© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 285/19 Migrationspaket 2019 und Einstufung sicherer Herkunftsstaaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 285/19 Seite 2 Migrationspaket 2019 und Einstufung sicherer Herkunftsstaaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 285/19 Abschluss der Arbeit: 21. Januar 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 285/19 Seite 3 1. Migrationspaket 2019 Neben der Steuerung der regulären und irregulären Migration bildet die Gewinnung von Fachkräften , auch aus dem EU-Ausland, weiterhin eine zentrale Herausforderung für Deutschland. Der Bundestag hat im Sommer 2019 ein umfangreiches Migrationspaket beschlossen. Dieses besteht aus acht Gesetzen, die zahlreiche Änderungen u.a. des Aufenthalts- und des Asylrechts, des Beschäftigungsrechts für Ausländer, des Asylbewerberleistungsrechts und auch des Staatsangehörigkeitsrechts beinhalten: Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung sowie dem Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz und auch mit den Neuregelungen im Asylbewerberleistungsgesetz zur Zulässigkeit der Ausbildungsförderung wird der Zweck der Sicherung und Gewinnung von Fachkräften für den deutschen Arbeitsmarkt verfolgt, wobei grundsätzlich die Trennung zwischen Asyl und Erwerbsmigration beibehalten wird. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt zum 1. März 2020 in Kraft und erweitert die Zuwanderungsmöglichkeiten von Fachkräften aus dem EU-Ausland (beispielsweise infolge der derzeitigen Anwerbung durch die Bundesregierung u.a. aus Mexiko und Vietnam1). So wurden etwa die Möglichkeiten zur Erteilung von Aufenthaltstiteln zur Suche nach Ausbildungs-, Arbeits- und Studienplätzen sowie während Anerkennungsverfahren für berufliche Qualifikationen ausgeweitet und die Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit für Fachkräfte grundsätzlich abgeschafft. Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz soll der Verbesserung der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Es beinhaltet Regelungen bezüglich der Durchführung von Abschiebungen (insbesondere zum Betreten und Durchsuchung von Wohnungen zum Zwecke der Abschiebung), der Abschiebungshaft und der Schaffung eines Ausreisegewahrsams. Darüber hinaus umfasst das Gesetz auch Änderungen, die noch im Asylverfahren befindliche oder geduldete Personen betreffen: So wurde die für die meisten Asylsuchenden in Deutschland geltende Pflicht, in Aufnahmeeinrichtungen der Bundesländer zu wohnen, von 6 auf 18 Monate (für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten nach Regelungen einzelner Bundesländer auf 24 Monate) erhöht; diese kann im Einzelfall sogar darüber hinaus bestehen. Während der Zeit in einer Aufnahmeeinrichtung ist Ausländern eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht erlaubt. Ihnen kann erst nach 9 Monaten die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Antragsteller nicht aus sicheren Herkunftsstaaten stammen und ihr Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet oder unzulässig abgelehnt wurde. Die Anforderungen an den Nachweis von Erkrankungen, die zu Abschiebungsverboten führen können, wurden noch einmal verschärft. Zudem wurde eine sog. „Duldung light“ für vollziehbar Ausreisepflichtige mit ungeklärter Identität geschaffen, deren Abschiebung aufgrund von Täuschung über Identität oder Staatsangehörigkeit, falschen Angaben oder aufgrund von Unterlassung von nun mehr ausdrücklich geregelten zumutbaren Handlungen zur Erfüllung der Passbeschaffungspflicht vorübergehend nicht möglich ist. Für diese Personen gelten künftig ein Arbeitsverbot und eine Wohnsitzauflage. Ferner wurden die 2016 in Kraft getretenen Regelungen des Integrationsgesetzes entfristet, wonach insbesondere anerkannte Schutzberechtigte in den ersten 3 Jahren nach ihrer Anerkennung in dem Bundesland wohnen müssen, dem sie schon 1 Emmrich/Münstermann, Fachkräftegipfel: Spahn will Fachkräfte, die „unsere Werte leben“, Berliner Morgenpost vom 15. Dezember 2019, abrufbar unter: https://www.morgenpost.de/politik/article227914799/Fachkraeftegipfel -der-Regierung-Spahn-will-klare-Kriterien.html (zuletzt abgerufen am 20. Januar 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 285/19 Seite 4 zur Durchführung ihres Asylverfahrens zugewiesen waren. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die Zuweisung eines bestimmten Wohnortes zulässig. Diese Regelungen bilden nach Ansicht des Ausschusses für Inneres und Heimat des Bundestages ein „wichtiges integrationspolitisches Instrument für die Betroffenen“ und sichern „die zu diesem Zweck erforderliche Planbarkeit der Integrationsangebote von Ländern und Kommunen“.2 Zugleich soll integrationshemmenden Segregationstendenzen entgegengewirkt werden. Das Zweite Datenaustauschverbesserungsgesetz zielt darauf ab, die Registrierung und den Datenaustausch zwischen Behörden zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken zu verbessern. Gleichzeitig wird das Mindestalter für die erkennungsdienstliche Behandlung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern mit Wirkung ab dem 1. April 2021 – wie auch im Entwurf der Neufassung der EU-Eurodac-Verordnung aus dem Jahr 2016 vorgesehen3 – von 14 auf 6 Jahre abgesenkt. Ferner wurde das Staatsangehörigkeitsgesetz um eine Regelung ergänzt, durch die Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie sich an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret beteiligen, § 28 Abs. 1 Nr. 2 StAG. In Frankreich sollen nach einem im November 2019 veröffentlichten Vorschlag der französischen Regierung ab 2021 Quoten für die Zuwanderung gelten, die die Nationalversammlung jährlich beschließen soll.4 Die Quoten sollen sowohl Mangelberufe als auch Fachkräfte erfassen, nicht aber den Familiennachzug. Zudem traten bereits im Jahr 2018 gesetzliche Regelungen zur Erleichterung von Abschiebungen in Kraft. 5 2. Sichere Herkunftsstaaten Der Bundestag hat bereits im Januar 2019 ein Gesetz beschlossen, wonach Georgien, die Demokratische Volksrepublik Algerien, das Königreich Marokko und die Tunesische Republik als sichere 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Entfristung des Integrationsgesetzes, BT-Drs. 19/10704, S. 1. 3 Vgl. Artikel 10 des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der [Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist], für die Feststellung der Identität illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten (Neufassung), COM(2016) 272 final, in deutscher Sprache abrufbar unter: https://ec.europa .eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-272-DE-F1-1.PDF (zuletzt abgerufen am 20. Januar 2020). 4 Pantel/Klimm, Frankreich verschärft Einwanderungspolitik, Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2019, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-macron-asyl-1.4670742 (zuletzt abgerufen am 20. Januar 2020). 5 Meier, Frankreich debattiert über Migration: Macron spielt mit dem Feuer, Tagesspiegel vom 8. Oktober 2019, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/politik/frankreich-debattiert-ueber-migration-macron-spielt-mitdem -feuer/25095250.html (zuletzt abgerufen am 20. Januar 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 285/19 Seite 5 Herkunftsstaaten im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) eingestuft werden sollen. Die erforderliche Zustimmung des Bundesrates gilt aufgrund der Ablehnung der in vielen Bundesländern an der Regierung beteiligten Partei Bündnis90/Die Grünen als nicht wahrscheinlich. Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Vor diesem Hintergrund wird laut Medienberichten in der CDU und der CSU erwogen, eine weitere Gesetzesinitiative in den Bundestag einzubringen, wonach die genannten Länder als sichere Herkunftsstaaten im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie eingestuft werden sollen.6 Anders als bei der Einstufung nach Art. 16a Abs. 2 GG, bedürfe ein solches Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates. Der Ausschuss für Inneres und Heimat hat sich zudem im Dezember 2019 mit einem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Einführung eines geregelten Verfahrens zur Einstufung sicherer Herkunftsstaaten befasst. In Frankreich gelten seit 2015 unverändert Albanien, Armenien, Benin, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Ghana, Indien, Kap Verde, Kosovo, Mazedonien, Mauritius, Republik Moldau, Mongolei, Montenegro, Senegal, Serbien als sichere Herkunftsstaaten.7 *** 6 So der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag Thorsten Frei, Asylsystem stärken, Frankfurter Allgemeine vom 21. November 2019; vgl. auch Asylpolitik: CSU will Zahl sicherer Herkunftsstaaten ausweiten, Zeit-Online vom 3. Januar 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020- 01/asylpolitik-csu-sichere-herkunftsstaaten-bundesrat (zuletzt abgerufen am 20. Januar 2020). 7 Liste der durch das Office français de protection des réfugiés et apatrides (OFPRA) festgelegten sicheren Herkunftsstaaten abrufbar unter: https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/151017_jorf_decision_ca_ofpra _du_9_octobre_2015.pdf (zuletzt abgerufen am 20. Januar 2020).