommentar, Art. 5 GG Rn 65 - 6 - 2.2. Mehrdeutigkeit Mithin hängt diese Entscheidung, ob eine bestimmte Äußerung getätigt werden darf oder nicht, immer von ihrem Sinn, ihrer Deutungsmöglichkeit ab18. Prominentes Beispiel aus der Rechtsprechungsgeschichte hierzu ist die Entscheidung zu dem Aufkleber „Soldaten sind Mörder“ (Tucholsky-Zitat)19. Ist eine Aussage mehreren Deutungen zugänglich, dann darf sich ein Gericht nicht für die Auslegung entscheiden, die zur Verurteilung führt, ohne zuvor andere Auslegungen, die eine Verurteilung vermeiden würden, mit überzeugenden Gründen auszuschließen20. In der Entscheidung „Klinik Monopoly“ des BGH21 hat das Gericht diese Grundsätze nochmals bestätigt und vor allem auf den Kontext, in dem die Aussage getätigt wurde, bei der Beurteilung abgestellt. Demgegenüber lässt das BVerfG in seiner „Benetton-Werbung II“-Entscheidung22 bei Mehrdeutigkeit einer Aussage „nachvollziehbare Gründe“ für die gefundene Entscheidung ausreichen, wobei bei der Ermittlung der Deutung der Kontext zu berücksichtigen ist und der Äußerung kein zur Verurteilung führender Sinn zugeschrieben werden darf, den sie objektiv nicht haben kann. Den Aspekt der Mehrdeutigkeit greift auch die „Stolpe-Entscheidung“23 des BVerfG auf, da es um die Beurteilung der zivilrechtlichen Sanktionierung der Tatsachenbehauptung geht, der Beschwerdeführer habe als „IM-Sekretär“ im Dienste der Staatssicherheit gestanden. Hier kam es für die Verurteilung zum Unterlassen der Behauptung auf die zugrunde zu legenden Deutungsvarianten der Äußerung an, um schließlich zu den Wahrheits-, Sorgfalts- und Nachforschungspflichten des Äußernden Stellung nehmen zu können. 2.3. Offene Fragen Die Auslegung eines Fragesatzes kann ebenfalls Probleme aufwerfen. Offene Fragen können mehrere Antworten zulassen und somit Meinungsäußerungen gleichstehen. Demgegenüber sind rhetorische Fragen oftmals lediglich Stilmittel, hinter dem sich 18 siehe Ausführungen oben zu 2.2. 19 BVerfG NJW 1994, 2943 20 BVerfGE aaO 21 BGH NJW 2004, 598 22 BVerfG NJW 2003, 1304 f. 23 BVerfG Beschluss vom 25.Oktober 2005 -1 BvR 1696/98 - 7 - erkennbar eine Aussage verbirgt, die je nach Inhalt Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung sein kann24. Der BGH hat so im „Caroline-Urteil“25 die Schlagzeile „Udo im Bett mit Caroline?“ mit dem Untertitel „In einem Playboyinterview antwortet er eindeutig zweideutig“ als rhetorische Frage eingestuft, die eine unwahre Tatsachenbehauptung enthalte, bei der für die Anwendung der „Zweifelsregel“ kein Platz sei. 2.4. Schlussfolgerungen Demgegenüber sind Schlussfolgerungen nicht als Tatsachenbehauptungen sondern grundsätzlich als Meinung zu klassifizieren, soweit nicht das Tatsachenelement überwiegt 26. So hat der BGH Zweifel geäußert27, dass die Bezeichnung eines Psychotherapeuten und seiner Klienten als „eindeutige Psychosekte“ durch einen kirchlichen Sektenbeauftragten , als Meinungsäußerung anzusehen sei. 2.5. Rechtsbegriffe Problematisch erscheint in der Rechtsprechung oftmals die Verwendung von Rechtsbegriffen . Zwar ist anerkannt, dass rechtliche Wertungen Meinungsäußerungen sind, nicht jedoch wenn der Rechtsbegriff dem Publikum einen durch ihn beschriebenen tatsächlichen Vorgang vermitteln soll28 (z.B. Kündigungsregelung als „Vertragsstrafe“ oder der Begriff „Rechtsbeugung“). 2.6. Unwahre Tatsachenbehauptungen und Medien Unwahre Tatsachenbehauptungen durch die Medien beschäftigen die Gerichte ebenfalls. Medien müssen die Wahrheit ihrer Berichterstattung nicht gewährleisten. Sie dürfen Behauptungen auch dann aufstellen und verbreiten, wenn sie nicht gerichtsfest zu beweisen sind, müssen sich aber mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und damit mit „pressemäßiger“ Sorgfalt von der Wahrheit überzeugt haben29, wobei das Maß der Sorgfaltspflicht für Medien strenger ist als für Privatleute. 