© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 280/20 Verfassungsrechtliche Fragen zum Presseausweis Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 2 Verfassungsrechtliche Fragen zum Presseausweis Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 280/20 Abschluss der Arbeit: 17. Dezember 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, ob eine Regelung verfassungskonform wäre, die nur ausgewählten Verbänden die Ausstellung von Presseausweisen für bestimmte Pressevertreter gestattet, insbesondere dann, wenn die Ausstellung des Presseausweises an Kriterien wie Hauptberuflichkeit oder eine bestimmte „politische Orientierung“ der betroffenen Pressevertreter geknüpft werden würde. Weiter wird gefragt, ob die Praxis verfassungskonform ist, wonach Behörden den bundeseinheitlichen Presseausweis, der auf Grundlage der Vereinbarung der Innenminister-Konferenz der Länder mit dem Deutschen Presserat von bestimmten Medienverbänden1 ausgestellt wird, als vereinfachten Nachweis über die Ausübung einer journalistischen Tätigkeit anerkennen, Presseausweise anderer Medienverbände aber nicht. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausstellung von Presseausweisen Der Presseausweis dient Vertretern der Presse als Instrument, ihre Presseangehörigkeit nachweisen zu können. Regelungen, die die Ausstellung von Presseausweisen sowie ihre Anerkennung als Nachweis über die Presseangehörigkeit durch Behörden betreffen, haben sich insbesondere an der gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 Grundgesetz (GG) garantierten Pressefreiheit sowie am Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. 2.1. Unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG? Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG schützt die Pressefreiheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine „freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse […] ein Wesenselement des freiheitlichen Staates“2 und für die moderne Demokratie unentbehrlich. Als Presse sind alle zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeignete und bestimmte Druckerzeugnisse einzustufen.3 Grundrechtsträger sind alle Personen und Unternehmen, die die geschützten Tätigkeiten vornehmen.4 Das Bundesverfassungsgericht betont, dass der Staat „verpflichtet [ist], in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen“5. Prinzipielle Folgerungen, die das Bundesverfassungsgericht aus der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG garantierten Staatsfreiheit zieht, sind die freie Gründung von Presseorganen, der freie Zugang zu den Presseberufen sowie Auskunftspflichten der Behörden. 1 Vereinbarung zwischen dem Vorsitz der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und dem Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Vertragsparteien) über die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises vom 1. Dezember 2016, abrufbar unter: https://www.presserat.de/files/presserat/dokumente /presseausweis/Vereinbarung_und_Selbstverpflichtung.pdf (letzter Abruf: 16. Dezember 2020). 2 BVerfGE 20, 162 (174), Hervorhebung nur hier. 3 BVerfGE 95, 28 (35). 4 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 5 Rn. 38. 5 BVerfGE 20, 162 (175 f.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 4 Jede Maßnahme eines Grundrechtsverpflichteten, die zu einer Unterbindung oder Behinderung der geschützten Pressetätigkeiten führt, stellt einen Eingriff in die Pressefreiheit dar.6 Fraglich ist, ob eine Regelung, wonach die Ausgabe eines Presseausweises nur durch ausgewählte Medienverbände sowie nach bestimmten Kriterien vorgenommen werden darf, einen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen würde. Da keine konkrete Regelung zur Prüfung vorliegt, können hier nur allgemeine Überlegungen angestellt werden. Für die Bewertung der Frage ist von ausschlaggebender Bedeutung, welche Wirkung dem Presseausweis zukommen soll. Eine Regelung, bei der dem Presseausweis – wie es derzeit der Fall ist – keine rechtlich konstitutive Bedeutung zukommt und der insofern nur als Instrument eines vereinfachten Nachweises der Pressezugehörigkeit dient,7 würde nicht in die Pressefreiheit eingreifen. In diesem Fall steht es dem Einzelnen auch ohne Presseausweis frei, sich pressemäßig zu betätigen und seine Pressezugehörigkeit auf anderem Wege