AUSARBEITUNG Thema: Fragen zu heimlich durchgeführten Vaterschaftstests - 2., erweiterte Fassung - Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 21. November 2005 Reg.-Nr.: WF III G - 290/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Vorbemerkung 4 2. Zusammenfassung 4 3. Frage 1: Welche verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte des Kindes, der Mutter und des Vaters werden durch heimlich durchgeführte Vaterschaftstests berührt und wie verhalten diese sich zueinander? 6 3.1. Zivilrechtliches Ausgangsproblem: heimlicher Vaterschaftstest im Rahmen der Anfechtung der Vaterschaft 6 3.2. Durchführung des heimlichen Vaterschaftstests 7 3.2.1. Rechte des Kindes 7 3.2.2. Rechte der Mutter 8 3.2.3. Rechte des Vaters 8 3.2.4. Verhältnis der Rechte zueinander 8 3.3. Verwertung der Ergebnisse des heimlichen Vaterschaftstests im Rahmen der Vaterschaftsanfechtungsklage 9 3.3.1. Rechte des Kindes 9 3.3.2. Rechte der Mutter 10 3.3.3. Rechte des leiblichen Vaters 11 3.3.4. Rechte des gesetzlichen Vaters 11 3.3.5. Verhältnis der Rechte zueinander 12 3.3.5.1. Abwägung der Rechte des Kindes gegenüber denen des Vaters 12 3.3.5.2. Abwägung der Rechte der Mutter gegenüber denen des Vaters 13 3.4. Bedeutung der Urteile des BGH vom 12. Januar 2005 für die Praxis der Vaterschaftsanfechtungsklagen 14 4. Frage 2: Inwieweit werden international anerkannte „Grundrechte“ durch heimlich durchgeführte Vaterschaftstests berührt bzw. verletzt, und welcher Handlungsspielraum besteht diesbezüglich für den deutschen Gesetzgeber? 14 4.1. Die UN-Kinderrechtskonvention 15 - 3 - 4.2. Erklärungen der UNESCO zum menschlichen Genom sowie zum Schutz genetischer Daten 16 4.2.1. Die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der UNESCO 16 4.2.2. Die Internationale Erklärung zum Schutz genetischer Daten der UNESCO 17 4.2.3. Bindungswirkung der UNESCO-Erklärungen für den deutschen Gesetzgeber 18 4.2.3.1. Völkerrechtliche Verbindlichkeit von UNESCO-Erklärungen 18 4.2.3.2. Bindungswirkung von UNESCO-Erklärungen für den deutschen Gesetzgeber 18 4.3. Die Europäische Menschenrechtskonvention 19 4.4. Die Europäische Verfassung 21 5. Frage 3: Welche Verbindlichkeit haben die „Richtlinien für Abstammungsuntersuchungen“ des Robert-Koch-Instituts, und welche Auswirkungen haben Verstöße gegen diese Richtlinien? 22 6. Frage 4: Welche rechtliche Beurteilung finden heimlich durchgeführte Vaterschaftstests durch datenschutzrechtliche Regelungen? 24 7. Frage 5: Welche Auswirkungen hat die Durchführung heimlicher Vaterschaftstests auf die Gewerbeerlaubnis der diese Tests durchführenden Labors? 25 8. Frage 6: Welche gesetzgeberischen und verfassungsmäßigen Handlungsrahmen hat der Bundesgesetzgeber bezüglich Regelungen, die heimlich durchgeführte Vaterschaftstests betreffen, und welche verfassungsrechtlichen Schranken muss der Gesetzgeber beachten? 26 Literaturverzeichnis 27 - 4 - 1. Vorbemerkung Gegenstand der Ausarbeitung sind sechs Fragen zur Thematik der heimlichen Vaterschaftstests . In einer vorläufigen Fassung wurden vorab die Fragen 1 und 4 bis 6 beantwortet . Die Auskünfte zu den weitergehenden Fragen 2 (internationale Bestimmungen) und 3 („Richtlinien für Abstammungsuntersuchungen“ des Robert-Koch-Instituts) werden mit dieser erweiterten Fassung nachgereicht. 2. Zusammenfassung Durch heimlich durchgeführte Vaterschaftstests können folgende Grundrechte des Kindes berührt sein: Das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Recht am eigenen Bild als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Interesse des Kindes am Erhalt des bestehenden Familienverbandes (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG). Daneben besteht allerdings auch ein Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Als Grundrechte der Mutter können betroffen sein: Das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Recht auf Wahrung ihrer Privat- und Intimsphäre als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das elterliche Sorgerecht als Teil des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Interesse am Erhalt des bestehenden Familienverbandes, Art. 6 Abs. 1 GG. - 5 - Folgende Grundrechte des leiblichen Vaters könnten berührt werden: Das Interesse, die rechtliche Position als tatsächlicher Vater des Kindes einzunehmen , Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft. Folgende Grundrechte des rechtlichen Vaters können betroffen sein: Das bislang tatsächlich ausgeübte Elternrecht (Erziehung, Pflege, Umgang) aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Interesse am Erhalt des bestehenden Familienverbandes, Art. 6 Abs. 1 GG. Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft. Die betroffenen Grundrechte stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Ein Vorrang der Grundrechte des Vaters, der einen Eingriff durch die Verwendung eines heimlichen Vaterschaftstests in die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen von Kind und Mutter rechtfertigen würde, ist nicht gegeben. Es steht dem Bundesgesetzgeber grundsätzlich frei, im Rahmen seiner Kompetenzen Regelungen hinsichtlich heimlicher Vaterschaftstests zu treffen. Der Gesetzgeber muss bei seinem Tätigwerden insbesondere die betroffenen Grundrechte sowie deren Schranken beachten. Heimliche Vaterschaftstests berühren nicht nur die genannten Grundrechte des Grundgesetzes , sondern auch international anerkannte Rechte der Betroffenen. Entsprechende Regelungen beinhalten die UN-Kinderrechtskonvention, die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der UNESCO, die Internationale Erklärung zum Schutz genetischer Daten der UNESCO, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische Verfassung. Die „Richtlinien für Abstammungsgutachten“ enthalten im Wesentlichen nur Handlungsempfehlungen für medizinische Gutachten. Verstöße gegen diese Richtlinien durch heimliche Vaterschaftstests werden dort rechtlich nicht sanktioniert. - 6 - Datenschutzrechtlich ist das Handeln des den heimlichen Vaterschaftstest in Auftrag gebenden Mannes nicht relevant, da er als Privatperson tätig wird. Demgegenüber können das den heimlichen Vaterschaftstest durchführende Labor bzw. dessen Mitarbeiter ordnungswidrig im Sinne von § 43 Abs. 2 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) handeln und sich überdies gemäß § 44 Abs. 1 BDSG strafbar machen. Gewerberechtlich kann die zuständige Behörde dem Labor die Ausübung des Gewerbes unter bestimmten Umständen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung ganz oder teilweise untersagen. 