© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 292/15 Einsatz Verdeckter Ermittler – Grenzen ermittlungstaktischer Maßnahmen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 2 Einsatz Verdeckter Ermittler – Grenzen ermittlungstaktischer Maßnahmen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 292/15 Abschluss der Arbeit: 25. November 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 3 1. Einleitung Die Grenzen der Ermittlungstätigkeit Verdeckter Ermittler waren bereits Gegenstand einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste vom 21. Januar 2011.1 In diesem Rahmen erörterte die Verfasserin die Frage, ob das Eingehen einer sexuellen Beziehung zu einer Ziel- oder Kontaktperson eine zulässige Ermittlungsmethode bei verdeckten Ermittlungen darstellt. Zunächst könne der Einsatz Verdeckter Ermittler für den Bereich der Strafverfolgung auf die §§ 110a bis 110c Strafprozessordnung (StPO) und im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr auf die jeweiligen Landespolizeigesetze gestützt werden. Nähere gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen über konkrete Maßnahmen zur Informationsgewinnung existierten nicht. Der Einsatz von List, Tücke, Täuschung, Lüge, das Erschleichen von Vertrauen und sonstiges kommunikatives Verhalten, das zu Einblicken in verborgene Strukturen führen kann, gehörten zu den Wesensmerkmalen Verdeckter Ermittler. Von daher sei ein derartiges Verhalten grundsätzlich erlaubt, solange es nicht strafbar ist. Aufgrund des für Hoheitsträger auch bei verdeckten Ermittlungen geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes , folge hieraus jedoch eine Pflicht zum möglichst schonenden Umgang mit den Rechten Betroffener. Im Falle einer sog. taktischen Liebesbeziehung, die mit einem gezielten Vordringen des Hoheitsträgers in die Sexualsphäre der Ziel- oder Kontaktperson verbunden ist, müsse ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht angenommen werden. Mit vergleichbarer Argumentation könne auch ein Verstoß gegen Artikel (Art.) 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angenommen werden (Achtung des Privat- und Familienlebens). Rechtsprechung oder eine vertiefte Auseinandersetzung in der Literatur gebe es zu dieser Frage allerdings nicht. Zwar sei eine taktische Liebesbeziehung mit einer persönlichen Enttäuschung für die zu observierende Person verbunden, strafrechtlich erfülle eine solche Täuschungshandlung jedoch keinen der in Betracht kommenden Straftatbestände.2 Die Ausarbeitung schließt mit der Feststellung , dass die durch eine taktische Liebesbeziehung getäuschte Person gegebenenfalls einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit (i. V. m.) Art. 34 Satz (S.) 1 Grundgesetz (GG) beziehungsweise (bzw.) einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verdeckten Ermittler aus § 823 Abs. 1 BGB geltend machen könnte. Aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könnte der Eintritt eines immateriellen Schadens vorliegen, der zu einer entsprechenden Pflicht führt, Schmerzensgeld zu zahlen (§ 253 Abs. 2 BGB). Die Zulässigkeit taktischer Liebesbeziehungen im Zuge verdeckter Ermittlungen besitzt nach wie vor Aktualität, wie die Medienberichterstattung um die in der linken Szene Hamburgs eingesetzten Verdeckten Ermittlerinnen „Maria Block“ und „Iris Schneider“ zeigt.3 Vor diesem Hintergrund wird um eine aktualisierte (verfassungs-)rechtliche Beurteilung gebeten, die insbesondere Auskunft auf die Frage geben soll, ob das Eingehen sexueller bzw. tiefergehender 1 Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Einsatz verdeckter Ermittler, Az. WD 3 - 3000 - 010/11, Ausarbeitung vom 21.1.2011. 2 Geprüft wurde eine Strafbarkeit nach § 174b StGB (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung), § 177 StGB (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) und § 240 StGB (Nötigung). 3 Christoph Twickel, Radikal ermitteln, Zeit-Online vom 3.9.2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 4 emotionaler Beziehungen zwischen Ermittlungs- und Zielperson „in der Freizeit“ zulässig sein könnte. 