© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 291/18 Arbeitsvisa für Pflegekräfte aus Drittstaaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 291/18 Seite 2 Arbeitsvisa für Pflegekräfte aus Drittstaaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 291/18 Abschluss der Arbeit: 30. August 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 291/18 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach den Voraussetzungen für die Erteilung von Arbeitsvisa für drittstaatsangehörige Pflegekräfte sowie nach Maßnahmen, die die Bundesregierung zur erleichterten Erteilung von Arbeitsvisa für drittstaatsangehörige Pflegekräfte, insbesondere aus der Ukraine, seit der 19. Wahlperiode ergriffen hat und für die Zukunft plant. 2. Einreise und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen Maßgeblich für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen sind die Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).1 2.1. Erfordernis eines Aufenthaltstitels Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG benötigen Ausländer für die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel. Aufenthaltstitel in diesem Sinne sind nach § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG das Visum, die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die Niederlassungserlaubnis sowie die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Für die Erteilung eines Aufenthaltstitels müssen zunächst die allgemeinen Voraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein. Diese allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfordern u.a., dass der Lebensunterhalt gesichert ist, die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährdet sind und kein Ausweisungsinteresse besteht. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen ergeben sich aus den für den jeweiligen Aufenthaltstitel einschlägigen Vorschriften. 2.2. Visumpflicht Maßgeblicher Aufenthaltstitel für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen ist grundsätzlich der Aufenthaltstitel des Visums, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG.2 Für kurzfristige Aufenthalte (bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen) kommt die Erteilung eines Schengen- Visums in Betracht, § 6 Abs. 1 AufenthG. Befreit von der Visumpflicht für kurzfristige Aufenthalte sind diejenigen Staaten, die in einer durch EU-Verordnung festgestellten Liste aufgeführt sind, u.a. seit Mai 2017 die Ukraine.3 Weder das Schengen-Visum noch die Befreiung von der Schengen- Visumpflicht befreien jedoch vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels, wenn die Ausländer eine 1 In Bezug auf türkische Staatsangehörige sind zudem die Regelungen des EU-Assoziationsrechts zu beachten. Die assoziationsrechtlichen Vorschriften begünstigen die aufenthaltsrechtliche Stellung türkischer Staatsangehöriger jedoch erst nach einer rechtmäßigen Ersteinreise und einem rechtmäßigen Aufenthalt (Aufenthaltsverfestigung), vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur aufenthaltsrechtlichen Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger (WD 3 - 3000 - 159/16). 2 Zu Befreiungen von der Visumpflicht vgl. §§ 18 ff. Aufenthaltsverordnung. 3 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 539/2001 und Verordnung (EU) Nr. 2017/850. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 291/18 Seite 4 Erwerbstätigkeit ausüben wollen, § 17 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthVO).4 Für einen längerfristigen Aufenthalt ist ein nationales Visum erforderlich, wobei sich die Erteilung nach den Vorschriften für den im Inland angestrebten Aufenthaltstitel (z.B. die Aufenthaltserlaubnis) richtet, § 6 Abs. 3 S. 2 AufenthG. Im Rahmen des vor der Einreise zu erteilenden nationalen Visums werden also diejenigen Voraussetzungen geprüft, die auch für die im Inland erteilten Aufenthaltstitel vorliegen müssen. Soweit der Einsatz als Pflegekraft auf Basis eines nationalen Visums erfolgen soll, müssten die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 18 AufenthG vorliegen, der den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit regelt. Setzt die Beschäftigung – wie hier – eine qualifizierte Berufsausbildung voraus (§ 6 Abs. 1 S. 2 Beschäftigungsverordnung – BeschV, mindestens zwei Jahre Ausbildungsdauer), muss die Beschäftigung in der jeweiligen Berufsgruppe durch Rechtsverordnung zugelassen worden sein, § 18 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Hierzu regelt § 6 Abs. 2 BeschV, dass für Ausländerinnen und Ausländer, die ihre Berufsqualifikation im Ausland erworben haben, die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer der beruflichen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf erteilt werden kann, „wenn die nach den Regelungen des Bundes oder der Länder für die berufliche Anerkennung zuständige Stelle die Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung festgestellt hat und 1. die betreffenden Personen von der Bundesagentur für Arbeit auf Grund einer Absprache mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes über das Verfahren, die Auswahl und die Vermittlung vermittelt worden sind oder 2. die Bundesagentur für Arbeit für den entsprechenden Beruf oder die entsprechende Berufsgruppe differenziert nach regionalen Besonderheiten festgestellt hat, dass die Besetzung der offenen Stellen mit ausländischen Bewerbern arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar ist.