© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 293/15 Das Akteneinsichtsrecht als Auskunftsrecht des einzelnen Abgeordneten Vertraulichkeitshinweis: Es werden Inhalte aus einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an Abgeordnete behandelt. Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 2 Das Akteneinsichtsrecht als Auskunftsrecht des einzelnen Abgeordneten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 293/15 Abschluss der Arbeit: 24. November 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 3 1. Einleitung und Fragestellung Mit an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gerichtetem Schreiben wurde von einer Bundestagsabgeordneten Einsicht in einen zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) und einer privaten GmbH geschlossenen Kaufvertrag begehrt. Das BMF verweigerte die Einsichtnahme. Dem Wunsch auf Vorlage des Kaufvertrags zum Zweck der Akteneinsicht könne nicht entsprochen werden, da sich das parlamentarische Auskunftsrecht nicht auf die Vorlage von Akten oder anderen Dokumenten erstrecke. Es bestehe allerdings wie immer die Möglichkeit, konkrete Fragen zu stellen. Bei der Beantwortung der Frage müsste, soweit schutzwürdige Rechte Dritter oder hochrangige Rechtsgüter betroffen seien, eine Abwägung zwischen diesen Rechten und dem verfassungsrechtlich garantierten parlamentarischen Auskunftsrecht vorgenommen werden. In diesen Fällen sei eine Auskunftserteilung unter Beachtung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages möglich; der gesamte Vertrag könne aber auch auf diesem Wege nicht vorgelegt werden. Vor diesem Hintergrund wird gefragt, inwieweit die Auskunftsrechte der Abgeordneten gegenüber der Exekutive beschnitten seien. 2. Das Auskunftsrecht der einzelnen Abgeordneten als parlamentarisches Kontrollrecht 2.1. Parlamentarisches Informationsrecht und Aktenvorlageverlangen Vorweg sei darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung nicht verpflichtet ist, auf informell geäußerte Auskunftsbegehren von Abgeordneten inhaltlich Auskunft zu geben. Dem Abgeordneten steht jedoch ein allgemeines Frage- und Informationsrecht1 gegenüber der Bundesregierung zu, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt2. Es dient dazu, „dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu beschaffen“3. Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der parlamentarischen Fragerechte ist in den §§ 100 ff. der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT) geregelt (Große und kleine Anfragen, Einzelfragen und Fragestunde , Befragung der Bundesregierung). Mit diesem Frage- und Informationsrecht korrespondiert eine Antwortpflicht der Bundesregierung4, wobei die Antwort wahrheitsgemäß und so vollständig wie möglich sein muss5. Will die Regierung 1 Auch als „parlamentarisches Informationsrecht“ oder als „parlamentarischer Informationsanspruch“ bezeichnet. 2 BVerfGE 124, 161 (188); vgl. zur Herleitung bereits Hölscheidt, Frage und Antwort im Parlament, 1992, S. 18 f. 3 BVerfGE 12, 123 (125). 4 BVerfGE 57, 1 (5), vgl. auch schon BVerfGE 13, 123 (125); zur Herleitung als „Korrelat zum Rederecht gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG“ Hölscheidt, Frage und Antwort im Parlament, 1992, S. 24 f. 5 Warg, Die Grenzen parlamentarischer Kontrolle am Beispiel des Staatswohls, NVwZ 2014, 1263 (1264); Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck‘scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, 24. Edition 1. September 2015, Art. 38 Rn. 113. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 4 eine Antwort verweigern, bedarf es einer einzelfallbezogenen Begründung, aus welchen Erwägungen die Beantwortung einer Anfrage nicht erfolgen kann6. Eine pauschale, vom Inhalt der konkreten Anfrage losgelöste Begründung reicht für eine Auskunftsverweigerung nicht aus7. Vorliegend hat das BMF die Einsichtnahme in den Kaufvertrag mit dem pauschalen Hinweis darauf verweigert, dass sich das parlamentarische Auskunftsrecht nicht auf die Vorlage von Akten erstrecke. Daneben enthält das Schreiben allgemein gehaltene Ausführungen zu Abwägungserfordernissen bei der Betroffenheit von Rechten Dritter und zur grundsätzlichen Möglichkeit der Auskunftserteilung unter Beachtung der Geheimschutzordnung. Diese pauschale Auskunftsverweigerung scheint zunächst eine Verletzung des parlamentarischen Auskunftsrechts der Abgeordneten nahezulegen . Sie ist jedoch vor dem Hintergrund einer qualitativen Unterscheidung parlamentarischer Kontrollrechte zu verstehen. Das dem einzelnen Abgeordneten zustehende Fragerecht ist funktionell in die dem Bundestag insgesamt zustehende parlamentarische Kontrolle über die Bundesregierung8 eingegliedert9. Diese dem parlamentarischen Regierungssystem immanente Kontrolle der Exekutive kann durch verschiedene Kontrollinstrumente wahrgenommen werden10, die sich in ihrer Kontrollintensität unterscheiden und deren Wahrnehmung an Bedingungen geknüpft ist11. Konkret ist zu unterscheiden, ob die Kontrollrechte dem einzelnen Abgeordneten, bestimmten institutionalisierten Teilen des Parlaments oder dem Parlament als Ganzem zustehen12. Bei den auf Parlamentsinformation gerichteten Kontrollrechten differenziert die Literatur zwischen Selbst- und Fremdinformationsrechten des Parlaments13. Parlamentarische Fremdinformationsrechte seien dadurch gekennzeichnet, dass das Parlament keinen unmittelbaren Zugriff auf die von ihm begehrten Informationen habe, sondern diese Informationen von der Regierung übermittelt 6 BVerfGE 124, 161 (192 f.). 7 BVerfGE 124, 78 (122 f.); 124, 161 (192 ff.). 8 Vgl. zu dieser im parlamentarischen Regierungssystem angelegten Kontrolle BVerfGE 67, 100 (130 f.). 9 Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck‘scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, 24. Edition 1. September 2015, Art. 38 Rn. 112. 10 Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 38 Rn. 39. 11 Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 38 Rn. 41. 12 Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck‘scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, 24. Edition 1. September 2015, Art. 38 Rn. 112; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 38 Rn. 39 ff.; vgl. auch schon Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 191. 13 Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 38 Rn. 39; Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 71. Lieferung März 2014, Art. 43 Rn. 118 m.w.N.; Heiermann/Glende, Recht des Parlaments auf Aktenvorlage, Bearbeitung des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags NRW vom 30. Januar 2004, S. 6 f.; grundlegend zur „Typisierung der verfassungsrechtlichen Parlamentsinformationsregelungen “ mit weiteren Nachweisen Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 60 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 5 bekomme14. Demgegenüber würden bei den parlamentarischen Selbstinformationsrechten die begehrten Informationen nicht vermittels der Regierung, sondern durch ein eigenes Informationszugriffsrecht erlangt15. Das Fragerecht wird dabei als klassischer Anwendungsfall des Fremdinformationsrechts verstanden, während das Recht auf Aktenvorlage typischerweise zur Gruppe der Selbstinformationsrechte gezählt wird16. Dem einzelnen Abgeordneten stünden regelmäßig nur Fremdinformationsrechte zu17. Nach diesen Maßstäben haben einzelne Bundestagsabgeordnete aus dem parlamentarischen Fragrecht keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Anders als einige Landesverfassungen18 sieht das Grundgesetz für den einzelnen Abgeordneten keine ausdrückliche Berechtigung vor, in bei der Exekutive befindliche Akten Einsicht zu nehmen19. Die wohl herrschende Meinung in der Literatur nimmt insoweit an, dass dem Fragerecht des einzelnen Abgeordneten zwar eine Antwortpflicht korrespondiere, nicht aber eine Pflicht zur Herausgabe konkreter Dokumente20. Der Abgeordnete kann sich nach dem parlamentarischen Auskunftsrecht jedoch mit konkreten, den Inhalt von Akten betreffenden Fragen an die Bundesregierung wenden. 