© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 295/14 Verfassungsmäßigkeit von Sonderregelungen für unter 25Jährige im SGB II Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 2 Verfassungsmäßigkeit von Sonderregelungen für unter 25Jährige im SGB II Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 295/14 Abschluss der Arbeit: 12.12.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Besonderheiten der gleichheitsrechtlichen Prüfung 4 2.1. Prüfungsmaßstab 4 2.2. Typisierungsbefugnis 5 3. Vereinbarkeit des § 3 Abs. 2 SGB II (unverzügliche Vermittlung) mit Art. 3 Abs. 1 GG 5 3.1.1. Ungleichbehandlung 5 3.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 5 4. Vereinbarkeit des § 28 Abs. 1 SGB II (Leistungen für Bildung) mit Art. 3 Abs. 1 GG 6 4.1.1. Ungleichbehandlung 7 4.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 7 5. Vereinbarkeit von Leistungseinbußen mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums 7 5.1. Gewährleistungsinhalt 8 5.2. Bedarfsgemeinschaft 8 5.3. Sanktionen 10 6. Vereinbarkeit von Leistungseinbußen mit Art. 3 Abs. 1 GG 12 6.1. Bedarfsgemeinschaft 12 6.2. Sanktionen 13 7. Ergebnis 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 4 1. Einleitung Das SGB II enthält – im Gegensatz zum SGB XII – verschiedene Sonderregelungen für die U- 25Jährigen. Die Sonderregelungen betreffen die Vermittlung in Arbeit und Ausbildung, Leistungen für Bildung, die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft, den Umzug und Sanktionen.1 Die Regelungen können danach unterschieden werden, ob sie der U-25-Gruppe zusätzliche Leistungen gewähren (Ziff. 3. und 4.) oder ob sie zu Leistungseinbußen führen (Ziff. 5. und 6.). Soweit die Regelungen mit Leistungseinbußen verbunden sind, stellt sich die Frage, ob das grundrechtlich zu gewährleistende Existenzminimum gewahrt bleibt. Durch die Anknüpfung der Regelungen an die Altersgrenze steht darüber hinaus die gleichheitsrechtliche Perspektive im Vordergrund. 2. Besonderheiten der gleichheitsrechtlichen Prüfung Das Kriterium des Alters ist kein nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotenes Differenzierungskriterium, so dass aus gleichheitsrechtlicher Perspektive allein ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht kommt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt wird.2 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. 2.1. Prüfungsmaßstab Bei der Frage, welcher Maßstab an die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu stellen ist, unterscheidet das BVerfG nach der Art des Differenzierungskriteriums. Handelt es sich um ein sog. sachverhaltsbezogenes Differenzierungskriterium, muss „lediglich“ ein legitimer Grund für die Ungleichbehandlung vorliegen (Willkürverbot), liegt ein sog. personenbezogenes Kriterium vor, bedarf es einer (strengeren) Verhältnismäßigkeitsprüfung („Neue-Formel“). Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit – die bei Eingriffen in Freiheitsgrundrechte stets vorzunehmen ist – verlangt im Rahmen der Gleichheitsprüfung nicht nur das Vorliegen eines legitimen Grundes für die Ungleichbehandlung ; der Zweck der Ungleichbehandlung (Differenzierungsgrund) muss darüber hinaus in einem angemessenen Verhältnis zum Mittel der Ungleichbehandlung (Differenzierungskriterium ) stehen. Im Einzelnen bedeutet dies, dass das Differenzierungskriterium im Hinblick auf den Differenzierungsgrund (bzw. Differenzierungszweck) geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. Bei dem hier vorliegenden Kriterium „Alter“ handelt es sich um ein personenbezogenes Differenzierungskriterium , so dass der Prüfungsmaßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzuwenden ist. 1 , Sonderregelungen für unter 25-jährige Erwachsene im SGB II und SGB XII, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 6 – 223/14). Die auf S. 6 erläuterten Regelungen bzgl. der Leistungen für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben sind hingegen nicht relevant, da sie auf die Vollendung des 18. Lebensjahres abstellen und nicht auf die hier fragliche Altersgrenze der U-25Jährigen. 