nachzuweisen.8 Anders wäre bspw. der Fall zu beurteilen, wenn der Presseausweis durch staatlich beliehene Presseverbände mit der Wirkung einer öffentlichen Urkunde ausgestellt werden sollte, die die Pressezugehörigkeit seines Trägers bestätigt. Nach zutreffender Ansicht in der Literatur wäre eine solche Regelung geeignet, die Zulassungsfreiheit der Presse und die Zugangsfreiheit zu den Presseberufen zu umgehen und würde damit einen unzulässigen Eingriff in die Pressefreiheit bedeuten.9 Die Pressefreiheit gilt zwar nicht schrankenlos; sie findet ihre Schranken insbesondere in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, Art. 5 Abs. 2 GG. Darunter sind solche Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die Freiheit von Presse an sich richten, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen.10 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sind die Vorschriften der allgemeinen Gesetze wiederum selbst stets im Blick auf die Meinungsfreiheit auszulegen und daher in ihrer die Pressefreiheit beschränkenden Wirkung gegebenenfalls selbst wieder einzuschränken (sogenannte Wechselwirkung ).11 Es spricht viel dafür, dass durch eine Regelung, die ausgewählten Verbänden die Befugnis zur Ausstellung amtlicher Presseausweise verleiht, jene Nähe zu staatlichen Institutionen begünstigt werden würde, die der Grundsatz der Staatsfreiheit ausschließen will.12 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Eingriff durch einen Grundrechtsverpflichteten erfolgen muss. Die Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung, Art. 1 6 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 5 Rn. 39. 7 Siehe dazu VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2018 – 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (499). 8 So schon Degenhart, AfP 2005, 305 (313). 9 Degenhart, AfP 2005, 305 (308); siehe auch VG Düsseldorf, Urteil vom 17. September 2004 – 1 K 1651/01, NJW 2005, 1353. 10 Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 45. Edition Stand: 15. November 2020, Art 5 Rn. 99. 11 BVerfGE 20, 162 (176 f.); BVerfGE 59, 231 (265); BVerfGE 71, 206 (214). 12 So schon Degenhart, AfP 2005, 305 (308 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 5 Abs. 3 GG. Private Rechtssubjekte sind dagegen grundsätzlich nicht an die Grundrechte gebunden. Eine Ausnahme bilden die sogenannten Beliehenen, d. h. solche private Rechtssubjekte, denen die Befugnis verliehen wird, selbstständig Verwaltungsaufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen.13 Diese sind Grundrechtsverpflichtete im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG. Darüber hinaus können private Rechtssubjekte auch unter bestimmten Umständen einer mittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen. Soweit die staatlich als vereinfachter Nachweis anerkannten Presseausweise – wie es derzeit der Fall ist – auf Grundlage einer Vereinbarung der Innenministerkonferenz der Länder und des Deutschen Presserates von privaten Verbänden ausgegeben werden, wird in Literatur und Rechtsprechung von einer solchen mittelbaren Grundrechtsbindung dieser Verbände ausgegangen, die dazu führt, dass die Verbände bei der Festlegung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Presseausweises die Grundrechte der Pressevertreter zu wahren haben und die Voraussetzungen nicht willkürlich bestimmen dürfen.14 2.2. Verstoß gegen das Gebot der Pressegleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG? Eine Regelung für die Ausstellung von Presseausweisen muss dem Gebot der Pressegleichheit Rechnung tragen. Auch bei staatlichen Vergünstigungen, wie etwa das Anerkennen eines von bestimmten Verbänden ausgestellten Presseausweises und der damit für seinen Träger gegenüber anderen Pressevertretern erleichterte Zugang zu Informationen bzw. Zutritt zu Veranstaltungen, ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu achten.15 Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.16 2.2.1. Vergleichsgruppen An einer solchen Gleichbehandlung könnte es fehlen, wenn Behörden bestimmte Presseausweise anerkennen, andere aber nicht. Es sind hier verschiedene Vergleichsgruppen denkbar. Zunächst kann die Gruppe der ausgewählten Medienverbände, deren Presseausweise anerkannt werden, einer Gruppe von Medienverbänden gegenübergestellt werden, deren Presseausweise nicht anerkannt werden. Weitere Vergleichsgruppen bilden Pressevertreter, die einen anerkannten Presseausweis ausgestellt bekommen, da sie die Kriterien für den staatlich anerkannten Presseausweis erfüllen, bspw. weil sie hauptberuflich pressemäßig tätig sind, gegenüber solche, die die Voraussetzungen für den anerkannten Presseausweis nicht erfüllen, bspw. weil sie sich nur nebenberuflich pressemäßig betätigen. 