© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 344/18 Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 344/18 Seite 2 Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 344/18 Abschluss der Arbeit: 27. September 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 344/18 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach der Möglichkeit, Ausländern, die keinen Flüchtlingsstatus haben und auch nicht als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sind, einen Aufenthaltsstatus aus humanitären Gründen zu erteilen. Das deutsche Recht gewährt dazu verschiedene Möglichkeiten. Diese sind grundsätzlich subsidiär zu anderen Möglichkeiten der Aufenthaltsgewährung anzuwenden. 2. Aufenthaltserlaubnis nach § 22 S. 1 Aufenthaltsgesetz Nach § 22 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)1 kann einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Der Ausländer muss sich dazu noch im Ausland aufhalten.2 Eine Gewährung aus humanitären Gründen kommt in Betracht, wenn sie im konkreten Einzelfall durch ein „unabweisbares Gebot der Menschlichkeit“ vorgegeben ist.3 Die Gewährung muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.4 Der Ausländer muss sich in einer Sondersituation befinden, die ein Eingreifen zwingend erfordert und es rechtfertigt, ihn im Gegensatz zu anderen Ausländern in vergleichbarer Lage aufzunehmen.5 Ferner muss der Ausländer gerade auf die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland angewiesen sein oder eine besondere Beziehung zu Deutschland haben.6 Zudem muss den Umständen nach eine baldige Aufnahme in Deutschland unerlässlich sein.7 Der Aufenthalt nach § 22 S. 1 AufenthG ist nur solange gestattet, bis die Gründe für die Aufnahme entfallen sind.8 3. Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG Nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Während § 22 S. 1 AufenthG nur Einzelpersonen umfasst, gilt 1 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1147), abrufbar auch in englischer Sprache unter https://www.gesetze -im-internet.de/aufenthg_2004/ (Stand: 26. September 2018). 2 Maaßen/Koch, in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2017, § 4 – Aufenthalt (Voraussetzungen, Aufenthaltszwecke, Integration), Rn. 500. 3 Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Juli 1998 – 17 A 517/96, juris Rn. 52. 4 Hailbronner, Ausländerrecht, 42. Aktualisierung, August 2005, § 22 AufenthG Rn. 6. 5 Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Juli 1998 – 17 A 517/96, juris Rn. 52. 6 Hailbronner, Ausländerrecht, 42. Aktualisierung, August 2005, § 22 AufenthG Rn. 8. 7 Maaßen/Koch, in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2017, § 4 – Aufenthalt (Voraussetzungen, Aufenthaltszwecke, Integration), Rn. 509. 8 Maaßen/Koch, in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2017, § 4 – Aufenthalt (Voraussetzungen, Aufenthaltszwecke, Integration), Rn. 498. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 344/18 Seite 4 § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG nur für Personengruppen.9 Die Voraussetzungen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen entsprechen im Wesentlichen den Voraussetzungen nach § 22 S. 1 AufenthG. Ein Unterschied besteht darin, dass sich die entsprechenden Personengruppen für eine Aufenthaltsgewährung nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG bereits in Deutschland aufhalten dürfen.10 4. Aufenthaltserlaubnis nach § 23a Abs. 1 S. 1 AufenthG § 23a Abs. 1 S. 1 AufenthG sieht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Härtefälle vor. Die oberste Landesbehörde darf anordnen, dass einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, wenn eine von der Landesregierung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht. Das Ersuchen der Härtefallkommission setzt nach § 23a Abs. 2 S. 4 AufenthG voraus, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen. Wesentliche Kriterien für die Annahme eines Härtefalls sind die Dauer des bisherigen Aufenthalts, die wirtschaftliche und soziale Integration und das persönliche Schicksal des Betroffenen.11 Die Annahme eines Härtefalls ist nach § 23a Abs. 1 S. 3 AufenthG in der Regel ausgeschlossen, wenn der Ausländer Straftaten von erheblichem Gewicht begangen hat oder wenn ein Rückführungstermin bereits konkret feststeht. 5. Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG Nach § 25 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Im Unterschied zu § 22 S. 1 AufenthG ist § 25 Abs. 4 S. 1 AufenthG nur auf solche Ausländer anwendbar, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten.12 Dringende humanitäre oder persönliche Gründe sind etwa die Vornahme einer dringend gebotenen ärztlichen Behandlung, die Betreuung schwer erkrankter Familienangehöriger oder der bevorstehende Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung.13 Die Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. 9 Hailbronner, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung, November 2015, § 23 AufenthG Rn. 2. 10 Hailbronner, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung, November 2015, § 23 AufenthG Rn. 3. 11 Hailbronner, Ausländerrecht, 71. Aktualisierung, Oktober 2010, § 23a AufenthG Rn. 18. 12 Maaßen/Kluth, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 19. Edition, Stand: 1. August 2018, § 25 AufenthG Rn. 72. 13 Hailbronner, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung, November 2015, § 25 AufenthG Rn. 90. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 344/18 Seite 5 6. Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a AufenthG Gemäß § 25 Abs. 4a S. 1 AufenthG ist einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach §§ 232 bis 233a Strafgesetzbuch (StGB)14 ist, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Der Ausländer muss dazu jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen haben und seine Bereitschaft erklärt haben, im Strafverfahren als Zeuge auszusagen. Gemäß § 25 Abs. 4a S. 3 AufenthG soll nach Beendigung des Strafverfahrens die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Humanitäre Gründe liegen etwa vor, wenn der Betroffene im Herkunftsland keine Existenzgrundlage mehr hat oder aufgrund der Mitwirkung im Strafprozess mit Nachteilen, Ausgrenzung oder Vergeltungsmaßnahmen rechnen muss.15 *** 14 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar auch in englischer Sprache unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ (Stand: 26. September 2018). Die §§ 232 bis 233a StGB umfassen etwa Menschenraub, Zwangsarbeit und Zwangsprostitution. 15 Fränkel, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 25 AufenthG Rn. 62.