Deutscher Bundestag Zur möglichen Differenzierung zwischen Direktspenden für parteiund fraktionslose Abgeordnete oder Kandidaten und für partei- und fraktionszugehörige Abgeordnete auf Bundesebene Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 321/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 2 Zur möglichen Differenzierung zwischen Direktspenden für partei- und fraktionslose Abgeordnete oder Kandidaten und für partei- und fraktionszugehörige Abgeordnete auf Bundesebene Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 321/11 Abschluss der Arbeit: 20. Oktober 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 3 1. Einleitung Im System der Spenden für politische Zwecke besteht neben der Möglichkeit von Parteispenden, auf die die Vorschriften des Parteiengesetzes (PartG)1 Anwendung finden, die Möglichkeit von Direktspenden an Abgeordnete und Kandidaten. Eine Direktspende ist eine Spende, die einem Kandidaten für ein parlamentarisches Mandat oder dem Mitglied eines Parlaments (Abgeordnetenspende ) direkt zugewandt wird, um seine politische Tätigkeit zu unterstützen.2 Direktspenden sind insbesondere auch für Kandidaten in einem Wahlkreis zur Unterstützung ihrer politischen Arbeit zulässig.3 Auch Bundestagsabgeordnete dürfen grundsätzlich solche Spenden entgegennehmen, §§ 44a Abs. 2 Satz 4 AbgG.4 Auf Bundesebene gibt sich der Bundestag gemäß § 44b Nr. 3 AbgG Verhaltensregeln , um den Umgang mit Direktspenden an Abgeordnete zu regeln. Diese Verhaltensregeln sehen Spendenannahmeverbote, Anzeige- und Veröffentlichungspflichten vor. Im Einzelfall kann es zu Abgrenzungsproblemen zwischen Partei- und Abgeordnetenspenden kommen, die wegen der unterschiedlichen Anzeigepflichten von Spenden und Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das PartG relevant sind.5 Es ist umstritten, ob Direktspenden zumindest an Mandatsträger verboten werden sollten: Für ein Verbot sprach sich die vom Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahr 1992 eingesetzte „Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung“ mit der Begründung aus, Direktspenden bürgen die Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme auf die Ausübung des Amtes. Auch die Abgrenzungsproblematik zu Parteispenden spreche für ein Verbot von Direktspenden.6 Die Herzog/Kirchhof/Tietmeyer-Kommission, die im Jahr 2000 Vorschläge zur Neuregelung des CDU-Finanzsystems vorgelegt hat, schlug ein Verbot der Entgegennahme von Direktspenden durch Träger eines öffentlichen Amtes oder Mandats vor.7 Ferner wird ein „besonderes Spendenannahmeverbot für Abgeordnete“ und einfache Parteimitglieder vorgeschlagen , das allerdings verfassungsrechtlich nicht ganz unproblematisch sei.8 Ähnlich empfiehlt 1 Parteiengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. August 2011 (BGBl. I S. 1748) geändert worden ist. 2 Kersten, Jens in: ders./Rixen, Stephan, Parteiengesetz (PartG) und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 27 Rn. 36, 38 m. w. N. 3 Ipsen, Jörn, Abgeordnetenspenden - eine Regelungslücke des Parteiengesetzes?, NVwZ 2003, 14, 15. 4 Abgeordnetengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl. I S. 326), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. August 2011 (BGBl. I S. 1748) geändert worden ist. 5 Vgl. hierzu bspw. Ipsen (Fn. 3), S. 16; Battis, Ulrich/Kersten, Jens, Regelungsdefizite im neuen Parteispendenrecht , JZ 2003, 655; kritisch auch Koch, Thorsten, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451, 454. 6 Unterrichtung durch den Präsidenten – Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung , BT-Drs. 12/4425, S. 31. 7 Herzog, Roman/Kirchhof, Paul/Tietmeyer, Hans, Empfehlungen für die Neuregelung des CDU-Finanzsystems, ZParl 2000, S. 309, 311. 