3. Frage 1: Welche verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte des Kindes, der Mutter und des Vaters werden durch heimlich durchgeführte Vaterschaftstests berührt und wie verhalten diese sich zueinander ? 3.1. Zivilrechtliches Ausgangsproblem: heimlicher Vaterschaftstest im Rahmen der Anfechtung der Vaterschaft Wenn der rechtliche Vater eines Kindes Zweifel an seiner biologischen Vaterschaft hat, steht ihm nach §§ 1599 ff. Bürgerliches Gesetzbuch1 (BGB) die Anfechtung der Vaterschaft offen. Allerdings wird nach § 1600c BGB in dem Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft vermutet, dass das Kind von dem Mann abstammt, dessen Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2 sowie 1593 BGB besteht. Für die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage ist daher erforderlich, dass ein ausreichender Anfangsverdacht vorgetragen wird, das Kind stamme nicht vom rechtlichen Vater. Hierbei müssen zur Schlüssigkeit der Klage Tatsachen vorgetragen werden, die bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Möglichkeit, dass das Kind vom Kläger abstammt, als nicht ganz fern liegend erscheinen lassen. Um einen entsprechenden Nachweis führen zu können, holen einige Väter DNA- Gutachten mit Analysen von Genmaterial des Kindes ein, das sie zuvor heimlich besorgt haben. 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 1 Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970). - 7 - Der Bundesgerichtshofs (BGH) hat in zwei Entscheidungen vom 12. Januar 2005 die zuvor uneinheitliche Rechtsprechung zu dieser Problematik geklärt, indem er feststellte, dass „die Untersuchung des genetischen Materials eines anderen Menschen ohne dessen ausdrückliche Zustimmung gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt und rechtswidrig ist“.2 Eine so gewonnene DNA-Analyse darf folglich im gerichtlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters verwertet werden. 3.2. Durchführung des heimlichen Vaterschaftstests Bei der Prüfung ist zwischen der Durchführung des heimlichen Vaterschaftstests und der späteren Verwertung des eingeholten Gutachtens im Rahmen der Vaterschaftsanfechtungsklage zu differenzieren. Zunächst wird untersucht, welche Grundrechte durch die Einholung des Vaterschaftstests betroffen werden. 3.2.1. Rechte des Kindes Für die Durchführung eines Vaterschaftstests wird Körpermaterial des betroffenen Kindes benötigt. Bei der Untersuchung werden im Rahmen einer DNA-Analyse genetische Daten des Kindes erhoben, die im Vergleich mit denen des (Schein-) Vaters eine Aussage über die Verwandtschaft der beiden Personen zulassen.3 Damit berühren heimlich durchgeführte Vaterschaftstests vor allem das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG enthaltene allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung.4 Dieses gewährt jedem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, ob und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte bzw. Daten offenbart und verwendet werden.5 2 Urteil des BGH vom 12.01.2005, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, S. 497, 498; weiteres Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 3 Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Jena vom 06.03.2003, Familie Partnerschaft Recht (FPR) 2003, S. 374, 375. 4 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 498; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 5 Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 29.10.2003, NJW 2004, S. 449, 450; Urteil des OLG Jena vom 06.03.2003, FPR 2003, S. 374, 375. - 8 - Darüber hinaus ist auch das Recht am eigenen Bild Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Bei dem Bandenmuster des so genannten genetischen Fingerabdrucks handelt es sich um eine molekulargenetische Abbildung einer Person. Diese ist ein individuelles Kennzeichen, mit dessen Hilfe sich die Identität einer Person nachweisen lässt.6 3.2.2. Rechte der Mutter Die Mutter nimmt bei heimlich durchgeführten Vaterschaftstests häufig das alleinige Sorgerecht des minderjährigen Kindes wahr. In diesem Fall kommt es für den Test auf ihre Einwilligung an. Wird diese durch einen heimlichen Vaterschaftstest umgangen, so ist insbesondere auch das elterliche Sorgerecht als Teil des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen. 3.2.3. Rechte des Vaters Der Vater hat ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitetes Recht auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft.7 3.2.4. Verhältnis der Rechte zueinander Die im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Grundrechte stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander.8 Eine Grundrechtsnorm gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern unterliegt gewissen Schranken.9 Ein Grundrecht findet grundsätzlich dort seine Schranken, wo die Grundrechtsausübung in Grundrechte anderer eingreift und dieser Eingriff schwerer wiegt als die Versagung des Grundrechtsschutzes auf der Seite des Betroffenen. Daher ist bei Grundrechtskollisionen eine Güterabwägung vorzunehmen.10 Dabei ist darauf zu achten, dass im Wege der so genannten praktischen Konkordanz ein 6 Reichelt, FamRZ 1991, S. 1265, 1266. 7 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 499; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 8 Zuck, ZRP 2005, S. 117. 9 BVerfGE 30, S. 173, 193. 10 BVerfGE 33, S. 52, 71. - 9 - ausgewogener Grundrechtsausgleich hergestellt wird und – soweit möglich – eine angemessene Geltungskraft aller betroffenen Grundrechte erzielt wird. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH greift bereits jede Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes ein. Diesem Recht steht das ebenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitende Recht des Vaters oder Scheinvaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft gegenüber. Nach Auffassung des BGH ist das Grundrecht des Vaters jedoch in keinem Fall als höherwertig anzusehen, so dass der Eingriff in die Rechte des Kindes nicht gerechtfertigt ist.11 Entsprechendes gilt für das Grundrecht der Mutter als alleiniger gesetzlicher Vertreterin, wenn ihre Einwilligung nicht vorliegt. Allerdings findet sich in der Literatur auch eine Auffassung, die dem Recht des Vaters auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft Vorrang vor dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes gibt.12 Der abweichenden Meinung ist zumindest zuzugestehen, dass das Recht des Vaters auf Kenntnis dann als höherwertig eingestuft werden könnte, wenn es ihm allein darum geht, sich selbst Gewissheit zu verschaffen. Das Recht des Vaters auf Kenntnis legitimiert jedoch nicht die Weitergabe der gewonnenen Informationen an Dritte. In einem solchen Fall ist das Grundrecht des Kindes als zumindest gleichwertig anzusehen, so dass die Nutzung des Vaterschaftstests ohne Einwilligung des Kindes bzw. der Sorgeberechtigten rechtswidrig ist. 3.3. Verwertung der Ergebnisse des heimlichen Vaterschaftstests im Rahmen der Vaterschaftsanfechtungsklage 3.3.1. Rechte des Kindes Die Verwendung des heimlich durchgeführten Vaterschaftstests im Rahmen der Vaterschaftsanfechtungsklage berührt das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung13 und das Recht am 11 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 498; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 12 Staudinger-Rauscher, BGB, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 116. 