© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 305/18 Amtshaftung bei fehlerhafter Fluggastkontrolle Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 305/18 Seite 2 Amtshaftung bei fehlerhafter Fluggastkontrolle Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 305/18 Abschluss der Arbeit: 23. August 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 305/18 Seite 3 1. Einführung Aufgrund von Fehlern bei der Fluggastkontrolle können Fluggäste in den Sicherheitsbereich eines Flughafens gelangen, obwohl sie nicht ausreichend überprüft sind. Derartige Fälle können den Flugbetrieb eines Flughafens für längere Zeit stören. Es stellt sich die Frage der Haftung des Staates für Schäden von Fluggästen aufgrund von Verzögerungen. 2. Amtshaftung Nach § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) führt ein durch einen Beamten verursachter Schaden, der auf einer Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht beruht, zu einem Schadensersatzanspruch. Art. 34 Grundgesetz (GG) leitet diesen Anspruch gegen den Beamten auf den Staat über. Die Amtshaftungsansprüche bestehen demnach direkt gegenüber den jeweiligen Anstellungskörperschaften.1 2.1. Beamter im haftungsrechtlichen Sinne Die Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht auf Beamte im wörtlichen Sinne beschränkt . Art. 34 GG dehnt die Haftung vielmehr auf alle haftungsrelevanten Handlungen von Inhabern eines öffentlichen Amtes aus. Zu diesen zählen neben den statusrechtlichen Beamten auch Beliehene.2 Fluggastkontrollen nach § 5 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) sind gem. § 4 Bundespolizeigesetz (BPolG) Aufgabe der Bundespolizei. Allerdings führt die Bundespolizei selbst schon seit Längerem keine Kontrollen mehr durch, sondern hat diese sukzessive an private Sicherheitsunternehmen ausgelagert.3 Private Dienstleister sind nach § 16a LuftSiG Beliehene. Ferner erwähnt § 16a Abs. 6 LuftSiG die Amtshaftung aufgrund von Pflichtverletzungen eines privaten Dienstleisters ausdrücklich. 2.2. Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht Unter den Amtspflichten ist jede persönliche Verhaltenspflicht des Amtsträgers bezüglich seiner Amtsführung zu verstehen. Eine Verletzung kann dabei sowohl in einem Handeln als auch in einem Unterlassen einer gebotenen Amtshandlung liegen. Aus einer allgemeinen Amtspflicht ist jeder Amtsträger verpflichtet, seine Aufgaben und Befugnisse im Einklang mit dem geltenden Recht wahrzunehmen.4 Den Luftsicherheitsbehörden obliegt die Amtspflicht zur Abwehr von Gefahren für die Luftsicherheit . Diese Pflicht verletzt das Sicherheitspersonal, wenn es Personen in den Sicherheitsbereich 1 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl. 2017, § 839 BGB Rn. 360 ff. 2 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl. 2017, § 839 BGB Rn. 133. 3 Hierzu näher Risse, NJW 2018, 1397. 4 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl. 2017, § 839 BGB Rn. 193. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 305/18 Seite 4 lässt, die nicht ausreichend überprüft wurden. Allerdings kann diese Amtspflicht nur vor Schäden schützen mit Bezug zur Luftsicherheit (z. B. Personenschäden bei einem Terroranschlag), nicht aber vor Schäden, die sich aus der Suche nach einem mangelhaft kontrollierten Fluggast ergeben. Daneben sprechen auch gute Gründe für eine Amtspflicht des Sicherheitspersonals, unnötige und erhebliche Beeinträchtigungen für den Flugbetrieb zu vermeiden, die sicherheitstechnisch weder erforderlich noch vertretbar sind.5 Diese Amtspflicht bestünde im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB auch Dritten gegenüber, insbesondere unbeteiligten Fluggästen am Flughafen. Rechtsprechung zu dieser Fallkonstellation besteht soweit ersichtlich nicht. Entlässt das Sicherheitspersonal einen nicht ausreichend kontrollierten Fluggast in den Sicherheitsbereich, könnte es je nach Umständen des Einzelfalls diese Amtspflicht verletzen. 2.3. Kausalität/Verschulden Die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht müsste für den konkreten Schadenseintritt ursächlich geworden sein. Den handelnden Amtsträgern müsste zudem ein Verschulden nachgewiesen werden können. Hierfür müssten diese vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. 2.4. Schaden Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden , wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB). Damit muss sich der Geschädigte vorrangig aus etwaigen Ansprüchen z. B. gegen die Luftfahrtgesellschaften befriedigen (z. B. Anspruch auf Ersatzbeförderung und oder Unterbringung).6 Im Übrigen bestimmen sich Inhalt und Umfang des Schadensersatzes nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§§ 249-255, 842-846).7 In diesem Zusammenhang dürfte sich auch die Frage stellen, wie weit der Kreis der etwaig ersatzberechtigten Geschädigten zu ziehen ist (Schutzzweck der Norm).8 Störungen des Flugbetriebs eines Flughafens ziehen einen weiten Kreis an 5 So auch Giemulla, Professor für Luftrecht (TU Berlin), Auskunft gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten; vgl. ferner im Hinblick auf Organisationspflichten OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 19.01.2017 – 1 U 139/15 –, juris: „Dass die Kontrollen nicht beliebig oder willkürlich verzögert werden dürfen und dass die Sicherheitsbehörden sie zweckmäßig organisieren und Personal in ausreichender Zahl und mit hinlänglicher Ausbildung einsetzen müssen, bleibt davon unberührt; die schuldhafte Missachtung solcher Organisationspflichten würde einen Amtshaftungsanspruch begründen. Solche Pflichtverletzungen sind hier aber, wie oben dargelegt, nicht feststellbar .“ 6 Siehe auch den Anspruch des Fluggastes gegen den Flughafenbetreiber bei Verletzung des Bodenabfertigungsvertrages , AG Erding, NJW 2017, 1123; a. A. Schmid, BeckOK Fluggastrechte-Verordnung, 7. Edt. 2018, Art. 5 Rn. 100a (kein Anspruch). 7 Reinert, in: Bamberger/Roth, 46. Edt. 2018, § 839 BGB Rn. 122. 8 Hierzu Oetke, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 305/18 Seite 5 Personen in Mitleidenschaft. Ausgefallene Flüge können Fluggäste in der ganzen Welt beeinträchtigen . Rechtsprechung zu dieser Frage besteht bislang soweit ersichtlich nicht. 3. § 51 BPolG § 51 BPolG ist eine Anspruchsgrundlage für schuldloses Handeln der Polizei.9 Für die hier in Frage stehende Konstellation fahrlässigen Handelns ist daher der Amtshaftungsanspruch die einschlägige Anspruchsgrundlage. Ferner knüpft § 51 BPolG an die Inanspruchnahme eines Störers bei Vorliegen einer konkreten Gefahr an.10 Auch aus diesem Grund passt § 51 BPolG auf die hier vorliegende Fallkonstellation eher nicht. *** 9 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 51 BPolG, Rn. 11. 10 BGH, Hinweisbeschluss vom 14.12.2017 – III ZR 48/17 –, juris, Rn. 9.