13 Zum Begriff der Beliehenen siehe Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 45. Edition Stand: 15. November 2020, Art. 86 Rn. 21. 14 Degenhart, AfP 2005, 305 (308); OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 9. Juni 1982 – 17 U 117/82, NJW 1982, 2259. 15 Degenhart, AfP 2005, 305 (307). 16 Vgl. nur BVerfGE 79, 1 (17); 126, 400 (416). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 6 2.2.2. Ungleichbehandlung Eine Ungleichbehandlung liegt im Fall einer zwischen Personengruppen oder Sachverhalten differenzierenden Behandlung vor. Ob es zu einer Differenzierung gekommen ist, ist anhand der jeweiligen Rechtsfolgen zu beurteilen.17 Wenn Behörden nur die Presseausweise bestimmter Medienverbände anerkennen, werden diese gegenüber anderen Medienverbänden unterschiedlich behandelt. Dies ist auch der Fall, wenn Behörden bestimmten Pressevertretern allein auf Grund des vorgelegten anerkannten Presseausweises Zutritt oder Informationen gewähren, von Pressevertretern mit anderen Presseausweisen aber weitere Nachweise der Pressezugehörigkeit verlangen, da es bei letzteren größeren Aufwand auslöst, der zu zeitlichen Verzögerungen führen kann, die ggfs. der Erfüllung des Anspruches vereiteln. 2.2.3. Rechtfertigung Der Staat ist unterdessen nicht verpflichtet, jeglichen Sachverhalt oder jede Personengruppe gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung kann daher gerechtfertigt werden. Nur wenn eine solche Rechtfertigung nicht gelingt, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus Art. 3 Abs. 1 GG je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.18 Unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen.19 Differenzierungen sind in jedem Fall nur auf der Grundlage von Sachgründen zulässig.20 Eine gesetzliche Differenzierung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dabei umso schwieriger zu rechtfertigen, je weiter die Auswirkungen der Ungleichbehandlung auf die Freiheitsausübung sein können.21 Der der Rechtfertigungsprüfung zugrundzulegende Maßstab ist zudem umso strenger, je stärker die Differenzierungskriterien in der Person des Betroffenen liegen.22 Mangels einer konkreten Regelung, die es zu prüfen gilt, können auch hier nur einige grundlegende Ausführungen erfolgen. In jedem Fall gilt, dass die zur Ausstellung berechtigten Verbände sowie die Verfahren und Kriterien für die Ausstellung von Presseausweisen willkürfrei bestimmt werden müssen.23 Aus Art. 5 17 Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK, 45. Edition Stand: 15. November 2020, Art. 3 Rn. 15. 18 BVerfGE 131, 239 (Rn. 53) mit weiteren Nachweisen. 19 Ebenda. 20 Ebenda. 21 BVerfGE 122, 210 (Rn. 56). 22 Boysen, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Auflage 2012, Art. 3 Rn. 105. 23 Degenhart, AfP 2005, 305 (307). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 7 Abs. 1 Satz 2 GG rührt eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die Grundrechtsverpflichteten jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Staatliche Förderungen dürfen daher bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen.24 Fraglich ist, inwiefern darüber hinaus ein strengerer Maßstab heranzuziehen wäre. Dafür ist zunächst ausschlaggebend, inwieweit das Differenzierungskriterium in der Person des Betroffenen liegt. Eine Differenzierung, die an die Aussteller des Presseausweises anknüpft, weist keine besondere persönliche Betroffenheit auf, da es sich hier um juristische Personen handelt. Soweit das Kriterium der Hauptberuflichkeit zur Voraussetzung für die Ausstellung eines anerkannten Presseausweises gemacht werden würde, ist nicht von einer besonderen persönlichen Betroffenheit auszugehen . Hierbei handelt es sich um einen Umstand, der letztlich in der freien Disposition des Einzelnen steht. Weiter auschlaggebend ist die Frage, wie stark die Auswirkungen auf die Ausübung der Pressefreiheit zu beurteilen