Gesetzgebungskompetenzen des Bundes hinsichtlich der Sparkassen - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 302/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Gesetzgebungskompetenzen des Bundes hinsichtlich der Sparkassen Ausarbeitung WD 3 - 302/06 Abschluss der Arbeit: 16.08.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Hinsichtlich des Bereichs der Sparkassen besteht keine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 GG. In Betracht kommt allenfalls, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 72 Abs. 1 und Abs. 2 GG an sich zieht. Die Föderalismusreform wird insoweit zu keinen Änderungen führen. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Gesetzgebung des Bundes nach Art. 73 und Art. 75 GG 4 3. Art. 74 Abs. 1 GG konkurrierende Gesetzgebung des Bundes 4 3.1. Art. 74 Abs.1 GG einschlägig? 5 3.1.1. Gebrauchmachen 5 3.1.2. Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes 6 3.2. Föderalismusreform 7 - 4 - 1. Einleitung Zu prüfen ist, ob und wie ein Sparkassengesetz auf Bundesebene erlassen werden kann, in dem Fragen wie Eigentumsformen oder Gewinnverwendungen geregelt sind.1 2. Gesetzgebung des Bundes nach Art. 73 und Art. 75 GG Eine ausschließliche Gesetzgebung des Bundes nach Art. 73 GG ist nicht gegeben. Nach Art. 75 GG hat der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu den in Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten Materien zu erlassen. Der Bereich der Sparkassen fällt nicht unter die in den Nr. 1 bis 6 aufgeführten Materien. Somit kann ein Bundessparkassengesetz nicht nach Art. 75 GG im Wege der Rahmengesetzgebung erlassen werden. 3. Art. 74 Abs. 1 GG konkurrierende Gesetzgebung des Bundes Art. 74 Abs. 1 GG enthält einen Katalog der Materien der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Durch die Normsetzung seitens des Bundes werden die Länder von der Gesetzgebung ausgeschlossen .2 Der Bund kann im Rahmen seiner Gesetzgebung Teile der zu regelnden Materie zugunsten der Länder aussparen oder ihnen im Wege von Vorbehalten oder Reservaten Bereiche ausdrücklich zuweisen. So erzielt der Bund einen Effekt, der der Rahmengesetzgebung vergleichbar ist.3 1 Europarechtliche Fragen sind nicht Gegenstand der Ausarbeitung. 2 Stettner in Dreier Art. 72 Rn. 25. 3 Stettner in Dreier Art. 72 Rn. 25. - 5 - 3.1. Art. 74 Abs.1 GG einschlägig? Ein Sparkassengesetz des Bundes müsste, damit ein Sparkassenbundesgesetz erlassen werden kann, dem Katalog des Art. 74 Abs. 1 GG unterliegen. In Nr. 11 ist das Recht der Wirtschaft aufgeführt, explizit ist hier das Bankwesen genannt. Das Bankwesen umfasst die Geschäftstätigkeit und das Verfassungs- und Organisationsrecht privater Einrichtungen für den Geld- und Kreditverkehr.4 Hinsichtlich privater Kreditinstitute umfasst das Bankwesen i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG die typische Geschäftstätigkeit und das Verfassungs- und Organisationsrecht privater Kreditinstitute.5 Auszuklammern aus der Kompetenz sind das Währungs-, Geld- und Münzwesen sowie Regelungen für die Bundesbank, da es insoweit ausschließliche spezielle Kompetenzen gibt (Art. 73 Nr. 4 und Art. 88 GG). Für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute erfasst Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG den materiellen Bereich ihrer Tätigkeit, nicht den formellen Bereich ihrer Organisation.6 Das materielle Sparkassenrecht umfasst die Geschäftspolitik und Geschäftsführung der Sparkassen.7 Das Verfassungs- und Organisationsrecht der öffentlich-rechtlichen Sparkassen fällt somit nicht unter das Bankwesen i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG und gehört demnach nicht zu der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund kann daher nur das materielle Sparkassenrecht regeln. 3.1.1. Gebrauchmachen Ein Gebrauchmachen der Gesetzgebung nach Art. 72 I GG liegt vor, wenn der Bundesgesetzgeber im Hinblick auf eine bestimmte Materie tatsächlich regelnd tätig geworden ist, wobei bloße Wert- oder Zielvorstellungen des Bundesgesetzgebers nicht ausreichen .8 Durch eine Normensetzung seitens des Bundes werden die Länder von der Gesetzgebung ausgeschlossen.9 Hat der Bund von seiner ihm verliehenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz wirksam Gebrauch gemacht, kann neues Landesrecht nicht 4 Umbach/Clemens Art. 74 Rn. 52. 