Deutscher Bundestag § 61 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz Möglichkeit einer Normenkontrollklage? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 311/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 2 § 61 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz Möglichkeit einer Normenkontrollklage? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 311/12 Abschluss der Arbeit: 28. November 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Abstrakte Normenkontrolle gegen § 61 Abs. 2 WHG 4 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 61 Abs. 2 WHG 5 3.1. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG 5 3.1.1. Schutzbereich 5 3.1.2. Eingriff 6 3.1.3. Rechtfertigung des Eingriffs 6 3.1.4. Legitimer Zweck 7 3.1.5. Geeignetheit 8 3.1.6. Erforderlichkeit 11 3.1.7. Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn 11 3.2. Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot 12 4. Erfolg einer abstrakten Normenkontrollklage 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 4 1. Einleitung Das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG)1 sieht in § 61 Abs. 2 eine Selbstüberwachungspflicht für Betreiber von Abwasseranlagen vor. § 61 Abs. 2 WHG lautet: „Wer eine Abwasseranlage betreibt, ist verpflichtet, ihren Zustand, ihre Funktionsfähigkeit , ihre Unterhaltung und ihren Betrieb sowie Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe selbst zu überwachen. Er hat nach Maßgabe einer Rechtsverordnung nach Absatz 3 hierüber Aufzeichnungen anzufertigen, aufzubewahren und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.“ Diese Ausarbeitung untersucht, ob es möglich ist, eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen § 61 Abs. 2 WHG einzulegen. Mögliche Gründe für eine materielle Verfassungswidrigkeit der Norm könnte eine Verletzung der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sein. Darüber hinaus wird untersucht, ob die Norm mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar ist. 2. Abstrakte Normenkontrolle gegen § 61 Abs. 2 WHG Mit der abstrakten Normenkontrolle kann Bundes- und Landesrecht auf seine förmliche oder sachliche Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden, Landesrecht darüber hinaus auch auf seine Vereinbarkeit mit sonstigem Bundesrecht. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht kann gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG2 i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG3 von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages beantragt werden. Dieser Kreis der Antragsteller ist abschließend bestimmt, insbesondere sind weder Fraktionen, Parteien oder einzelne Abgeordnete antragsbefugt .4 Wollen ein Viertel der Abgeordneten ein abstraktes Normenkontrollverfahren einleiten, so müssen sie einen gemeinsamen, einheitlichen Antrag stellen und sich durch den- bzw. dieselben Bevollmächtigten vor Gericht vertreten lassen: „Unter dem Schild des einen Antrags können nicht unterschiedliche Auffassungen (…) vertreten werden“.5 1 Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 9 des Gesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212) geändert worden ist. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) geändert worden ist. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2012 (BGBl. I S. 1501) geändert worden ist. 4 Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hoffmann/Hopfauf, GG, 12. Auflage 2011, Art. 93 Rn. 99. 5 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Auflage 2001, Rn. 712. