© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 282/18 Flucht und Migration Aktuelle Rechtsentwicklungen im Überblick Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 282/18 Seite 2 Flucht und Migration Aktuelle Rechtsentwicklungen im Überblick Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 282/18 Abschluss der Arbeit: 31.08.2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 282/18 Seite 3 1. Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden im Jahr 2017 186.644 Asylsuchende – insbesondere aus Syrien, Irak und Afghanistan – in Deutschland registriert . Im Jahr 2016 hatten ca. 280.000 und im Jahr 2015 ca. 890.000 Personen in Deutschland Schutz gesucht. Die Flüchtlingszuwanderung stellt die Bundesrepublik vor besondere integrations- und migrationspolitische Herausforderungen. Der Bundesgesetzgeber hat auf diese Herausforderungen in der letzten Wahlperiode mit zahlreichen Maßnahmen zur Integrationsförderung nach dem Leitbild des „Förderns und Forderns“ reagiert. Migrationspolitisch bedeutsam sind insbesondere der Familiennachzug, der für subsidiär Schutzberechtigte Einschränkungen erfahren hat, effiziente Asyl- und Rückführungsverfahren sowie Perspektiven für die legale Migration. 2. Integration durch „Fördern und Fordern“ Das Integrationskonzept „Fördern und Fordern“ ist so ausgestaltet, dass es Integrationsangebote für Asylbewerber und asylrechtlich Schutzberechtigte einerseits ausweitet, ihre Wahrnehmung andererseits aber auch einfordert. Mit dem Integrationsgesetz aus dem Jahr 2016 wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, um Asylbewerber im Einzelfall zur Teilnahme an Integrationskursen und zur Verrichtung zugewiesener Tätigkeiten (Arbeitsgelegenheiten) zu verpflichten und die Nichtteilnahme mit Leistungskürzungen zu sanktionieren. Auch die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis kommt für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge nur dann in Betracht, wenn sie bestimmte Integrationsleistungen erbracht haben (z.B. hinreichende Deutschkenntnisse , überwiegende Unterhaltssicherung). Dabei wirkt sich die Teilnahme an einem Integrationskurs positiv auf die Gewährung eines unbefristeten Aufenthaltstitels aus, denn die insoweit u.a. erforderlichen Kenntnisse der Sprache, Rechtsordnung etc. gelten bei erfolgreicher Teilnahme am Integrationskurs als nachgewiesen. Die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs erleichtert ferner die Bedingungen der Einbürgerung: Anstelle eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland ist nur ein siebenjähriger Voraufenthalt erforderlich. Weitere besondere Integrationsleistungen können den erforderlichen Voraufenthalt für die Einbürgerung auf sechs Jahre verkürzen. Zum Integrationskonzept gehört ferner die Wohnsitzregelung. Sie verpflichtet asylrechtlich Schutzberechtigte dazu, für einen Zeitraum von drei Jahren ihren Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland und ggf. auch an einem bestimmten Ort zu nehmen. Ausnahmen von der Wohnsitzregelung gelten bei vorzuweisenden Integrationsleistungen (Aufnahme einer Beschäftigung, einer Berufsausbildung oder eines Studiums). Die Wohnsitzzuweisung an einen bestimmten Ort kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dadurch eine angemessene Wohnraumversorgung, der Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert werden kann. Auf der anderen Seite kann auch der Zuzug an einen bestimmten Ort untersagt werden, um „soziale und gesellschaftlicher Ausgrenzung“ zu vermeiden („Zuzugssperre“). 3. Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten Der Familiennachzug zu Ausländern, die über eine subsidiäre Schutzberechtigung nach § 4 Asylgesetz verfügen (z.B. Bürgerkriegsflüchtlinge), wurde dem (privilegierten) Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen im Jahr 2015 zunächst gleichgestellt. Nach einer mehr als zweijährigen Aussetzung dieser Gleichstellung gelten nun die Neuregelungen des § 36a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Danach ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr – wie Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 282/18 Seite 4 noch im Jahr 2015 – als Anspruch ausgestaltet, sondern er wird im Rahmen eines monatlichen Kontingents von 1000 nationalen Visa aus humanitären Gründen gewährt. Humanitäre Gründe in diesem Sinne liegen nach § 36a Abs. 2 S. 1 AufenthG u.a. vor, wenn „die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft seit langer Zeit nicht möglich ist“ oder „ein minderjähriges lediges Kind betroffen ist“. Das Kindeswohl und Integrationsaspekte sollen besondere Berücksichtigung finden. Neben dem neuen „Familiennachzugs-Kontingent“ bleibt eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen aus dem Ausland nach § 22 AufenthG („dringende humanitäre Gründe) und § 23 AufenthG (Bundes- und Länderaufnahmeprogramme) im Rahmen von Ermessensentscheidungen weiterhin möglich. 4. Asyl- und Rückführungsverfahren Zahlreiche Maßnahmen des Bundesgesetzgebers beziehen sich auf die Beschleunigung von Asylverfahren und auf eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Verfahrensbedingungen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten. Nach den Neuregelungen müssen sie für die Dauer des Asylverfahrens – und ggf. bis zur Ausreise oder Abschiebung – in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen, dürfen keine Erwerbstätigkeit ausüben und haben keinen Zugang zu Integrationsangeboten. Darüber hinaus wurde für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten die Möglichkeit beschleunigter Asylverfahren geschaffen, die innerhalb von einer Woche durchzuführen sind und den Aufenthalt in besonderen Aufnahmeeinrichtungen vorsehen. Nach der Bestimmung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten im Oktober 2015 liegt nun ein Gesetzentwurf zur Einstufung von Algerien, Georgien, Marokko und Tunesien vor. Weitere wichtige Gesetzesänderungen aus dem Jahr 2017 ermöglichen – die Herausgabe und Auswertung von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern zur Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit, – Regelungen der Bundesländer, um die Wohnverpflichtung von Asylbewerbern in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verlängern, und zwar im Fall der Ablehnung des Asylantrags ggf. bis zur Ausreise oder Abschiebung und – die elektronische Aufenthaltsüberwachung ausreisepflichtiger „Gefährder“. 5. Fachkräfteeinwanderungsgesetz Der Koalitionsbeschluss vom 5. Juli 2018 sieht vor, dass der Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz noch in diesem Jahr in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird. Geplant ist u.a. ein Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige mit qualifizierter Berufsausbildung zum Zweck der Arbeitssuche. Auch soll das Verfahren zwischen Visumstellen, Ausländerbehörden, Arbeitsverwaltung und BAMF effizienter und transparenter ausgestaltet werden. ***