Weisungsbefugnisse des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 313/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Weisungsbefugnisse des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 313/08 Abschluss der Arbeit: 12. September 2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Im Rahmen des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens kann der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Weisungen auf die vom Eisenbahn- Bundesamt zu treffende Planabwägungsentscheidung Einfluss nehmen. Grundsätzlich zulässig wäre auch eine Weisung, mit der das Eisenbahn-Bundesamt angewiesen würde, zu einem bestimmten Abwägungsergebnis zu kommen. Der Zweck des Planfeststellungsverfahrens und die in ihm geschützten verfahrensmäßigen Garantien erfordern jedoch, dass eine derartige Weisung auf einer vollständigen Kenntnis der im Anhörungsverfahren vorgebrachten und erörterten Tatsachen und Einwendungen beruht, ihrerseits den Anforderungen des Abwägungsgebots inhaltlich gerecht wird und dementsprechend begründet ist. Andernfalls läge ein Verstoß gegen das zwingend zu beachtende Abwägungsgebot in Form eines Abwägungsfehlers vor. Ein solcher Mangel bei der Abwägung kann dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im gerichtlichen Verfahren führen, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist und nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren 4 3. Weisungsbefugnisse des BMVBS gegenüber dem EBA als Planfeststellungsbehörde 6 3.1. Die grundsätzliche Weisungsgebundenheit des EBA 7 3.2. Keine generelle Unzulässigkeit von Weisungen gegenüber Planfeststellungsbehörden 8 3.3. Einschränkungen für die Ausübung des Weisungsrechts im Planfeststellungsverfahren 9 3.3.1. Planungsermessen und Abwägungsgebot 9 3.3.2. Anforderungen an die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall 10 4. Ergebnis 11 - 4 - 1. Einleitung Nach § 18 S. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) 1 dürfen Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Zu den Betriebsanlagen einer Eisenbahn in diesem Sinne gehören die Schienenwege und die für die Schienenwege notwendigen Anlagen. 2 Zuständige Planfeststellungsbehörde für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 2 Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz (BEVVG) 3 das Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Im Folgenden wird die Frage untersucht, inwieweit der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) durch Weisungen an das EBA auf dessen Entscheidungen in einem nach §§ 18ff. AEG durchzuführenden Planfeststellungsverfahren Einfluss nehmen kann, um etwa im Sinne eines verstärkten Schutzes der Anwohner vor Lärmbelästigungen eine von ihm favorisierte Tunnellösung statt eines ebenerdigen Schienenverlaufs durchzusetzen. Zur besseren Einordnung der Problematik wird vorab das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren in der gebotenen Kürze erläutert. 2. Das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren Das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren nach § 18ff. AEG i.V.m. §§ 72 bis 78 Verwaltungsverfahrensgesetz 4 (VwVfG) beginnt damit, dass der Vorhabenträger beim EBA als sachlich zuständiger Planfeststellungsbehörde den Plan einreicht. Gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 besteht der Plan „aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen“. Für die Ausarbeitung des Plans ist der Vorhabenträger verantwortlich . 5 Durch die Vorlage des Plans bestimmt der Vorhabenträger gegenüber der Planfeststellungsbehörde den konkreten „Genehmigungsgegenstand“, den er zur Entscheidung stellen will. 6 1 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378 (2396) (1994, 2439), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 26. Februar 2008 (BGBl. I S. 215. 2 Ronellenfitsch, Grundzüge, Entwicklungen und Probleme des Eisenbahnplanungs- und Planfeststellungsrechts , in: Foos (Hrsg.), Eisenbahnrecht und Bahnreform, 3. Aufl., Minfeld 2003, S. 141 (146); Vallendar, in: Hermes/Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, München 2006, § 18 Rn. 43. 