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 5 Der Antragsteller muss nicht die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verlangt lediglich ein objektives Klarstellungsinteresse, dass in der Regel bereits besteht, wenn Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Norm bestehen.6 Hält das Bundesverfassungsgericht die zu prüfende Norm für verfassungswidrig, so erklärt es sie gemäß § 78 BVerfGG für nichtig. In ständiger Rechtsprechung erklärt das Bundesverfassungsgericht zudem Gesetze auch für nur zum Teil nichtig und im Übrigen verfassungskonform auslegbar .7 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat Gesetzeskraft, § 31 Abs. 2 i.V.m. § 13 Nr. 6 BVerfGG. 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 61 Abs. 2 WHG 3.1. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG § 61 Abs. 2 S. 1 WHG überträgt den Betreibern einer Abwasseranlage die Pflicht, die Anlage zu überwachen. Diese Pflicht wird in der Norm insofern konkretisiert, als die Überwachung des Zustands , der Funktionsfähigkeit, der Unterhaltung, des Betriebs, der Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe verlangt wird. Darüber hinaus hat der Betreiber gemäß § 61 Abs. 2 S. 2 WHG die Erfüllung dieser Überwachungspflichten durch Aufzeichnungen zu dokumentieren und gegebenenfalls der Behörde vorzulegen. Durch die Auferlegung dieser Pflichten übt der Gesetzgeber staatliche Gewalt aus, die sich gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an den Grundrechten messen lassen muss. Insbesondere muss im Falle eines Eingriffs in ein Grundrecht die einschränkende Maßnahme verhältnismäßig zu dem durch den Eingriff verfolgten Zweck sein (Verhältnismäßigkeitsprinzip oder Übermaßverbot).8 Die folgende Darstellung konzentriert sich dabei auf die Vereinbarkeit der Regelung mit der durch Art. 14 GG garantierten Eigentumsfreiheit. 3.1.1. Schutzbereich Vom Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfasst sind alle vermögenswerten Rechtpositionen , die einem Rechtsträger durch die Rechtsordnung zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet werden.9 Der Inhalt des Grundrechts unterliegt damit der einfachgesetzlichen Ausgestaltung. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist deswegen ein normgeprägtes Grundrecht.10 Rechte, 6 BVerfGE 52, 63, 80; BVerfGE 100, 149, 257 f.; BVerfGE 119, 96, 117. 7 Meyer, in: von Münch/Kunig, GG Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 93 Rn. 37 m.w.N. 8 BVerfGE 7, 377, 405, 407 f.; Ipsen, Staatsrecht II, 15. Auflage 2012, Rn. 182 ff. 9 BVerfGE 83, 201, 209. 10 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Auflage 2012, Art. 14 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 6 die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet – also das Eigentum im privatrechtlichen Sinne – werden folglich in jedem Fall vom Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfasst.11 Die Regelungen des § 61 Abs. 2 WHG beziehen sich auf Abwasseranlagen . Als Abwasseranlage ist jede ortsfeste oder bewegliche technische Einrichtungen zu verstehen, die für eine gewisse Dauer zur Abwasserbeseitigung bestimmt ist.12 Dabei kann es sich um öffentliche (vgl. § 58 Abs. 1 S. 1 WHG) oder private Abwasseranlagen (vgl. § 59 WHG) handeln .13 Private Abwasseranlagen stehen dabei im Eigentum von privaten Rechtsträgern, sodass sie vom sachlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfasst sind. Träger dieses Grundrechtes sind alle natürliche Personen, sowie i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG alle inländischen juristischen Personen des Privatrechts.14 3.1.2. Eingriff Ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG liegt vor, wenn eine als Eigentum geschützte Position durch ein staatliches Verhalten entzogen oder ihre Nutzung, Verfügung oder Verwertung beschränkt wird.15 § 61 Abs. 2 S. 1 WHG legt den Betreibern einer Abwasseranlage eine Überwachungspflicht auf, § 61 Abs. 2 S. 2 WHG eine Dokumentations- und Vorlagepflicht der Daten aus der Überwachung. Damit wird die Benutzung der