© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 304/18 Rechtliche Einordnung von Bund- Länderabkommen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 304/18 Seite 2 Rechtliche Einordnung von Bund- Länderabkommen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 304/18 Abschluss der Arbeit: 12.09.2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 304/18 Seite 3 1. Einleitung Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung (Gute-KiTa-Gesetz)“ vorgelegt.1 Danach sollen die Länder zur Weiterentwicklung der Qualität in der Tagesbetreuung und zur Angleichung bestehender Qualitätsunterschiede zwischen den Ländern einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer erhalten. Im Gegenzug sollen die Länder ausgehend von einem festgelegten Maßnahmenkatalog individuelle Handlungs- und Finanzierungskonzepte erstellen, über die sie mit dem Bund jeweils rechtsverbindliche Verträge schließen. Vor diesem Hintergrund stellt diese Ausarbeitung die verschiedenen Vertragsarten zwischen Bund und Ländern vor und beleuchtet deren Grundlagen und Voraussetzungen.2 2. Vertragsarten und rechtliche Grundlagen Im Staatsrecht werden im Wesentlichen zwei Arten von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern unterschieden. Der Bund und die Länder können, ebenso wie die Länder untereinander, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen schließen.3 Daneben stehen noch zahlreiche sonstige Koordinationsabsprachen, die zwar politisch von großer Bedeutung, jedoch nicht rechtsverbindlich sind.4 Staatsverträge und Verwaltungsabkommen mit ausländischen Staaten werden in Art. 32 Abs. 3 und 59 Abs. 2 GG geregelt. Für innerstaatliche Verträge zwischen Bund und Ländern oder den Ländern untereinander gibt es dagegen auf Bundesebene keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage .5 Dass insbesondere die Bundesländer dennoch eigene Verträge abschließen können, wird zum einen aus deren Staatsqualität abgeleitet.6 Einige stützen deren grundsätzliche Zulässigkeit zudem auf die Erwähnung spezieller Staatsverträge im Grundgesetz (Art. 29 Abs. 7 und 8, Art. 130 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 GG).7 Andere schließen aus Art. 32 Abs. 3 GG, dass Bundesländer erst recht innerstaatliche Verträge abschließen können, wenn sie dies sogar mit ausländischen Staaten dürfen.8 1 Der Entwurf ist abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/entwurf-eines-gesetzes-zur-weiterentwicklung -der-qualitaet-in-der-kindertagesbetreuung--gute-kita-gesetz-/127136 (Stand: 11.09.2018). 2 Vgl. hierzu allgemein: Aktueller Begriff Nr. 48/07 vom 19. September 2007 „Staatsverträge zwischen den Bundesländern “. 3 Teilweise werden in der Literatur unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. So bezeichnen z. B. Bonk/Neumann/ Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, § 54 VwVfG Rn. 49, die Staatsverträge auch als verfassungsrechtliche Verträge. 4 Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 10 Rn. 63. 5 Warmke, Die Verwaltung 1991, 455 [458]. 6 Schladebach, Verwaltungsarchiv 2007, 238, [241]. 7 Jarass, in: Jarass/Pieroth, 15. Aufl. 2018, Art. 32 GG Rn. 6. 8 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, 82. El. 2018, Art. 20 GG (Bundesstaat IV) Rn. 164. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 304/18 Seite 4 Weitere Stimmen in der Literatur leiten die Vertragsabschlusskompetenz der Bundesländer aus der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder gem. Art. 30 GG ab, wonach die Länder die Ausübung der staatlichen Befugnisse allgemein den Ländern obliegt, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung vorsieht.9 Trotz dieser unterschiedlichen Begründungsansätze ist die grundsätzliche Befugnis des Bundes und der Länder zum Abschluss von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen allgemein anerkannt. Die Landesverfassungen enthalten dementsprechend