2 BVerfGE 90, 145, 195 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 5 2.2. Typisierungsbefugnis Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schließt aber nicht aus, dass dem Gesetzgeber – je nach Regelungsbereich und Intensität der Grundrechtsrechtsbetroffenheit – (weite) Einschätzung -, Prognose- und Gestaltungsspielräume zustehen. So verfügt der Gesetzgeber im Rahmen der Gewährung von Leistungen grundsätzlich über einen weiten Gestaltungsspielraum.3 Dieser Gestaltungsspielraum schließt im Bereich von Massenverwaltungen – so auch hier im Rahmen der sozialrechtlichen Massenverwaltung – Typisierungsbefugnisse ein. Danach ist der Gesetzgeber befugt, bei der Ordnung von Massenerscheinungen – auch unter Inkaufnahme vereinzelter (unvermeidbarer) Härten – generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden. Dabei muss er aber sachgerecht und realitätsgerecht typisieren. Auch dürfen die mit den Typisierungen verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen.4 Mit der Festlegung einer bestimmten Altersgrenze nimmt der Gesetzgeber eine Typisierung vor. Ob er sich bei den hier vorliegenden Sonderregelungen für die U-25Jährigen im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis gehalten hat, ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen. 3. Vereinbarkeit des § 3 Abs. 2 SGB II (unverzügliche Vermittlung) mit Art. 3 Abs. 1 GG Nach § 3 Abs. 2 SGB II sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unverzüglich nach Antragstellung auf Leistungen in eine Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. Diese Regelung verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung enthält und diese verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist (siehe unter Ziff. 2). 3.1.1. Ungleichbehandlung Voraussetzung für die Annahme einer rechtlich relevanten Ungleichbehandlung ist die Vergleichbarkeit von ähnlichen, aber unterschiedlich behandelten Sachverhalten unter einem gemeinsamen Oberbegriff. Die besonderen Vermittlungsbemühungen beziehen sich nur auf die Gruppe der erwerbsfähigen U- 25jährigen Leistungsberechtigten. Die Gruppe der erwerbsfähigen Ü-25jährigen Leistungsberechtigten wird nicht erfasst. Beide Gruppen sind unter dem gemeinsamen Oberbegriff der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vergleichbar, so dass eine rechtliche relevante Ungleichbehandlung vorliegt. 3.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Maßstab für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ; danach muss das Differenzierungskriterium im Hinblick auf den (legitimen) Differenzierungsgrund (bzw. Differenzierungszweck) geeignet, erforderlich und angemessen sein (siehe Ziff. 2.1.). Die Eignung liegt vor, wenn das Differenzierungskriterium die Erreichung des Differenzierungszwecks fördert. Erforderlich ist ein Differenzierungskriterium, wenn keine milderen, gleich geeigneten Differenzierungskriterien in Betracht kommen. Im Rahmen der Angemessenheit 3 BVerfGE 126, 369, 398. 4 BVerfGE 111, 115, 137; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG (7. Aufl. 2014), Rn. 104 ff. zu Art. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 6 kommt es schließlich darauf an, die Folgen bzw. die Intensität der Ungleichbehandlung mit der Ungleichheit der Vergleichsgruppen ins Verhältnis zu setzen.5 Die besondere Förderung der U-25Jährigen dient der Bewältigung des Berufseinstiegs.6 Die Unterstützung in dieser sensiblen Phase der Arbeitsmarktintegration stellt einen legitimen Differenzierungsgrund dar. Mit der Anknüpfung an die U-25-Altersgrenze wählt der Gesetzgeber ein Differenzierungskriterium , mit dem er diejenigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfasst, die sich typischerweise in der Berufseinstiegsphase befinden.7 Das Kriterium ist damit im Hinblick auf die Förderung des Berufseinstiegs geeignet und hält sich – als realitäts- und sachgerechtes Kriterium – im Rahmen der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis. Andere, gleich wirksame Maßnahmen zur Förderung der Berufseinstiegsphase sind nicht ersichtlich, so dass die Bevorzugung der U-25Jährigen auch erforderlich ist. Angemessen ist die Bevorzugung, wenn sie in ihrem Ausmaß den Unterschieden zwischen den Vergleichsgruppen entspricht. Im Gegensatz zu älteren Erwachsenen verfügen junge Erwachsene über weniger (Lebens-) Erfahrung und benötigen allgemein, und besonders bei der Ausbildungs- oder Arbeitssuche mehr Unterstützung. In dem jungen Erwachsenenalter kommt es zudem besonders darauf an zu verhindern, dass sich der „Transferleistungsbezug als Lebensstil und Grundhaltung“ verfestigt.8 Zwar würden verstärkte Vermittlungsbemühungen auch den Ü-25Jährigen zu Gute kommen, doch kann man bei ihnen in der Regel mehr Eigenverantwortung voraussetzen. Dass in Einzelfällen auch Ü-25Jährige großen Unterstützungsbedarf haben, schließt – wie oben unter 2.2. ausgeführt – die Typisierungsbefugnis nicht aus. Insbesondere sind durch den Ausschluss der Ü-25Jährigen von den verstärkten Vermittlungsbemühungen keine besonders schweren Härten zu erwarten. Auch die älteren Leistungsberechtigten werden von den Leistungsträgern betreut und können Vermittlungsangebote wahrnehmen. Die mit der Bevorzugung der U-25Jährigen verbundene Ungleichbehandlung ist damit verfassungsrechtlich wohl gerechtfertigt. 