Abwasseranlage reglementiert und infolgedessen beschränkt. Der Grundrechtsträger kann die ihm als Eigentum zugewiesene Position nicht mehr nach seiner freien Entscheidung nutzen. Durch die Regelung aus § 62 Abs. 2 WHG greift der Gesetzgeber somit in das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ein. 3.1.3. Rechtfertigung des Eingriffs Eingriffe in die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG werden in Inhalts- und Schrankenbestimmungen einerseits, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, und Enteignungen andererseits, Art. 14 Abs. 3 GG, unterteilt, die jeweils unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen unterliegen.16 Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt vor, wenn der Gesetzgeber abstrakt-generelle Rechte und Pflichten festlegt, die das Eigentum objektiv-rechtlich normieren.17 Ab Inkrafttreten des Gesetzes bestimmen Inhalts- und Schrankenbestimmungen damit in allge- 11 Manssen, Staatsrecht II, 9. Auflage 2012, Rn. 673. 12 Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2004, Rn. 528. 13 BT-Drs 16/12775 S. 70; Schulz, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 61 Rn. 7. 14 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 14 Rn. 206. 15 Manssen, Staatsrecht II, 9. Auflage 2012, Rn. 682. 16 Axer, in Epping/Hillgruber, GG, Stand 2012, Art. 14 Rn. 70. 17 BVerfGE 72, 66, 76; BVerfGE 52, 1, 27; BVerfGE 58, 137, 144 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 7 meiner Form den Inhalt des Eigentums.18 Eine Enteignung hingegen bezweckt die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben.19 Vorliegend trifft der Gesetzgeber in § 61 Abs. 2 WHG eine allgemeine Regelung, welchen Nutzungseinschränkungen Abwasseranlagen unterliegen. Er legt damit eine grundsätzliche, objektiv-rechtliche Pflicht im Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG fest. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung muss nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zunächst auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen.20 § 61 Abs. 2 WHG stellt ein formelles Bundesgesetz dar, sodass die darin enthaltenen Regelungen auf einem Gesetz beruhen. Darüber hinaus unterliegen Inhalts- und Schrankenbestimmungen auch in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung Schranken. Insbesondere müssen sie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen.21 Dies ist der Fall, wenn die Inhalts- und Schrankenbestimmung als beschränkende Maßnahme einen verfassungslegitimen Zweck verfolgt, geeignet, erforderlich und angemessen ist.22 3.1.4. Legitimer Zweck Ein verfassungslegitimer gesetzgeberischer Zweck richtet sich im Rahmen eines Eingriffs in die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 2 GG und die darin enthaltene soziale Zweckbindung des Eigentums.23 In seiner Regelung muss der Gesetzgeber daher das Ziel der Sozialpflichtigkeit des Eigentums verfolgen, demgemäß die Nutzung des Eigentums sozialgerecht erfolgen soll.24 § 61 Abs. 2 S. 1 WHG überträgt den Betreibern von Abwasseranlagen eine Pflicht zur Selbstüberwachung der Anlagen in Form von Überwachung des Zustands, der Funktionsfähigkeit, der Unterhaltung, des Betriebs, der Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe. Die Norm bezweckt dadurch eine Rechtspflicht des Betreibers, die Beachtung der einschlägigen Standards zum Schutze der Gewässer selbst zu kontrollieren.25 Als Gewässer in diesem Sinne gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 WHG und § 3 Nr. 1 WHG Flüsse, Bäche und das Grundwasser. Das 18 BVerfGE 72, 66, 76; BVerfGE 52, 1, 27; BVerfGE 58, 137, 144 f. 19 BVerfGE 70, 191, 199 f.; BVerfGE 72, 66, 76; BVerfGE 102, 1, 15. 20 Vgl. Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Band I, 6. Auflage 2010, Art. 14 Rn. 220. 