2. Welche Rechtsprechung existiert zur Frage der Zulässigkeit, wenn Verdeckte Ermittler während des Einsatzes Sexualität oder tiefgehende emotionale Beziehungen mit Ziel- oder Kontaktpersonen eingehen? Inwiefern gehen Einsatzanordnungen der Polizei des Bundes oder der Länder auf solche Fälle ein? Wie wäre dies aus (verfassungs-)rechtlicher Sicht zu beurteilen? Soweit Polizeikräfte des Bundes oder eines Landes als Verdeckte Ermittler eingesetzt werden, ist ein solcher Einsatz zum Zwecke der Gefahrenabwehr bzw. aus Gründen der Strafverfolgung zulässig . Da eine eindeutige Zuordnung verdeckter Ermittlungen zu entweder präventiven oder repressiven Zielsetzungen im Allgemeinen jedoch als nicht möglich betrachtet wird4, dürfte die Zulässigkeit der Ermittlungsmethoden eines Verdeckten Ermittlers sowohl an polizeirechtlichen, als auch an strafprozessualen Maßstäben zu messen sein. Die hierfür maßgeblichen Polizeigesetze der Länder5 sowie die Strafprozessordnung6 enthalten zwar jeweils eine Rechtsgrundlage für den Einsatz Verdeckter Ermittler. Eindeutige Beschränkungen hinsichtlich der Grenzen des ermittlungstaktischen Methodeneinsatzes sind – mit Ausnahme besonderer Regelungen zum Zutritt in eine fremde Wohnung7 – einfachgesetzlich jedoch kaum normiert.8 Ein hervorzuhebender Ausnahmecharakter kommt den Regelungen zu, die nicht nur für die akustische Wohnraumüberwachung, sondern für sämtliche nachrichtendienstliche Mittel (wie den Einsatz Verdeckter Ermittler) einen Kernbereichsschutz vorsehen. Beispielsweise ist die Erhebung personenbezogener Daten gemäß § 28d Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nummer (Nr.) 4 des Saarländischen Polizeigesetzes (SPolG) nicht zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden.9 Entsprechende Anordnungen zum Einsatz Verdeckter Ermittler werden hingegen nicht veröffentlicht und können im Rahmen dieser Ausarbeitung daher nicht gewürdigt werden. Aus der Anordnung des Einsatzes müssen sich die Anordnungsgrundlagen sowie der Einsatzumfang ergeben, wobei die 4 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. (2012), Kapitel E, Rn. 255. 5 Vgl. für das Polizeirecht Hamburgs: § 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2.5.1991, zuletzt geändert am 30.1.2015. 6 §§ 110a ff. Strafprozessordnung (StPO). 7 Vgl. § 110c StPO. 8 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. (2012), Kapitel E, Rn. 243 ff. 9 § 28d SPolG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 5 allgemeinen Vorschriften keine Vorgaben zur Frage der Zulässigkeit „taktischer“ Liebesbeziehungen enthalten.10 Einsatzanordnungen sind grundsätzlich gerichtlich überprüfbar.11 Ferner war die Frage der Zulässigkeit „taktischer“ Liebesbeziehungen (und vergleichbarer Verhaltensweisen ) bei verdeckten Ermittlungen bislang nicht Gegenstand verwaltungsgerichtlicher oder strafgerichtlicher Klärung. Der Einsatz Verdeckter Ermittler wurde im Rahmen der strafgerichtlichen Rechtsprechung jedoch bereits mehrfach danach beurteilt, ob und inwiefern die verdeckt gesammelten Informationen einem strafprozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen könnten.12 Der Bundesgerichtshof (BGH) geht davon aus, dass die von einem Verdeckten Ermittler gewonnenen Erkenntnisse im Grundsatz verwertbar sind, wenn die Voraussetzungen für seinen Einsatz und die erforderliche richterliche Zustimmung vorlagen.13 Nach der herrschenden Meinung in der Literatur seien die aus einer unzulässigen Vernehmung resultierenden Beweiserhebungs- und -verwertungsverbote (z. B. § 136a StPO) bei Äußerungen gegenüber einem Verdeckten Ermittler zudem nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich in aller Regel gerade nicht um eine Vernehmung im Sinne der Strafprozessordnung handle.14 Hierfür wäre erforderlich, dass der Vernehmende dem Beschuldigten in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihm Auskunft verlangt.15 Regelmäßig handelt es sich jedoch um vermeintliche Privatgespräche, in deren Rahmen die Zielperson unter Vortäuschung der Eigenschaft