© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 286/19 Höchstgrenzen für Parkgebühren Vereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 GG Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Kompetenzen zur Regelung von Parkgebühren Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Var. 4 GG gibt dem Bund die Möglichkeit der Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen.1 Von dieser Kompetenz hat er nur eingeschränkt Gebrauch gemacht. Da es sich um eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz handelt, erhalten die Länder die Gesetzgebungskompetenz, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund hat zum Komplex der Parkgebühren Regelungen in § 6a Abs. 6 und Abs. 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) erlassen. „(6) 1Für das Parken auf öffentlichen Wegen und Plätzen können in Ortsdurchfahrten die Gemeinden , im Übrigen die Träger der Straßenbaulast, Gebühren erheben. 2Für die Festsetzung der Gebühren werden die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. 3In diesen kann auch ein Höchstsatz festgelegt werden. 4Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden. (7) Die Regelung des Absatzes 6 Satz 2 bis 4 ist auf die Erhebung von Gebühren für die Benutzung gebührenpflichtiger Parkplätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 13 entsprechend anzuwenden .“2 Das Land Schleswig-Holstein hat beispielsweise nach § 6a Abs. 6 S. 4 StVG die Kompetenz zum Erlass entsprechender Regelungen durch die Parkgebührenverordnung3 auf die Kommunen übertragen . § 1 Parkgebührenverordnung „Die der Landesregierung durch § 6a Abs. 6 Satz 5 bis 8 und Abs. 7 des Straßenverkehrsgesetzes [aF, Anm. d. Verf.] erteilte Ermächtigung, Gebührenordnungen für das Parken auf öffentlichen Wegen und Plätzen sowie auf gebührenpflichtigen, für Großveranstaltungen eingerichteten Parkplätzen durch Verordnung zu erlassen, wird auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister 1 Vgl. dazu ausführlich Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Regelungskompetenz für Parkgebühren , WD 3 - 3000 - 284/19. 2 Hervorhebung nur hier. 3 Landesverordnung über Parkgebühren Schleswig-Holstein vom 12. April 1990 (GVOBl. Schl.-H. S. 264). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 286/19 Seite 4 der amtsfreien Gemeinden sowie die Amtsvorsteherinnen und Amtsvorsteher als örtliche Ordnungsbehörden übertragen.“ Das Bundesland Bayern hat nach § 6a Abs. 6 S. 3 StVG eine Regelung in der Zuständigkeitsverordnung 4 erlassen, in der es die Möglichkeit zur eigenen Regelung nutzt. § 10 Zuständigkeitsverordnung - Parkgebühren „1Die örtlichen und die unteren Straßenverkehrsbehörden können in ihrem Zuständigkeitsbereich unter Beachtung nachfolgender Höchstsätze Gebührenordnungen für das Parken nach § 6a Abs. 6 und 7 StVG erlassen. 2Die Parkgebühren dürfen höchstens 0,50 €, in Gebieten mit besonderem Parkdruck höchstens 1,30 € je angefangener halber Stunde betragen.“ Insofern sind die Kommunen in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlichem Maße frei bei der Bestimmung der Höhe von Parkgebühren. 3. Art. 28 Abs. 2 GG – Kommunale Selbstverwaltung Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet das Recht auf kommunale Selbstverwaltung: „1Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. 2Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. 3Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“ Die Norm beinhaltet mit der Formulierung „im Rahmen der Gesetze“ einen Gesetzesvorbehalt. Die kommunale Selbstverwaltung findet so ihre Schranken in verfassungskonformen staatlichen Außenrechtsnormen.5 Dieser Gesetzesvorbehalt bezieht sich sowohl auf die Aufgabengarantie, als auch auf die Eigenverantwortlichkeit und bewirkt eine Ausgestaltungskompetenz für die ebenfalls in Art. 28 Abs. 2 GG erfasste institutionelle Garantie.6 Aufgrund des grundgesetzlich erfassten Einflusses des Gesetzgebers auf die Aufgaben der Kommunen, können Aufgaben auch zugewiesen, entzogen oder durch einen Rahmen vorbestimmt werden. Dazu äußerte sich das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach. Exemplarisch: „Die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung wird den Gemeinden und Gemeindeverbänden jedoch nur nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet (vgl. BVerfGE 91, 228 [236 f., 240]). Sie unterliegt normativer Prägung durch den Gesetzgeber, der sie inhaltlich ausformen und begrenzen darf (vgl. BVerfGE 91, 228 [240]). Die Übertragung der verwaltungsmäßigen 4 Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184, BayRS 2015-1-1-V), zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 12. November 2019 (GVBl. S. 634). 5 Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2018, Art. 28, Rn. 64. 6 Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2018, Art. 28, Rn. 