21 Statt vieler: Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 12. Auflage 2012, Art. 14 Rn. 38; Manssen, Staatsrecht II, 9. Auflage 2012, Rn. 692; BVerfGE 8, 71, 80. 22 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 14 Rn. 315. 23 Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 12. Auflage 2012, Art. 14 Rn. 35. 24 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 14 Rn. 306. 25 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 2; Queitsch, Zur Überprüfung des Zustandes von privaten Abwasserleitungen (§ 61 Abs. 2 WHG), NWVBl 2012, 132; BT-Drs. 16/12275 S. 70: „Eine kontinuierliche Eigenkontrolle der Gewässerbenutzer und Anlagenbetreiber trägt wesentlich dazu bei, die Gewässer durch einen ordnungsgemäßen Vollzug der gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Anforderungen wirksam zu schützen.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 8 Gesetz überträgt eine Überwachungspflicht dem für die Anlage Verantwortlichen. Dieser kann zwar von seiner Sachherrschaft über die Anlage Gebrauch machen, soll aber sicherstellen, dass keine Gefahren für Rechtsgüter anderer entstehen.26 Die so bezweckte Eigenverantwortung des Betreibers entspricht der sozialen Bindung des privaten Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG.27 § 61 Abs. 2 S. 2 WHG ergänzt die Pflichten aus S. 1 lediglich darum, die Überwachung zu dokumentieren und die Aufzeichnungen der Behörde, wenn sie danach verlangt, vorzulegen. Damit soll zum einen nachgewiesen werden können, dass der Betreiber einer Abwasseranlage seiner Pflicht nachgekommen ist.28 Dieser Zweck lässt sich als Teil der Überwachungspflicht selbst ebenso auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG zurückführen. Zum anderen kann die Behörde anhand der Aufzeichnungen den Betrieb der Anlage überprüfen und unter Umständen Anordnungen hierzu treffen.29 Die Vorlage kann damit als Grundlage zum weiteren Handeln der Behörde dienen, um zum Schutz der Gewässer einen technisch einwandfreien Betrieb zu sichern. Auch dieser Zweck dient folglich dazu, Gefahren für Rechtsgüter anderer abzuwenden und entspricht damit der sozialen Bindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. 3.1.5. Geeignetheit Die Regelungen müssen zudem zur Verfolgung des oben dargelegten Zwecks geeignet sein. Geeignetheit setzt voraus, dass der angestrebte Zweck zumindest gefördert wird und damit zur Zweckerreichung beiträgt.30 Die Selbstüberwachungspflicht gemäß § 61 Abs. 2 S. 1 WHG kann zwar grundsätzlich dazu dienen, dass der Betreiber erkennt, ob er die einschlägigen Rechtsvorschriften einhält, und kann im Ergebnis damit zum Schutz der Gewässer und Rechtsgüter anderer beitragen. § 61 Abs. 2 S. 1 WHG normiert jedoch keine allgemeine Selbstüberwachungspflicht, sondern enthält einzelne Pflichten, die dem Betreiber übertragen werden. Zur Beurteilung, ob die jeweilige Verpflichtung des Betreibers den Zweck fördert, müssen die Pflichten einzeln betrachtet werden. Die Überwachung des Zustands, der Funktionsfähigkeit, der Unterhaltung und des Betriebs dient dazu, Störungen im Betrieb der Abwasseranlage vorzubeugen und gegebenenfalls zu beseitigen .31 Diese Überwachungspflichten entsprechen den Anforderungen, die § 60 Abs. 1 WHG zum Betreiben der Abwasseranlagen aufstellt.32 Die Überwachung des Zustands von Abwasseran- 26 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 2. 27 Kotulla, WHG, 2. Auflage 2011, § 61 Rn. 2; Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 2. 28 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 18. 29 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 18. 30 Manssen, Staatsrecht II, 9. Auflage 2012,Rn. 183. 31 Nisipeanu, in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 1. Auflage 2011, § 61 Rn. 27. 