8 Morlok, Martin, Gutachten erstellt im Auftrag der Parteienfinanzierungskommission des Bundespräsidenten zum Thema „Vorschläge zur Neuregelung des Rechts der Parteienfinanzierung“, Juni 2001, BT-Drs. 14/6711, S. 71. Für Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 4 GRECO in seinem Evaluierungsbericht von 2009 über die Parteienfinanzierung in Deutschland, Spenden an Abgeordnete und Kandidaten, die Parteimitglieder sind, zu verbieten oder ihnen Rechenschafts- und Offenlegungspflichten vergleichbar denen der Parteien aufzuerlegen.9 Gegen ein Verbot sprach sich die vom Bundespräsidenten Rau eingesetzte „Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung“ in ihrem Bericht vom 18. Juli 2001 aus, da Direktspenden ein personales Element in der Demokratie stützten.10 Die Kommission empfiehlt allerdings Regelungen zur Erhöhung der Transparenz. In dieser Debatte wird zumeist nur von Direktspenden an Abgeordnete oder zumindest Parteimitglieder gesprochen; die Frage, ob bei einem Verbot von Direktspenden Ausnahmen für parteilose Kandidaten zulässig wären, wird nicht erörtert. Das vorliegende Gutachten befasst sich nun mit der Frage, ob eine Regelung, die Direktspenden an partei- und fraktionslose Abgeordnete oder Kandidaten für ein Abgeordnetenmandat auf Bundesebene erlaubt, sie aber für partei- und fraktionszugehörige Abgeordnete verbietet, mit Art. 38 Grundgesetz (GG) vereinbar ist. 2. Vereinbarkeit eines differenzierten Verbots von Direktspenden mit Art. 38 GG Fraglich ist, ob ein Verbot von Direktspenden an Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die einer Partei oder Fraktion angehören, sowie an entsprechende Kandidaten mit dem Gleichheitsgebot des Art. 38 GG in Einklang steht, wenn Direktspenden an Abgeordnete und Kandidaten, die keiner Partei oder Fraktion angehören, weiterhin erlaubt sein sollen. 2.1. Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 38 Abs. 1 GG Das Grundgesetz umschreibt die Rechtsstellung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nur allgemein. In beiden Sätzen des Art. 38 Abs. 1 GG ist das Prinzip der repräsentativen Demokratie verankert; dieses gewährleistet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowohl die Freiheit in der Ausübung des Mandats als auch die Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes.11 ein Verbot ferner von Arnim, Hans Herbert, Der gekaufte Abgeordnete - Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik , NVwZ 2006, 249, 252. 9 Groupe d’Etats contre la Corruption, Grecoe Eval III Rep (2009) 3 E Thema II, Punkt 123 Empfehlung iv. 10 von Wedel, Hedda/von Alemann, Ulrich/Merk, Hans Günther/Winkhaus, Hans-Dietrich/Wunder, Dieter, „Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung“ des Bundespräsidenten in ihrem Bericht vom 18. Juli 2001, S. 89-91 (abrufbar im Internet: http://starweb.hessen.de/cache/bund/Bericht_der_Kommission_Parteienfinanzieurng.pdf). 11 BVerfGE 102, 224, 237 - Funktionszulagen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 5 Dieses Gebot der formalisierten Gleichheit hat das BVerfG in seiner Rechtsprechung nicht nur auf die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit ,12 sondern auch auf die Bemessung der Abgeordnetenentschädigung13 erstreckt. Jedermann müsse seine staatsbürgerlichen Rechte – des aktiven wie des passiven Wahlrechts wie auch der Mandatsausübung – in formal möglichst gleicher Weise wahrnehmen können. Das Grundgesetz kenne keine für den Status des Abgeordneten erheblichen besonderen, in seiner Person liegenden Umstände, die es rechtfertigten, innerhalb des Status zu differenzieren.14 Soweit Direktspenden nur noch an partei- und fraktionslose Abgeordnete erlaubt werden sollen, liegt hierin eine Ungleichbehandlung gegenüber den partei- und fraktionsgebundenen Abgeordneten . Da bei der Ungleichbehandlung an die Entscheidung des Abgeordneten, als partei- und fraktionsloser