als vertrauenswürdige Privatperson zu freiwilligen selbstbelastenden Äußerungen bewegt werden soll.16 Eine Grenze ist nach der Rechtsprechung des BGH aber zumindest dann erreicht, wenn ein Verdeckter Ermittler einen Beschuldigten unter Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses beharrlich zu einer Aussage drängt und ihm in einer vernehmungsähnlichen Befragung Äußerungen zum Tatgeschehen entlockt.17 Eine solche Beweisgewinnung verstoße gegen den Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten (Nemo – tenetur – Grundsatz) und habe regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot zur Folge.18 Anhand dieser Rechtsprechung zeigt sich, dass die Selbstbelastungsfreiheit keinen umfassenden Schutz vor Täuschungen gewährt, sondern nur dann einschlägig ist, wenn durch beharrliches Ausfragen ein psychischer Druck auf den Beschuldigten ausgeübt wird, dem dieser 10 Vgl. VG Freiburg, Urteil vom 6.7.2005, Az. 1K439/03 Rn. 35; Pfeiffer, Strafprozessordnung, 5. Aufl. (2005), §110a Rn. 1 und § 110b Rn. 3. 11 Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 26.8.2015, Az. 4 K 2113/11 Rn. 50. 12 Paul, Unselbständige Beweisverwertungsverbote in der Rechtsprechung, NStZ 2013, 489 (494 ff.). 13 BGH, Beschluss vom 27.1.2009, Az. 4 StR 296/08 = NStZ 2009, 343 (344). 14 Eschelbach, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO – Kommentar, 2. Aufl. (2015), § 136a Rn. 36. 15 Pfeiffer, Strafprozessordnung, 5. Aufl. (2005), § 136a Rn. 4. 16 Eschelbach, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO – Kommentar, 2. Aufl. (2015), § 136a Rn. 36. 17 BGH, Beschluss vom 27.1.2009, Az. 4 StR 296/08 = NStZ 2009, 343 (344). 18 BGH, Beschluss vom 27.1.2009, Az. 4 StR 296/08 = NStZ 2009, 343 (344). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 6 sich nicht ohne Weiteres entziehen kann.19 Die Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses kann im Rahmen einer Einzelfallabwägung hierbei eine Rolle spielen.20 Weitere relevante Erkenntnisse für die Zulässigkeit taktischer Liebesbeziehungen bei einem Einsatz Verdeckter Ermittler lassen sich der Rechtsprechung nicht entnehmen. Wie mit Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste vom 21. Januar 2011 dargestellt, könnte eine taktische Liebesbeziehung, vor allem bei Eingehen einer sexuellen Verbindung, einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) darstellen, das die Privatheit der Sexualsphäre schützt.21 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts22 besteht ein uneingeschränkter Schutz bezogen auf den „schlechthin unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung“. Zur Entfaltung der Persönlichkeit in diesem Kernbereich gehöre die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen. Vom Schutz umfasst seien auch Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Ausdrucksformen der Sexualität. Die Möglichkeit einer entsprechenden Entfaltung setze einen dafür geeigneten Freiraum voraus, innerhalb dessen die Bürger auf den Schutz des Staates vertrauen dürfen. Dies sei vor allem regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Soweit sich ein Verhalten innerhalb der Privatwohnung als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstelle, verlange dies eines absoluten Schutzes, der auch nicht durch Abwägung mit den Strafverfolgungsinteressen relativiert werden könne (Art. 1 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 GG). Ob ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich zuzuordnen ist, hänge von den Besonderheiten des jeweiligen Falles ab. Demgegenüber kann sich ein Eingriff in die „schlichte Privatsphäre“ aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots nach den Umständen des Einzelfalls als gerechtfertigt darstellen.23 Vor diesem Hintergrund stellen sexuelle Beziehungen zwischen der Verdeckten Ermittlungsperson und einer Kontakt- bzw. Zielperson einen Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung dar, der auch durch ein besonders begründetes öffentliches Interesse nicht gerechtfertigt werden kann. Ein solches Verdikt absoluter Unzulässigkeit dürfte sich für das Eingehen „tiefgehender emotionaler Beziehungen“ jedoch nicht begründen lassen. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls, wie insbesondere des Grades des Vertrauensverhältnisses und des Gewichts des mit der Maßnahme verfolgten Interesses, könnte sich der Aufbau derartiger Beziehungen als gerechtfertigter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen. Gleichwohl dürfte das Eingehen einer „taktischen“ Liebesbeziehung als besonders gravierender Eingriff in die Rechte Betroffener unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten in der Regel kritisch zu sehen sein.24 19 Kasiske, Die Selbstbelastungsfreiheit im Strafprozess, JuS 2014, 15 (18). 20 Paul, Unselbständige Beweisverwertungsverbote in der Rechtsprechung, NStZ 2013, 489 (495). 21 Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. (2014), Art. 2 Rn. 48 22 BVerfGE 109, 279 (313). 23 Senge, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. (2013), Vorb. zu §§ 48 ff. Rn. 37. 24 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. (2012), Kapitel E, Rn. 258. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 7 Soweit damit also vor allem in strafprozessualer Hinsicht die Gefahr besteht, dass durch eine unzulässige heimliche Informationsgewinnung durch Verdeckte Ermittler die Überführung eines Tatverdächtigen und dessen rechtsmittelfeste Verurteilung verunmöglicht wird, liegt hierin zugleich eine faktische Begrenzung der Methodenwahl.25 Will die Polizei vermeiden, dass die von ihr gesammelten Informationen einem strafprozessualen Verwertungsverbot unterliegen, muss sie schon aus strategischen Gründen zu jedem Zeitpunkt ihrer Ermittlungen auf die strikte Einhaltung fundamentaler rechtsstaatlicher Prinzipien wie das Übermaß- und Willkürverbot achten.26 Nicht ohne Grund wird daher als Praxistipp für die Strafverteidigung festgestellt, dass sich die Tatsache des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers grundsätzlich auch positiv auf die Verteidigung auswirken könne, da sich der Bereich verdeckter Ermittlungen im Hinblick auf ein Entlastungsvorbringen (wie z. B. eine konventionswidrige Tatprovokation) „geradezu anbiete“.27 3. Wäre bei der Ausübung von Sexualität oder tiefgehenden emotionalen Beziehungen mit zu observierenden Personen unter Vortäuschung einer anderen Identität die EMRK tangiert? Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) war die Problematik einer sexuellen oder tiefgehenden emotionalen Beziehung zwischen dem Verdeckten Ermittler und der Zielperson bislang nicht Gegenstand einer Entscheidung. Korrespondierend mit der unter 2. dargestellten strafprozessualen Dimension wird der Einsatz Verdeckter Ermittler im konventionsrechtlichen Kontext vorranging vor dem Hintergrund des „Fair – Trial – Grundsatzes“ aus Art. 6 EMRK beurteilt. Hierzu hat der EGMR in der Entscheidung Furcht ./. Deutschland festgestellt , dass es zulässig sein kann, Verdeckte Ermittler einzusetzen, sofern der Einsatz klar abgegrenzt und abgesichert ist.28 Zwar verlange die – diesem Rechtsstreit zu Grunde liegende – Ausbreitung des organisierten Verbrechens zweifellos wirksame Maßnahmen, doch nehme das Recht auf eine geordnete Rechtspflege eine so herausragende Stellung ein, dass es nicht der Zweckmäßigkeit geopfert werden dürfe.29 Hinsichtlich des Methodeneinsatzes bei verdeckten Ermittlungen ist die Grenze zulässiger Täuschung auch aus Sicht des EGMR dann erreicht, wenn im Rahmen einer verdeckten Befragung psychischer Druck auf den Beschuldigten ausgeübt wurde.30 Die maßgeblichen Erwägungen hierzu hat der EGMR in der Entscheidung Bykov ./. Russland dargestellt:31 Danach betreffe das Recht, sich nicht selbst zu beschuldigen, vorrangig die Achtung des Willens einer beschuldigten Person zu schweigen und setze voraus, dass die Anklage versuchen muss, nicht auf Beweise zurückzugreifen , die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Beschuldigten erlangt worden 25 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. (2012), Kapitel E, Rn. 251. 