13 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 498; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. - 10 - eigenen Bild als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.14 Zudem besteht ein Interesse des Kindes am Erhalt des bestehenden Familienverbandes, mit dem das aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG fließende Recht korrespondiert, ungestört in den gewohnten sozialen Bindungen einer Familiengemeinschaft aufwachsen zu können .15 Dieses Recht erstreckt seinen Schutz mithin „auf die soziale Familie als dauerhafte Verantwortungsgemeinschaft von Eltern und Kindern“.16 Zwar kommt dem Kind als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu17, doch ist insoweit immer die Einwilligung des Kindes zu berücksichtigen.18 Besteht seitens des Kindes ein Interesse daran, seinen leiblichen Vater nicht nur zu kennen, sondern ihn auch als rechtlichen Vater zugeordnet zu bekommen, so kann es dies mit seinem eigenen Anfechtungsrecht durchsetzen.19 Das Kind kann jedoch auch ein Interesse daran haben, die eigene Abstammung gerade nicht zu kennen. Daher bleibt die Entscheidung darüber, ob das Kind dieses Recht wahrnehmen möchte, allein ihm bzw. seinen gesetzlichen Vertretern überlassen.20 Denn das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung schließt das Recht auf Nichtwissen als Ausfluss des negativen informellen Selbstbestimmungsrechts ein.21 3.3.2. Rechte der Mutter Der Mutter steht ebenfalls das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu. Darüber hinaus hat sie ein Recht auf Wahrung ihrer Privat- und Intimsphäre als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.22 14 Reichelt, FamRZ 1991, S. 1265, 1266. 15 Urteil des OLG Jena vom 06.03.2003, FPR 2003, S. 374, 376. 16 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2154. 17 Urteil des BVerfG vom 31.01.1989, NJW 1989, S. 891, 892. 18 Krause/Martin/Hesse, DAVorm 2000, S. 817, 818. 19 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2154. 20 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 498. 21 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 498; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167; Urteil des OLG Celle vom 29.10.2003, NJW 2004, S. 449, 450. 22 Beschluss des BVerfG vom 06.05.1997, NJW 1997, S. 1769. - 11 - Ferner kann das elterliche Sorgerecht der Mutter als Teil des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen sein. Voraussetzung ist, dass sie das alleinige Sorgerecht des minderjährigen Kindes wahrnimmt und ihre Einwilligung zum Vaterschaftstest nicht erteilt hat. Schließlich hat auch die Mutter ein Interesse am Erhalt des bestehenden Familienverbandes , Art. 6 Abs. 1 GG. Insbesondere kann es ihr nicht zugemutet werden, ihr Elternrecht gegen ihren Willen abweichend vom bestehenden sozialen Familienverband mit dem rechtlichen Vater nunmehr mit einem Mann teilen zu müssen, mit dem sie in keinerlei Beziehung mehr steht.23 3.3.3. Rechte des leiblichen Vaters Die Stellung als leiblicher Vater macht diesen nicht per se zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Doch schützt ihn dieses Grundrecht in seinem Interesse, die rechtliche Position als Vater des Kindes einzunehmen.24 Dies folgt vor allem aus dem „natürlichen Recht der Eltern“ und daraus, dass die Menschen, die einem Kind das Leben schenken, grundsätzlich von Natur aus dazu berufen sind, die Verantwortung für die Pflege und Erziehung dieses Kindes zu übernehmen.25 Auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden die leiblichen Eltern von dem Begriff „Eltern“ umfasst.26 Ferner hat der leibliche Vater ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitetes Recht auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft.27 3.3.4. Rechte des gesetzlichen Vaters Dem rechtlich anerkannten Vater eines Kindes, der für dieses Elternverantwortung übernimmt, steht ebenso wie der Mutter das Elternrecht (Erziehung, Pflege, Umgang) aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu.28 Zudem kann auch er sich auf ein Interesse am Erhalt des bestehenden Familienverbandes berufen. Die Familie als Gemeinschaft von Eltern 23 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2154. 24 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2152f. 25 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2152. 26 Beschluss des BVerfG vom 07.03.1995, NJW 1995, S. 2155, 2156. 27 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 499; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 28 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2153. - 12 - und Kindern ist insoweit von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt.29 Der Wechsel der gesetzlichen Vaterschaft hätte den Verlust der von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsstellung als Vater gegenüber dem Kind zur Folge, obwohl der rechtliche Vater bisher neben der Mutter die Verantwortung für die Entwicklung des Kindes getragen hat und unabhängig von der Feststellung der leiblichen Vaterschaft tatsächlich auch weiterhin für das Kind sorgen würde, ohne nunmehr mitentscheiden zu dürfen.30 Schließlich hat der gesetzliche – ebenso wie der leibliche – Vater grundsätzlich ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitetes Recht auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft.31 3.3.5. Verhältnis der Rechte zueinander Bezogen auf das Ausgangsproblem der Vaterschaftsanfechtungsklage ist es für die Anerkennung eines heimlichen Vaterschaftstests als ausreichendes Beweismittel erforderlich , dass die dem Vater zustehenden Grundrechte den entgegenstehenden Grundrechten der anderen Beteiligten vorgehen und daher den Einsatz dieses Mittels als gerechtfertigt erscheinen lassen. Im Verhältnis von Kind bzw. Mutter zum Vater sind dabei im Wesentlichen die nachfolgend aufgeführten Aspekte zu berücksichtigen. 