Abgeordneter zu agieren, angeknüpft wird, betrifft dies jedenfalls auch seinen Status als Abgeordneter. Kandidaten für die Wahl zum Bundestag können sich auf den Grundsatz der Gleichheit der Wahl – Chancengleichheit der Wahlbewerber für das politische Mandat zum Deutschen Bundestag – aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG berufen.15 Dies kann bei Einbeziehung des Vorfeldes der politischen Willensbildung zumindest die Frage der Wahlkampffinanzierung umfassen.16 Insbesondere darf der Staat nicht eine vorgefundene Wettbewerbslage zwischen konkurrierenden politischen Organisationen bspw. durch die steuerliche Begünstigung von Spenden verfälschen. Nach anderer Auffassung soll allerdings dieser Vorfeldbereich nicht mehr vom Schutzbereich des Wahlrechtsgrundsatzes der Gleichheit erfasst sein, da die Wahlgleichheit anderenfalls konturenlos würde.17 Bei einem Verbot von Direktspenden nur an partei- und fraktionsgebundene Kandidaten würde es sich nach der ersten Ansicht um eine Ungleichbehandlung handeln, die den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG berührt. Nach der engeren Auslegung wäre der Schutzbereich des Art. 38 GG wohl bereits nicht eröffnet, so dass hier allein eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 GG in Betracht käme. 12 BVerfGE 80, 188, 218 - Wüppesahl. 13 BVerfGE 40, 296, 317 - Diätenurteil. 14 BVerfGE 102, 224, 237. 15 BVerfGE 8, 51, 64; 69, 92, 106. 16 Magiera, Siegfried in: Sachs, Michael, Grundgesetz Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 38 Rn. 91 mit Verweis auf BVerfGE 8, 51, 68; 78, 350, 358; Schneider, Hans-Peter in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Band 2, 2. Aufl. 1989,Art. 38 Rn. 49 f. 17 Pieroth, Bodo in Jarass, Hans/Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 11. Aufl. 2011, Art. 38 Rn. 6; Trute, Hans-Heinrich in von Münch, Ingo/Kunig, Philip II Art. 38 Rn. 56. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 6 2.2. Mögliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 2.2.1. Differenzierung bei einem Verbot von Direktspenden an Abgeordnete Eine Differenzierung zwischen den Abgeordneten bedarf eines besonderen rechtfertigenden Grundes.18 Beschränkungen des Abgeordnetenstatus dürfen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments oder zugunsten vorrangiger Verfassungsgüter getroffen werden.19 Beispiele für eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung sind die Funktionszulagen an einzelne Träger politisch besonders herausgehobener Posten, wie Fraktionsvorsitzende, soweit damit nicht eine „Abgeordnetenlaufbahn “ eingeführt wird,20 oder die Festlegung von Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse in der Geschäftsordnung,21 die dazu führt, dass nicht jeder Abgeordnete an jedem Ausschuss teilnehmen kann, aber die Arbeitsfähigkeit des Parlaments erhalten bleibt. Es stellt sich die Frage, ob die Anknüpfung an die Fraktionslosigkeit einen in diesem Sinne zulässigen Differenzierungsgrund für die Entgegennahme von Spenden darstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist „die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt“.22 Art. 21 Abs. 1 GG weist den Parteien bei der politischen Willensbildung eine besondere Rolle zu, da eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nur durch die politische Willensbildung in geeigneten freien Organisationen möglich sei.23 Die Verfassung verpflichte den Gesetzgeber nicht, die rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen der parlamentarischen Arbeit auf größtmögliche Unabhängigkeit der Arbeit des Abgeordneten von Partei oder Fraktion auszurichten.24 Es wird darüber hinaus auch in der Literatur ein Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit und der Parteibezogenheit des Mandats festgestellt.25 Vor diesem Hintergrund ließe sich so argumentieren: Hat nur der fraktionslose Abgeordnete die Möglichkeit, Spenden entgegenzunehmen, gibt das möglicherweise einen Anreiz, keiner Fraktion anzugehören. Damit könnte das Anknüpfen an die Fraktionslosigkeit in einem Spannungsverhältnis dazu stehen, dass die Einbindung des Abgeordneten in die Fraktion vom Grundgesetz – 18 BVerfGE 93, 195, 204 m.w.N.; 96, 264, 278. 