26 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. (2012), Kapitel E, Rn. 251. 27 Deckers, in: MAH Strafverteidigung, 2. Aufl. (2014), § 19 Rn. 17 f. 28 EGMR, Urteil vom 23.10.2014, Az. 54648/09, Nr. 47 - Furcht/Deutschland = BeckRS 2015, 16510. 29 EGMR, Urteil vom 23.10.2014, Az. 54648/09, Nr. 47 - Furcht/Deutschland = BeckRS 2015, 16510. 30 Kasiske, Die Selbstbelastungsfreiheit im Strafprozess, JuS 2014, 15 (18). 31 EGMR, Urteil vom 10.3.2010, Az. 4378/02, Nr. 92 ff. - Bykov/Russland = NJW 2010, 213 (215 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 8 sind. Im Ergebnis hat der EGMR in diesem Fall einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK trotz einer massiven Täuschung des Beschuldigten abgelehnt, da dieser jederzeit darin frei gewesen sei, mit der Verdeckten Ermittlungsperson zu sprechen oder dies nicht zu tun.32 Angesichts der Tatsache, dass durch das Eingehen einer taktischen Liebesbeziehung zwar ein besonderes Vertrauensverhältnis geschaffen wird, die Zielperson in aller Regel aber nicht zu einer selbstbelastenden Aussage gezwungen wird, dürfte ein Konventionsverstoß in diesem Fall allein wegen Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht zu begründen sein. In Betracht kommt hier jedoch ein Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens , das in Art. 8 EMRK geregelt ist. Eingriffe in dieses Recht sind zulässig, soweit dies gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft u.a. notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Vergleichbar mit deutschem Verfassungsrecht schützt Art. 8 Abs. 1 EMRK auch die Möglichkeit, (sexuelle) Beziehungen zu anderen Menschen aufzunehmen.33 Anders als Art. 1 GG erwähnt die Konvention den Schutz der Menschenwürde jedoch nicht ausdrücklich. Nach der Rechtsprechung des EGMR liegt das Gebot ihrer Achtung vielmehr allen Konventionsgarantien zu Grunde.34 Nach alledem dürfte sich eine taktische, sexuelle Liebesbeziehung im Rahmen einer verdeckten Ermittlung trotz des an sich zulässigen Ziels der Verhütung von Straftaten als Verstoß gegen Art. 8 EMRK darstellen, da ein derart schwerer Eingriff in die Privatsphäre einer Person einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in aller Regel nicht standhalten wird. Im Gegensatz dazu könnte eine taktische Liebesbeziehung (ohne Eingriff in die Sexualsphäre) – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – auch konventionsrechtlich im Ausnahmefall gerechtfertigt sein. 4. Müsste ein Einsatz abgebrochen werden, wenn sich ein Verdeckter Ermittler in Ziel- oder Kontaktpersonen „verliebt“ oder Sexualität oder tiefgehende emotionale Beziehungen im Umfeld der Ermittlungen eingeht? Die Frage eines Abbruchs verdeckter Ermittlungen ist nur in wenigen Polizeigesetzen einfachgesetzlich geregelt. Das unter 2. erwähnte Saarländische Polizeigesetz sieht hierzu gemäß § 28d Abs. 2 S. 1 beispielsweise vor, dass verdeckte Ermittlungen unverzüglich und so lange wie erforderlich abgebrochen werden müssen, wenn erkennbar ist, dass personenbezogene Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensführung zuzuordnen sind. Aufgrund der Möglichkeit, durch eine „taktische“ Liebesbeziehung in geschützte Grundrechtspositionen von Ziel- oder Kontaktpersonen einzugreifen, dürfte sich ein Einsatzabbruch aber auch in den Fällen aufdrängen, in denen sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. 32 EGMR, Urteil vom 10.3.2010, Az. 4378/02, Nr. 102 - Bykov/Russland = NJW 2010, 213 (216). 33 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. (2011), Art. 8 Rn. 7. 