2.2. Begrenzung des parlamentarischen Frage- und Informationsrechts durch Grundrechte Dritter Das parlamentarische Informationsrecht ist jedoch nicht grenzenlos gewährleistet21. Es findet unter anderem dort seine Grenzen, wo durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte Dritter verletzt würden22. In der Regel ergibt sich die Konfliktlage daraus, dass personen- bzw. unternehmensbezogene Daten erfragt werden. Die Geheimhaltung solcher Daten kann durch eine Reihe 14 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 61. 15 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 64. 16 Heiermann/Glende, Recht des Parlaments auf Aktenvorlage, Bearbeitung des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags NRW vom 30. Januar 2004, S. 6. 17 Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 71. Lieferung März 2014, Art. 43 Rn. 118 m.w.N. 18 Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassung von Berlin: „Jeder Abgeordnete hat das Recht, Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung zu nehmen“; Art. 56 Abs. 3 Landesverfassung Brandenburg: „Den Abgeordneten ist Zugang zu den Behörden und Dienststellen des Landes zu gewähren. Diese haben ihnen auf Verlangen Auskünfte auch aus Dateien zu erteilen sowie Akten und sonstige amtliche Unterlagen vorzulegen. Das Verlangen ist an die Landesregierung oder, sofern es ihn betrifft, an den Landesrechnungshof zu richten. Die Auskunft sowie die Vorlage der Akten und sonstigen amtlichen Unterlagen haben unverzüglich und vollständig zu erfolgen.“ 19 Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 71. Lieferung März 2014, Art. 43 Rn. 118. 20 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Informationsrechte des Bundestages. Berichte der Bundesregierung an die Landesregierungen und Fachministerkonferenzen, Ausarbeitung vom 6. Februar 2015, WD 3 - 3000 - 314/14, S. 9. 21 Vgl. hierzu bereits Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Grenzen des parlamentarischen Frageund Informationsrechts im Hinblick auf die Bankenabgabe sowie einfachgesetzliche Fragen der Datenerhebung und Bemessungsgrundlagen, Ausarbeitung vom 3. Juli 2015, WD 3 - 3000 - 137/15, WD 4 - 3000 - 093/15 S. 10 ff. 22 BayVerfGH, Entscheidung vom 26. Juli 2006, 11-IVa-05, NVwZ 2007, 204 (206). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 6 grundrechtlicher Verbürgungen, insbesondere durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausgestaltung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) – gegebenenfalls jeweils in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG für juristische Personen des Privatrechts – geboten sein23. Diese Grundrechte können „ihren Trägern einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten [verbürgen]“24. Sofern diese Verfassungsgüter durch eine Auskunft der Bundesregierung betroffen wären, stehen sich der Datenschutz Dritter und das Frage- und Informationsrecht des Bundestags auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen einander im konkreten Fall so zugeordnet werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten (sog. praktische Konkordanz). Diese Bewertung ist im Einzelfall anhand der jeweiligen konkreten Gesamtumstände unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen . Vorliegend liegt nahe, dass durch konkret zum Inhalt des Kaufvertrags gestellte Fragen Grundrechte der am Kaufvertrag beteiligten privaten GmbH betroffen sein könnten. Wie im Schreiben des BMF ausgeführt, käme jedoch eine Beantwortung konkret gestellter Fragen unter Beachtung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages in Betracht25. Im Hinblick auf eine möglichst schonende Zusammenführung der sich gegenüberstehenden Verfassungsgüter (parlamentarisches Kontrollrecht und Datenschutz Dritter) hat das Bundesverfassungsgericht insoweit ausgeführt:26 „Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in aller Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eigentumsschutzes, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiete gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.