3 Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2394), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. April 2007 (BGBl. I S. 522). 4 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), geändert durch Artikel 4 Abs. 8 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718). 5 Kramer, in: Kunze (Hrsg.), Eisenbahnrecht (Baden-Baden, Loseblatt, Stand: 19. Ergänzungslieferung 2005), Erläuterungen zum AEG, A 4.1, S. 257. 6 Vallendar (Fn. 2), § 18 Rn. 73, 119. - 5 - Im durch das EBA durchzuführenden Planfeststellungsverfahren werden in der Regel die Deutsche Bahn AG bzw. ihre Tochtergesellschaft DB Netz AG, welche sich zu 100 % in der Hand der Deutsche Bahn AG befindet, Vorhabenträger sein. Planung und Durchführung der Baumaßnahmen erfolgen durch die ebenfalls einhundertprozentige Tochtergesellschaft DB ProjektBau GmbH. 7 Die Bundesrepublik Deutschland ist Inhaberin aller Anteile am Grundkapital der Deutschen Bahn AG, bei der es sich aufgrund der Eigentümerstruktur um ein privatrechtlich organisiertes Staatsunternehmen handelt. Bei privatrechtlich ausgestalteten öffentlichen Unternehmen gelten die allgemeinen Vorschriften des Zivil-, Handels- und Aktienrechts, wie sie auch auf nichtöffentliche Unternehmen ihre Anwendung finden. Durch die Entsendung weisungsgebundener Vertreter (Beamte) 8 in die Hauptversammlung und in den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG kann der Bund als juristische Person des öffentlichen Rechts Einfluss auf die Entscheidungen der AG nehmen. 9 Eine darüber hinausgehende Einflussnahmemöglichkeit des Bundes, etwa durch „Weisungen “ des BMVBS gegenüber der Deutsche Bahn AG oder ihren Tochtergesellschaften , mit dem Inhalt, eine bestimmte Planung zu verfolgen, besteht nicht. Im Hinblick auf eine fehlende Feststellungsfähigkeit des Vorhabens – etwa weil anhand der konkret zu berücksichtigenden privaten Belange nur eine unterirdische Trassenführung den Lärmschutzanforderungen gerecht würde – könnte das EBA dem Vorhabenträger eine veränderte Planung zwar nahelegen. Allein die Tatsache jedoch, dass für eine unterirdische Trassenführung zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden könnten , begründet keine Verpflichtung für den Vorhabenträger, eine dem entsprechende Planung zu verfolgen. Es liegt allein in der Entscheidung des Vorhabenträgers, den eingereichten Plan ggf. entsprechend anzupassen bzw. zu vervollständigen, um die Feststellungsfähigkeit des Vorhabens sicherzustellen. Nach der Prüfung der eingereichten Planungsunterlagen auf ihre Vollständigkeit hat das EBA, wie § 3 Abs. 2 S. 1 BEVVG bestimmt, „die Pläne für den Bau neuer oder die Änderung bestehender Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes der nach Landesrecht zuständigen Behörde des Landes, in dem die Betriebsanlagen liegen, zur Durchführung 7 Siehe dazu Vallendar (Fn. 2), § 18 Rn. 74. 8 Siehe dazu § 67 Bundesbeamtengesetz (BBG). Bundesbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I S. 675), zuletzt geändert durch § 62 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010). 9 Die auf Veranlassung des Bundes in den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft entsandten Mitglieder nehmen Teil an der Überwachung der Geschäftsleitung. Zudem können die in den Aufsichtsrat entsandten Vertreter über die Bestellung des Vorstandes gemäß §§ 76, 84 Aktiengesetz mitentscheiden. Zu Berichtspflichten gegenüber dem für die Beteiligungsverwaltung zuständigen Bundesministerium vgl. ferner die Hinweise für die Verwaltung von Bundesbeteiligungen (GMBL. 2001, S. 950ff.), http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4518/DE/BMF__Startseite/Service/Downloads/Abt__V III/Verwaltung_20von_20Bundesbeteiligungen_20kle,templateId=raw,property=publicationFile.pdf (letzter Abruf: 10.09.2008). - 6 - des Anhörungsverfahrens zuzuleiten, wenn die Pläne nicht nur den Bereich der Eisenbahnen des Bundes berühren“. Planfeststellungs- und Anhörungsbehörde liegen daher – auf Wunsch der Länder 10 – nicht in einer Hand, wenn Belange der Länder berührt werden , deren Interessen das bei ihnen angesiedelte Anhörungsverfahren schützen soll. 11 Die nach dem jeweiligen Landesorganisationsrecht zuständige Anhörungsbehörde handelt in Erfüllung einer ihr allein zugewiesenen Angelegenheit. 