sind. Soweit neben dem anerkannten Presseausweis auch andere Nachweise der Pressezugehörigkeit möglich sind, dürften die Auswirkungen auf die Pressefreiheit im Regelfall als nicht besonders stark einzuschätzen seien. Etwas anderes könnte für Situationen gelten, in denen ein rascher, unkomplizierter Nachweis von Nöten ist, bspw. wenn bei Demonstrationen Durchlass zu abgesperrten Bereichen erbeten wird. Auf diese Situationen können sich die Betroffenen aber auch einstellen und andere Nachweise (bspw. ein Redaktionsschreiben) mit sich führen. Alles im allem spricht daher viel dafür, dass sich die Regelung nur am Maßstab des Willkürverbots zu messen haben würde. Für die Differenzierungen bedarf es somit eines sachlichen Grundes. Zudem darf durch die Differenzierung keine bestimmte Meinung oder Tendenz begünstigt oder benachteiligt werden. 2.2.3.1. Auswahl der ausstellungsberechtigten Medienverbände Die Auswahl der ausstellungsberechtigten Medienverbände, deren Presseausweise anerkannt werden, muss willkürfrei erfolgen. In Rechtsprechung und Literatur werden als zulässige Auswahlkriterien die Sachkompetenz und die Zuverlässigkeit der betroffenen Verbände angesehen.25 Wenn staatliche Stellen sich von der Prüfung der Pressezugehörigkeit im Einzelfall entlasten, indem sie die Vorlage eines bestimmten Presseausweises ausreichen lassen, müsse gewährleistet sein, dass diese Presseausweise nur nach sorgfältiger Prüfung ausgestellt werden würden.26 Dies erfordere eine hinreichende Größe und Repräsentativität der Verbände.27 In der Literatur wird zudem die Ansicht vertreten, dass eine zahlenmäßige Beschränkung nicht nur zulässig, sondern sogar geboten sei, um eine hinreichende Aussagekraft des Presseausweises zu gewährleisten.28 24 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 -, juris, Rn. 29; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. Dezember 1995 - 10 L 5059/93 -, juris, Rn. 70; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Werkstand: 91. EL April 2020, Art. 5 GG Rn. 383 f. 25 VG Düsseldorf, Urteil vom 17. September 2004 – 1 K 1651/01, NJW 2005, 1353 (1355); Degenhart, AfP 2005, 305 (312). 26 VG Düsseldorf, Urteil vom 17. September 2004 – 1 K 1651/01, NJW 2005, 1353 (1355). 27 Degenhart, AfP 2005, 305 (312). 28 VG Düsseldorf, Urteil vom 17. September 2004 – 1 K 1651/01, NJW-RR 2005, 1353 (1355) sowie Urteil vom 19. November 2018 - 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (501); Degenhart, AfP 2005, 305 (312). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 8 Die Aussagekraft hänge nicht zuletzt auch von einer einheitlichen Ausstellungpraxis nach gleichmäßigen Kriterien ab. Die Anzahl der ausstellungsberechtigten Verbände müsse gewährleisten, dass enge Absprachen und Erfahrungsaustausch möglich seien, nicht zuletzt um missbräuchliche Antragsstellungen ausschließen zu können.29 Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stimmt diesem Argument grundsätzlich zu, hat jedoch in zwei Entscheidungen die Notwendigkeit betont, dass auch weiteren Verbänden, die die Auswahlkriterien erfüllen, die Möglichkeit offen stehen müsse, an der Förderung teilzuhaben.30 2.2.3.2. Kriterien für die berechtigten Pressevertreter Mit Blick auf die Kriterien, die die Pressevertreter zu erfüllen haben, damit ihnen ein amtlich anerkannter Presseausweis ausgestellt werden kann, gilt ebenfalls, dass diese eines sachlichen Grundes bedürfen. Zudem darf durch die Differenzierung keine bestimmte Meinung oder Tendenz begünstigt oder benachteiligt werden. Ein wie auch immer ausgestaltetes Kriterium der „politische Orientierung“ zur Voraussetzung für die Ausstellung zu machen, wäre daher willkürlich und würde gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Das Kriterium der Hauptberuflichkeit wird hingehen in der Literatur und von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als ein Sachgrund anerkannt.31 Dies wird damit begründet, dass damit die Pressevertreter herausgegriffen werden, die in qualifizierter Weise die zentralen Funktionen der Pressefreiheit wahrnehmen. Der Kreis der Berechtigten sei über dieses Kriterium eindeutig abgrenzbar, dies führe zu einer höheren Aussagekraft des Presseausweises und biete zudem eine gewisse Gewähr für die Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit journalistischer Tätigkeit.32 Das