32 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 9 lagen etwa umfasst eine optische Kontrolle durch Inaugenscheinnahme und Begehungen, auch mit Hilfe technischer Geräte wie Kanalfernsehuntersuchungen.33 Die Überprüfung der Funktionsfähigkeit und Unterhaltung soll sicherstellen, dass der Betrieb ordnungsgemäß aufrecht erhalten wird.34 Die Kontrolle dieser Parameter kann somit zu einem bestimmungsgemäßen und störungsfreien Betrieb der Anlage führen, um Schäden für Gewässer vorzubeugen.35 Die Auferlegung dieser Pflichten ist daher geeignet, die Anlage betreffende einschlägige Standards zu überprüfen und die Gewässer zu schützen. Auch dient die Dokumentation und mögliche Vorlagepflicht der Daten aus dieser Kontrolle nach § 61 Abs. 2 S. 1 WHG als Grundlage für die Behörde, um zum einen die Kontrolle durch den Betreiber nachzuprüfen und zum anderen gegebenenfalls Anordnungen für den weiteren Betrieb der Anlage zu treffen. Darüber hinaus sind gemäß § 61 Abs. 2 S. 1 WHG die Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe zu überprüfen. In Abwasserbehandlungsanlagen soll aufgrund dieser Messungen die Reinigungsleistung der Behandlungsanlagen gesteuert werden.36 Handelt es sich um Direkteinleitungen gemäß § 57 WHG kann durch die Überprüfung dieser Parameter kontrolliert werden, dass die für die Einleitung von Abwasser in Gewässer zugelassenen Grenzwerte nicht überschritten werden.37 Bei dieser Art von Anlagen können durch das Überprüfen von Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe folglich die einschlägigen Standards kontrolliert werden und die Gewässer in der Folge geschützt werden. In diesen Fällen ist auch die in § 61 Abs. 2 S. 2 WHG enthaltene Dokumentations- und Vorlagepflicht eine geeignete Maßnahme. § 61 Abs. 2 WHG umfasst aber gerade nicht bloß Anlagen, die der Direkt- oder Indirekteinleitung dienen, sondern bezieht sich auf alle Abwasseranlagen. Damit sind insbesondere auch private Abwassereinleitungen und Kanäle umfasst, die ohne Genehmigungspflicht betrieben werden können.38 Im Rahmen solcher Anlagen ist es durchaus problematisch, ob eine Überprüfung der Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe zur Kontrolle beiträgt, ob einschlägige Rechtsvorschriften eingehalten werden und die Gewässer dadurch geschützt werden. Die Überprüfung der Menge des Abwassers kann zwar dazu beitragen zu erkennen, ob die hydraulische Belastungsfähigkeit der Anlage den Wassermengen standhalten kann. Eine Untersuchung der Art des Abwassers kann auch notwendig sein zur rechtlichen Kategorisierung des Abwasserherkunftsbereichs , was etwa für die weiteren Anforderungen an die Abwasserbehandlung relevant sein kann.39 Jedenfalls aber eine genaue Untersuchung der Art und Menge der Abwasserin- 33 Schulz, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 61 Rn. 16. 34 Schulz, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 61 Rn. 16 f. 35 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 15. 36 Schulz, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 61 Rn. 18. 37 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 16. 38 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 13; vgl. Begründung zur Änderung im Bundesratsverfahren BR Drs. 280/1/09, S. 48, Nr. 76; Queitsch, Zur Überprüfung des Zustandes von privaten Abwasserleitungen (§ 61 Abs. 2 WHG), NWVBl 2012, 132. 39 Vgl. beispielsweise Anhang 1 Abwasserverordnung vom 17. Juni 2004 (BGBl. I S. 1108, S. 2625). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 10 haltsstoffe scheint bei bestimmten Abwasseranlagen wie etwa Kanalisationskanälen soweit ersichtlich wohl nicht geeignet, um einschlägige Rechtsvorschriften zu überprüfen. Denn die Kanäle dienen bloß der Weiterleitung des Abwassers, während die weitere Behandlung oder die Einleitung in Gewässer in anderen Anlagen stattfindet. Eine Untersuchung von Art und Menge der Abwasserinhaltsstoffe schon in diesem Stadium der Abwasserleitung wäre daher möglicherweise ohne Nutzen. Eine umfassende technische Beurteilung der Materie kann im Rahmen dieser Ausarbeitung jedoch nicht stattfinden. Es scheint daher denkbar, dass nach einer umfangreichen technischen Expertise über die Funktion der Kanäle und ähnlichen Abwasseranlagen die Geeignetheit der Maßnahme angenommen werden kann. Dem Gesetzgeber steht zwar in Bezug auf die Geeignetheit einer Maßnahme eine weitreichende Einschätzungsprärogative zu.40 Dieser Prognosespielraum muss sich aber daran messen lassen, welche Möglichkeiten dem Gesetzgeber zustanden, sich zum Zeitpunkt des Gesetzeserlasses ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden.41 Er muss sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des zur Verfügung stehenden Erkenntnismaterials orientiert haben.42 In diesem Fall hätte der Gesetzgeber aber schon zum Zeitpunkt des Erlasses erkennen können, dass Messungen über Art und Menge der Abwasserinhaltsstoffe wohl zweckuntauglich sind, wenn sie hinsichtlich jeder Abwasseranlage durchgeführt werden müssen. Die Fehleinschätzung ist nicht auf die Ungewissheit einer zukünftigen Wirkung der Maßnahme zurückzuführen. Das Bundesverfassungsgericht ist dennoch in der Regel sehr zurückhaltend damit, die Verfassungswidrigkeit einer Regelung aufgrund ihrer Ungeeignetheit anzunehmen.43 So kommt auch in diesem Fall in Betracht, die Regelung verfassungskonform auszulegen. Denn bevor eine Norm als verfassungswidrig verworfen werden kann, muss jedenfalls zuvor die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erörtert werden.44 Danach muss das vom Gesetzgeber gesetzte Recht bei mehreren möglichen Auslegungsvarianten so ausgelegt werden, wie es für seine Verfassungskonformität am günstigsten ist.45 Eine mögliche verfassungskonforme Auslegung des § 61 Abs. 2 S. 1 WHG könnte dadurch erreicht werden, dass Kanäle und ähnliche Abwasseranlagen zur Zweckdienlichkeit der Norm von der Anwendung dieser Regelung ausgenommen würden. „Abwasseranlage “ im Zusammenhang mit der Regelung, Art und Menge der Abwasserinhaltsstoffe zu überprüfen, könnte enger als in Bezug zur restlichen Norm ausgelegt werden und nur diejenigen Abwasseranlagen umfassen, bei denen die Messung solcher Parameter nützlich zu ihrer Funktion 40 Stern, Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 778; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 14 Rn. 321. 41 BVerfGE 73, 40, 92. 42 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 14 Rn. 321; BVerfGE 71, 230, 250; BVerfGE 77, 84, 109. 43 Stern, Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 778. So verlangt das Bundesverfassungsgericht, dass eine Maßnahme unter allen Umständen gänzlich ungeeignet ist, BVerfGE 77, 170, 215. 44 Stern, Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 1147; BVerfGE 2, 266, 282. 45 Manssen, Staatsrecht II, 9. Auflage 2012, Rn. 60 ff.; Stern, Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 1147 f.; BVerfGE 74, 297, 299, 345 ff.; BVerfGE 83, 201, 215. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 11 und zum Schutz der Gewässer ist (s.o.). Damit könnte im Ergebnis die Geeignetheit der Norm insgesamt – trotz ihres teilweise problematischen Wortlauts – angenommen werden. 