24 BVerfG NJW 2003, 660 25 BGH NJW 2004, 1034 26 OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 109 27 BGH NJW 2003, 1308 28 BGH NJW 2003, 1855 29 BGH NJW 1987, 2225; BVerfG NJW-RR 2000, 1209; NJW 2003, 1856 - 8 - Die Verbreitung der Aussage, „der Bundeskanzler töne sich seine Schläfen“ durch eine Nachrichtenagentur auf Grundlage einer nicht überprüften Aussage einer Imageberaterin , war folglich unzulässig30. Zu Umfang der Wahrheits- und Sorgfaltspflichten des Äußernden in Kenntnis dessen, dass die Richtigkeit einer aufgestellten Behauptung in Frage steht, hat das BVerfG wiederum im „Stolpe-Beschluss“ angemerkt, dass es der Äußernde kenntlich machen müsse, sofern seine Behauptung durch das Ergebnis seiner Nachforschungen nicht gedeckt sei. Eine nach seinem Kenntnisstand umstrittene oder zweifelhafte Tatsache dürfe er nicht als feststehend hinstellen31. 2.7. Satirische Aussagen und Schmähkritik Der nahezu uneingeschränkte Schutz von Meinungsäußerungen wurde bereits einleitend deutlich gemacht. Eine der engen Grenzen bildet jedoch die Schmähkritik, sofern in einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache sondern jenseits auch polemischer oder überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht32. Kollisionslagen ergeben sich im Zusammenhang mit satirischen Aussagen. Sie sind ihres satirischen Gewandes zu entkleiden, bevor sie am Maßstab der Schmähkritik gemessen werden33. Zulässig war die Äußerung, ein Bürgermeisterkandidat solle „lieber einen Arzt aufsuchen , als sich im Dolchstoß üben“34, ebenso die Bezeichnung einer Geschwindigkeitskontrolle als „Wegelagerei“35. Grenzen zulässiger Kritik wurden durch die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Flugblättern von Abtreibungsgegnern ausgestaltet, so ist die Bezeichnung straffreier Abtreibung als „Babycaust“ genauso zulässig wie “Tötungsspezialist für ungeborene Kinder“36. Der durch einen Rechtsanwalt formulierte Vorwurf des „Parteiverrats“ überschreitet bei Vorliegen tatsächlicher Bezugspunkte ebenfalls nicht die Grenze der Schmähkritik37. Demgegenüber ist die Bezeichnung eines Vertreters des Zentralrats der Juden als „Zigeuner -Jude“ im Wahlkampf auch im Rahmen eines Gegenschlags unzulässig38. 30 BVerfG NJW 2004, 1209; vgl. auch „Bohlenbücher“: LG Berlin ZUM 2004,139 31 so BVerfG im Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 - 32 BVerfG NJW 2003, 961 33 BVerfG NJW 2002, 3767 34 BVerfG NJW 2001, 3613 35 OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2003, 295 36 BGH NJW 2000, 3421 37 OLG Hamburg NJW-RR 2003, 411 38 BayObLG AfP 2002, 221 - 9 - 2.8. Verbreiten einer Aussage und Verdachtsberichterstattung Des Weiteren beschäftigte die Rechtsprechung der vergangenen Jahre das Verbreiten von Meinungen allgemein sowie speziell die Form der Verdachtsberichterstattung. Grundsätzlich haften Medien nicht nur für eigene Verbreitung von Aussagen, sondern auch für diejenigen Dritter, sofern sie sich diese zu Eigen macht. Das BVerfG hat demgegenüber jüngst die Haftung der Axel Springer AG für die Verbreitung einer Aussage Wolf Biermanns in „Bild“, die als Schmähkritik einzustufen war, verneint39. Es handelte sich in diesem Fall lediglich um die Dokumentation einer Meinung. Bei der Berichterstattung über Ermittlungsverfahren („Verdachtsberichterstattung“) hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, welche das Spannungsverhältnis zwischen Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten und Art. 5 Abs. 1 GG lösen sollen. Danach muss ein Mindestbestand an Belegtatsachen für den Verdacht vorhanden sein, darf der Bericht keine Vorverurteilung enthalten und muss der Beschuldigte Gelegenheit erhalten, sich zu den Vorwürfen zu äußern40. 3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Art. 5 Abs. 1 GG 3.1. Ausgangspunkt: Schrankensystematik des Art. 5 GG Entfaltung und Umfang der Meinungsfreiheit sind rechtliche Grenzen gesetzt. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Meinungsfreiheit ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Praktisch wichtigster Fall ist die Schranke der allgemeinen Gesetze, worunter parlamentarische Gesetze, Rechtsverordnungen und zudem das anhand von Rechtsvorschriften entwickelte Richterrecht zu verstehen sind41. Was konkret unter „allgemein“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG zu verstehen ist, wird in der Wissenschaft stark diskutiert42. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sind allgemeine Gesetze, bezogen auf die Meinungsfreiheit, solche, die sich nicht gegen die Äußerung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze 39 BVerfG NJW 2004, 590 40 BGHZ 143, 199 41 BVerwGE 72, 183 (186); BVerfGE 34, 269 (292) 42 vgl. Bethge, Herbert in Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 5 Rn 142 ff. mwN;3. Auflage, München 2003 - 10 - eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat43. Gerade im Hinblick auf aktuelle Entscheidungen der höchsten Gerichte44 kommt den Gesetzen zum Schutze der persönlichen Ehre große Bedeutung zu, welche zum einen in straf- und zivilrechtlichen Vorschriften einfachgesetzlich konkretisiert ist (z.B. §§ 185 ff. StGB), andererseits verfassungsrechtlich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist. Zu nennen ist ferner die Grenzziehung der Meinungsfreiheit durch verfassungsimmanente Schranken, d.h. bei Konflikten mit anderen Grundrechten oder entgegenstehenden Verfassungsgütern z.B. der Menschenwürde45 oder dem Hausrecht des Bundestagspräsidenten 46. Um der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen, hat das BVerfG schließlich die „Wechselwirkungstheorie“ entwickelt, wonach die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze ihrerseits aus „der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung “ dieses Grundrechts „im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen“47. 3.2. Das Spannungsverhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Abschließend soll das in der Rechtsprechung der letzten Jahre und der medialen Öffentlichkeit oftmals thematisierte Spannungsverhältnis zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht /Recht am eigenen Bild und Art. 5 Abs. 1 GG kurz dargestellt werden. Zu nennen sind die Entscheidungen „Caroline von Hannover“48, das „Caroline von Monaco-Urteil“ des BVerfG49, „Rivalin“ von Uschi Glas50 oder die „Stolpe- Entscheidung“ des BVerfG aus dem Oktober diesen Jahres51. Immer wieder kommt es hier zur Abwägung kollidierender Interessen der (Boulevard-) Presse bzw. den Unterhaltungsmedien einerseits und dem Schutz der Privatsphäre absoluter und relativer Personen der Zeitgeschichte. 43 BVerfGE 7, 198 (207); 97, 125 (146) 44 zuletzt BVerfG Beschluss, 1 BvR 1696/98 vom 25. Oktober 2005 („Stolpe“) 45 BVerfGE 30, 173 46 VG Berlin NJW 2002, 1063 (1064 f.) 47 st. Rspr.: BVerfGE 7, 198, (209); 34, 384 (401); 94, 1 (8); zuletzt. BVerfG NJW 2003, 1304 48 EGMR NJW 2004, 2647 49 BVerfG NJW 2000, 2190 50 BVerfG NJW 2005, 594 51 BVerfG Beschluss vom 25.10.2005 -1 BvR 1696/98- - 11 - Die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze gewähren auch absoluten Personen der Zeitgeschichte einen bestimmten Schutz vor Berichterstattung, wobei eine räumliche Beschränkung auf die Wohnung und bestimmte Rückzugsbereiche formuliert wurde52. Außerhalb dieses Schutzbereichs wird jedoch nur geringer Schutz zugebilligt, was zur Entscheidung des EGMR53 führte, der in seiner Begründung des Urteils eine wesentliche Unterscheidung vornimmt. Das Gericht differenziert zwischen staatstragender Berichterstattung, die der demokratischen Diskussion und Aufsicht über Amtsträger dient, und Berichten, die andere gesellschaftliche Interessen befriedigen. Diese Argumentation wirkt sich tendenziell zu Lasten der Meinungsfreiheit aus. Denn bei der Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung sei darauf abzustellen, ob Fotoaufnahmen und Presseartikel zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beitrügen und Personen des politischen Lebens beträfen, was in der Folge zu einer sehr engen Definition des „öffentlichen Interesses“ führt. 52 vgl. BVerfG NJW 2000, 2190 53 EGMR aaO