Kriterium sei inhaltsneutral, da es ausschließlich an die wirtschaftliche Bedeutung sowie den Umfang journalistischer Tätigkeit anknüpfe und damit keine qualitativen Merkmale der Presse beurteile.33 Solange auch nicht hauptberuflichen Pressevertretern die Möglichkeit eingeräumt sei, auf andere Weise den Nachweis ihrer Pressezugehörigkeit erbringen zu können, sei die Privilegierung der hauptberuflichen Pressevertreter nicht unangemessen.34 Vereinzelt wird das Kriterium der Hauptberuflichkeit mit Blick auf die Digitalisierung und Blogger als veraltet bezeichnet.35 Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zu dieser Frage noch nicht ergangen. Es spricht viel dafür, dass sofern die Förderung an ein inhaltsneutrales Kriterium wie die Hauptberuflichkeit geknüpft wird, 29 Degenhart, AfP 2005, 305 (312). 30 VG Düsseldorf, Urteil vom 17. September 2004 – 1 K 1651/01, NJW-RR 2005, 1353 (1355) und VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2018 - 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (501). 31 Degenhart, AfP 2005, 305 (311); VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2018 - 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (499). 32 VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2018 - 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (499). 33 Ebenda. 34 VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2018 - 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (500). 35 Kahl, Kommunikation & Recht 2014, 483 (488). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 280/20 Seite 9 der bestehende Handlungsspielraum nicht überschritten wird, zumal auch eine hauptberufliche Tätigkeit als Blogger nicht ausgeschlossen scheint. 3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Praxis des bundeseinheitlichen Presseausweises? Zu prüfen ist weiter, ob der derzeitigen Praxis der behördlichen Anerkennung (nur) des bundeseinheitlichen Presseausweises als vereinfachtem Nachweis verfassungsrechtliche Bedenken gegenüberstehen . Die Innenministerkonferenz und der Deutsche Presserat haben im Jahr 2016 eine Vereinbarung getroffen, wonach der bundeseinheitliche Presseausweis wieder eingeführt wird. Der bundeseinheitliche Presseausweis dient Journalistinnen und Journalisten als Nachweis ihrer journalistischen Professionalität. Die Vereinbarung der Innenministerkonferenz und des Deutsche Presserates enthält nähere Bestimmungen für das Verfahren zur Ausgabeberechtigung und Ausstellung der bundeseinheitlichen Presseausweise.36 § 7 der Vereinbarung regelt, welche Kriterien Verbände zu erfüllen haben, um zur Ausgabe berechtigt zu sein; insbesondere darf die Ausgabe des Presseausweises tatsächlich nicht Hauptzweck sein und nicht gewerblich betrieben werden. Die Ausweise werden nur an hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten ausgegeben, die eine verantwortliche, im öffentlichen Interesse liegende journalistische Tätigkeit ausüben (vgl. § 9 der Vereinbarung). Um einheitliche Verfahren zur Ausgabeberechtigung und Ausstellung dieser Presseausweise zu gewährleisten , hat der Deutsche Presserat eine Ständige Kommission eingerichtet, die paritätisch mit je zwei vom Deutschen Presserat und der Innenministerkonferenz benannten Mitgliedern besetzt ist. Derzeit kann der bundeseinheitliche Presseausweis bei sechs verschiedenen Medienverbänden beantragt werden.37 Soweit nur der bundeseinheitliche Presseausweis als vereinfachter Nachweis von Behörden anerkannt wird, andere Presseausweise aber nicht, liegt eine Ungleichbehandlung vor. Wie oben bereits ausgeführt, spricht viel dafür, dass das Kriterium der Hauptberuflichkeit von solcher Art und solchem Gewicht ist, dass es die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, zumindest solange auch andere Nachweise der Pressezugehörigkeit möglich sind.38 *** 36 Vereinbarung zwischen dem Vorsitz der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und dem Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Vertragsparteien) über die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises vom 1. Dezember 2016, (Fn. 1). 37 Information des Deutschen Presserats, abrufbar unter: https://www.presserat.de/presseausweis.html (letzter Abruf: 16. Dezember 2020). 38 VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2018, 1 K 18527/17, NVwZ 2019, 498 (501).