3.3.5.1. Abwägung der Rechte des Kindes gegenüber denen des Vaters Bei der Abwägung der Interessen stehen sich insbesondere das Grundrecht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung und das des Vaters auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft gegenüber. Das Grundrecht des Vaters ist dabei nach der Rechtsprechung des BGH und ganz überwiegender Meinung nicht als höherwertig anzusehen.32 29 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2155. 30 Beschluss des BVerfG vom 09.04.2003, NJW 2003, S. 2151, 2154. 31 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 499; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 32 Urteil des BGH vom 12.01.2005, NJW 2005, S. 497, 498 f.; Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167; Urteil des OLG Celle vom 29.10.2003, NJW 2004, S. 449, 450; Zöller-Greger, ZPO (2005), § 286 Rn. 15b a. E.; a. A.: Staudinger-Rauscher, BGB (2004), Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 116. - 13 - Überdies verleiht das Recht auf Kenntnis der eigenen Vaterschaft noch kein Recht auf die Verschaffung solcher Kenntnis.33 Das Interesse des Vaters (oder Scheinvaters), sich Gewissheit über seine Vaterschaft zu verschaffen, kann auch dann nicht als höherrangig angesehen werden, wenn es der Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche, denen er als gesetzlicher Vater ausgesetzt ist, dienen soll.34 Ferner ergibt sich eine – verfassungsrechtlich zulässige35 – teilweise Beschränkung der Vaterschaftsrechte auch aus den gesetzlichen Regelungen zur Anfechtung der Vaterschaft in §§ 1599 ff. BGB. Dort sind die Rechte des Vaters vor dem Hintergrund des Kindeswohls eingeschränkt, wie u. a. die gesetzlich beschränkten Anfechtungsfristen in § 1600b BGB zeigen.36 Im Ergebnis rechtfertigt das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens einer Vaterschaft grundsätzlich nicht den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Wege eines heimlichen Vaterschaftstests.37 Eine ähnliche Abwägung gilt für die anderen betroffenen Grundrechte. Das Recht des Kindes am eigenen Bild (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Interesse des Kindes am Erhalt des bestehenden Familienverbandes (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG) stehen dem Elternrecht des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber. Keines dieser Rechte ist den anderen Grundrechten vorrangig, so dass der für die Zulässigkeit eines heimlichen Vaterschaftstests notwendige Vorrang des Grundrechts des Vaters nicht gegeben ist. 3.3.5.2. Abwägung der Rechte der Mutter gegenüber denen des Vaters Hinsichtlich des Rechts der Mutter auf informationelle Selbstbestimmung und auf Wahrung ihrer Privat- und Intimsphäre (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) gilt das zuvor Gesagte entsprechend. Auch hier ist von einer Gleichwertigkeit auszugehen, die grundsätzlich den Eingriff in die Grundrechte der Mutter durch einen heimlichen Vaterschaftstest nicht zu rechtfertigen vermag. 33 BGHZ 156, 153 (164 f.). 34 Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. 35 Rittner/Rittner, NJW 2005, S. 945, 947. 36 Rittner/Rittner, NJW 2005, S. 945, 947. 37 Urteil des BGH vom 12.01.2005 – XII ZR 60/03, BeckRS 2005, 01167. - 14 - Dem elterlichen Sorgerecht der Mutter als Teil des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und ihrem – möglichen – Interesse am Erhalt des bestehenden Familienverbandes (Art. 6 Abs. 1 GG) steht der Anspruch des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber, die rechtliche Position als Vater des Kindes einzunehmen. Auch hier überwiegt das Recht des leiblichen Vaters jedenfalls nicht die Rechte der Mutter. Im Ergebnis erscheint die Nutzung der Ergebnisse eines heimlichen Vaterschaftstests im Vaterschaftsanfechtungsverfahren auch im Hinblick auf die Rechte der Mutter verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. 3.4. Bedeutung der Urteile des BGH vom 12. Januar 2005 für die Praxis der Vaterschaftsanfechtungsklagen Aufgrund der nunmehr eindeutigen Klarstellung der Nichtverwertbarkeit von heimlichen Vaterschaftstests im Rahmen von Vaterschaftsanfechtungsklagen durch den BGH ist davon auszugehen, dass solche Tests in den Anfechtungsverfahren zukünftig keine Bedeutung mehr haben werden. 4. Frage 2: Inwieweit werden international anerkannte „Grundrechte“ durch heimlich durchgeführte Vaterschaftstests berührt bzw. verletzt, und welcher Handlungsspielraum besteht diesbezüglich für den deutschen Gesetzgeber? Es gibt mehrere internationale Normen, die gleichfalls dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dienen und die Untersuchung von genetischen Daten grundsätzlich von der Zustimmung der Betroffenen abhängig machen. Darüber hinaus ist auch der Schutz der Familie mehrfach Gegenstand von internationalen und europäischen Bestimmungen. Im Vordergrund stehen dabei die Rechte des Kindes, die zuvorderst durch die Familie und die (erziehungsberechtigten) Eltern garantiert werden.38 38 Maunz/Düring-Badura, GG, Art. 6 Rn. 103. - 15 - 4.1. Die UN-Kinderrechtskonvention39 Die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 setzt voraus, dass die Familie eine Grundeinheit der Gesellschaft ist und zugleich die natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder, bildet. Daher sollte ihr der erforderliche Schutz gewährt werden, damit sie ihre Aufgaben innerhalb der Gemeinschaft umfassend erfüllen kann.40 In Art. 8 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention verpflichteten sich die Vertragsstaaten daher, „… das Recht des Kindes zu achten, seine Identität, einschließlich seiner Staatsangehörigkeit , seines Namens und seiner gesetzlich anerkannten Familienbeziehungen , ohne rechtswidrige Eingriffe zu behalten.“ Werden einem Kind dennoch widerrechtlich einige oder alle Bestandteile seiner Identität genommen, so gewähren ihm die Vertragsstaaten gemäß Art. 8 Abs. 2 der UN- Kinderrechtskonvention „… angemessenen Beistand und Schutz mit dem Ziel, seine Identität so schnell wie möglich wiederherzustellen.“ Zudem bestimmt Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention: „(1) Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben , seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. (2) Das Kind hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen .“ In der Bundesrepublik Deutschland ist die UN-Kinderrechtskonvention nach Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vom 17. Februar 199241 am 5. April 1992 in Kraft getreten.42 Deutschland hat dazu bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erklärt, dass das Übereinkommen innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung fände, es aber eine völkerrechtliche Staatenverpflichtung begründe, „die die Bundesrepublik Deutschland nach näherer Bestimmung ihres mit dem Übereinkommen übereinstimmenden innerstaatli- 39 „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“, BGBl. II 1992, S. 122-144. 