4. Vereinbarkeit des § 28 Abs. 1 SGB II (Leistungen für Bildung) mit Art. 3 Abs. 1 GG Die Berücksichtigung von Leistungen für Bildung nach § 28 Abs. 1 SGB II könnte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. 5 Insoweit kommt die sog. Art-und-Gewicht-Formel des BVerfG zur Anwendung, vgl. BVerfGE 55, 72, 88: „Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerf GE 22, 387 [415]; 52, 277 [280]).“ 6 Berlit, Die besondere Rechtsstellung der unter 25-jährigen im SGB II (Teil 1), info also 2011, 59, 62. 7 Berlit (Fn. 6), 62. 8 Berlit (Fn. 6), 62; vgl. auch BT-Drs. 15/1516, 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 7 4.1.1. Ungleichbehandlung Nach Art. 28 Abs. 1 SGB II werden bei U-25jährigen Schülern Bedarfe für Bildung berücksichtigt.9 Mit dieser Förderung steht die Gruppe der nach dem SGB II leistungsberechtigten U-25jährigen Schüler besser als die ebenfalls nach dem SGB II leistungsberechtigten Ü-25jährigen Schüler. Beide Gruppen sind unter dem Oberbegriff der nach dem SGB II leistungsberechtigten Schüler vergleichbar . Eine weitere (mögliche) Ungleichbehandlung zwischen den nach dem SGB II leistungsberechtigten Schülern und den nach dem SGB XII leistungsberechtigten Schülern kann hier vernachlässigt werden, da ihr keine praktische Relevanz zukommen dürfte.10 4.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Mit der Berücksichtigung von Bedarfen für Bildung verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die schulische Ausbildung besonders zu unterstützen (legitimer Differenzierungsgrund). Die Begrenzung der Nutznießer auf die Gruppe der U-25Jährigen ist in dieser Hinsicht förderlich und damit geeignet sowie realitäts- und sachgerecht, denn man wird davon ausgehen können, dass die schulische Ausbildung in der Regel mit Vollendung des 25. Lebensjahres abgeschlossen ist.11 Eine Ausweitung auf alle leistungsberechtigten Schüler wäre zwar ein milderes Mittel, angesichts der zusätzlichen finanziellen Belastungen aber nicht gleich geeignet, so dass das Differenzierungskriterium auch erforderlich ist. Vergleicht man nun die Unterschiede zwischen U- und Ü-25jährigen Schülern, so dürften diese im Hinblick auf den Bedarf an und den Nutzen von Leistungen für Bildung nicht erheblich ins Gewicht fallen. 26- und 27jährige Schüler würden gleichermaßen von den Leistungen für Bildung profitieren. Doch kommt insoweit die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers zum Tragen. Soweit keine schweren Härtefälle zu befürchten sind, kann er die Leistungen für Bildung auf diejenige Altersgruppe beschränken, die typischerweise in der schulischen Ausbildung ist. Die Folgen der Ungleichbehandlung wiegen für die Ü-25jährigen Schüler nicht besonders schwer, da die allgemeinen Kosten für die Schule (Schulmaterialien, Fahrten zur Schule) bereits in den Regelbedarfen berücksichtigt werden und die schulische Ausbildung damit gewährleistet wird. Die mit der Bevorzugung der U-25Jährigen verbundene Ungleichbehandlung dürfte damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. 5. Vereinbarkeit von Leistungseinbußen mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums Die die Gruppe der U-25Jährgien betreffenden Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft sowie zu den Sanktionen sind mit Leistungseinbußen verbunden. Es stellt sich daher die Frage, ob 9 Vgl. § 28 Abs. 1 S. 2 SGB II: „Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).“ 10 Siehe (Fn. 1), 6 f. 11 BT-Drs. 17/3404, 104. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 8 dadurch das grundrechtlich zu gewährleistende menschenwürdige Existenzminimum unterschritten wird.12 5.1. Gewährleistungsinhalt Der grundrechtliche Anspruch auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums folgt aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Es sichert den Hilfebedürftigen einen grundrechtlichen Anspruch zu, der durch Parlamentsgesetz zu konkretisieren ist. Inhaltlich erstreckt sich der verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf „diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (vgl. BVerfGE 120, 125 [155 f.]), als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl. BVerfGE 80, 367 [374]; 109, 279 [319]; auch BVerwGE 87, 212 [214]).