Deutscher Bundestag Fragen zum Erlöschen des Aufenthaltstitels, § 51 Aufenthaltsgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 326/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 326/12 Seite 2 Fragen zum Erlöschen des Aufenthaltstitels, § 51 Aufenthaltsgesetz Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 326/12 Abschluss der Arbeit: 12. Dezember 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 326/12 Seite 3 1. Einleitung § 51 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)1 umfasst die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und die Fortgeltung von Beschränkungen für Ausländer, die sich in Deutschland aufhalten. § 51 Abs. 1 AufenthG führt verschiedenen Gründe für das Erlöschen des Aufenthaltstitels auf, diese Erlöschenstatbestände sind als abschließend zu betrachten. Näher untersucht werden sollen in der vorliegenden Ausarbeitung die Gründe für das Erlöschen des Aufenthaltstitels, die in § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG normiert sind. Folgende Fragen sollen beantwortet werden: Wie ist die Ausreise aus vorübergehenden Grund definiert und stellt eine Rückkehr innerhalb von sechs Monaten grundsätzlich einen vorübergehenden Ausreisegrund dar? Gelten diese Regelungen auch für Schüler, Studenten und Rentner? Nach welchen Maßstäben erfolgt die Bewilligung eines Verlängerungsantrages? Ferner wird erörtert , ob es gesetzlich möglich wäre, die pflichtmäßige Wiedereinreise für diese Personengruppen auf ein oder zwei Jahre zu verlängern. 2. § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG Der Aufenthaltstitel erlischt gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG „wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist “. Dies gilt nicht für ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als drei Monaten erteiltes Visum (§ 51 Abs. 1 Hs. 2 AufenthG). 2.1. Definition Es gibt keine feststehende Definition für das Tatbestandsmerkmal der Ausreise aus nicht vorübergehenden Grund. Vielmehr stellt die Rechtsprechung auf die Gesamtumstände des Einzelfalles ab, die nicht allein den inneren Willen des Ausländers umfassen, sondern überwiegend auf die objektiven Umstände abstellen. Hierzu zählen z.B. die Dauer und der Zweck des Auslandsaufenthalts , die Bindungen an die Heimat oder an Deutschland.2 Je länger die Abwesenheit dauert , desto eher dürfte es sich nicht um eine vorübergehende Ausreise handeln.3 Anzeichen für eine auf Dauer angelegte Ausreise sind Aufgabe von Wohnung und Arbeitsplatz, polizeiliche 1 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 1 u. Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) geändert worden ist. 2 Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 51 Rn. 9. 3 BVerwG vom 30.12.1988, InfAuslR 1989, 114. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 326/12 Seite 4 Abmeldung, Mitnahme von Hausrat, die Pflege eines dauernd pflegebedürftigen Angehörigen oder die Flucht vor Strafverfolgung.4 Auslandsaufenthalte zu bloßen Geschäfts-, Besuchs-, Ferien- und Studienzwecken werden regelmäßig als vorübergehend angesehen.5 Die Beweislast für das Erlöschen trägt die Ausländerbehörde .6 Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG führt zu § 51 Abs. 1 Nr. 6 aus:7 „Die Erlöschenswirkung tritt nur ein, wenn objektiv feststeht, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend das Bundesgebiet verlassen hat. Dies kann angenommen werden, wenn er seine Wohnung und Arbeitsstelle aufgegeben hat und unter Mitnahme seines Eigentums ausgereist ist oder wenn er sich zur endgültigen Ausreise verpflichtet hat (z.B. zur Abwendung einer Ausweisung). Entscheidend ist nicht, ob der Ausländer subjektiv auf Dauer im Ausland bleiben oder ob er irgendwann ins Bundesgebiet zurückkehren will. Maßgeblich ist allein, ob der Zweck des Auslandsaufenthalts seiner Natur nach von vorneherein nur eine vorübergehende Abwesenheit vom Bundesgebiet erfordert oder nicht. […]. Wenn die Ausländerbehörde vor der Ausreise des Ausländers eine Wiedereinreisefrist nach Nummer 7 bestimmt hat, steht verbindlich fest, dass dieser Aufenthaltstitel nicht durch die Ausreise nach Nummer 6 erlischt.“ 2.2. Rückkehr innerhalb von sechs Monaten, § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG Der Aufenthaltstitel erlischt gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG „wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist“. Dies gilt nicht für ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als drei Monaten erteiltes Visum (§ 51 Abs. 1 Hs. 2 AufenthG). Eine Rückkehr innerhalb von sechs Monaten spricht für einen vorübergehenden Aufenthalt.8 Sie ist aber nicht grundsätzlich ein vorübergehender Ausreisegrund, da es – wie oben dargestellt – immer auf die objektiven Umstände des Einzelfalles ankommt. 