40 Maunz/Düring-Badura, GG, Art. 6 Rn. 106. 41 BGBl. 1992 II, S. 121. 42 BGBl. 1992 II, S. 990. - 16 - chen Rechts erfüllt.“43 Daraus ergibt sich zugleich der Handlungsspielraum für den deutschen Gesetzgeber. 4.2. Erklärungen der UNESCO zum menschlichen Genom sowie zum Schutz genetischer Daten 4.2.1. Die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der UNESCO44 Art. 5 lit. a) der Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte vom 11. November 1997 (im Folgenden: Allgemeine Erklärung Genom) statuiert, dass Forschung, Behandlung und Diagnose, die das Genom einen Menschen betreffen, „nur nach vorheriger strenger Abwägung des damit verbundenen möglichen Risikos und Nutzens und im Einklang mit allen sonstigen Anforderungen innerstaatlichen Rechts durchgeführt werden“ dürfen. Nach Art. 5 lit. b) der Allgemeinen Erklärung Genom muss überdies in allen Fällen „die vorherige, aus freien Stücken nach fachgerechter Aufklärung erteilte Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden. Ist sie nicht in der Lage, ihre Einwilligung zu erteilen, so sind die Zustimmung oder Ermächtigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise einzuholen, geleitet von dem Bestreben, zum Besten der Person zu handeln.“ Im Hinblick auf die das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes verletzenden heimlichen Vaterschaftstests ist dabei vor allem auch Art. 5 lit. c) der Allgemeinen Erklärung Genom zu beachten, wonach das „Recht jedes einzelnen, darüber zu entscheiden, ob er von den Ergebnissen der genetischen Untersuchung und den sich daraus ergebenden Folgen unterrichtet werden will“, geachtet werden soll. 43 BGBl. 1992 II, S. 990. 44 Quelle: http://www.unesco.de/c_bibliothek/dek_genom.htm („Universal Declaration on the Human Genom and Human Rights”, http://portal.unesco.org/en/ev.php- URL_ID=13177&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html), Stand: 03.11.2005. - 17 - Im Übrigen sind nach Art. 7 der Allgemeinen Erklärung Genom „genetische Daten, die einer bestimmten Person zugeordnet werden können und zu Forschungs- oder anderen Zwecken gespeichert oder verarbeitet werden, […] im Einklang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen vertraulich zu behandeln .“ Das Erfordernis der freien und aufgeklärten Zustimmung würde folglich durch einen heimlich durchgeführten Vaterschaftstest umgangen. 4.2.2. Die Internationale Erklärung zum Schutz genetischer Daten der UNESCO45 Artikel 8 der Internationalen Erklärung zum Schutz genetischer Daten vom 16. Oktober 2003 normiert: „(a) Für die Sammlung von genetischen oder proteomischen Daten oder biologischen Proben durch invasive oder nicht invasive Verfahren sowie deren anschließende Verarbeitung, Nutzung und Speicherung bzw. Lagerung durch öffentliche oder private Einrichtungen muss die vorherige, freie, informierte und ausdrückliche Einwilligung eingeholt werden, ohne dass hierzu ein Anreiz durch finanzielle oder anderweitige persönliche Vorteile gegeben wird. Dieser Grundsatz der Einwilligung darf nur bei Vorliegen eines zwingenden Grundes durch entsprechende nationale, im Einklang mit dem Völkerrecht oder den internationalen Menschenrechtsnormen stehende Gesetze eingeschränkt werden. (b) Sofern Personen nach nationalem Recht nicht zur Abgabe einer informierten Einwilligung in der Lage sind, muss von deren gesetzlichen Vertretern gemäß nationalem Recht eine entsprechende Bevollmächtigung eingeholt werden. Die gesetzlichen Vertreter müssen dabei die Interessen der betreffenden Person berücksichtigen . (c) Erwachsene Personen, die nicht zur Erteilung der Einwilligung in der Lage sind, müssen so weit wie möglich am Bevollmächtigungsverfahren beteiligt werden. Die Auffassung von Minderjährigen muss je nach Alter und Reifegrad des Betreffenden in zunehmendem Maße als bestimmender Faktor berücksichtigt werden. (d) In Bezug auf Diagnose und Gesundheitsvorsorge ist die Durchführung von Gentests bei Minderjährigen und Erwachsenen, die nicht zur Erteilung der Einwilligung in der Lage sind, in der Regel nur dann ethisch zulässig, wenn dies eine erhebliche Bedeutung für die Gesundheit der Person hat und in deren Interesse liegt.“46 45 „International Declaration on Human Genetic Data“, Quelle: http://portal.unesco.org/shs/en/file_download.php/6016a4bea4c293a23e913de638045ea9Declaration _en.pdf, Stand: 03.11.2005. 46 Der deutsche Text ist keine amtliche Fassung, sondern eine interne Übersetzung des Sprachendienstes der Bundestagsverwaltung. - 18 - Hiernach ist das Erfordernis einer freien, informierten Zustimmung des Betroffenen ebenfalls ein grundlegendes Prinzip für den Umgang mit genetischen Daten.47 Ein heimlich durchgeführter Vaterschaftstest verstößt gegen diese Regelungen. 4.2.3. Bindungswirkung der UNESCO-Erklärungen für den deutschen Gesetzgeber 48 4.2.3.1. Völkerrechtliche Verbindlichkeit von UNESCO-Erklärungen Erklärungen der UNESCO (wie z. B. die Allgemeine Erklärung zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten oder die Erklärung zum Schutz genetischer Daten ), die mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden, sind völkerrechtlich nicht verbindlich .49 Von ihnen geht „lediglich eine politische Bindungswirkung“ aus.50 Trotzdem setzen solche Deklarationen internationale Standards, da die Mitgliedstaaten zumindest politisch verpflichtet sind, regelmäßig über die Verwirklichung der Erklärungen zu berichten.51 Zudem können sie auch als Anregung für rechtlich bindende Übereinkommen fungieren.52 So formulieren auch die Deklaration zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten sowie die Erklärung zum Schutz genetischer Daten weltweit einheitliche Grundsätze, an denen sich der Gesetzgeber der jeweiligen Mitgliedstaaten orientieren kann.53 4.2.3.2. Bindungswirkung von UNESCO-Erklärungen für den deutschen Gesetzgeber Die Frage, ob sich aus entsprechenden nationalen Vorschriften trotzdem eine Bindungswirkung für den deutschen Gesetzgeber ergibt, ist zu verneinen. Da es sich bei den UNESCO-Erklärungen nicht um völkerrechtliche Verträge handelt, kommt die Sonderregelung des Art. 59 Abs. 2 GG für die innerstaatliche Geltung völkerrechtlicher Verträge nicht zur Anwendung. 47 S. http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/vn/technologie/gentechnologie/rot_html, Stand: 03.11.2005. 