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 286/19 Seite 5 Besorgung gemeindlicher Aufgaben auf einen anderen Träger begründet demnach für sich genommen noch keine Verletzung des Kernbereichs eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung. Denn Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG berechtigt den Gesetzgeber, den Gemeinden Vorgaben zu ihrer Organisation zu machen, und verschafft ihm daher mittelbar auch Einfluss auf die Aufgabenerledigung . Dies ist mit der Regelungskompetenz des Gesetzgebers zur Organisation der Gemeinden unausweichlich verbunden und auch gewollt. Durch die Möglichkeit organisatorischer Rahmensetzung soll der Gesetzgeber auf eine effektive Aufgabenerledigung durch die Gemeinden hinwirken können (BVerfGE 107, 1 [19]).“7 Insoweit ist kein grundsätzlicher Verstoß gegen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung darin zu sehen, wenn der (Landes-)Gesetzgeber der Kommune einen Rahmen für die Erhebung von Gebühren vorgibt. 4. Kommunale Regelungen für Parkgebühren In einer Kleinen Anfrage wurde die Bundesregierung 2004 auch nach dem Verhältnis der kommunalen Selbstverwaltung zu Regelungen der Parkraumbewirtschaftung befragt: „11. Könnten die Kernaufgaben der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 Abs. 2 GG auf den Bereich der Parkraumbewirtschaftung ausgedehnt werden, und wenn ja, wie könnte eine gesetzliche Regelung aussehen? Diese Frage wäre vorrangig an die zuständigen Landesgesetzgeber zu richten. Nach Einschätzung der Bundesregierung mag es hinsichtlich der Straßen in kommunaler Baulast denkbar sein, die Parkraumbewirtschaftung der kommunalen Selbstverwaltung zuzuweisen, sofern der verfassungsrechtlich geschützte Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen gewahrt bliebe. Hinsichtlich der Straßen in der Baulast des Bundes oder des jeweiligen Landes wären die Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung jedoch überschritten. Im Übrigen hält die Bundesregierung die gegenwärtige Rechtslage auch für Straßen in der Baulast der Länder und Gemeinden zur Gewährleistung einheitlicher Rechtsverhältnisse im Interesse aller Parkraumsuchenden für sachgerecht und geboten. Ihr ist auch nicht bekannt, dass dies von den Ländern oder den Städten und Gemeinden in Frage gestellt würde.“8 Diese Antwort weißt noch einmal auf den Zusammenhang hin, dass es einerseits der gesetzlichen Ausgestaltung obliegt, wie weit die kommunale Selbstverwaltung reicht. Dass in einem Gemeindegebiet in der Regel Straßen von unterschiedlichen Baulastträgern (Bund, Land, Landkreis, Gemeinde ) zusammenkommen und diese im Falle einer Parkraumbewirtschaftung einem einheitlichen Konzept unterliegen sollen, kann eine Zuschreibung der Regelungsbefugnisse auf einer höheren Ebene rechtfertigen. Die entsprechende Notwendigkeit zu einer solchen Regelung muss dann jedoch dargelegt werden. 7 BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04, BVerfGE 119, 331 363 f., Hervorhebungen nur hier. 8 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, Parkraumbewirtschaftung in die Hand der Städte und Gemeinden, BT-Drs. 15/2302, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 286/19 Seite 6 Zu betrachten ist in diesem Kontext darüber hinaus, dass 2004 eine Gesetzesänderung des § 6a Abs. 6 und Abs. 7 StVG, in der Regelungen zur Höhe von Parkgebühren durch den Bund gestrichen wurden, damit begründet wurden, dass diese Thematik vollständig den Kommunen zur Regelung überlassen werden soll. „Die Neufassung des § 6a Abs. 6 StVG erfolgt mit dem Ziel, die Parkgebührenerhebung künftig vollständig der freien Disposition der Kommunen zu überlassen. Eine staatliche Reglementierung dieses Bereiches erscheint nicht erforderlich, da die Kommunen ohnehin in eigener Verantwortung den straßenrechtlichen Widmungszweck, den garantierten Gemeingebrauch und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten haben. Im Hinblick auf die derzeitigen allgemeinen Bestrebungen zur Deregulierung sind weitreichende Vorgaben auch nicht mehr zeitgemäß.“9 Dass in § 6a Abs. 6 StVG auch die Regelungskompetenz für die Länder beinhaltet ist, begründete die Bundesregierung wie folgt: „Die auch nach der Neufassung in § 6a Abs. 6 StVG noch enthaltene Ermächtigung für die Landesregierungen, Gebührenordnungen zu erlassen, ist Ausfluss des in Artikel 83 des Grundgesetzes (GG) festgelegten Gesetzesvollzugs durch die Länder, praktisch aber von allenfalls geringer Relevanz.“10 Nach Art. 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht enthält in der Straßenverkehrsordnung und dem Straßenverkehrsgesetz zahlreiche Regelungen zum ruhenden Verkehr. Insofern obliegt deren Vollzug grundsätzlich den Ländern, soweit diese nichts anderes bestimmt haben. Im Ergebnis lassen sich die bestehenden Rahmenvorgaben für Parkgebühren zum Beispiel in den genannten Ländern mit der kommunalen Selbstverwaltung vereinbaren. *** 9 Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28. August 2003, BT-Drs. 15/1496, S. 6. 10 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, Parkraumbewirtschaftung in die Hand der Städte und Gemeinden, BT-Drs. 15/2302, S. 2.