4 Dienelt, in Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 51 Rn. 9 m.w.N. zur Rechtsprechung. 5 Vgl. VG Lüneburg vom 21.9.2007, Az. 3 A 288/05. 6 Hailbronner, Ausländerrecht Kommentar, 77. Aktualisierung Mai 2012, § 51 Rn. 22. 7 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vom 26. Oktober 2009 (VV AufenthG), Rn. 51.1.5; http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/pdf/BMI-MI3-20091026-SF-A001.pdf (letzer Abruf 10.12.2012). 8 Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 51 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 326/12 Seite 5 2.3. Ausnahmen zu § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG Die Erlöschenstatbestände des § 51 Abs. 1 gelten grundsätzlich für alle Ausländer, die in Deutschland einen Aufenthaltstitel besitzen. Sie finden jedoch keine Anwendung auf türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 3. Alt. ARB 1/80 oder Art. 7 ARB 1/809 innehaben.10 Ausnahmen vom Grundsatz des Verlustes des Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 AufenthG sieht § 51 Abs. 2 AufenthG vor. Privilegiert wird ein Ausländer, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten hat und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist. Ebenfalls umfasst ist der mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Ehegatte, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsgrund vorliegt. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt ebenfalls nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. und 7 AufenthG, wenn kein Ausweisungsgrund vorliegt . Von dieser Regelung begünstigt werden vor allem ältere ausländische Arbeitnehmer, die so nach Beginn ihres Rentenbezuges für längere Zeit in ihr Heimatland reisen können, ohne ihren Aufenthaltstitel in Deutschland zu verlieren.11 Eine weitere Ausnahme besteht gemäß § 51 Abs. 3 AufenthG für Ausländer, deren Frist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 wegen der Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatsstaat überschritten worden ist. Kehren sie innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder zurück, so ist der Aufenthaltstitel nicht erloschen. Ausnahmen gelten gemäß § 51 Abs. 7 AufenthG im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt ist. 3. Gelten § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG auch für Schüler, Studenten und Rentner? Wie oben unter Punkt 2.3. beschrieben, gelten § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG grundsätzlich für alle Ausländer, die in Deutschland einen Aufenthaltstitel besitzen. Ausnahmen gibt es im Hinblick auf die Verlängerung der sechsmonatigen Frist des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. Nach § 51 Abs. 2 AufenthG besteht eine Ausnahme für Ausländer, die sich seit mindestens 15 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sind. Diese Regelung wird häufig Rentner betreffen. Ansonsten gibt es keine Sonderregelungen für Rentner. Für Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung (d.h. Schüler oder Studenten), besitzen, kommt grundsätzlich die Bestimmung einer längeren Frist nicht in Be- 9 Beschluss des Assoziationsrates EWG/Türkei vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation . 10 Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 51 Rn. 16. 11 Hailbronner, Ausländerrecht Kommentar, 76. Aktualisierung März 2012, § 51 Rn. 36. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 326/12 Seite 6 tracht.12 Eine Ausnahme ist wohl möglich im Fall einer Beurlaubung für einen mehr als sechsmonatigen Studien- oder Praktikumsaufenthalt im Ausland. Dann ist in der Regel vor der Abreise eine verlängerte Frist für die Wiedereinreise und Fortsetzung des Studium zu vereinbaren.13 4. Maßstäbe für die Bewilligung eines Verlängerungsantrages Die Maßstäbe für die Bewilligung eines Verlängerungsantrags gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ergeben sich aus § 51 Abs. 4 AufenthG, der Rechtsprechung und den Verwaltungsvorschriften zum AufenthG. Gemäß § 51 Abs. 4 AufenthG kann nach Abs. 1 Nr. 7 AufenthG in der Regel eine längere Frist bestimmt werden, wenn der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis besitzt und nur aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grund ausreist. Die Verwaltungsvorschriften zum AufenthG führen hierzu aus: „Konkret wird - allen Ausländern, die eine Niederlassungserlaubnis besitzen und sich