12 Eine Einflussnahme des BMVBS durch Erteilung von Weisungen gegenüber der für die Durchführung des Anhörungsverfahrens zuständigen Landesbehörde kommt daher nicht in Betracht. Das Anhörungsverfahren schließt mit dem sog. Erörterungstermin ab, in dem die rechtzeitig eingegangenen Einwendungen gegen den Plan gemäß § 73 Abs. 6 S. 1 und 6 VwVfG zu erörtern sind. Nach Abschluss dieser Erörterung gibt die Anhörungsbehörde zum Ergebnis eine zusammenfassende Stellungnahme ab und leitet diese mit dem Plan sowie den dagegen erhobenen und nicht erledigten Einwendungen sowie den Stellungnahmen der Vereinigungen und Behörden an das EBA als zuständiger Planfeststellungsbehörde weiter, vgl. § 18a S. 1 Nr. 5 AEG. Mit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 18b i.V.m. § 74 VwVfG endet das Planfeststellungsverfahren. Bei der Planfeststellung durch das EBA sind gemäß § 18 S. 2 AEG die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen . 3. Weisungsbefugnisse des BMVBS gegenüber dem EBA als Planfeststellungsbehörde Diese vom EBA gemäß § 18 S. 2 AEG vorzunehmende Abwägung könnte mit etwaigen Weisungen kollidieren, durch die der BMVBS dem EBA ein bestimmtes Ergebnis der Planabwägung im Sinne einer von ihm favorisierten Bauweise vorzugeben suchte. Zwar ist das EBA grundsätzlich weisungsgebunden (dazu sogleich unter 3.1.) und eine generelle Weisungsunabhängigkeit kann auch im Hinblick auf seine Funktion als Planfeststellungsbehörde nicht angenommen werden (dazu unter 3.2.). Doch bestehen für die Ausübung des Weisungsrechts Einschränkungen, die sich aus dem Gebot gerechter 10 Siehe BT-Drs. 12/5014, S. 10 (Stellungnahme des Bundesrates, Anlage 2 zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens). Dazu z.B. Kühlwetter, in: Kunze (Hrsg.), Eisenbahnrecht (Baden-Baden, Loseblatt, Stand: 21. Ergänzungslieferung 2007), Erläuterung zum BEVVG, A 3.1, S. 22. 11 Kühlwetter (Fn. 10), S. 22. 12 Vallendar (Fn. 2), § 18 Rn. 4, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 – 11 C 6/99 (=NVwZ 2000, S. 673ff.). - 7 - Planabwägung ergeben, und deren Nichtbeachtung sich in einer Aufhebbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses niederschlagen kann, soweit aufgrund erteilter Weisungen ein für das Abwägungsergebnis relevanter Abwägungsfehler anzunehmen ist (dazu unter 3.3.). 3.1. Die grundsätzliche Weisungsgebundenheit des EBA Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird gemäß Art. 87e Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) in bundeseigener Verwaltung geführt. Für Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wurde gemäß § 2 Abs. 1 BEVVG das EBA als selbständige Bundesoberbehörde errichtet, die dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung untersteht. In § 2 Abs. 1 des Organisationserlasses des BMVBS 13 , durch den die Errichtung des EBA mit Wirkung zum 1. Januar 1994 erfolgte, heißt es: „Das Eisenbahn-Bundesamt ist eine dem Bundesministerium für Verkehr unmittelbar nachgeordnete Oberbehörde mit einstufigem Verwaltungsaufbau. Es unterliegt der Aufsicht und den Weisungen des Bundesministeriums für Verkehr. In diesem Rahmen nimmt es seine Aufgaben eigenverantwortlich wahr“. Dass selbständige Bundesoberbehörden wie das EBA der Rechts- und Fachaufsicht des zuständigen Bundesministers unterstehen 14 , folgt aus dem Prinzip parlamentarischer Verantwortlichkeit der Regierung und dem Grundmodell demokratischer Legitimation der vollziehenden Gewalt. Danach bildet die hierarchische Steuerung und Kontrolle ein „zentrales Bauprinzip auch der Bundesverwaltung“15. Ein Einzelweisungsrecht des zuständigen Ministers, der seinen Geschäftsbereich gemäß Art. 65 S. 2 GG innerhalb der vom Bundeskanzler vorgegebenen Richtlinien selbständig und unter eigener Verantwortung leitet, wird für den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung daher als verfassungsrechtlich vorausgesetzt angesehen. 16 Allerdings hat der BMVBS kein Selbsteintrittsrecht, da es insoweit an einer besonderen gesetzlichen Regelung fehlt. 