34 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. (2011), Art. 8 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 9 5. Inwiefern kann der Argumentation gefolgt werden, dass das Praktizieren von Sexualität oder tiefgehenden emotionalen Beziehungen mit Ziel- oder Kontaktpersonen ohne den vorrangigen Zweck der Erlangung von Informationen quasi „in der Freizeit“, also nach Dienstschluss, keinen Eingriff in die Privatsphäre Betroffener darstelle? Ob tiefgehende emotionale Beziehungen oder gar Sexualität zwischen Verdeckten Ermittlern und Ziel- bzw. Kontaktpersonen „in der Freizeit“ nicht als Eingriff in die Privatsphäre zu qualifizieren wären, ist abstrakt nicht ohne Weiteres sicher zu beurteilen. Während im Falle einer „taktischen“ Liebesbeziehung das täuschungsbedingte Eingehen einer (sexuellen) Beziehung gerade das Mittel zum Zweck staatlicher Informationsbeschaffung darstellt, könnten bei der Qualifizierung einer vermeintlich „privaten“ Beziehung folgende Faktoren eine Rolle spielen: Ein Grundrechtseingriff liegt anerkanntermaßen nicht nur dann vor, wenn das staatliche Handeln im Sinne einer zielgerichteten Einwirkung auf das grundrechtlich geschützte Gut erfolgt (sog. Finalität35). Grundrechte erfüllen ihre Aufgabe, die Staatsgewalt effektiv zu begrenzen, vielmehr erst dann, wenn sie auch mittelbare und faktische Einwirkungen des Staates auf die grundrechtliche Freiheit in Grenzen weisen (sog. moderner Eingriffsbegriff).36 Ein Eingriff ist damit jede Beeinträchtigung des Schutzbereichs eines Grundrechts durch die öffentliche Gewalt, ob durch Rechtsakt oder faktisches Handeln, ob final und unmittelbar oder nicht.37 An einer Grundrechtsbeeinträchtigung fehlt es hingegen, wenn der Grundrechtsträger wirksam in das staatliche Handeln eingewilligt hat.38 Im Ausgangsfall einer vermeintlich „privaten“ Liebesbeziehung „in der Freizeit“ zwischen Verdecktem Ermittler und Ziel- bzw. Kontaktperson ist zu berücksichtigen, dass der Verdeckte Ermittler auch hierbei weiterhin unter seiner Legende auftreten wird. Unter einer Legende versteht man den Aufbau und die Verwendung einer auf Dauer angelegten, veränderten Identität, die der Durchführung des Einsatzes dienen soll (vgl. § 110a Abs. 2 und 3 StPO). Auch eine Teilnahme am Rechtsverkehr unter Verwendung der Legende ist dem Verdeckten Ermittler gestattet (vgl. § 110a Abs. 2 S. 2 StPO). Verdeckte Ermittler bleiben unter ihrer Tarnung jedoch weiterhin Hoheitsträger, für die der Gesetzesvorbehalt gilt.39 Das gesamte Handeln unter der angelegten Legende dient damit der Erfüllung des durch die jeweilige Anordnung definierten Einsatzzwecks. Selbst wenn der Verdeckte Ermittler sich entschließen sollte, (weisungswidrig) private Beziehungen zu Ziel- und Kontaktpersonen zu unterhalten, würde darin die ausschließlich dienstlich veranlasste Täuschung dieser Personen fortwirken. Zwar muss auch einer Verdeckten Ermittlungsperson – gerade bei 35 Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. (2014), Vorb. v. Art. 1 Rn. 44. 36 Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. (2014), Vorb. v. Art. 1 Rn. 45. 37 Herdegen, in Maunz/Dürig, Grundgesetz – Kommentar, Bd. 1, Lfg. 74 (Stand des Gesamtwerks: Mai 2015), Art. 1 Abs. 3 Rn. 39. 38 Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. (2014), Vorb. v. Art. 1 Rn. 45. 39 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. (2012), Kapitel E, Rn. 255. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 10 langandauernden Einsätzen – ein geschützter Bereich persönlicher Entfaltung zugestanden werden. Die Aufspaltung in eine private und eine dienstliche Sphäre des Handelns unter einer Legende erscheint in Bezug auf den Umgang mit Ziel- und Kontaktpersonen jedoch nur schwer vertretbar. Zudem wären Verdeckte Ermittler, die regelmäßig in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, aufgrund ihrer dienstrechtlichen Pflichtenstellung auch außerhalb des Dienstes zur Zurückhaltung verpflichtet, wenn anderenfalls dienstliche Interessen beeinträchtigt werden könnten.40 Selbst wenn im hypothetischen Fall einer sexuellen Beziehung „nach Dienstschluss“ der Moment des Erlebens von Sexualität ausschließlich privaten Zwecken dienen sollte, wäre zu berücksichtigen, dass diese faktische Einwirkungsmöglichkeit durch staatliche Anordnung des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers erst geschaffen wurde. Ferner würde sich bei lebensnaher Betrachtung nicht ausschließen lassen, dass die aufgrund einer privaten, tiefgehend emotionalen Beziehung gewonnene Vertrautheit geeignet ist, die