48 Der Abschnitt 4.2.3 ist ein Beitrag des Fachbereichs WF II G und wurde verfasst von 49 www.unesco.de/c_organisation/arbeitsweise.htm, Stand: 03.11.2005. 50 Zwischenbericht der Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, BT-Drs. 14/7546 vom 21.11.2001, S. 21. 51 www.unesco.de/c_organisation/arbeitsweise.htm, Stand: 03.11.2005. 52 BT-Drs. 14/7546 vom 21.11.2001, S. 21. 53 http://www.unesco.de/c_arbeitsweise/bioethik.htm, Stand: 03.11.2005. - 19 - Gemäß Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts . Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für Bewohner des Bundesgebietes. Unter den Begriff der allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind das die Bundesrepublik bindende allgemeine Völkergewohnheitsrecht sowie die sie bindenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze im Sinne von Art. 38 lit. b und c des Statuts des Internationalen Gerichtshofes der Vereinten Nationen zu subsumieren, nicht hingegen das Völkervertragsrecht.54 Erklärungen von Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (wie z. B. der UNESCO) können zwar unter Umständen zur Bildung und Fortentwicklung des Völkergewohnheitsrechts beitragen, unmittelbar vermögen diese Deklarationen aber selbst bei einem entsprechenden Rechtsbindungswillen der Mitgliedstaaten kein Völkerrecht zu erzeugen.55 Da die Erklärungen mithin keine Völkerrechtsquellen darstellen, sind sie auch nicht als allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG anzusehen. 4.3. Die Europäische Menschenrechtskonvention56 Nach Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vom 4.°November 1950 hat jede Person „das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“ Wesentlicher Teil dieses Rechts auf Schutz des Privatlebens ist der Schutz persönlicher, insbesondere medizinischer Daten.57 Darüber hinaus darf eine Behörde in die Ausübung dieses Rechts gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur eingreifen, „soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“ 54 V. Münch- Rojahn, GG, Art. 25 Rn. 6. 55 Maunz/Dürig- Herdegen, GG, Art. 25 Rn. 18. 56 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950, BGBl. II, S.°686-700. 57 Meyer, Charta der Grundrechte der EU, Art. 8 Rn. 19; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 8 Rn. 11. - 20 - Mit diesem Vorbehalt sind ausdrückliche Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Eingriffs in das von Art. 8 EMRK geschützte Menschenrecht festgelegt. Daraus folgt, dass in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur eingegriffen werden darf, sofern eine Ausnahme im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK vorliegt .58 Bei der EMRK und ihren Zusatzprotokollen handelt es sich um völkerrechtliche Verträge , die es ihren Vertragsparteien überlassen, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung dieser Vertragsvorschriften genügen.59 In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Konvention mittels eines förmlichen Gesetzes im Sinne von Art. 59 Abs. 2 GG in deutsches Recht transformiert.60 Gemäß der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953 ist die Konvention infolgedessen am 3. September 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten.61 Damit kommt der EMRK und ihren Zusatzprotokollen – soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind – der Rang von einfachen Bundesgesetzen zu.62 Folglich ist die EMRK bei der Interpretation des nationalen Rechts, insbesondere auch der Grundrechte und rechtsstaatlichen Garantien zu berücksichtigen.63 Aus diesem Grund muss der deutsche Gesetzgeber diesbezüglich nicht weitergehend tätig werden. Allerdings steht es ihm frei, über die Anforderungen des Art. 8 EMRK hinausgehende nationale Regelungen zu treffen. Des Weiteren ist auch die Auswirkung der EMRK auf Gerichtsverfahren von besonderer Bedeutung. Die Bindungswirkung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Bindung an Gesetz und Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen.64 Da sich die Mitgliedsstaaten der Konvention in Art. 46 Abs. 1 EMRK zur Befolgung der Urteile des EGMR verpflichtet haben, sind auch die deutschen Gerichte an die ergangenen Entscheidungen gebunden. Mangels kassatorischer Wirkung – der EGMR hebt die Urteile deutscher Gerichte nicht auf, sondern stellt lediglich einen Verstoß 58 Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 8 Rn. 2. 59 Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004, NJW 2004, S. 3407, 3408; Geiger, GG und Völkerrecht, S.°405. 60 Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 07.08.1952, BGBl. II, S. 685. 61 Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 15.12.1953, BGBl. II, S. 14; Bekanntmachung der Neufassung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 17.05.2002, BGBl. II, S. 1054. 62 Ehlers, Europäische Grundrechte, S. 27. 63 Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004, NJW 2004, S. 3407, 3408. 64 Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004, NJW 2004, S. 3407, 3408. - 21 - gegen die EMRK fest – ist insoweit eine Umsetzung der EGMR-Urteile auf der Grundlage des nationalen Rechts erforderlich65, d. h. die Gerichte müssen dem Urteil des EGMR ohne materiellen Gesetzesverstoß Rechnung tragen können.66 Die Gerichte haben sich dabei vor allem damit auseinanderzusetzen, wie betroffene Grundrechte in einer Art und Weise ausgelegt werden können, die den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland entspricht.67 Die Urteile des EGMR dienen insoweit auch als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes.68 Im Ergebnis haben demnach deutsche Gerichte bei der Bewertung heimlich durchgeführter Vaterschaftstests sowohl die Vorschriften der EMRK als auch die dazu vom EGMR ergangenen Urteile zu beachten. Anderenfalls verletzt die Anerkennung eines heimlich durchgeführten Vaterschaftstests sowohl das betroffene Kind als auch dessen Mutter in dem Recht auf Achtung ihres Privatlebens aus Art. 8 Abs. 1 Alt. 1 EMRK. 4.4. Die Europäische Verfassung69 Nach Art. II-67 der noch nicht in Kraft getretenen Europäischen Verfassung vom 29. Oktober 2004 (entspricht Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18. Dezember 200070) hat jede Person „das Recht auf Achtung ihres Privat und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“ Art. II-68 Abs. 1 der Europäischen Verfassung (entspricht Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) statuiert darüber hinaus das Recht jeder Person „auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.“ Nach Art. II-68 Abs. 2 Satz 1 der Europäischen Verfassung dürfen diese Daten „nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden.“ 65 Brückner, FPR 2005, S. 200. 