17 Aufgrund der gesetzlich begründeten Zuständigkeit des EBA für die Planfeststellung hat dieses den Planfeststellungsbeschluss auch zu erlassen. 13 Veröffentlicht im Amtsblatt des Bundesministeriums für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland (Verkehrsblatt) 1994, S. 90. 14 Hermes, in: ders./Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar, München 2006, Einführung D, Rn. 35. 15 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band III, 2. Aufl., Tübingen 2008, Art. 86 Rn. 43. 16 Hermes (Fn. 15), Art. 86 Rn. 43; siehe auch Brandner, Grenzen des ministeriellen Weisungsrechts gegenüber nachgeordneten Behörden?, DÖV 1990, S. 966 (966f.). 17 Siehe dazu Ramsauer, in: Kopp/ders. (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl., München 2008, § 3 Rn. 12 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr.; auch Herdegen, Der Selbsteintritt von Aufsichtsbehörden im Verwaltungsrecht, in: Die Verwaltung 1990, S. 183ff. (198). - 8 - 3.2. Keine generelle Unzulässigkeit von Weisungen gegenüber Planfeststellungsbehörden Auch Einzelweisungen, die in ein konkretes Verfahren eingreifen und Bereiche der Zweckmäßigkeit und des Planungsermessens betreffen, sind – entgegen einer vereinzelten Literaturmeinung 18 – grundsätzlich zulässig.19 § 74 VwVfG, auf den § 18 S. 3 und § 18b AEG verweisen, geht davon aus, dass die Planfeststellungsbehörde in den hierarchischen Behördenaufbau eingegliedert und als Teil der Exekutive den allgemeinen staatsorganisatorischen Bindungen unterliegt. 20 Die Behauptung einer generellen Unzulässigkeit von Weisungen vorgesetzter Behörden gegenüber einer Planfeststellungsbehörde ließe sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) stützen. Nach dem Urteil des BVerwG vom 5. Dezember 1986 21 (Flughafen München II) darf sich die Planfeststellungsbehörde zwar „in ihrer Verfahrensgestaltung keiner Einflussnahme aussetzen, die ihr die Freiheit zur einer planerischen Gestaltung faktisch nimmt oder weitgehend einschränkt“22. Die erforderliche Unparteilichkeit der Planfeststellungsbehörde könne gefährdet werden, „wenn andere Behörden oder Amtsträger außerhalb ihrer Zuständigkeit und außerhalb zulässiger Beteiligungen auf das Verwaltungsverfahren Einfluss zu nehmen suchen “23. Zur Beantwortung der Frage, inwieweit Planfeststellungsbehörden Weisungen der vorgesetzten Behörde befolgen müssen, lässt sich den Ausführungen des BVerwG jedoch nichts entnehmen, da die vorgesetzte Behörde bei der Erteilung von Weisungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit handelt und allein aus der Tatsache der Weisungserteilung Zweifel an der Unparteilichkeit des Behördenhandelns nicht begründet werden können. 24 Die Ausführungen des BVerwG beziehen sich vielmehr auf die rechtsstaatlichen Anforderungen an ein faires Verwaltungsverfahren, auf den Rechtsgedanken der Art. 20, 21 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Besorgnis der Befangenheit ) und auf das Gebot einer gerechten Abwägung aller widerstreitender Belange, welche insbesondere sachwidrige politische Einflussnahmen durch außenstehende Dritte beim Prozess der Entscheidungsfindung verbieten. Die Planfeststellungsbehörde soll als Sachwalter des Allgemeininteresses fungieren und nicht durch partikuläre Interessen 18 Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz. Kommentar, 5. Aufl., Köln u.a. 2004, S. 340. 19 Vgl. Hermes (Fn. 14), Einführung D, Rn. 35. 20 Allesch/Häußler, in: Obermayer (Begr.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., Neuwied u.a. 1999, § 74 Rn. 33; Maier, Weisungen vorgesetzter Behörden gegenüber Planfeststellungsbehörde – Möglichkeit und Schranken, in: BayVBl. 1990, S. 647ff. 21 BVerwGE 75, 214 – Az.: 4 C 13/85. 22 BVerwGE 75, 214 (Leitsatz) – Flughafen München II. 23 BVerwGE 75, 214 (231) – Flughafen München II. 24 Vgl. Maier (Fn. 20), S. 649. - 9 - von Einzelnen gesteuert werden. Die Planfeststellungsbehörde darf sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen und sich für das Vorhaben insbesondere nicht allein aus politischen Motiven entscheiden, indem sie sich z.B. dem Willen von Politikern oder sonstigem politischen Druck unterordnet. 