19 Roth, Gerald in: Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas, Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 2, 2002, Art. 38 Rn. 24 m.w.N.; Klein, Hans H. in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter Grundgesetz Kommentar, 2011, Art. 38 Rn. 218 m.w.N. 20 BVerfGE 102, 224, 241 - Funktionszulage Thüringen. 21 BVerfGE 80, 188, 219. 22 BVerfGE 118, 277, 328 - Nebentätigkeit. Hervorhebung durch Verfasserinnen. 23 BVerfGE 102, 224, 239. 24 BVerfGE 118, 277, 329. 25 Hierzu Badura, Peter in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 (Drittbearbeitung), Februar 2008, Rn. 97-99. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 7 wie soeben dargestellt - aber gerade gewollt ist. Es könnte danach an einem aus der Verfassung zu begründenden besonderen Rechtfertigungsgrund fehlen. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass als besonderer Grund für eine Differenzierung die Tatsache in Betracht kommt, dass der fraktionslose Abgeordnete – anders als sein fraktionsangehöriger Kollege – eben gerade nicht auf die finanzielle Unterstützung seiner Fraktion zurückgreifen kann, weswegen ihm anders als diesem die Entgegennahme von Spenden weiter möglich sein sollte. In der Wüppesahl-Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der durch Art. 38 Abs. 1 GG gewährleistete Status des Abgeordneten Grundlage für die repräsentative Stellung des Bundestages sei, der als „besonderes Organ“ (Art. 20 Abs. 2 GG) die vom Volk ausgehende Staatsgewalt ausübe.26 Die ihm von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nehme dieser in der Gesamtheit seiner Mitglieder wahr, weswegen jeder Abgeordnete berufen sei, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen, teilzunehmen. Dies ist letztlich auch Ausgangspunkt für die Schlussfolgerung des Gerichts, dass den fraktionsangehörigen Abgeordneten aus der Arbeit der Fraktionen eine Reihe von Vorteilen zufließe, die der Deutsche Bundestag gegenüber den fraktionslosen Abgeordneten auszugleichen habe. Danach könnte man im Hinblick auf die in Rede stehende Differenzierung auch argumentieren: Hierdurch wird der einzelne Abgeordnete – jedenfalls mittelbar aufgrund seiner finanziell verbesserten Situation – bei der Teilnahme an der Arbeit des Bundestages als Ganzem unterstützt, einem Ziel, dass – wie in der soeben zitierten Entscheidung ausgeführt – in der Verfassung selbst angelegt ist. Die Regelung wäre auch geeignet und erforderlich, wobei hier dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative einzuräumen ist. Die Erforderlichkeit wäre wohl insbesondere unter dem Gesichtspunkt zu bejahen, dass den fraktionsangehörigen Abgeordneten mittelbar weiter Spendengelder zugutekämen, da Spenden an die Fraktionen27 selbst nach der zu prüfenden Fragestellung jedenfalls nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden, so dass die Regelung ein relativ mildes Mittel darstellt. Die Parteilosigkeit bzw. -zugehörigkeit ist dagegen für die Rechtsstellung des Abgeordneten im Bundestag ohne Bedeutung, so dass sie als Differenzierungskriterium bei Direktspenden an Abgeordnete nicht herangezogen werden könnte. 