“ Die Entscheidung bezieht sich auf ein Aktenherausgabeverlangen des 1. Untersuchungsausschusses der 10. Wahlperiode (Flick-Untersuchungsausschuss) gegenüber der Bundesregierung. Die Ausführungen zum in Art. 44 GG verankerten Aktenherausgabeanspruch des Untersuchungsausschusses lassen sich aber auf die vorliegende Fragestellung im Wesentlichen übertragen, da auch das parlamentarische Frage- und Informationsrecht neben anderen Funktionen auch der Kontrolle der Bundesregierung dient27. Als Vorkehrung zum Geheimschutz steht dem Bundestag die Geheimschutzordnung (GSO) zur Verfügung, die Bestandteil der Geschäftsordnung des Bundestags (GO-BT) ist (vgl. § 17 GO-BT). 23 BVerfGE 67, 100 (142); BayVerfGH, Entscheidung vom 26. Juli 2006, 11-IVa-05, NVwZ 2007, 204 (207); Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 71. Lieferung März 2014, Art. 43 Rn. 113. 24 BVerfGE 67, 100 (143). 25 Vgl. hierzu grundlegend BVerfGE 67, 100 (144). 26 BVerfGE 67, 100 (144), Hervorhebungen d. Verf. 27 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 71. Lieferung März 2014, Art. 43, Rn. 78. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 7 Diese gilt nach § 1 GSO sowohl für Verschlusssachen, die innerhalb des Bundestages entstehen, als auch für Verschlusssachen, die dem Bundestag zugeleitet werden. Sie sieht je nach Geheimhaltungsgrad verschiedene Restriktionen für den Umgang mit Verschlusssachen vor (unter anderem Einsichtnahme nur in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages, vgl. § 3a GSO). 3. Akteneinsicht nach Informationsfreiheitsgesetz Nach den dargestellten Grundsätzen des Umfangs parlamentarischer Informationsansprüche bestünde mithin für einzelne Bundestagsabgeordnete kein Anspruch auf Akteneinsicht. Möglicherweise kommt ein solcher jedoch nach dem zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes – Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in Betracht. 3.1. Anspruch auf Akteneinsicht nach § 1 Abs. 1 IFG Mit dem IFG hat der Bundesgesetzgeber einen materiell voraussetzungslosen Anspruch auf Informationszugang normiert, der gegenüber Behörden und sonstigen Bundesorganen gilt, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Abs. 1 IFG)28. Der Anspruchsinhalt umfasst neben Auskunftserteilung und sonstiger Informationsbereitstellung ausdrücklich auch die Akteneinsicht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 IFG). Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs , darf dieser nach § 1 Abs. 2 Satz 2 IFG nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Anspruchsinhaber ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG „jeder“. Das einfachrechtliche Informationszugangsrecht reicht mithin bezüglich der Art des Auskunftsbegehrens weiter als das parlamentarische Kontrollrecht der einzelnen Abgeordneten. Die sich insoweit aufdrängende Frage, ob es verfassungsrechtlich gewollt sein kann, dass den Bürgern ein weitergehender Informationsanspruch gegen die Regierung zusteht, als den durch das Grundgesetz zur Kontrolle der Exekutive aufgerufenen Bundestagsabgeordneten, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht behandelt29. Ebenfalls nicht geklärt ist, ob sich Bundestagsabgeordnete in Ausübung ihres Mandats auf den Informationsanspruch nach IFG berufen können30. Eine diesbezügliche Entscheidung kann jedoch insoweit dahinstehen, als sich der Abgeordnete jedenfalls als Privatperson mit einem auf § 1 Abs. 1 IFG gestützten Akteneinsichtsbegehren an das BMF wenden könnte31. 28 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes, Ausarbeitung vom 7. August 2014, WD 3 - 3000 - 157/14, S. 4. 29 Die genannten Kommentierungen zum parlamentarischen Informationsrecht sprechen den nach IFG bestehenden Auskunftsanspruch nicht an; Teuber befasst sich lediglich zu Beginn seiner Monographie mit dem nicht-parlamentsrechtlichen juristischen Informationsbegriff des IFG, der enger gefasst sei als der Informationsbegriff, der die parlamentarische Kontrolle betreffe, vgl. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 39 f. 30 Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Frage in einer 2008 gefällten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, vgl. VG Berlin, Urteil vom 11. Juni 2008 – VG 2 69.07 – S. 12. 