auch Ermächtigungsgrundlagen zum Abschluss von Staatsverträgen bzw. regeln deren Zustimmungserfordernisse.10 Ob ein Vertrag als Staatsvertrag oder als Verwaltungsabkommen zu qualifizieren ist, hängt von den Anforderungen ab, die das Landes- und Bundesrecht an die zu regelnde Materie stellt. Ein Staatsvertrag ist immer dann nötig, wenn die zu regelnde Materie unter Parlamentsvorbehalt steht, die Umsetzung des Vertragsinhalts folglich nur mittels eines formellen Gesetzes möglich ist.11 Verwaltungsabkommen sind dagegen Verträge, die mit Mitteln der Exekutive, also Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, umgesetzt werden können.12 Auf die Bezeichnung durch die Parteien kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist allein der Inhalt der Vereinbarung.13 3. Beteiligung der Parlamente und Kommunen Die Beteiligung der Parlamente richtet sich wie bereits aufgezeigt nach der Einordnung eines Abkommens als Staatsvertrag oder Verwaltungsabkommen. Da Staatsverträge Materien regeln, die unter Parlamentsvorbehalt stehen, ist die Beteiligung der jeweiligen Parlamente zwingend notwendig. In der Praxis werden Staatsverträge vom zuständigen Ministerium ausgehandelt und vom Regierungschef oder dem zuständigen Minister, auf den die Vertretungsbefugnis delegiert werden kann, vorläufig abgeschlossen.14 Anschließend müssen die Parlamente zustimmen, wobei sie ihre Zustimmung nur insgesamt erteilen oder den Vertrag in Gänze ablehnen können.15 Änderungsanträge sind nicht möglich. Deshalb sehen alle Landesverfassungen vor, dass die Parlamente durch die Landesregierungen frühzeitig und umfassend über 9 Schladebach, 2007, 238 [242]. 10 Siehe hierzu die Aufzählung von Bortnikov, JuS 2017, 27 [29]. 11 Rudolf, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 57. 12 Vedder, Intraföderale Staatsverträge, 1. Aufl. 1996, S. 157. 13 Schladebach, Verwaltungsarchiv 2007, 238 [243]. 14 Rudolf, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008 § 141 Rn. 61. 15 Knothe, ZRP 2010, 181 [182]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 304/18 Seite 5 die Vorbereitung von Staatsverträgen zu informieren sind.16 Die Zustimmung zu Staatsverträgen erfolgt in den meisten Bundesländern durch formelles Zustimmungsgesetz.17 Verwaltungsabkommen bedürfen dagegen keiner parlamentarischen Mitwirkung, da sie nur Angelegenheiten der Exekutive regeln. Bei Verwaltungsabkommen werden Ressort- und Regierungsabkommen unterschieden.18 Sie werden je nach innerstaatlicher Zuständigkeit von den zuständigen Fachministern oder den Regierungschefs abgeschlossen.19 Obwohl eine Parlamentsbeteiligung bei Verwaltungsabkommen nicht erforderlich ist, ist es dennoch möglich die parlamentarische Zustimmung einzuholen.20 Die parlamentarische Zustimmung könnte somit wohl auch als Bedingung in den Vertrag aufgenommen werden. Die Beteiligung von Kommunen bzw. kommunalen Spitzenverbände ist beim Abschluss von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich. Eine Beteiligung ist allenfalls für Fälle denkbar in denen ein Bund-Länder Vertrag unmittelbar auch Angelegenheiten einer konkreten Gemeinde mitregelt.21 Unbeschadet dessen, steht es den Vertragspartnern frei, die Beteiligung kommunaler Spitzenverbände als Vertragsvoraussetzung festzulegen. 4. Klage- und Sanktionsmöglichkeiten Sowohl Staatsverträge als auch Verwaltungsabkommen sind rechtlich bindend. Die Rechtssubjekte, also der Bund und die Länder, werden als solche verpflichtet, nicht nur deren Organe oder Behörden .22 Bei Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen können der Bund und die Länder entweder nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, §§ 13 Nr. 8, 71 f BVerfGG das Bundesverfassungsgericht anrufen oder gem. § 40 Abs. 1 S. 1, § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen.23 Welcher Rechtsweg einschlägig ist, bestimmt sich danach, 16 Knothe, ZRP 2010, 181 [182]. 