3.1.6. Erforderlichkeit Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn von mehreren zur Verfügung stehenden und gleich effektiven Mitteln das mildeste gewählt wurde, also dasjenige Mittel, das die grundrechtlichen Schutzgüter am wenigsten beeinträchtigt.46 Um zu überprüfen, ob die einschlägigen Rechtsvorschriften gewahrt werden, kommt neben einer Selbstkontrolle der Betreiber nach § 61 Abs. 2 S. 1 WHG und der Dokumentations- und Vorlagepflicht gemäß § 61 Abs. 2 S. 2 WHG ebenso in Betracht, dass die Behörde eigenständig Kontrollen durchführt. Denn die Gewährsleistungsverantwortung über die einschlägigen Vorschriften obliegt in erster Linie dem Staat.47 Allerdings ist eine Kontrolle durch die Behörden etwa nach §§ 100 Abs. 1 und 101 Abs. 1 WHG kein geringfügigerer Eingriff und damit kein milderes Mittel. Denn durch eine behördliche Kontrolle wird nicht nur in die Nutzung des Eigentums eingegriffen . Der Staat übt darüber hinaus, indem er die Überprüfungen selbständig vornimmt, auch ein Zwangsmittel aus, dessen Ausführung der betroffene Betreiber zu dulden hat.48 Der staatliche Vollzug der gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Anforderungen beeinträchtigt die Grundrechte des Betreibers damit nicht weniger.49 Zudem kann eine behördliche Kontrolle nur stichprobenartig erfolgen, so dass kein uneingeschränkt repräsentatives Bild über das Einhalten der einschlägigen Rechtsvorschriften im Rahmen des Betriebs der Abwasserleitung entstehen kann.50 Eine Untersuchung allein durch die Behörde wäre folglich auch nicht gleich effektiv wie die Selbstüberwachung des Betreibers. Die Selbstüberwachung nach § 61 Abs. 2 WHG ist damit erforderlich. 3.1.7. Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn Schließlich muss die grundrechtseinschränkende Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen.51 Das durch den Eingriff in die grundrechtliche Freiheitssphäre erbrachte Opfer darf nicht außer Verhältnis zu dem für die Allgemeinheit erstrebten Nutzen stehen.52 46 BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 78, 38, 50; BVerfGE 78, 232, 245. 47 Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 2. 48 Tünnesen-Harmes, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 101 Rn. 1 f. 49 Vgl. Kotulla, WHG, 2. Auflage 2011, § 61 Rn. 2: „ […] eine weniger intensive […] staatliche Kontrolle.“ 50 Schulz, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 61 Rn. 2. 51 BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 78, 232, 245; Ipsen, Staatsrecht II, 15. Auflage 2012, Rn. 182. 52 Stern, Staatsrecht, Band III/2, 1994, S. 783. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 12 Auf der einen Seite steht im vorliegenden Fall der Eingriff in die Eigentumsfreiheit durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die die Nutzung der Abwasseranlagen einschränkt, indem die Betreiber zur Selbstüberwachung verpflichtet werden. Die Selbstüberwachung verursacht bei den Betreibern nicht nur Aufwände, sondern auch Kosten, um die entsprechenden Überprüfungstechniken zu installieren und zu warten. Der Eingriff in das Freiheitsrecht ist damit nicht unerheblich. Andererseits soll durch die Selbstüberwachung gewährt werden, dass einschlägige Rechtsvorschriften zum Schutze der Gewässer eingehalten werden. Undichte Leitungen und andere Probleme im Betrieb von Abwasseranlagen gefährden nicht nur die oberirdischen Flussgewässer. Vielmehr können bei einer mangelnden Kontrolle ernsthafte Gefahren für den Boden, das Grundwasser und dadurch die öffentliche Trinkwasserversorgung entstehen.53 Nur durch effektive Kontrollen können daher Seuchengefahren vorgebeugt und hygienisch einwandfreie Zustände in den Gemeinden erhalten werden.54 Das entspricht nicht nur der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. Der Staat kommt damit auch seiner Schutzpflicht nach, gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Leben und körperliche Unversehrtheit seiner Bürger zu schützen.55 Denn der Staat ist verfassungsrechtlich gehalten, Maßnahmen zu treffen, um das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Dritter als Ausdruck der Menschenwürde zu schützen.56 Der Staat muss daher Vorsorge treffen, um dem Schädigungs- und Gefährdungspotential