auftragsgemäße Zweckerfüllung des Verdeckten Ermittlers zu einem späteren Zeitpunkt zu unterstützen. In diesem Fall läge objektiv wiederum die erforderliche Finalität zur Bejahung eines Grundrechtseingriffs vor. Schließlich dürfte im Falle einvernehmlicher Sexualität mit der Verdeckten Ermittlungsperson auch nicht von einer wirksamen Einwilligung in die Grundrechtsbeeinträchtigung auszugehen sein. Hierfür wäre eine rechtlich verbindliche, freiwillige, auf ein konkretes (überschaubares) Geschehen bezogene vorher abgegebene Erklärung des Grundrechtsträgers erforderlich.41 Zwang, Täuschung, Drohung oder Erschleichung nehmen dem Verzicht jedoch die Freiwilligkeit.42 Freiwilligkeit in diesem Sinne dürfte mithin nur dann vorliegen, wenn die Verdeckte Ermittlungsperson gegenüber dem Grundrechtsträger zu erkennen gibt, dass sie in staatlichem Auftrag handelt. Nach alledem erscheinen vermeintlich private Beziehungen mit Ziel- oder Kontaktpersonen während des laufenden Einsatzes verfassungsrechtlich bedenklich. Nicht ausgeschlossen sind jedoch private Beziehungen zu Zielpersonen, sobald der Einsatz insgesamt beendet ist und damit keine Gefahr mehr besteht, dass eine Instrumentalisierung zur Erfüllung staatlicher Interessen erfolgt.43 6. Welche zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten existieren für die Betroffenen inländischer oder ausländischer Ermittlungen, um in den Fällen des Eingehens sexueller oder tiefgehender emotionaler Beziehungen nachträglich rechtliche Klarheit zu erlangen? Wenn der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers durch eine inländische Behörde angeordnet worden ist, kommen vorrangig Unterrichtungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten in Betracht, die sich am jeweiligen Stadium des Verfahrens orientieren. 40 Vgl. für das Bundesrecht: § 61 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) – Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten. 41 Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. (2014), Vorb. v. Art. 1 Rn. 45. 42 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2 (1994), II 6 b. 43 Vgl. für den Fall einer Beziehung einer Justizvollzugsbeamtin mit einem ehemaligen Häftling: OVG Koblenz, Urteil vom 11.1.2010, Az. 3 A 11186/09 = BeckRS 2010, 45945. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 11 Soweit der Ermittlereinsatz auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkt war bzw. die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens unterbleibt, können sich Unterrichtungspflichten unmittelbar aus den Landespolizeigesetzen ergeben. So sieht beispielsweise das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen – Anhalt (SOG LSA) in § 18 Abs. 6 i. V. m. 17 Abs. 7 vor, dass nach Abschluss der Maßnahmen diejenige Person zu unterrichten ist, gegen die die Maßnahme angeordnet worden ist, soweit dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann. Eine solche Unterrichtung kann jedoch u. a. dann unterbleiben, wenn die Daten allgemein zugänglichen Quellen entnommen worden sind, zur Durchführung der Unterrichtung noch weitere personenbezogene Daten über die betroffene Person erhoben werden müssten oder die Daten unverzüglich nach Beendigung der Maßnahme vernichtet werden (§ 17 Abs. 7 SOG LSA). Bei einem Einsatz Verdeckter Ermittler ist eine Unterrichtung zudem dann nicht geboten, wenn dadurch der weitere Einsatz der Verdeckten Ermittler oder Leib oder Leben von Personen gefährdet wird (§ 18 Abs. 6 S. 2 SOG LSA). Bei einem Einsatz zur Gefahrenabwehr könnte zudem eine (verwaltungsgerichtliche) Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Betracht kommen, um rechtliche Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes Verdeckter Ermittler zu erlangen. Die Frage, ob eine konkrete Datenerhebung durch einen Verdeckten Ermittler von einer entsprechenden Rechtsgrundlage gedeckt war, stellt in diesem Zusammenhang ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.44 In vergleichbar gelagerten Fällen wurde das nötige Feststellungsinteresse jedenfalls im Hinblick auf