Deutscher Bundestag Glücksspiel und Spielsucht Rechtliche Aspekte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 286/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 2 Glücksspiel und Spielsucht Rechtliche Aspekte Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 286/11 Abschluss der Arbeit: 5. September 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Glücksspiel in Deutschland 4 2.1. Kategorisierung und Verbreitung des Glücksspiels 4 2.2. Regulierung des Glücksspiels 5 2.2.1. Genehmigungserteilung 5 2.2.2. Bestehende gesetzliche Vorschriften zur Begrenzung der Spielsucht 6 3. Glücksspiel in der Europäischen Union und im außereuropäischen Ausland 7 3.1. Kategorisierung und Verbreitung des Glücksspiels 7 3.2. Regulierung des Glücksspiels 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 4 1. Einleitung Der Sachstand thematisiert rechtliche Aspekte des Glücksspiels und der Spielsucht. Hierzu werden eine Kategorisierung des Glücksspiels vorgenommen sowie die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des Glücksspiels in Deutschland dargelegt. Es folgt eine dokumentarische Auflistung rechtsvergleichender Studien zu dieser Thematik. 2. Glücksspiel in Deutschland 2.1. Kategorisierung und Verbreitung des Glücksspiels Der Glücksspielmarkt kann angelehnt an eine Studie des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung in Lausanne im Auftrag der Europäischen Kommission1 in folgende Kategorien eingeteilt werden: – Lotteriewesen (einschließlich Bingo) – Spielbanken (Casinoglücksspiel) – Spielautomaten außerhalb des Casinobetriebs – Wettwesen – Gewinnspiele in Rundfunk und Telemedien – Werbeausspielungen – Glücksspielangebote von Wohltätigkeitsorganisationen. Diese Unterteilung zeichnet jedoch nur eine grobe Gliederung des Glücksspielsektors. In den jeweiligen Segmenten gelingt ohne weiteres eine darüber hinausgehende Feingliederung. So kann innerhalb der Gruppe der Spielautomaten zwischen Geldgewinnspielgeräten, Unterhaltungsautomaten und sogenannten Fun-Games unterschieden werden.2 Von diesen Spielautomaten existierten 2008 bundesweit schätzungswiese 85.590 Stück, die in ca. 12.300 Spielhallen und bis zu 60.000 Gaststätten aufgestellt wurden.3 Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland außerdem 85 1 Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Lausanne, Study of Gambling Services in the Internal Market of the European Union, 14. Juni 2006 - abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/services/gambling_de.htm (letzter Abruf: 2. September 2011). 2 Reeckmann, Martin, Gewerbliches Automatenspiel in Deutschland. Bestandsaufnahme eines Glücksspielangebots und politischer Handlungsbedarf bei der Rückkehr zum Unterhaltungsspiel, Auftraggeber: Deutsche Spielbanken Interessen- und Arbeitsgemeinschaft, Bundesverband privater Spielbanken in Deutschland e.V., April 2009, S. 5 ff., abrufbar unter: http://www.reeckmann.de/pdf/Bestandsaufnahme_Gewerbliches_Automatenspiel.pdf (letzter Abruf: 2. September 2011). 3 Reeckmann, Martin, Gewerbliches Automatenspiel in Deutschland, S. 15 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 5 Spielbanken, 23.681 Lotto-Toto Verkaufsstellen und ca. 210.000 gewerbliche Unterhaltungsautomaten . Insgesamt erwirtschaftete die Glücksspielbranche in diesem Jahr 24,896 Mrd. Euro.4 2.2. Regulierung des Glücksspiels 2.2.1. Genehmigungserteilung Die Regulierung des Glücksspielmarkts ist in Deutschland gegenwärtig zweigeteilt ausgestaltet: Der Bund trifft Regelungen für die Erteilung einer Betriebsgenehmigung im Bereich der Pferdewetten und Spielautomaten. Vorschriften bezüglich der Pferdewetten enthält das Rennwett- und Lotteriegesetz5. Gewerberechtlich sind die Genehmigungsvoraussetzungen für das Aufstellen von Spielautomaten in § 33 c Gewerbeordnung (GewO)6 geregelt. Die nähere Ausgestaltung trifft die Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (SpielV)7. Die