© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 284/19 Regelungskompetenz für Parkgebühren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 284/19 Seite 2 Regelungskompetenz für Parkgebühren Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 284/19 Abschluss der Arbeit: 12.12.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 284/19 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit der summarischen Prüfung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG bezüglich der Festlegung von Gebühren für das Parken im öffentlichen Raum. 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch auf „den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“. Die Norm ermöglicht in der 4. Variante die bundesgesetzliche Anordnung der Kostenpflichtigkeit der Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums mit Fahrzeugen. Erfasst sind dabei öffentliche Straßen, also jeder nach Straßen- und Wegerecht der verkehrlichen Nutzung durch die Allgemeinheit gewidmete räumliche Bereich.1 Insbesondere ist im Vergleich zu der ebenfalls erfassten 3. Variante, die sich nur auf Fernverkehrsstraßen bezieht, deutlich, dass keine Beschränkung des von der Bundeskompetenz erfassten Verkehrsraums besteht. Es sind alle Straßentypen und auch die zugehörigen öffentlichen Parkplätze erfasst.2 Zudem versteht man unter Benutzung der Straße sowohl die aktive, als auch die passive Verkehrsteilnahme.3 Schließlich erfordert die Kompetenz, dass die Regelung hinsichtlich der Nutzung mit einem Fahrzeug erfolgt. Fahrzeuge sind insoweit technische Hilfsmittel , die die Verkehrsteilnahme auf andere Weise als als Fußgänger ermöglichen.4 Gebühren sind öffentlich-rechtliche Entgelte für vom Gebührenschuldner in Anspruch genommene Leistungen, die von der öffentlichen Hand im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben angeboten werden.5 Eine Regelung von Parkgebühren würde all diese Tatbestandsmerkmale erfüllen.6 1 Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2015, GG Art. 74, Rn. 112. Knauff, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, 182. EGL, Dezember 2016, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Rn. 22. 2 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2018, Art. 74, Rn. 302; Knauff, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, 182. EGL, Dezember 2016, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Rn. 22; Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 88. EGL, August 2019, Art. 74, Rn. 243. 3 Knauff, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, 182. EGL, Dezember 2016, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Rn. 23. 4 Knauff, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, 182. EGL, Dezember 2016, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Rn. 24. 5 Knauff, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, 182. EGL, Dezember 2016, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Rn. 25. 6 So auch BVerwG, Urteil vom 28. September 1979 - 7 C 26/78, BVerwGE 56, 326, 330. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 284/19 Seite 4 Bis zum 20. Januar 2004 beinhaltete das Straßenverkehrsgesetz (StVG) selbst Regelungen für die Höhe von Parkgebühren. Damit hat der Bund seine Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG entsprechend wahrgenommen. Dass diese Regelung von der Kompetenznorm umfasst war, wurde wiederholt durch Rechtsprechung und Literatur bestätigt.7 § 6a Abs. 6 StVG aF lautete: „1Soweit das Parken auf öffentlichen Wegen und Plätzen nur während des Laufs einer Parkuhr oder anderer Vorrichtungen oder Einrichtungen zur Überwachung der Parkzeit zulässig ist, werden Gebühren erhoben; dies gilt nicht für die Überwachung der Parkzeit durch Parkscheiben . 2Die Gebühren stehen in Ortsdurchfahrten den Gemeinden, im Übrigen dem Träger der Straßenbaulast zu. 3Die Gebühren betragen je angefangene halbe Stunde 0,05 Euro. 4Es kann eine höhere Gebühr als 0,05 Euro festgesetzt werden, wenn und soweit dies nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen erforderlich ist, um die Gebühr dem Wert des Parkraums für den Benutzer angemessen anzupassen. 5Neben der Gebühr je angefangene halbe Stunde kann eine pauschalierte Gebühr für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. 