2.2.2. Differenzierung bei einem Verbot von Direktspenden an Kandidaten Ein Verbot von Direktspenden nur an parteigebundene Kandidaten müsste als Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit ebenfalls durch einen besonderen Grund gerechtfertigt werden. Außerdem müsste es zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein.28 Auch wenn der Prüfungsmaßstab enger als bei einer Durchbrechung der formalen Gleichheit von Abgeordneten gefasst ist, so gilt das bereits unter 2.2.1 Gesagte: Es ließe sich wohl hier entsprechend argumentie- 26 Vgl. BVerfGE 80, 188, 217 f. 27 Zur Möglichkeit von Spenden an die Fraktionen siehe auch: Hölscheidt, Sven, Das Recht der Parlamentsfraktionen 2001, S. 722. 28 Zum Prüfungsmaßstab BVerfGE 95, 408, 417; 99, 1, 9; Klein (Fn. 19), Art. 38 Rn. 123. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 8 ren, dass die parteilosen Kandidaten nicht auf die Unterstützung des Parteiapparates zurückgreifen könnten, aus der eine Rechtfertigung für eine Differenzierung gegenüber parteigebunden Kandidaten hergeleitet werden könnte. Daher hat der „unabhängige Kandidat“ gemäß § 49b Bundeswahlgesetz (BWahlG) auch Anspruch auf staatliche Mittel, sofern er mindestens zehn Prozent der Erststimmen im Wahlkreis erzielt hat. Einerseits genießen die Parteien nach Art. 21 GG nach dem Grundgesetz eine besondere Stellung , die einem Ausschluss der Entgegennahme von Spenden durch Parteimitglieder entgegenstehen könnte. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen: Aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) folgt die grundsätzlich staatsfreie und offene Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und damit das Prinzip ihrer Parteienfreiheit.29 Dies könnte als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Privilegierung parteiloser Kandidaten bei der Entgegennahme von Direktspenden in Betracht gezogen werden. Folgt man der Ansicht, dass Art. 38 GG auf Kandidaten unanwendbar ist (siehe 2.1), dann ließe sich vergleichbar im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG argumentieren . 3. Vereinbarkeit eines Verbots von Direktspenden mit dem Behinderungsverbot aus Art. 48 Abs. 2 GG Das Verbot von Direktspenden für partei- und fraktionsangehörige Abgeordnete bzw. Parteikandidaten könnte ferner gegen das allgemeine Behinderungsverbot des Art. 48 Abs. 2 GG verstoßen. Art. 48 Abs. 2 GG lautet: „Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben . Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Verhaltensweisen verboten, die die Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenmandats behindern sollen.30 Diese Auslegung wird von der Literatur als zu eng kritisiert, da sie den Schutz des Art. 48 Abs. 2 GG nahezu leerlaufen lasse.31 Vielmehr handelt es sich nach Ansicht der Literatur um einen Sonderfall des Gleichbehandlungsgebots mit Drittwirkung, das Bewerber um ein Mandat und Abgeordnete vor einer Behinderung schützen soll, die aus ihrer beruflichen Sphäre stammt.32 Es ist einschlägig bei jeder Schlechterstellung bzw. Benachteiligung, die ihren Grund allein in der Mandatsüber- 29 Hierzu siehe BVerfGE 78, 350, 363. 30 BVerfGE 42, 312, 329; BVerwGE 94, 248, 251 m.w.N. 31 Vgl. die Nachweise bei Klein (Fn. 19), Art. 48 Rn. 85 f. m.w.N. 32 Klein (Fn. 19), Art. 48 Rn. 87. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 321/11 Seite 9 nahme oder -ausübung hat.33 Der persönliche Schutzbereich umfasst nicht nur Abgeordnete, sondern auch sämtliche Bewerber um ein parlamentarisches Amt.34 Ein Verbot von Direktspenden zielt nicht auf die Behinderung der Übernahme einer Mandatsausübung ab; auch wenn es den Wahlkampf insbesondere der parteilosen Kandidaten gegenüber parteigebundenen Kandidaten erschweren würde, so würde diese Behinderung jedoch nicht aus der beruflichen Sphäre stammen. Ein differenzierendes Direktspendenverbot würde nach allen Ansichten wohl nicht gegen Art. 48 Abs. 2 GG verstoßen. ( ) ( ) 33 Butzer, Hermann in: Epping, Volker/Hillgruber, Christoph, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Edition, 11. Juli 2011, Art. 48 Rn. 8. 34 Butzer (Fn. 33), Art. 48 Rn. 6.