Länder gestalten den rechtlichen Rahmen bezüglich der Lotterien und sämtlicher anderer Glücksspiele – insbesondere der Sportwetten. Hierfür haben die Bundesländer den Glückspielstaatsvertrag (GlüStV)8 abgeschlossen, der seit am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Darin wurde ein staatliches Lotteriemonopol konstituiert, das die Erteilung von Genehmigungen an private Anbieter nur in begrenztem Maße zulässt. Auf diese Weise sollte den wettspielbedingten Suchtgefahren entgegengetreten werden.9 Das Glücksspielmonopol des Staates wird aber bereits jetzt durch ausländische Anbieter von Sportwetten im Internet (z.B. Betfair, bwin) unterlaufen. Die Geltung des GlüStV ist bis zum 31. Dezember 2011 befristet, sofern die Fortgeltung des Vertrages nicht durch die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen wird.10 Ein zu diesem Zwecke ausgearbeiteter Entwurf zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages11 sieht vor, das staatliche Glücksspielmonopol aufzubrechen. Stattdessen sollen bis zu sieben Lotteriekonzessionen vergeben werden. Derzeit zeichnet sich jedoch ab, dass die Bundesländer zu keiner einvernehmlichen Lösung hinsichtlich der Verabschiedung eines neugefassten Glücksspielstaatsvertrages gelangen 4 Barth, Dietmar, Der deutsche Glücksspielmarkt 2008, Forschungsstelle Glücksspiel Universität Hohenheim vom 6. August 2010 - abrufbar unter: https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Markt/Gluecksspielmarkt08.pdf (letzter Abruf: 30. August 2011). 5 Rennwett- und Lotteriegesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 611-14, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 119 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist. 6 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 4 Absatz 14 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258) geändert worden ist. 7 Spielverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006 (BGBl. I S. 280). 8 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, BayGVBl. 2007, S. 906. 9 Dohm, Andreas, Aktuelle Fragen des Glücksspielrechts, ZUM 2011, S. 98 (100). 10 Vgl. §28 I GlüStV. 11 Erster Entwurf eines Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages - Stand 14. April 2011, abrufbar unter: http://www.gluestv.de/Gesetzesdatenbank/Staatsvertraege/Erster-Gluecksspielaenderungsstaatsvertrag (letzter Abruf: 5. Juli 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 6 werden.12 Während 15 von 16 Ministerpräsidenten auf der Ministerpräsidentenkonferenz im April dieses Jahres eine gemeinsame Lösung durch die Änderung des bestehenden Glücksspielstaatsvertrags befürworteten, will Schleswig-Holstein unter der Führung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ein eigenes liberaleres Glücksspielgesetz erlassen. Ein entsprechender Entwurf13 wurde bereits Ende 2010 ausgearbeitet. 2.2.2. Bestehende gesetzliche Vorschriften zur Begrenzung der Spielsucht Vorschriften, die ausdrücklich die Bekämpfung der Spielsucht bezwecken, werden in Deutschland lediglich durch den GlüStV getroffen. So ist beispielsweise die Erteilung der Erlaubnis für das Vermitteln und Veranstalten von Glücksspielen nach § 4 Abs. 2 S. 1 GlüStV zu versagen, wenn sie den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderlaufen würde. Die vier Ziele des GlüStV sind im Einzelnen: – das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, – das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern, – den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten und – die Gewährleistung, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt werden und die Abwehr der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität. Daneben sind wohl auch allen sonstigen, das Glücksspielgewerbe regelnden, Normen Aspekte der Begrenzung der Spielsucht immanent. So bezweckt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes § 284 Strafgesetzbuch (StGB)14, der das illegale Glücksspiel unter Strafe stellt, ebenso die Begrenzung der Spielsucht.15 Auch das RennwLottG16 und die SpielV17 verfolgen u. a. diese Zweckrichtung . 