5 Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 74 Rn.25a; Stettner in Dreier Art. 74 Rn. 61. 6 Stettner in Dreier Art. 74 Rn. 61; BVerwGE 69, 11, 20; 75, 292, 299; BGHZ 90, 161, 164. 7 BVerwGE 75, 292, 299. 8 Stettner in Dreier Art. 72 Rn. 26; BVerfGE 49, 343, 359; 78, 249, 273. 9 Stettner in Dreier Art. 72 Rn. 24. - 6 - mehr entstehen und erlassene Landesgesetze sind unzulässig und nichtig.10 Speziell zu den Sparkassen ist bislang die Bezeichnung Sparkasse in § 40 Kreditwesengesetz (KWG) geregelt. Die Länder haben ansonsten die Gesetzgebung im Bereich des Sparkassenwesens ausgeübt.11 Der Bund hat ansonsten nicht von einer diesbezüglichen Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht. 3.1.2. Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes Der Bund kann gemäß Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzgebungsbefugnis an sich ziehen, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich12 macht. Im vorliegenden Fall kommt nur die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse in Betracht . Das Erfordernis der Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse liegt vor, wenn eine unterschiedliche Behandlung desselben Lebenssachverhalts unter Umständen erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr erzeugen kann.13 Dabei ist zu beachten, dass unterschiedliche Rechtslagen notwendige Folge des bundesstaatlichen Aufbaus sind.14 Gesamtstaatliches Interesse bedeutet hierbei, dass das Gesetz nicht nur im Interesse einzelner Länder stehen darf.15 Die Voraussetzung der Wahrung der Wirtschaftseinheit ist gegeben, wenn es um die Erhaltung der Funktionstätigkeit des Wirtschaftsraumes der Bundesrepublik Deutschland durch einheitliche Rechtssetzung geht.16 Dem Gesetzgeber wird ein Prognosespielraum eingeräumt, soweit er sorgfältig ermittelte Sachverhaltsangaben zu Grunde gelegt hat, die Prognose methodisch auf ein angemessenes Prognoseverfahren 10 Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 72 Rn. 6; Stettner in Dreier Art. 72 Rn. 31. 11 Bsp.: SpkG Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinlandpfalz, BbgSpkG (Brandenburg), NSpG (Niedersachsen ). 12 1994 wurde die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG für die Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes durch eine in den Voraussetzungen strengere Erforderlichkeitsklausel ersetzt. Hierdurch wurde der Umfang der Bundeskompetenz eingeschränkt 13 BVerfGE 106, 62, 146; 111, 226, 254. 14 BVerfGE 111, 226, 253f. 15 Pieroth in Jarass/Pieroth Art. 72 Rn. 13. 16 BVerfGE 106, 62, 146; 111, 226, 254. - 7 - gestützt und dieses konsequent verfolgt hat und in die Prognose keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind.17 Bislang hat der Bund kein Bundessparkassengesetz erlassen. Soweit ersichtlich, bestehen keine Anhaltspunkte, dass eine Erforderlichkeit i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG derzeit zwingend anzunehmen wäre.18 3.2. Föderalismusreform Die Voraussetzungen der Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung für die Zulässigkeit einer Bundesgesetzgebung auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung sollen mit der Föderalismusreform zwar thematisch eingeschränkt werden.19 Es ist jedoch nicht geplant, das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Nr. 11 GG aus dem Erforderlichkeitskriterium des Art. 72 Abs. 2 GG herauszunehmen.20 Ein etwaiges Bundessparkassengesetz müsste demnach auch nach der Föderalismusreform nach Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich sein, um die Rechts- oder Wirtschaftseinheit zu wahren. 17 BVerfGE 106, 62, 152f. 18 Europäische Vorgaben bleiben im Rahmen dieser Ausarbeitung außer Betracht. 19 , Ausarbeitung WD 3 – 37/06 und 123/06, Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform , S. 26. 20 , Ausarbeitung WD 3 – 37/06 und 123/06, Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform , Anlage 7.