Zuständigkeiten im Atomrecht nach der Föderalismusreform - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 340/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zuständigkeiten im Atomrecht nach der Föderalismusreform Ausarbeitung WD 3 - 340/06 Abschluss der Arbeit: 12. September 2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Gesetzgebungszuständigkeiten 1.1. Bisherige Rechtslage Das Atomrecht1 wurde bisher als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung auf der Grundlage des Kompetenztitels „die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen und die Beseitigung radioaktiver Stoffe“(Art. 74 Abs. 1 Nr. 11a GG) geregelt. Der Bund hatte umfassend von seiner Regelungskompetenz Gebrauch gemacht, so dass für landesrechtliche Regelungen auf diesem Gebiet gemäß Art. 72 Abs. 1 GG faktisch kein Platz mehr war. 1.2. Rechtslage nach der Föderalismusreform Durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 ist der o.g. Kompetenztitel in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes überführt worden (Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG). Die grundsätzliche Möglichkeit eines gesetzgeberischen Tätigwerdens der Länder auf diesem Gebiet ist damit entfallen. Aufgrund der beschriebenen umfassenden Regelung der Materie durch den Bund bereits vor der Föderalismusreform ergeben sich in der Praxis durch diese kompetenzielle Änderung keine Neuerungen. 2. Verwaltungszuständigkeiten 2.1. Bisherige Rechtslage Bisher hatte der Bundesgesetzgeber im Bereich des Atomrechts die Wahlmöglichkeit, für die Ausführung von Bundesgesetzen als Verwaltungstypen die Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 87c GG, die bundeseigene Verwaltung nach Maßgabe des Art. 87 GG oder die ländereigene Verwaltung nach Art. 83, 84 GG vorzusehen.2 Entsprechend ist in den gesetzlichen Regelungen verfahren worden.3 Der Bundesgesetzgeber hat in § 24 Abs. 1 S. 1 AtomG und § 10 Abs. 1 S. 1 StrVG von der Ermächtigung des Art. 87c GG Gebrauch gemacht. Wesentliche Teile des Atomge- 1 Unter diesen Begriff wird im folgenden der Regelungsbereich des Atomgesetzes (AtomG) und des Strahlenschutzvorsorgegesetzes (StrVG) einschließlich der hierauf basierenden Ausführungsbestimmungen gefasst. 2 Zieger/Bischof in: Dolzer, Rudolph (Hrsg.), Bonner Kommentar, 122. Aktualisierung, Heidelberg, Juli 2006, Art. 87c GG Rn. 13, 38. 3 Zieger/Bischof in: Dolzer, Rudolph (Hrsg.), Bonner Kommentar, 122. Aktualisierung, Heidelberg, Juli 2006, Art. 87c GG Rn. 12. - 4 - setzes und des Strahlenschutzvorsorgegesetzes sowie der auf ihnen beruhenden Rechtsverordnungen werden danach von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt.4 Einige Aufgaben sind jedoch auch Stellen der bundeseigenen Verwaltung zugewiesen (z.B. Bundesamt für Strahlenschutz § 23 AtomG und § 11 Abs. 6 StrVG). Der Vollzug durch die Länder als eigene Angelegenheit stellt die Ausnahme dar. Sie wird etwa in § 10 Abs. 1 S. 2 StrVG i.V.m § 2 Abs. 2 StrVG für den Bereich der weitergehenden Ermittlungen der Umweltradioaktivität angeordnet. 2.2. Rechtslage nach der Föderalismusreform Auch nach der Föderalismusreform behält der Bund die soeben beschriebenen Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verwaltungskompetenz. Art. 87c GG wurde als Folge der Übertragung des Atomrechts in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes lediglich angepasst : „Gesetze, die aufgrund des Artikels 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ergehen, können mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass sie von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden.“ Im Hinblick auf die auch weiterhin bestehende Möglichkeit, dass Bundesgesetze im Bereich des Atomrechts von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden können, kommt die Neuregelung des Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG zur Anwendung: Regelt ein Bundesgesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG Behördenorganisation und/oder Verwaltungsverfahren , so können die Länder abweichende Regelungen treffen. Dieses Abweichungsrecht kann hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung allerdings vom Bundesgesetzgeber ausgeschlossen werden (Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG). In der Praxis wird diese Verfassungsänderung betreffend die Ausführung von Gesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheit im Bereich des Atomrechts aber wohl von untergeordneter Bedeutung bleiben. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber die unter 2.1. beschriebene Regelung der Verwaltungszuständigkeiten im Atomrecht mit dem Regelfall der Bundesaufragsverwaltung aufgeben wird. Art. 84 Abs. 1, S. 2 GG (für den Bereich der Durchführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit) und Art. 85 Abs. 1 S. 2 (für die Bundesauftragsverwaltung) verbieten nach der neuen Rechtslage die direkte Aufgabenübertragung vom Bund auf die Gemeinden und Gemeindeverbände: Diese Regelung wird im Atomrecht ebenfalls nicht 4 Uerpmann, Robert in: von Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.), 4./5. Auflage, München 2003, Art. 87 c GG Rn. 12. - 5 - von praktischer Relevanz sein. Auch nach alter Rechtslage wurden in diesem Bereich durch den Bund keine Gemeindezuständigkeiten festgelegt.