12 Ashelm, Michael, Der neue Glücksspielvertrag hängt in der Schwebe, FAZ vom 1. Juli 2011. 13 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspiels (Glücksspielgesetz), Drucksache 17/1100 des Schleswig -Holsteinischen Landtages. 14 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 23. Juni 2011 (BGBl. I S. 1266) geändert worden ist. 15 BGHSt 11, 209 (210); zum Streit in der Literatur, ob § 284 StGB den präventiven Schutz vor der Spielsucht, der Gewährleistung eines manipulationsfreien Glücksspiels oder letztlich nur den Schutz fiskalischer Interessen bezweckt – Beckemper, von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar StGB, 15. Edition 2011, § 284 Rn. 4 ff. 16 Siehe hierzu die Ausführungen des 4. Senats des Hamburgischen OVG vom 16. Dezember 2003 - 4 Bf 44/01 bezüglich der Debatte des historischen Gesetzgebers zur Einführung des RennwLottG Anfang des 20. Jahrhunderts. 17 Siehe hierzu auch den Antrag der Fraktion der SPD vom 29. Juni 2011 (BT-Drs. 17/6338). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 7 3. Glücksspiel in der Europäischen Union und im außereuropäischen Ausland 3.1. Kategorisierung und Verbreitung des Glücksspiels Bezüglich der Verbreitung des Glücksspiels innerhalb der Mitgliedstaaten der EU wird auf die im Auftrag der Europäischen Kommission angefertigte rechtsvergleichenden Studie „Study of Gambling Services in the Internal Market of the European Union“ des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung in Lausanne vom 14. Juni 2006 verwiesen. In englischer Sprache abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/services/gambling_de.htm18 (letzter Abruf: 2. September 2011). Die Studie ist insgesamt in sechs Teile untergliedert, die einzeln heruntergeladen werden können und von denen im Wesentlichen folgende zwei Abschnitte von Bedeutung sind: Im einleitenden Abschnitt „Executive Summary and Table of Contents” wird die Verbreitung der einzelnen Glücksspielarten in den Mitgliedstaaten zusammenfassend dargelegt (S. VI ff.). Im Abschnitt „Economic Study Part 1“ werden zunächst die Umsätze auf bestimmten Glücksspielmärkten (Spielbanken, Lotterien, Spielautomaten, Wetten und Bingo) in den einzelnen Staaten tabellarisch verglichen (S. 1104). Daran schließt sich eine umfassende Analyse der Glücksspielmärkte in jedem Mitgliedsland an (S. 1120 ff.). 3.2. Regulierung des Glücksspiels Hinsichtlich der Regulierung des Glücksspiels in ausgewählten Staaten der EU sowie Malta, Australien, und der USA wird auf die im Auftrag des Landes Hessen angefertigte Studie „International vergleichende Analyse des Glücksspielwesens“ des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung in Lausanne vom 31. Juli 2009 verwiesen. Abrufbar unter: http://gluecksspiel.unihohenheim .de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Recht/International_vergleichende_ Analyse_des_Gluecksspielwesens_Schweiz.pdf. (letzter Abruf: 30. August 2011). In Teil 1 der Studie werfen die Verfasser einen evaluierenden Blick auf die juristische Maßnahmen , die zur Bekämpfung der Spielsucht ergriffen werden können (S. 42 ff.). Teil 2 der Studie enthält eine ausführliche rechtsvergleichende Darstellung der Regulierung des Glücksspielwesens in den Ländern Australien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Malta, Norwegen , Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien und den USA (S. 29 ff.). Außerdem werden so- 18 Unter dem Gliederungspunkt: Studie über Glücksspiele. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 286/11 Seite 8 wohl die Rechtsprechung des EuGH und des EFTA-Gerichtshofes erläutert als auch die Ansätze zur Regulierung dieses Sektors durch den Europarat und die Europäische Kommission dargelegt (S. 7 ff.).