31 Vgl. für Beschäftigte juristischer Personen des Öffentlichen Rechts Schoch, Informationsfreiheitsgesetz Kommentar , 1. Auflage 2009, § 1 Rn. 61 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 8 3.2. Ausnahmetatbestände Ob einzelne Abgeordnete nach diesen Grundsätzen tatsächlich Einsicht in den Kaufvertrag nehmen könnten, ist jedoch zweifelhaft. Der voraussetzungslose und umfassende Anspruch auf Informationszugang wird durch die Bestimmungen der §§ 3 bis 6 IFG eingeschränkt32. Die dort normierten Ausnahmetatbestände tragen öffentlichen und privaten Belangen Rechnung. Im Einzelnen dienen sie dem Schutz von besonderen öffentlichen Belangen (§ 3 IFG), dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses (§ 4 IFG), dem Schutz personenbezogener Daten (§ 5 IFG) und dem Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (§ 6 IFG). Vorliegend wird Einsicht in einen zwischen einer privaten GmbH und der BIMA geschlossenen Kaufvertrag begehrt. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Herausgabe des Kaufvertrags insbesondere die Ausnahmetatbestände der § 5 und/oder § 6 IFG entgegenstehen. 3.2.1. Schutz personenbezogener Daten (§ 5 IFG) Nach § 5 Abs. 1 S. 1 IFG darf der Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Dritter ist nach § 2 Nr. 2 IFG jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen. Der Informationszugang zu personenbezogenen Daten erfordert also, soweit keine Einwilligung vorliegt , eine entsprechend ausfallende Interessenabwägung. Besonders schutzwürdige Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen nur übermittelt werden, wenn der Dritte ausdrücklich eingewilligt hat. Zu der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragsstellers und dem schutzwürdigen Interesse des Dritten finden sich in § 5 Abs. 2 bis 4 IFG weitere Vorgaben33. Ob nach diesen Maßstäben die Einsichtnahme in den Kaufvertrag ausgeschlossen sein könnte, müsste nach den konkreten Umständen im Einzelfall festgestellt werden. 3.2.2. Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (§ 6 IFG) Nach § 6 Satz 2 IFG darf der Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Anders als bei den in § 5 IFG formulierten Ausschlussgründen wirkt im Rahmen von § 6 IFG der Ausschlussgrund fehlender Einwilligung absolut. Eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und dem Geheimhaltungsinteresse des Dritten ist nicht vorgesehen34. Weiterhin liegt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vor, „wenn Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers 32 Vgl. zu den Einzelheiten Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes , Ausarbeitung vom 7. August 2014, WD 3 - 3000 - 157/14, S. 6 ff. 33 Vgl. im einzelnen Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes , Ausarbeitung vom 7. August 2014, WD 3 - 3000 - 157/14, S. 8 f. 34 Vgl. Rossi, Informationsfreiheitsgesetz Handkommentar, 1. Auflage 2006, § 6 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 293/15 Seite 9 sowie dessen berechtigten wirtschaftlichen Interessen geheim gehalten werden sollen“35. „Auch konkrete Vertragsgestaltungen können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein.“36 Nach diesen Maßstäben kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zwischen der BIMA und der privaten GmbH geschlossene Kaufvertrag Geschäftsgeheimnisse letztgenannter enthält. Im Zusammenhang mit einem zwischen der BIMA und einer privaten GmbH geschlossenen Mietvertrag hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden, dass der Mietvertrag zu den Geschäftsgeheimnissen der privaten GmbH gehöre37. Die Einsichtnahme der Abgeordneten in den gesamten Kaufvertrag wäre insoweit von der Einwilligung der betreffenden GmbH abhängig. Ende der Bearbeitung 35 BT-Drucks 15/4493, S. 14 mit Hinweis auf BGH, NJW 1995, S. 2301. 36 OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 2013 – 5 A 413/11 – juris Rn. 150 m.w.N. 37 OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 2013 – 5 A 413/11 – juris Rn. 154.