ein Rehabilitationsinteresse und die erhebliche grundrechtliche Relevanz45 bejaht. Sofern der Ermittler zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt wurde, handelt es sich um eine repressive Maßnahme, deren Rechtmäßigkeit anhand des Strafprozessrechts zu beurteilen wäre. Auch in der Strafprozessordnung ist gemäß § 101 Abs. 4 S. 1 Nr. 9 nach Beendigung einer verdeckten Ermittlung eine Pflicht zur Unterrichtung der Zielperson, der erheblich mitbetroffenen Personen und der Personen vorgesehen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat. Die Benachrichtigungspflicht der Staatsanwaltschaft ist so zu erfüllen, dass die betroffene Person die Maßnahme nachvollziehen kann und sich auf eine rechtliche Nachprüfung vorbereiten kann46. Eine Benachrichtigung unterbleibt indes, wenn ihr überwiegend schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen (§ 101 Abs. 4 S. 3 StPO). Die Geheimhaltung der Identität des Verdeckten Ermittlers richtet sich dabei nach § 110b Abs. 3 StPO. § 101 Abs. 7 S. 2 StPO sieht schließlich die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs vor. Dies fällt gemäß § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die betroffene Person ist auch in dem Fall nicht schutzlos gestellt, wenn sie nicht benachrichtigt wurde, aber auf andere Weise von der Maßnahme erfahren hat. In diesem Zusammenhang könnte 44 VG Karlsruhe, Urteil vom 26.8.2015, Az. 4 K 2113/11, Rn. 35. 45 Terhechte, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Handkommentar-Verwaltungsrecht, 3. Aufl. (2013), § 43 VwGO Rn. 57. 46 Bruns, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. (2013), § 101 Rn. 22a. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 292/15 Seite 12 ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung nach § 98 Abs. 2 StPO analog in Betracht kommen. Hierfür bedürfte es der zusätzlichen Darlegung eines konkreten Rechtschutzbedürfnisses.47 Soweit ausländische Ermittlungspersonen nach § 93 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) bzw. aufgrund von bi- oder multilateralen Verträgen mit der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen im Inland betraut werden, richten sich deren Befugnisse grundsätzlich nach den dargestellten deutschen Rechtsvorschriften. Der ausländische Verdeckte Ermittler ist u. a. mangels inländischer Disziplinaraufsicht rechtlich jedoch als V – Person einzustufen.48 Damit scheidet eine Anwendung der §§ 110a ff. StPO in diesem Fall aus. Auch die Polizeigesetze der Länder sehen nur vereinzelt ausdrückliche Regelungen für den Einsatz von V – Personen vor. So erstrecken sich beispielsweise die dargestellten Normen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen – Anhalt auch auf den Einsatz von V – Personen und sehen auch in diesem Fall einen Unterrichtungsanspruch vor (§§ 18 Abs. 6, 17 Abs. 7 SOG LSA). Denkbar wäre auch in diesem Kontext, die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von V- Personen im Wege einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu klären, da die Verantwortlichkeit für den gesamten Einsatz bei der zuständigen Landes- oder Bundespolizeibehörde verbleibt. Ein Anspruch auf Zugang zu den maßgeblichen Unterlagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften dürfte regelmäßig nicht gegeben sein, da das Bekanntwerden von Informationen verdeckter Ermittlungen in diesem Fall nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen oder Belange der inneren Sicherheit haben könnte bzw. die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Vertraulichkeitspflicht unterliegt.49 Im Rahmen der Verfahrensvorschriften des Landes, das ein Tätigwerden der Ermittlungsperson innerhalb der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat, könnten sich schließlich vergleichbare Auskunftsansprüche ergeben. Ende der Bearbeitung 47 Hegmann, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar zur StPO, Edition 22 (Stand: 1.9.2015), § 101 Rn. 43. 48 Bruns, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. (2013), § 110a Rn. 5. 49 Vgl. für den Bund: § 3 IFG.