66 Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004, NJW 2004, S. 3407, 3408. 67 Beschluss des BVerfG vom 28.12.2004, NJW 2005, S. 1105, 1107. 68 Ehlers, Europäische Grundrechte, 28. 69 „Vertrag über eine Verfassung für Europa“, Quelle: http://europa.eu.int/constitution/de/ptoc16_de.htm#a85 (noch nicht in Kraft, da nicht von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert und von Frankreich und den Niederlanden abgelehnt). 70 Amtsbl. EG C 364/10, Quelle: http://www.europarl.eu.int/charter/pdf/text_de.pdf - 22 - Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde der Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK nachgebildet und soll deren Bedeutung und Tragweite haben.71 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erhebt den Schutz personenbezogener Daten ausdrücklich in den Rang eines Grundrechts und weist einen engen Bezug zu Art. 7 auf.72 Der Aufnahme der nahezu unveränderten Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Teil II der Europäischen Verfassung kommt grundsätzlich besondere Bedeutung zu, da sie geeignet ist, diese moderne Normierung eines Grundrechtskatalogs rechtsverbindlich zu machen.73 Allerdings ist das Schicksal des Entwurfs der Verfassung für Europa nach seiner Ablehnung bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden offen.74 Zwar wurde die Verfassung infolgedessen nicht „für tot erklärt“, doch könnte sie aufgrund des nunmehr verlangsamten Ratifizierungsprozesses frühestens 2007 in Kraft treten.75 5. Frage 3: Welche Verbindlichkeit haben die „Richtlinien für Abstammungsuntersuchungen “ des Robert-Koch-Instituts, und welche Auswirkungen haben Verstöße gegen diese Richtlinien? Die „Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten“ der Bundesärztekammer unter Mitwirkung des Robert-Koch-Instituts vom 8. März 200276 (nachfolgend bezeichnet als Richtlinien) verfolgen das Ziel, bei der Erstellung von Abstammungsgutachten einen möglichst hohen Qualitätsstandard für die analytischen Erfordernisse unter Einbeziehung der modernen molekularbiologischen Techniken festzuschreiben.77 Ihr Zweck ist also nicht, rechtlich verbindliche Regelungen für die Durchführung bzw. Nichtdurchführung heimlicher Vaterschaftstest festschreiben zu wollen. 71 Meyer, Charta der Grundrechte der EU, Art. 7 Rn. 1. 72 Meyer, Charta der Grundrechte der EU, Art. 8 Rn. 1, 12. 73 Meyer/Hölscheidt, EuZW 2003, S. 613, 618. 74 Wuermeling, ZRP 2005, S. 149. 75 Wuermeling, ZRP 2005, S. 149. 76 Deutsches Ärzteblatt 2002, S. A 665ff. 77 Deutsches Ärzteblatt 2002, S. A 665, Einführung und Hintergrund. - 23 - Zwar wird unter Punkt 2.1. Richtlinien im Abschnitt „Das Gutachten“ unter der Überschrift „Auftraggeber und Fragestellung“ auch folgende Aussage getroffen: „… Ohne richterlichen Beschluss darf die Abstammung eines Menschen nur mit seiner Einwilligung oder bei Geschäftsunfähigkeit der seines Sorgeberechtigten untersucht und festgestellt werden.“ Diese Feststellung muss jedoch im Kontext mit den übrigen Bestimmungen der Richtlinien gesehen werden, die sich ganz überwiegend auf medizinische Verfahren beziehen, mit der Zielsetzung, ein qualitativ hochwertiges Gutachten zu erstellen, das insbesondere in gerichtlichen und behördlichen Verfahren verwertbar ist.78 Rechtlich sind die Richtlinien als bloße Verwaltungsvorschriften zu werten, die lediglich Empfehlungen bzw. Hinweise für die Begutachtung geben und so einheitliche Standards ermöglichen sollen.79 Für diese Einordnung spricht, dass die Richtlinien von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und einer dem Bundesgesundheitsministerium nachgeordneten selbständigen Bundesoberbehörde80 erlassen worden sind81, denen keine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung oder Satzung für den Bereich der Abstammungsbegutachtung zukommt.82 Eine Außenwirkung in dem Sinn, dass sie Rechte und Pflichten für jedermann begründen , kann ihnen daher nicht beigemessen werden.83 Vielmehr können sie im Bereich der Gutachten am ehesten als „verbindliche Handlungsanweisungen, von denen aus Gründen der Qualitätssicherung nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden sollte “84, eingestuft werden. In jeden Fall sollten Gutachter, die von diesen Richtlinien abweichen wollen, sich fachlich fundiert mit ihnen auseinandersetzen.85 78 Als Auftraggeber für ein Abstammungsgutachten im Sinne der Richtlinien werden unter Punkt 2.1. Richtlinien zuvorderst Gerichte und Behörden genannt; allerdings kommen auch Privatpersonen in Betracht. 79 Hummel, DAVorm 1999, 731; Mutschler, FamRZ 2003, S. 74, 75. 80 Vgl. § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Neuordnung zentraler Einrichtungen des Gesundheitswesens (Gesundheitseinrichtungen-Neuordnungs-Gesetz – GNG) vom 24.06.1994, BGBl. I 1994, 1416. 81 Mutschler, FamRZ 2003, S. 74, 75. 82 Rittner/Rittner, NJW 2002, S. 1745, 1747. 83 Mutschler, FamRZ 2003, S. 74, 75. 84 Mutschler, FamRZ 2003, S. 74, 75. 85 Mutschler, FamRZ 2003, S. 74, 75; ähnlich auch Geserick, FPR 2002, S. 380, 383.. - 24 - Demgemäß enthalten die Richtlinien auch keine Sanktionen für Verstöße gegen einzelne Bestimmungen. Vielmehr hat die Nichtbeachtung der Richtlinien im Wesentlichen zur Konsequenz, dass die so erstellten Gutachten in gerichtlichen und behördlichen Verfahren nur einen eingeschränkten oder gar keinen Beweiswert haben.86 6. Frage 4: Welche rechtliche Beurteilung finden heimlich durchgeführte Vaterschaftstests durch datenschutzrechtliche Regelungen? Das Bundesdatenschutzgesetz87 (BDSG) bezweckt den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen in seinem Persönlichkeitsrecht durch den Ungang mit seinen personenbezogenen Daten (§ 1 Abs. 1 BDSG). Allerdings gilt es gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 3 a. E., 27 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht, wenn die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgt. Daher ist das Handeln des den heimlichen Vaterschaftstest in Auftrag gebenden Mannes datenschutzrechtlich nicht relevant.88 Etwas anderes gilt für das den heimlichen Vaterschaftstest durchführende Labor. Bei diesem handelt es sich um eine nicht-öffentliche Stelle im Sinne von §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 27 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, die die personenbezogenen Daten gerade nicht aus persönlichen oder familiären, sondern vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen erhebt bzw. verarbeitet. Gemäß §§ 4 Abs. 1, 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG ist die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat und diese Einwilligung auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Der Betroffene – das Kind – ist in den Fällen heimlicher Vaterschaftstests meist minderjährig ; dann kommt es insoweit auf die Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter an. Bei einem heimlich durchgeführten Vaterschaftstest liegt eine solche Zustimmung jedoch nicht vor. Demzufolge ist die Erhebung und Verarbeitung der genetischen Daten des betroffenen Kindes unbefugt und damit ordnungswidrig im Sinne von § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. Nach § 43 Abs. 3 BDSG kann eine solche Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro geahndet werden. 