“13 Die Regelungen zur Ermittlung und Höhe der insoweit vom Gesetzgeber konkretisierten Ansprüche unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.14 Fraglich ist aber, ob Einbußen der zulässig ermittelten Bedarfe den Gewährleistungsanspruch unterschreiten. Vorliegend kommen mit der Bedarfsgemeinschaft einhergehende Leistungseinbußen in Betracht. Der dem Gesetzgeber bei der Konkretisierung des Gewährleistungsanspruchs grundsätzlich zustehende Gestaltungsspielraum15 dürfte überschritten sein, wenn Leistungseinbußen dazu führen, dass die physische und soziale Existenz der Hilfebedürftigen nicht mehr gesichert ist oder wenn sie an Regelungen anknüpfen, die die Hilfsbedürftigen in anderer Weise unzumutbar belasten. 5.2. Bedarfsgemeinschaft Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2, 4 SGB II gehören unverheiratete, erwerbsfähige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mit ihren Eltern in einem Haushalt leben, einer Bedarfsgemeinschaft an. Die Bedarfsgemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Angehörigen zueinander in einem Pflichtenverhältnis stehen (sog. Einstandspflichten). Diese sozialrechtlichen Einstandspflichten knüpfen nicht zwingend an das familiäre Band an, sondern gelten auch zwischen Personen, die zueinander in einem besonderen Näheverhältnis stehen, z.B. die im Haushalt lebenden Partner eines Elternteils, § 7 abs. 3 Nr. 3 lit. c) SGB II. Soweit die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit einer pauschalen Leistungskürzung des Regelbedarfs auf 80 % verbunden ist (vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), bestehen keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare Belastung der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft. Mit dem BVerfG kann man 12 Eingehend zur Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen , Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Sanktionsregelungen bei Leistungsbezug nach SGB II, SGB XII und AsylbLG, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 260/12). 13 BVerfGE 125, 175, 223. 14 BVerfG, NJW 2014, 3425 ff. 15 BVerfGE 125, 175, 222. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 9 vielmehr davon ausgehen, dass das (enge) Zusammenleben und Füreinander-einstehen tatsächlich zur Teilung von Kosten führt (Generalkosten) und die Kürzung damit dem tatsächlich geringeren Bedarf entspricht.16 Nicht unproblematisch ist hingegen die Anrechnung von Einkommen und Vermögen der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 SGB II. Diese Anrechnung beruht auf der Einschätzung , dass die Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft auch tatsächlich füreinander einstehen. Während man dies bei Familienangehörigen grundsätzlich vermuten kann, dürften weiter entfernte Personen, wie z.B. der Partner eines Elternteils diese Vermutung nicht zwingend erfüllen. Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft kann ferner dazu führen, dass sich Leistungskürzungen durch Sanktionen (§ 31a SGB II) auch auf diejenigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft negativ auswirken, die keine Pflichtverletzungen begangen haben. Die genannten Auswirkungen können für die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft dazu führen, dass - mangels tatsächlicher Leistungen aus der Bedarfsgemeinschaft - das (physische und soziale) Existenzminimum nicht mehr gesichert ist. Die entsprechenden Vorschriften sind aber nur dann verfassungswidrig, wenn eine verfassungskonforme – das Existenzminimum gewährleistende – Auslegung nicht in Betracht kommt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall: Bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft kann – verfassungskonform – darauf abgestellt werden, ob die einbezogenen Personen tatsächlich die Annahme des Füreinandereinstehens rechtfertigen, vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c) SGB II.17 Leistungsminderungen durch Sanktionen müssten – zur Vermeidung von „Sippenhaft“ – bei der Berechnung der Bedarfe der übrigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt und entsprechend angepasst werden.18 Schließlich werden die einer Bedarfsgemeinschaft