für die Gewässer entgegenzutreten.57 Die Maßnahme zielt also auf den Schutz sehr hochrangiger Verfassungswerte ab. Eine endgültige Beurteilung, ob die in § 61 Abs. 2 WHG angeordnete Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis stehen, hängt jedoch von den Anforderungen an die Maßnahme im Einzelfall ab, so etwa von den Kosten, die auf den Anlagenbetreiber anfallen und anderen Umständen, die er zur Selbstüberprüfung auf sich nehmen muss. Wie die Maßnahmen im Einzelfall ausgeführt werden können und mit welchem Aufwand das jeweils verbunden ist, bedarf einer technischen Beurteilung, die an dieser Stelle nicht erfolgen kann. 3.2. Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot § 61 Abs. 2 WHG muss zudem mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar sein. Das Bestimmtheitsgebot fordert, dass eine Norm nach Inhalt, Zweck und Ausmaß so hinreichend bestimmt und begrenzt ist, dass sie zu erkennen gibt, welche Eingriffe durch das Gesetz zugelassen werden.58 Dies folgt einerseits aus dem Rechtsstaatsprinzip unter seiner Ausprägung als Gebot der Rechtssicher- 53 Queitsch, Zur Überprüfung des Zustandes von privaten Abwasserleitungen (§ 61 Abs. 2 WHG), NWVBl 2012, 132. 54 Queitsch, Zur Überprüfung des Zustandes von privaten Abwasserleitungen (§ 61 Abs. 2 WHG), NWVBl 2012, 132. 55 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 2 Rn. 41. 56 Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Band I, 6. Auflage 2010, Art. 2 Rn. 204, 208, 217. 57 Vgl. das wasserrechtliche Vorsorgeprinzip, z.B. § 57 WHG und § 63 WHG, Kotulla, WHG, 2. Auflage 2011, § 60 Rn. 2. 58 Manssen, Staatsrecht II, 9. Auflage 2012, Rn. 168; BVerfGE 56, 1, 12; BVerfGE 108, 52, 75. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 311/12 Seite 13 heit und andererseits aus der Beachtung, die die Grundrechte finden müssen. Demnach muss das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß für den Bürger voraussehbar und berechenbar sein.59 Problematisch im Rahmen des § 61 Abs. 2 WHG ist, dass die Norm keine genau Definition enthält, was unter „Abwasseranlagen“ im Sinne der Norm erfasst wird. Jedoch sind unbestimmte, auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe in der Regel zulässig,60 lediglich eine willkürliche Handhabung durch die Behörden darf nicht ermöglicht werden.61 Gleichwohl der Begriff der Abwasseranlage im Gesetz nicht definiert ist, lässt sich durch eine systematische Auslegung, insbesondere durch Heranziehen der § 58 Abs. 1 S. 1 WHG und § 59 Abs. 1 WHG, erschließen, dass der Begriff „Abwasseranlagen “ als Oberbegriff für öffentliche und private Abwasseranlagen nach Maßgaben der §§ 58, 59 WHG genutzt wird.62 Für den Bürger ist damit vorhersehbar, wie das Gesetz angewendet wird und in welchem Ausmaß ihn das auf dem Gesetz beruhende Verwaltungshandeln berührt. 4. Erfolg einer abstrakten Normenkontrollklage Eine abstrakte Normenkontrollklage ist erfolgreich, wenn die Klage zulässig und begründet ist. Während sich die Zulässigkeit auf die prozessualen Voraussetzungen zur Klageerhebung bezieht (siehe unter 2), ist im Rahmen der Begründetheit die Verfassungsmäßigkeit der Norm zu prüfen. Aufgrund der unter 3 ausgeführten Erwägungen ist die Norm wohl materiell verfassungskonform beziehungsweise kann verfassungskonform ausgelegt werden, weshalb auch die Erfolgsaussichten einer Normenkontrollklage soweit ersichtlich eher gering sein dürften. 59 BVerfGE 110, 33, 53 ff.; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Stand 2012, Art. 20 Rn. 169. 60 BVerfGE 87, 234, 263 f.; BVerfGE 103, 21, 33; BVerfGE 110, 33, 56 f. 61 BVerfGE 80, 137, 161. 62 Schulz, in: Giesberts/Reinhardt, WHG, Stand 2012, § 61 Rn. 7; Kotulla, WHG, 2. Auflage 2011, § 61 Rn. 10 f.; Reinhardt/Czychowski, WHG, 10. Auflage 2010, § 61 Rn. 13.