“5 Vermittlungsabsprachen gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BeschV gibt es im Rahmen des Projekts „Triple Win“ für Pflegefachkräfte aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Philippinen und Tunesien.6 Ferner ermöglicht die Aufnahme zahlreicher Pflegeberufe in die sog. Positivliste nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BeschV die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, soweit die übrigen Voraussetzungen 4 Siehe aber zu den Ausnahmen, z.B. bei aus vorwiegend aus religiösen Gründen Beschäftigten oder zur Dienstleistungserbringung vorübergehend entsandten Beschäftigten, § 17 Abs. 2 AufenthVO i.V.m. § 30 Nr. 2 und 3, § 14, § 21 Beschäftigungsverordnung. 5 Abweichend von diesen Vorgaben kann die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 26 Abs. 1 BeschV die Zustimmung für jede Beschäftigung erteilen, wenn es um Staatsangehörige folgender Staaten geht: Andorra, Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Monaco, Neuseeland, San Marino und USA. Gleiches gilt gemäß § 26 Abs. 2 BeschV in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. 6 Siehe dazu die Informationen der Bundesagentur für Arbeit unter https://www.triple-win-pflegekraefte.de/. Zur Vermittlung chinesischer Arbeitskräfte vgl. BT-Drs. 19/2455, 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 291/18 Seite 5 für die Zustimmungserteilung vorliegen (Anerkennung der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation nach § 6 Abs. 2 BeschV und keine Beschäftigung zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Darüber hinaus ist nach § 18 Abs. 5 AufenthG das Erfordernis eines konkreten Arbeitsplatzangebots sowie einer ggf. notwendigen Berufsausübungserlaubnis zu beachten. Auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 4 S. 1 AufenthG besteht kein Anspruch. Vielmehr findet eine Ermessensprüfung statt.7 Ergibt die Gleichwertigkeitsprüfung nach § 6 Abs. 2 BeschV noch Weiterbildungs- oder Praxisbedarf , kommt die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 17a AufenthG in Betracht. Danach kann einem Ausländer zum Zweck der Anerkennung seiner im Ausland erworbenen Berufsqualifikation eine Aufenthaltserlaubnis für die Durchführung einer Bildungsmaßnahme und einer sich daran anschließenden Prüfung für die Dauer von bis zu 18 Monaten erteilt werden. 3. Erleichterungen bei der Visaerteilung für drittstaatsangehörige Pflegekräfte Die o.g. Erteilungsvoraussetzungen für drittstaatsangehörige Pflegekräfte wurden in der laufenden Wahlperiode noch nicht geändert. In dem Entwurf des Gesetzes zur Stärkung des Pflegpersonals der Bundesregierung wird auf die „zu entwickelnden Maßnahmen der ‚Konzertierten Aktion Pflege‘“ hingewiesen, zu denen u.a. die „Anwerbung ausländischer Pflegekräfte“ gehört.8 Der Gesetzentwurf selbst enthält hierzu allerdings keine konkreten Maßnahmen. Die Bundesregierung geht in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema „Ausländische Pflegekräfte in Deutschland“ vom 4. Juni 2018 davon aus, dass der „ganz überwiegende Teil des Fachkräftebedarfs (…) durch inländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gedeckt “ werden kann.9 Die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland könne eine ergänzende Maßnahme sein. Dabei könne das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz insbesondere von Pflegekräften aus dem Ausland von Bedeutung sein, da die Erwerbsmigration mit diesem Gesetz vereinfacht und beschleunigt werden soll.10 Vor dem Hintergrund der Debatte um die Zurückweisung bestimmter Gruppen von Asylsuchenden haben die Koalitionsparteien in ihrem Beschluss vom 5. Juli 2018 vereinbart, dass der Entwurf für 7 Siehe hierzu Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: Mai 2017), Rn. 37 zu § 18 AufenthG, mit Hinweis auf die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigenden einwanderungs- und integrationspolitischen Gesichtspunkte. 8 Siehe den am 1. August 2018 von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – PpSG), abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/sofortprogramm-pflege.html#c13144. 9 BT-Drs. 19/2455, 2. 10 BT-Drs. 19/2455, 2, 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 291/18 Seite 6 ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz noch in diesem Jahr vom Bundeskabinett in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden soll.11 Laut Presseberichten plant die Bundesregierung, Drittstaatsangehörigen mit qualifizierter Berufsausbildung den Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche zu ermöglichen. Auch soll das Verfahren zwischen Visumstellen, Ausländerbehörden, Arbeitsverwaltung und BAMF effizienter und transparenter ausgestaltet werden.12 *** 11 Koalitionsausschuss 4. Juli 2018, Ordnung und Steuerung in der Migrationspolitik, abrufbar unter: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsausschuss-180705_0.pdf?file=1&type=field_collection _item&id=15483. 12 Siehe nur Koch/Specht, Der Durchbruch, Handelsblatt vom 17.08.2018, S. 6.