6Die Nutzung des Parkraums durch eine möglichst große Anzahl von Verkehrsteilnehmern ist zu gewährleisten . 7Bei der Gebührenfestsetzung kann eine innerörtliche Staffelung vorgesehen werden. 8Für den Fall, dass solche höheren Gebühren festgesetzt werden sollen, werden die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. 9In diesen kann auch ein Höchstsatz festgelegt werden. 10Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden.“ Die Regelung des § 6a Abs. 6 StVG wurde 2004 geändert und lautet aktuell: „1Für das Parken auf öffentlichen Wegen und Plätzen können in Ortsdurchfahrten die Gemeinden , im Übrigen die Träger der Straßenbaulast, Gebühren erheben. 2Für die Festsetzung der Gebühren werden die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. 3In diesen kann auch ein Höchstsatz festgelegt werden. 4Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden.“ Diese nunmehr bestehende Regelung ist aus Sicht der Bundesregierung notwendig, da damit der Bund für Ortsdurchfahrten in seiner Baulast zugunsten der Gemeinden darauf verzichtet, Gebühren zu erheben.8 Darüber hinaus bestehen auch weitere Bundesregelungen für den ruhenden Verkehr, etwa zu entsprechenden Verkehrszeichen oder zugelassenen Einrichtungen zur Überwachung der Parkzeit (§ 13 StVO). 3. Voraussetzungen für eine Bundesregelung für Parkgebühren Es handelt sich bei der beschriebenen Kompetenz um eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz . Demnach haben die Länder die Befugnis, Regelungen auf dem Gebiet zu erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Im Bereich der Gebührenerhebung für den ruhenden Verkehr hat der Bund 7 Vgl. auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, Parkraumbewirtschaftung in die Hand der Städte und Gemeinden, BT-Drs. 15/2302, S. 2; Vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 28. September 1979 - 7 C 26/78, BVerwGE 56, 326, 330; Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 88. EGL, August 2019, Art. 74, Rn. 243. 8 Vgl. auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, Parkraumbewirtschaftung in die Hand der Städte und Gemeinden, BT-Drs. 15/2302, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 284/19 Seite 5 derzeit nur Regelungen zu einer Rahmengebühr für das Ausstellen von Anwohnerparkausweisen erlassen.9 Für weitere Gebiete, wie Parkgebühren bestehen aktuell keine Regelungen. Die oben dargestellte frühere Regelung wurde 2004 abgeschafft. Nach Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund auf den Gebieten des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG das Gesetzgebungsrecht , „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“ Die Abschaffung der früheren Regelung zu Parkgebühren im StVG wurde 2004 wie folgt begründet: „Die Neufassung des § 6a Abs. 6 StVG erfolgt mit dem Ziel, die Parkgebührenerhebung künftig vollständig der freien Disposition der Kommunen zu überlassen. Eine staatliche Reglementierung dieses Bereiches erscheint nicht erforderlich, da die Kommunen ohnehin in eigener Verantwortung den straßenrechtlichen Widmungszweck, den garantierten Gemeingebrauch und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten haben. Im Hinblick auf die derzeitigen allgemeinen Bestrebungen zur Deregulierung sind weitreichende Vorgaben auch nicht mehr zeitgemäß.“10 Die wesentlichen Begründungselemente waren die fehlende Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung bzw. das Bestreben nach Deregulierung und besseren Regelung durch die sachnähere Verwaltungseinheit vor Ort. Dass diese Begründung aktuell nicht mehr aufrechterhalten wird und durchgreift, ist nicht ersichtlich. Mithin hat der Gesetzgeber damals Argumente festgehalten, die gegen die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit sprechen. Insofern scheint eine neue Regelung zu Parkgebühren auf Bundesebene nach derzeitigem Erkenntnisstand mit Art. 72 Abs. 2 GG nicht vereinbar. *** 9 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl. I S. 1416), Anlage (zu § 1), Nr. 265 „Ausstellen eines Parkausweises für Bewohner“, 10,20 bis 30,70 Euro pro Jahr. 10 Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28. August 2003, BT-Drs. 15/1496, S. 6.