17 Vgl. Rudolf, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 61; Schladebach, Verwaltungsarchiv 2007, 238, [248 f.]. 18 Rudolf, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 63. 19 Warmke, Die Verwaltung 1991, 455 [461 f.]. 20 Vgl. Rudolf, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 60 und Warmke, Die Verwaltung 1991, 455 [458], die jedoch beide davon sprechen, dass auch die Form des Staatsvertrages gewählt werden könne. Vgl. hierzu auch: Schladebach, Verwaltungsarchiv 2007, 238 [247]. 21 Vgl. etwa Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, 14. Aufl. 2018, Art. 28 GG Rn. 53, wonach eine zwingende Beteiligung der Gemeinde etwa bei einer Veränderung des Gebietszuschnittes erforderlich ist. 22 Rudolf, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 65. 23 Redeker, in: Redeker/von Oertzen, 16. Aufl. 2014, § 50 VwGO Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 304/18 Seite 6 ob eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Natur ist, in diesem Fall wäre der Gang zum Bundesverfassungsgericht einschlägig.24 Eine Streitigkeit ist verfassungsrechtlich, wenn Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Normen den eigentlichen Kern des Rechtsstreits bilden und das streitige Rechtsverhältnis entscheidend vom Verfassungsrecht geformt ist.25 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen formuliert, dass sich trotz dieser Definition nicht allgemeingültig bestimmen lasse, wann eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art sei.26 Als verfassungsrechtlich qualifiziert hat das Bundesverfassungsgericht beispielweise die Eingliederungs-Staatsverträge.27 Dennoch sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Streitigkeiten über Staatsverträge nicht automatisch verfassungsrechtlicher Natur, allein weil sie der Zustimmung der Parlamente bedürfen.28 Die meisten Streitigkeiten über Staatsverträge und Verwaltungsabkommen dürften nach Ansicht in der Literatur nichtverfassungsrechtlicher Art sein, womit der Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet wäre.29 Selbstständige einseitige Sanktionsmöglichkeiten durch den Bund oder die Länder im Falle eines Vertragsbruches sind verfassungsrechtlich nicht geregelt. Grundsätzlich stehen sich der Bund und die Länder als Hoheitsträger gleichberechtigt gegenüber. Für die Gleichrangigkeit spricht auch das Instrument des Vertrages, das in der Regel zwischen gleichrangigen Vertragspartnern verwendet wird. Sanktionsmöglichkeiten für den Fall eines Vertragsbruches können daher nur durch eine vertragliche Vereinbarung vorgesehen werden. Für die oben genannten Zielvereinbarungen wurde etwa eine Rückzahlungspflicht bei nicht zweckbezogener oder nicht zusätzlicher Verwendung der Mittel ins Spiel gebracht.30 Darüber hinaus können sowohl Staatsverträge als auch Verwaltungsabkommen durch die Vertragspartner gekündigt werden. Auch die Kündigungsmodalitäten werden in der Praxis üblicherweise in den Verträgen selbst geregelt.31 Anders als beim Abschluss, ist bei der Kündigung von Staatsverträgen grundsätzlich keine Parlamentsbeteiligung erforderlich.32 *** 24 BVerfGE 42, 103, 113. 25 Redeker, in: Redeker/von Oertzen, 16. Aufl. 2014, § 40 VwGO Rn. 3. 26 BVerwGE 50, 124 [130]. 27 Vgl. die Aufzählung in Vedder, Intraföderale Staatsverträge, 1. Aufl. 1996, S. 356. 28 BVerfGE 42, 103 [115 f.]. 29 Vgl. Vedder, Intraföderale Staatsverträge, 1. Aufl. 1996, S. 356. 30 Wieland, Gesetzgebungs- und Finanzierungskompetenz des Bundes für ein Qualitätsentwicklungsgesetz Kindertagesbetreuung - Rechtsgutachten erstellt für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, vom 10.04.2017, S. 17, abrufbar unter: https://www.fruehe-chancen.de/fileadmin/PDF/Fruehe_Chancen/Rechtsgutachten _QEG.pdf (Stand: 11.09.2018). 31 Gundel, DÖV 2017, 15 [21]; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, Diss Berlin, § 8 Nr. 2. (S. 123). 32 Gundel, DÖV 2017, 15 [21].