angehörigen U-25Jährigen durch die Umzugsregelung in § 22 Abs. 5 SGB II belastet. Die Regelung macht die Umzüge von U-25Jährigen indirekt von der Zustimmung des Leistungsträgers abhängig. Bedarfe für Heizung und Unterkunft werden nämlich nur anerkannt, wenn der kommunale Träger diese vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Leistungsberechtigte U-25Jährige können wegen ihrer Abhängigkeit von den Leistungen für Heizung und Unterkunft damit – faktisch – nur mit Zustimmung des Leistungsträgers aus der elterlichen Wohnung ausziehen. Diese Einschränkung unterschreitet das grundrechtliche Existenzminimum nicht, wenn die Gruppe der U-25Jährigen insoweit nicht unzumutbar belastet wird. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Sozialleistungen ist es Hilfebedürftigen grundsätzlich zuzumuten, dass sie vor der Inanspruchnahme von Sozialleistungen andere Mittel ausschöpfen.19 Die Einstandspflichten innerhalb der Bedarfsgemeinschaft stellen solche anderen Mittel dar.20 Ein zeitlich unbeschränkter Verweis auf die Bedarfsgemeinschaft, der den 16 Vgl. BT-Drs. 16/688, 13; bestätigend BVerfGE 127, 175, 245. 17 Vgl. LSG BWB, Beschl. V. 19.04.2007, Az.: L 3 AS 1740/07 ER-B. 18 Vgl. Wersig, Sanktionen gegenüber Unter-25-Jährigen – Das Problem der Verteilung der Wohnkosten bei mehrköpfigen Bedarfsgemeinschaften, info also 2013, 51 ff. 19 Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Leistungen (§ 3 Abs. 3 BSG II), vgl. dazu BSG, Urt. v. 19.10.2010, Az.: B 14 AS 51/09 R, Rn. 15 f. 20 Vgl. SG Berlin, Urt. v. 20.04.2011, Az.: S 174 AS 18450/10, Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 10 Auszug der Kinder aus der elterlichen Wohnung dauerhaft unmöglich machen würde, wäre jedoch unzumutbar. Vorliegend beschränkt sich die Verpflichtung allerdings auf einen absehbaren Zeitraum . Darüber hinaus befinden sich die jungen Erwachsenen in diesem Zeitraum typischerweise in einer Phase der Ausbildung oder des Berufseinstiegs. In dieser „Übergangszeit“ erscheint es nicht unzumutbar, die jungen Erwachsenen im Hinblick auf eventuelle Umzugswünsche grundsätzlich auf die Bedarfsgemeinschaft zu verweisen.21 Dass die Umzugsregelung in Einzelfällen zu erheblichen Härten führen kann, hat der Gesetzgeber durch die Ausnahmeregelungen hinreichend berücksichtigt. Danach müssen junge Erwachsene nur dann in der Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern bleiben, wenn ihnen ein Zusammenleben mit den Eltern zumutbar ist (und damit auch von der Wahrnehmung der erhöhten Einstandspflichten durch die Eltern auszugehen ist), § 22 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 SGB II. Zu berücksichtigen sind ferner „schwerwiegende Gründe“ für einen Umzug sowie Umzugserfordernisse zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, § 22 Abs. 5 S. 2 Nr. 2, 3 SGB II. In verfassungskonformer Auslegung und Anwendung dieser Ausnahmegründe wäre insbesondere zu überprüfen, ob das vermutete Füreinandereinstehen tatsächlich vorliegt. Kann der Hilfebedürftige diese Vermutung widerlegen, kann er nicht mehr auf die Bedarfsgemeinschaft verwiesen werden. Aus alledem folgt, dass die o.g. mit der Bedarfsgemeinschaft verbundenen Leistungseinbußen als zumutbar eingestuft werden können und nicht das grundrechtlich zu gewährleistende Existenzminimum unterschreiten. 5.3. Sanktionen Für Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II, wie z.B. die Weigerung, eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung anzunehmen (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) sieht § 31 a SGB II als Sanktion die Minderung von Leistungen vor. § 31b SGB II regelt Beginn und Dauer der Leistungsminderungen. Nach dem für U-25Jährige geltenden Sanktionssystem entfällt der Regelbedarf nach § 20 SGB II bei erstmaliger Pflichtverletzung; der vollständige Verlust der Leistungen tritt bei erstmaliger Wiederholung ein. Die erste Pflichtverletzung führt damit dazu, dass den U-25Jährigen nur noch die Bedarfe für Heizung und Wohnung gewährt werden. Die bis zu 100%ige Leistungskürzung könnte das grundrechtlich zu gewährleistende Existenzminimum unterschreiten. Insoweit kommt es darauf an, ob die Leistungskürzungen die physische und soziale Existenz der Betroffenen gefährden oder sie in anderer Weise unzumutbar belasten. Zur Sicherung der Einhaltung von Pflichten und zur Verhinderung von Missbrauch bei der Inanspruchnahme von Leistungen sind Leistungskürzungen als Folge von Pflichtverletzungen nicht von vornherein unzumutbar.22 Es ist auch nicht erkennbar, dass die Art der Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II außer Verhältnis zur Sanktionsbedürftigkeit stünden, indem etwa eher nebensächliche Pflichten betroffen wären. § 31 SGB II regelt vielmehr Pflichten, die die Beendigung der Hilfebedürftigkeit zum Ziel haben und den wirtschaftlichen Umgang mit den Leistungen betreffen. 