25 3.3. Einschränkungen für die Ausübung des Weisungsrechts im Planfeststellungsverfahren Ein Abwägungsfehler ist im Übrigen nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil die Planfeststellungsbehörde bei ihrer Abwägungsentscheidung behördenintern einer konkreten Weisung folgt. 26 Derartige Weisungen entziehen die jeweilige Entscheidung zwar der Fachplanungsbehörde; der planerische Gestaltungsspielraum der Exekutive als solcher bleibt von dieser organisatorischen Verlagerung jedoch unberührt. 27 Für die Ausübung des Weisungsrechts der übergeordneten Behörde im Rahmen der Planfeststellung bestehen jedoch Einschränkungen, die aus dem Gebot gerechter Planabwägung resultieren. 3.3.1. Planungsermessen und Abwägungsgebot Charakteristisch für die Planfeststellung ist nämlich, dass der zuständigen Behörde als Wesensmerkmal rechtsstaatlicher Planung ein planerischer Gestaltungsspielraum (Planungsermessen) eingeräumt ist, weil Planung ohne Gestaltungsspielraum ein Widerspruch in sich wäre. 28 Aus dem Rechtsstaatsprinzip wird als praktisch bedeutsamste Schranke der planerischen Gestaltungsfreiheit das Abwägungsgebot abgeleitet, das aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung folgt und Verfassungsrang hat. 29 Es gebietet , die von einer Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Dies gilt in allen gesetzlich angeordneten Planfeststellungsverfahren, unabhängig davon, ob das jeweilige Fachgesetz – wie das AEG in seinem § 18 – eine Abwägung anordnet und ein Planungsermessen eröffnet. 30 Das Gebot gerechter Planabwägung setzt 25 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 6. Aufl., München 2001, § 74 Rn. 55d; Allesch/Häußler (Fn. 20), § 74 Rn. 34. 26 Vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1989, S. 354 (356); Allesch/Häußler (Fn. 20), § 74 Rn. 33; Maier (Fn. 20), S. 648. 27 Vgl. Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, 2. Aufl., Düsseldorf 2000, Rn. 255 (zur Bundesauftragsverwaltung ). 28 BVerwGE 34, 301 (304); 48, 56 (59); 56, 110 (116f); 59, 253 (256ff); 71, 166 (168ff); 72, 282 (285); Ramsauer (Fn. 17), § 72 Rn. 10f, 41, § 74 Rn. 16, 50ff; Bonk/Neumann (Fn. 25), § 72 Rn. 10, § 74 Rn. 29f. 29 BVerwGE 48, 56 (63); 64, 270; 74, 124 (133); Bonk/Neumann (Fn. 25), § 74 Rn. 54; Ramsauer (Fn. 17), § 74 Rn. 51ff.; Vallendar (Fn. 2), § 18 Rn. 120. 30 Vgl. Bonk/Neumann (Fn. 25), § 74 Rn. 29. - 10 - voraus, dass sich die Behörde ihres planerischen Gestaltungsspielraumes bewusst ist und sich nicht irrtümlich für rechtlich oder tatsächlich bereits gebunden hält. 31 Der Schutz der von dem Vorhaben betroffenen widerstreitenden Interessen erfolgt in der Regel durch Auflagen und Bedingungen im Planfeststellungsbeschluss. Diese sollen sicherstellen, dass der Betreiber im öffentlichen oder privaten Interesse der Betroffenen bestimmte Vorkehrungen oder Maßnahmen zur Verhinderung oder Minimierung der entsprechenden Belastungen trifft. 32 Welche Auflagen und Bedingungen zur Lösung der durch das Vorhaben hervorgerufenen Interessenkonflikte notwendig sind, kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern ist Ergebnis der Abwägung, die auf Grundlage des zur Feststellung eingereichten Vorhabenplans durchzuführen ist. Besondere Bedeutung hinsichtlich der zu befürchtenden Lärmauswirkungen des Vorhabens haben die Vorgaben des § 41 Bundes-Immissionsschutzgesetz 33 (BImSchG). Nach § 41 BImschG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen, Magnetschwebebahnen und Straßenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Dies gilt allerdings nach § 41 Abs. 2 BImschG nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden. Ob der in § 41 BImSchG zum Ausdruck kommende grundsätzliche „Vorrang des aktiven Lärmschutzes “34 im Fall einer durch ein Wohngebiet verlaufenden Schienenanlage eine unterirdische Trassenführung statt lediglich passiver Lärmschutzmaßnahmen erforderte, wäre eine von der Planfeststellungsbehörde zu treffende Abwägungsentscheidung, bei der auch Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zu berücksichtigen wären. 