86 Mutschler, FamRZ 2003, S. 74, 75 unter Hinweis auf die freie Überzeugungsbildung der urteilenden Richter. 87 Bundesdatenschutzgesetz vom 14.01.2003, BGBl. I S. 66. 88 Rittner/Rittner, NJW 2002, S. 1745, 1750. - 25 - Überdies macht sich gemäß § 44 Abs. 1 BDSG strafbar, wer eine in § 43 Abs. 2 BDSG bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht. Auch diese Voraussetzungen sind bei einem gewerblich tätigen Labor gegeben.89 7. Frage 5: Welche Auswirkungen hat die Durchführung heimlicher Vaterschaftstests auf die Gewerbeerlaubnis der diese Tests durchführenden Labors? Nach § 38 Abs. 7 BDSG finden die Vorschriften der Gewerbeordnung90 (GewO) ausdrücklich neben den Vorschriften des BDSG Anwendung. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn „Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.“ Die Gewerbeaufsicht kann bei Unzuverlässigkeit des Labors bzw. seiner Mitarbeiter gewerbeaufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Gewerbeuntersagung im Sinne von § 35 Abs. 1 GewO treffen91, sofern der Inhaber des beauftragten Labors infolge der heimlichen Durchführung des Vaterschaftstests als unzuverlässig anzusehen ist. Eine solche Unzuverlässigkeit liegt allerdings nicht bereits durch die einmalige Durchführung eines heimlichen Vaterschaftstests und die damit verbundene Ordnungswidrigkeit oder Straftat im Sinne von §§ 43 Abs. 2 Nr. 1, 44 Abs. 1 BDSG vor.92 Die Unzuverlässigkeit kann jedoch durch schwerwiegende oder häufige Verletzungen datenschutzrechtlicher Normen indiziert werden.93 Sie ist vor allem dann anzunehmen, wenn die Häufung der Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten einen Hang zur Missachtung geltender Vorschriften erkennen lässt.94 89 Rittner/Rittner, NJW 2002, S. 1745, 1750. 90 Gewerbeordnung vom 22. Februar 1999, BGBl. I S. 202, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 2 Siebtes ÄndG vom 07.07.2005 (BGBl. I S. 1954) 91 Rittner/Rittner, NJW 2002, S. 1745, 1752. 92 Vgl. Tettinger/Wank-Tettinger, GewO, § 35 Rn. 36. 93 Vgl. Tettinger/Wank-Tettinger, GewO, § 35 Rn. 38, 46. 94 Vgl. Tettinger/Wank-Tettinger, GewO, § 35 Rn. 38, 46. - 26 - 8. Frage 6: Welche gesetzgeberischen und verfassungsmäßigen Handlungsrahmen hat der Bundesgesetzgeber bezüglich Regelungen, die heimlich durchgeführte Vaterschaftstests betreffen, und welche verfassungsrechtlichen Schranken muss der Gesetzgeber beachten? Es steht dem Bundesgesetzgeber grundsätzlich frei, im Rahmen seiner Kompetenzen Regelungen hinsichtlich heimlicher Vaterschaftstests zu treffen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes richtet sich gemäß Art. 70 ff. GG nach dem zu regelnden Rechtsgebiet (vorbehaltlich ggf. bestehender EG-rechtlicher Normen). Im Falle des Familienrechts als Bestandteil des Bürgerlichen Rechts bestehen Kompetenzen des Bundesgesetzgebers im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 72 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei seinem Tätigwerden insbesondere die betroffenen Grundrechte sowie deren Schranken beachten. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Punkt 3 der Ausarbeitung Bezug genommen. - 27 - Literaturverzeichnis Brückner, Christoph, Väterrechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte , Familie Partnerschaft Recht (FPR) 2005, S. 200. Ehlers, Dirk, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005. Geiger, Rudolf, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Aufl. 2002. Hummel, Konrad, Zur Frage der Beachtung gesetzlicher Kostenvorschriften für richtlinienkonforme Sachverständigengutachten in Fällen strittiger Abstammung, Der Amtsvormund (DAVorm) 1999, S. 731. Krause, Dieter / Martin, Wolfgang / Hesse, Ralph, Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der Sachverständigen für Abstammungsgutachten in der Bundesrepublik Deutschland e. V. zum „Heimlichen Abstammungsgutachten“, Der Amtsvormund (DAVorm) 2000, S. 817. Maunz, Theodor / Düring, Günter, Grundgesetz, Kommentar, Band II, Art. 6-16a, Stand: Februar 2005 (zit.: Maunz/Düring-Bearbeiter). Maunz, Theodor / Düring, Günter, Grundgesetz, Kommentar, Band III, Art. 17-27, Stand: Februar 2005 (zit.: Maunz/Düring-Bearbeiter). Meyer, Jürgen, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2003. Meyer, Jürgen / Hölscheidt, Sven, Die Europäische Verfassung des Europäischen Konvents, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) 2003, S. 613. Meyer-Ladewig, Jens, Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten , Handkommentar, 2003. Mutschler, Dietrich, Unerlaubte DNA-Gutachten als Einfallstor für die gerichtliche Vaterschaftsanfechtung? – Bemerkungen zu Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 ff., Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 2003, S. 74. Reichelt, Andreas, Anwendung der DNA-Analyse (genetischer Fingerabdruck) im Vaterschaftsanfechtungsverfahren, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Fam RZ) 1991, S. 1265 ff. Rittner, Christian / Rittner, Natascha, Rechtsdogma und Rechtswirklichkeit am Beispiel so genannter heimlicher Vaterschaftstests, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, S. 945 ff. Rittner, Christian / Rittner, Natascha, Unerlaubte DNA-Gutachten zur Feststellung der Abstammung – Eine rechtliche Grauzone, NJW 2002, S. 1745 ff. - 28 - Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Buch 4, Familienrecht, §§ 1589-1600e, Stand: 2004 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Tettinger, Peter J. / Wank, Rolf, Gewerbeordnung, Kommentar, 7. Aufl. 2004 (zit.: Tettinger/Wank-Bearbeiter). v. Münch, Ingo / Kunig, Philip, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, Art. 20 - 69, 5. Aufl. 2001 (zit.: v. Münch – Bearbeiter). Wuermeling, Joachim, Die Tragische: Zum weiteren Schicksal der EU- Verfassung, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2005, S. 149. Zuck, Rüdiger, Der (heimliche) Vaterschaftstest: Was kann der Gesetzgeber tun?, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2005, S. 117 ff.