21 So auch LSG BE/BB, ZFSH/SGB 2011, 218 ff., wobei die Umzugsregelung – zur Vermeidung von Umgehungen – alle Umzüge umfasst und nicht nur den Erstauszug aus der elterlichen Wohnung; a.A. Berlit (Fn. 6), 65, allerdings ohne Entkräftung der o.g. Argumentation. 22 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Sanktionen ausführlich (Fn. 12), 12 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 11 Verfassungsrechtlich bedenklich ist aber der Sanktionsumfang.23 Soweit bei erstmaliger Pflichtverletzung sogleich (d.h. ohne Staffelung) der Regelbedarf entfällt, handelt es sich um eine erhebliche Leistungskürzung, die, da sie den gesamten Regelbedarf umfasst, das zu sichernde Existenzminimum evident unterschreitet.24 Damit liegt eine Gefährdung des physischen und sozialen Existenzminimums vor. Verschärft wird die Gefährdung bei wiederholter Pflichtverletzung durch die 100%ige Leistungskürzung. Fraglich ist, ob diese evidente Unterschreitung des Existenzminimums durch die Gewährung von Sachleistungen oder geldwerten Leistungen vermieden werden kann (§ 31a Abs. 3 s. 1 SGB II). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen zu sichern.25 Eine Kompensation der Geld- durch Sachleistungen müsste zunächst das physische Existenzminimum gewährleisten.26 Fraglich ist, ob dies ausreicht. Man könnte erwägen, dass es zum Zweck der Sanktion und zeitlich befristet ausnahmsweise zulässig wäre, das soziale Existenzminimum zu unterschreiten. In seiner Hartz IV-Entscheidung betont das BVerfG aber gerade, dass zum Existenzminimum ein „Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ gehört.27 Wenn sich das Existenzminimum danach gleichermaßen aus beiden Aspekten speist, dürfte auch das soziale Existenzminimum nicht unterschritten werden mit der Folge, dass auch insoweit Sach- oder geldwerte Leistungen zu gewähren wären.28 Unter dieser Maßgabe wäre die Sanktionsregelung allenfalls bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II (Gewährung von Sach- oder geldwerten Leistungen) verfassungsgemäß. Insoweit würden sich die in § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II enthalten Ermessensspielräume so verdichten, dass Sach- oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind, die die Geldleistung vollständig kompensieren.29 Nur so kann das physische und soziale Existenzminimum gesichert werden. In diesem Sinne erscheint eine verfassungskonforme Auslegung nicht ausgeschlossen. Auch die 100%ige Leistungskürzung, die Leistungen für Unterkunft und Heizung ausschließt, kann bei gleichwertiger Sachleistung (z.B. Zahlung der Miete direkt an den Vermieter, § 31a Abs. 3 S. 3) das Existenzminimum wahren. Auch danach erscheint eine verfassungskonforme Auslegung nicht ausgeschlossen. Eine Kompensation der Geldleistungen durch Sach- oder geldwerte Leistungen im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung würde die Betroffenen gleichwohl erheblich belasten. Sach- 23 Vgl. (Fn. 12), 13 ff. 24 Zur Evidenzprüfung vgl. BVerfGE 125, 175, 225 f. 25 BVerfGE 125, 175, 224. 26 Vgl. (Fn. 12), 14 f., mit Hinweis auf den im Bereich des physischen Existenzminimums engeren Gestaltungsspielraum Gesetzgebers sowie m.w.N. 27 BVerfGE 125, 175, 223. 28 So überzeugend (Fn. 12), 15. 29 Eine vollständige Kompensation der Geldleistung durch Sachleistung ist in § 24 SGB II vorgesehen und betrifft u.a. den Fall, dass sich der Leistungsberechtigte als ungeeignet erweist, seinen Bedarf mit den Geldleistungen zu decken. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 12 oder geldwerte Leistungen unterliegen dem Antragserfordernis und schränken die Eigenverantwortlichkeit ein. Insoweit wären die Möglichkeiten zur Abmilderung der Sanktionsfolgen zu beachten . Nach § 31 Abs. 2 S. 4 SGB II kann der Leistungsträger die Bedarfe nach § 22 SGB II (Heizung und Unterkunft) wieder gewähren, wenn sich der U-25jährgie Leistungsberechtigte nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen (Wohlverhaltensklausel). Zudem können die Sanktionsfolgen für U-25Jährige nach § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II durch Kürzung der Sanktionsdauer auf sechs Wochen abgemildert werden.30 6. Vereinbarkeit von Leistungseinbußen mit Art. 3 Abs. 1 GG Die mit Leistungseinbußen verbundenen Regelungen könnten aber gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Indem sie nur die Gruppe der U-25Jährigen treffen, liegen im Verhältnis zur Vergleichsgruppe der Ü-25jährigen Leistungsberechtigten rechtlich relevante Ungleichbehandlungen vor, die der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen. Im Hinblick auf die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung wird auf die obigen Ausführungen (siehe oben unter Ziff. 2) verwiesen. 6.1. Bedarfsgemeinschaft Die Konstruktion einer Bedarfsgemeinschaft dient dazu, die Kosten für die Hilfebedürftigen zu senken. Ausdrücklich sollte mit der Umzugsregelung verhindert werden, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern leben, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden.31 Das Kostenargument würde jedoch dafür sprechen, auch die älteren, Ü-25jährigen Kinder, die mit ihren Eltern in einem Haushalt leben, zur Bedarfsgemeinschaft zu zählen.32 Der Gesetzgeber beschränkt die erhöhten Einstandspflichten für die im Haushalt lebenden Kinder aber auf die U-25jährigen Kinder. Daraus kann man schließen, dass mit zunehmendem Alter von einer größeren Selbständigkeit der Kinder und zugleich von einer Entlastung der Eltern ausgegangen wird. Die Altersbeschränkung dient damit dazu, die Selbständigkeit der erwachsenen Kinder zu gewährleisten (Differenzierungsgrund), die ohne Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft dann auch ohne weiteres aus der elterlichen Wohnung ausziehen können. Soweit der Gesetzgeber konkret auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abstellt, handelt er im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis. Betroffen sind diejenigen jungen Erwachsenen, die sich typischerweise in einer Übergangsphase (des Selbständigwerdens) befinden. Insoweit stellt die Altersgrenze ein geeignetes sowie sachund realitätsgerechtes Differenzierungskriterium dar. Andere Altersgrenzen, die gleichermaßen zu Kosteneinsparungen durch Bedarfsgemeinschaften führen und zugleich die Förderung der Selbständigkeit der Kinder im Blick haben, sind nicht ersichtlich, so dass die Altersgrenze auch erforderlich ist. Im Hinblick auf die Angemessenheit kann auf die obigen Ausführungen zur Zumutbarkeit verwiesen werden (siehe unter Ziff. 5.2.). Soweit der Gesetzgeber Ausnahmen vorsieht, 30 Eine Kürzung der Sanktionsdauer kommt auch im Rahmen von Sanktionen bei Meldeversäumnissen in Betracht, vgl. § 32 Abs. 2 S. 2 SGB II. Auf die Regelung der Meldeversäumnisse nach § 32 Abs. 1 SGB II war hier nicht weiter einzugehen, da insoweit keine Sonderreglungen für die Gruppe der U-25Jährigen bestehen. 31 BT-Drs. 16/688, 14. 32 In diese Richtung Berlit (Fn. 6), 62. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 13 vermeidet er insbesondere mit der Typisierung verbundene schwere Härtefälle. Die Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft sind damit wohl auch aus gleichheitsrechtlicher Perspektive gerechtfertigt.33 6.2. Sanktionen Das Sanktionssystem nach § 31a Abs. 2 SGB II trifft die U-25Jährigen schon bei erstmaliger Pflichtverletzung besonders hart. Schon sie führt dazu, dass den U-25Jährigen nur noch die Bedarfe für Heizung und Wohnung gewährt werden. Die Sanktionen dienen dazu, die Einhaltung der Pflichten, die der Eingliederung in den Arbeitsmarkt dienen, zu gewährleisten und den Missbrauch bei der Inanspruchnahme von Leistungen zu verhindern. Nun kann man daran zweifeln, ob Sanktionen grundsätzlich, und hier insbesondere gegenüber jungen Erwachsenen die beste Reaktionsmöglichkeit auf Pflichtverletzungen darstellen. Die Wirksamkeit der Sanktionen kann daher Gegenstand von empirischen Untersuchungen sein und den Gesetzgeber dazu veranlassen, andere Reaktionsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab stellt jedoch nicht auf die sinnvollsten und wünschenswertesten Maßnahmen ab und auch nicht auf sinnvollere oder wünschenswertere; vielmehr kommt es darauf an, ob der Gesetzgeber – unter Berücksichtigung seines Einschätzungs- und Prognosespielraums – mit der Altersgrenze ein Differenzierungskriterium gewählt hat, das im angemessenen Verhältnis zum Differenzierungsgrund steht (s.o.). Vorliegend kann die besonders strenge Behandlung der U-25Jährigen