3.3.2. Anforderungen an die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall Durch eine Weisung etwa des Inhalts, dass nur ein Vorhaben zu genehmigen sei, welches eine unterirdische Trassenführung vorsieht, gäbe der BMVBS das Ergebnis dieser Abwägung vor. Zur Wahrung des gesetzlichen Zwecks und der verfahrensmäßigen Garantien des Planfeststellungsverfahrens dürfte die Planfeststellungsbehörde eine derartige Weisung jedoch nur dann ohne Verstoß gegen das Abwägungsgebot dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde legen, wenn die Weisung auf einer vollständigen 31 Ramsauer (Fn. 17), § 74 Rn. 57. Zum Abwägungsgebot im Einzelnen Bonk/Neumann (Fn. 25), § 74 Rn. 54ff. 32 Kramer (Fn. 5), S. 246. 33 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2470). 34 Dazu im Einzelnen Vallendar (Fn. 2),§ 18 Rn. 105 mit Nachweisen aus der Rspr. - 11 - Kenntnis der im Anhörungsverfahren vorgebrachten und erörterten Tatsachen und Einwendungen beruhte, ihrerseits den Anforderungen des Abwägungsgebots inhaltlich gerecht würde und dementsprechend begründet wäre. 35 Essentiell für die Zulässigkeit von Weisungen ist nämlich, dass die anweisende Behörde über eine vollständige Kenntnis des abwägungsrelevanten Materials verfügt. Dies hat zur Konsequenz, dass die vorgesetzte Behörde nur dann eine Weisung erteilen kann, wenn das Anhörungsverfahren beendet ist und sie die einschlägigen Einwendungen und korrespondierenden Verhandlungsinhalte des Erörterungstermins vollständig zur Kenntnis genommen und in die Abwägung einbezogen hat. 36 Für bindende Weisungen vor Beendigung des Anhörungsverfahrens ist in der Regel kein Raum; insbesondere kann zur sachlichen Rechtfertigung solcher Weisungen nicht darauf rekurriert werden, dass die vorgesetzte Behörde durch eine Petition oder die Intervention eines Abgeordneten mit der maßgeblichen Frage befasst wird. 37 In zeitlicher Hinsicht sollten die übergeordneten Behörden demnach regelmäßig das Ergebnis des Anhörungsverfahrens abwarten . Weiter ist unabdingbar, dass die Weisung ihrerseits den Anforderungen des Abwägungsgebots entsprechen muss, da die verwaltungsinterne Verlagerung von Verwaltungszuständigkeiten nicht dazu führen darf, dass im Außenverhältnis gegenüber externen Dritten die Anforderungen an eine rechtsstaatliche Planung nicht eingehalten werden . 38 Die Planfeststellungsbehörde, die im Außenverhältnis für die Rechtmäßigkeit interner Vorentscheidungen einzustehen hat, muss die durch die Weisung vorgegebene Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss ferner abwägend nachvollziehen. 39 4. Ergebnis Der BMVBS könnte von seinem Weisungsrecht gegenüber dem EBA im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Gebrauch machen. Auch an eine Weisung des BMVBS, mit der ein bestimmtes Ergebnis der Planabwägung vorgegeben würde, wäre das EBA gebunden . Ein Verstoß gegen das in § 18 S. 2 AEG enthaltenen Abwägungsgebot, welcher ggf. im gerichtlichen Verfahren gerügt werden könnte, läge jedoch in diesem Fall nur dann nicht vor, wenn die betreffende Weisung auf einer vollständigen Kenntnis der im Anhörungsverfahren vorgebrachten und erörterten Tatsachen und Einwendungen beruh- 35 Dazu Maier (Fn. 20), S. 649f.; vgl. auch Dürr, in: Knack (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 8. Aufl., Köln u.a. 2004, § 74 Rn. 95; Allesch/Häußler (Fn. 20), § 74 Rn. 33; Bonk/Neumann (Fn. 25), § 74 Rn. 55c. 36 Maier (Fn. 20), S. 650; vgl. auch Kühling/Herrmann (Fn. 27), Rn. 266. 37 Maier (Fn. 20), S. 650. 38 Allesch/Häußler (Fn. 20), § 74 Rn. 33. 39 Allesch/Häußler (Fn. 20), § 74 Rn. 33. - 12 - te, ihrerseits den Anforderungen des Abwägungsgebots inhaltlich gerecht würde und dementsprechend begründet wäre. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so liegt ein Abwägungsfehler vor. Dieser kann allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 18e Abs. 6 AEG zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im gerichtlichen Verfahren führen. Danach sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Solche erheblichen Mängel bei der Abwägung führen nach § 18e Abs. 6 S. 2 AEG auch nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können.