lediglich aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grund (z.B. für ein Studium oder eine sonstige Ausbildung) länger als sechs Monate im Ausland aufhalten wollen, und - den Ausländern, deren Auslandsaufenthalt Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient (z.B. Entwicklungshelfer, ausländische Ehegatten deutscher Diplomaten oder zur Förderung entwicklungsrelevanter Geschäftsbeziehungen oder Beschäftigungsverhältnisse im Ausland) eine längere Frist für einen Auslandsaufenthalt ohne Verlust des Aufenthaltstitels eingeräumt . Ein Regelanspruch nach Absatz 4, 2. Alternative besteht auch dann, wenn der Aufbau und das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen oder Beschäftigungsverhältnissen im Ausland nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland mit Aufenthaltsstaaten deren wirtschaftlicher Entwicklung dienen und daher im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesen Fällen beträgt die Frist für einen Auslandsaufenthalt ohne Verlust des Aufenthaltstitels maximal zwei Jahre. Nicht zu prüfen ist, ob der Aufenthaltszweck seiner Natur nach nur einen vorübergehenden Aufenthalt erfordert.“14 § 51 Abs. 4 AufenthG begründet einen Regelanspruch auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist. Für Ausländer, die lediglich einen befristeten Aufenthaltstitel haben, besteht ein Ermessensanspruch auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG.15 Ausländern mit einer Aufenthaltserlaubnis, die nicht zum Zwecke der Ausbildung bestimmt ist oder aufgrund eines Aufenthalts aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen 12 VV AufenthG (siehe Fn.7), Rn. 51.1.6.1. 13 VV AufenthG (siehe Fn.7), Rn. 16.04. 14 VV AufenthG (siehe Fn.7), Rn. 51.4.1. 15 Hailbronner, Ausländerrecht Kommentar, 76. Aktualisierung März 2012, § 51 Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 326/12 Seite 7 erteilt wurde, kann im Allgemeinen eine längere Frist bestimmt werden. Voraussetzung ist, dass ihnen ein gesetzlicher Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zusteht oder wenn der Auslandsaufenthalt aus Gründen der Ausbildung oder Berufsausübung oder dringenden persönlichen Gründen erforderlich ist, sowie um älteren Ausländern zur Betreuung durch ihre Familienangehörigen im Herkunftsland auch längerfristige Aufenthalte zu ermöglichen.16 5. Verlängerung der Wiedereinreisefrist Rechtlich wäre es möglich, den § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG dahingehend zu ändern, dass statt einer sechsmonatigen Frist eine Wiedereinreisefrist von ein oder zwei Jahren vorgesehen würde. Möchte man die Verlängerung der Wiedereinreisefrist auf einen bestimmten Personenkreis begrenzen , könnte auch eine Ausnahme vergleichbar § 51 Abs. 2 AufenthG geschaffen werden. Weder verfassungsrechtliche noch erkennbare europarechtliche Gründe stünden dieser Änderung entgegen. Eine Änderung der Wiedereinreisefristen ist vielmehr eine Frage des politischen Willens. Es sei darauf hingewiesen, dass die sechsmonatige Frist mit der Neufassung des Ausländergesetzes 1990 in den damaligen § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG aufgenommen wurde.17 Das Ausländergesetz 196518 enthielt in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG 1965 nur den Erlöschensgrund „aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist.“ Aus der Gesetzesbegründung19 ergibt sich, dass die sechsmonatige Frist aus Gründen der Rechtsklarheit in das AuslG 1990 eingefügt wurde: „Das Erlöschen der Aufenthaltsgenehmigung kann deshalb nicht allein durch unbestimmte Rechtbegriffe angeordnet werden. Aus diesem Grund ergänzt Nummer 3 den Erlöschensgrund der Nummer 2. Wenn sich ein Ausländer länger als sechs Monate außerhalb des Bundesgebietes aufhält, steht grundsätzlich unwiderleglich fest, daß er aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausgereist ist und daß seine Aufenthaltsgenehmigung damit erloschen ist. Um jedoch unbeabsichtigte Härten zu vermeiden, wird den Ausländern die Möglichkeit eröffnet, daß die Ausländerbehörde eine längere für den Bestand der Aufenthaltsgenehmigung unschädliche Frist bestimmen kann. Diese Fristsetzung hat die Funktion, den gesetzlichen Erlöschenszeitpunkt hinauszuschieben. Die Aufenthaltsgenehmigung erlischt erst und nur, wenn der Ausländer über den festgelegten Zeitraum hinaus außerhalb des Bundesgebietes bleibt.“ 16 VV AufenthG (siehe Fn.7), Rn. 51.1.6.3. 17 Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 (BGBl. I 1990 S. 1354). 18 Ausländergesetz vom 28. April 1965 (BGBl. I 1965 S. 353). 19 BR-Drs. 11/90 vom 5.1.1990.