damit begründet werden, dass junge Erwachsene (noch) besonders empfänglich für Sanktionen sind und zugleich unmittelbare und nachdrückliche Reaktionen benötigen, da sie die Folgen ihres Handelns (noch) nicht immer abschätzen können (legitimer Differenzierungsgrund).34 Soweit der Gesetzgeber konkret auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abstellt, handelt er im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis; betroffen sind nämlich diejenigen jungen Erwachsenen, die sich typischerweise in einer besonderen Phase der Persönlichkeitsentwicklung befinden. Insoweit stellt die Altersgrenze ein sach- und realitätsgerechtes Differenzierungskriterium dar. Zweifelhaft erscheint die Eignung der schärferen Sanktionen. Zum Teil wird darauf verwiesen, dass positiv verhaltenssteuernde Effekte nicht zu erwarten bzw. nicht empirisch nachweisbar sind oder es werden sogar kontraproduktive Effekte befürchtet.35 Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Frage nach der Wirkung von gesetzgeberischen Maßnahmen ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zusteht. Selbst wenn Sanktionen den Zweck der Arbeitsmarktintegration kaum fördern sollten, so dürften sie jedenfalls der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen entgegenwirken und 33 So auch das BSG, Urt. v. 19.10.2010, Az.: B 14 AS 51/09 R, LS 1: „Es ist nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber zum 1.7.2006 die Altersgrenze für die Einbeziehung von erwachsenen, im Haushalt lebenden Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre erhöht hat.“ Das BVerfG hat die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. (Fn. 1), 6. 34 Diese Argumentationslinie andeutend Lauterbach (Fn. 24), Rn. 18 zu § 31a. A.A. Berlit, Die besondere Rechtsstellung der unter 25-Jährigen im SGB II (Teil 2), info also 2011, 124 f., der als möglichen Differenzierungsgrund nur eine vermeintlich höhere Sanktionsunempfindlichkeit in Betracht zieht. 35 (Fn. 12), 18 f. mit Hinweis auf einen Bericht der Gemeinsamen Kommission der Justizministerkonferenz und weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 295/14 Seite 14 damit zumindest im Hinblick auf ein Ziel geeignet sein. Weniger belastende Maßnahmen, wie beispielsweise weitere Beratungspflichten wären durch die damit verbundenen erhöhten Kosten nicht gleich wirksam, so dass die besonderen Sanktionsfolgen für U-25Jährige auch erforderlich sind. Im Hinblick auf die Angemessenheit der Sanktionsfolgen kann auf die obigen Ausführungen zur Zumutbarkeit verwiesen werden (siehe unter Ziff. 5.3.). Berücksichtigt man ferner, dass den U-25Jährigen eine besondere Förderung nach § 3 Abs. 2 SGB II (unverzügliche Vermittlung) zu Teil wird, zeigt sich in der Differenzierung die Anwendung eines Gesamtkonzepts des Förderns und Forderns für U-25Jährige.36 Durch die Regelungen zur Abmilderung der Sanktionsfolgen vermeidet der Gesetzgeber zudem Härtefälle.37 Die Sanktionsregelungen für die U-25Jährigen dürften damit verhältnismäßig sein. 7. Ergebnis Die Gruppe der U-25Jährigen unterliegt nach dem SGB II einem System des Förderns und Forderns. Mit der altersabhängigen Differenzierung hat der Gesetzgeber die jeweiligen Regelungsziele auf die Besonderheiten der Persönlichkeitsentwicklung der U-25Jährigen angepasst. Insoweit kommt ihm eine Einschätzungs- und Typisierungsbefugnis zu, von der er in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat. Soweit die Sonderregelungen die Gruppe der U-25Jährigen bevorzugen , liegt wohl kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Die belastenden Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft und zu den Sanktionen gefährden allerdings zum Teil das grundrechtlich zu gewährleistende Existenzminimum. Einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung erscheinen sie allerdings zugänglich. 36 Vgl. dazu auch BT-Drs. 15/1516, 61. 37 Angesichts der weitreichenden Sanktionsfolgen liegt wiederum ein besonderes Gewicht auf der verfassungskonformen Auslegung und Anwendung dieser Regelungen. Insoweit könnte es problematisch sein, wenn Leistungsträger bei den Regelungen zur Milderung von Sanktionsfolgen von vornherein einen strengen Maßstab anlegen, vgl. insoweit die Ausführungen von (Fn. 1), 9 oder wenn Leistungsträger die Folgen der Sanktionen für andere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nicht berücksichtigen, vgl. dazu SG Berlin, Beschl. v. 09.06.2010, Az.: S 37 AS 17431/10 ER.