WD 3 - 3000 - 279/20 (18. Dezember 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Gefragt wird, ob die Bundesregierung bzw. der Verteidigungsminister Bundestagsabgeordneten generell untersagen kann, ihren Besuch bei der Bundeswehr mittels Bild- und Tonaufnahmen zu dokumentieren. Ferner wird gefragt, ob eine solche Beschränkung zulässigerweise zwischen Abgeordneten einerseits und Mitgliedern der Bundesregierung, beamteten Staatssekretären sowie parlamentarischen Staatssekretären andererseits differenzieren dürfte. Die Frage, ob Bundestagsabgeordnete nach dem Grundgesetz das Recht haben, sich vor Ort bei der Bundeswehr einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (sogenanntes Truppenbesuchsrecht) wird ausführlich in der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Zum Truppenbesuchsrecht der Mitglieder des Bundestages bei Auslandseinsätzen, WD 3 - 3000 - 189/16 (siehe Anlage) erörtert. Es wird darin festgestellt, dass sich trotz des besonderen Charakters der Bundeswehr als „Parlamentsheer“ aus den grundgesetzlichen Regelungen der Wehrverfassung keine Fürsorge- und Kontrollbefugnisse des Bundestages ableiten lassen, die ein Truppenbesuchsrecht der Bundestagsabgeordneten beinhalten. Weiter wird festgestellt, dass sich auch aus dem Status der Freiheit des Mandats gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) und den sich daraus ergebenden parlamentarischen Informations- und Teilnahmerechten kein Truppenbesuchsrecht ergibt. Die Selbstinformationsrechte, bei denen sich der Bundestag die Informationen unmittelbar selbst verschafft und zu denen auch das Truppenbesuchsrecht zu zählen ist, sind im Grundgesetz nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Dieses im Grundgesetz vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis würde umgegangen, sollte ein solches Recht unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gefolgert werden . Zudem stehen dem Bundestag zur Verwirklichung seiner Kontrollfunktionen bereits zwei Hilfsorgane zur Verfügung: der Verteidigungsausschuss (Art. 45a GG) und der Wehrbeauftragte des Bundestages (Art. 45b GG), zu dessen Amtsbefugnissen gemäß § 3 Nr. 4 WBeauftrG auch ein Truppenbesuchsrecht gehört, dass grundsätzlich nur ihm persönlich zusteht. Auch einfachgesetzlich ist kein Truppenbesuchsrecht für Bundestagsabgeordnete geregelt; ein solches findet sich weder im Abgeordnetengesetz noch im Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz ). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Beschränkung der bildlichen Dokumentation von Abgeordnetenbesuchen bei der Bundeswehr Kurzinformation Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Beschränkung der bildlichen Dokumentation von Abgeordnetenbesuchen bei der Bundeswehr Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Besuche von Politikerinnen und Politikern (und damit auch von Bundestagsabgeordneten) bei der Bundeswehr regelt gegenwärtig der Zentralerlass B-630/6 des Bundesministeriums der Verteidigung .1 Das Bundesministerium der Verteidigung ist als oberste Bundesbehörde im Rahmen seines Ressorts grundsätzlich zum Erlass solcher allgemeiner Verwaltungsvorschriften ermächtigt. Hierbei handelt es sich allerdings um reines Innenrecht, das keinerlei Ansprüche nach außen begründet. Änderungen des Erlasses – wie bspw. die Untersagung von Besuchsdokumentationen – wären somit grundsätzlich zulässig. Das Bundesministerium der Verteidigung ist bei der Ausübung seiner Befugnisse an Gesetz und Verfassung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG. Es hat insbesondere auch das aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG resultierende Prinzip einer formalen Gleichstellung aller Abgeordneten zu beachten. Dieses besagt, dass im gesamten parlamentarischen Arbeitsbereich alle Abgeordneten über die gleichen Mitgliedschaftsrechte verfügen müssen, da nur die Gesamtheit der Abgeordneten die demokratisch gewählte Volksvertretung darstellt.2 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folgt daraus insbesondere, dass Differenzierungen zwischen Abgeordneten stets eines besonderen rechtfertigenden Grundes bedürfen.3 Das Recht auf Gleichbehandlung aller Abgeordneten steht einer Differenzierung von Dokumentationsrechten für Mitglieder der Bundesregierung (Bundeskanzler und Bundesminister), beamtete Staatssekretäre, parlamentarische Staatssekretäre gegenüber Bundestagsabgeordneten aber nicht entgegen. Bei der Bundesregierung handelt es sich um ein von dem Bundestag und seinen Mitgliedern zu trennendes selbstständiges Verfassungsorgan mit eigenen Rechten und Pflichten. Beamtete Staatssekretäre, denen die interne administrative Vertretung der Bundesminister sowie die Behördenleitung obliegen, sind formal zwar nicht Teil der Bundesregierung. Sie sind aber auch keine Mitglieder des Deutschen Bundestages. Parlamentarische Staatssekretäre nehmen insoweit eine Sonderstellung ein, da sie selbst Mitglieder des Deutschen Bundestages sind, die die Mitglieder der Bundesregierung bei der Erfüllung ihrer Regierungsaufgaben unterstützen sollen, § 1 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG). Durch diese Doppelfunktion soll eine wichtige Brücke zwischen der Regierungs- und Parlamentsarbeit geschlagen werden. Welche Aufgaben ein Parlamentarischer Staatssekretär im Einzelnen wahrnimmt, bestimmt gemäß § 14a der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GO-BReg) der jeweilige Bundesminister . Hervorzuheben ist insbesondere die Vertretungsbefugnis des Parlamentarischen Staatssekretärs etwa für Erklärungen vor dem Bundestag, vor dem Bundesrat und in den Sitzungen der Bundesregierung (§ 14 Abs. 2 GO-BReg). Dem parlamentarischen Staatssekretär kommt somit die Funktion eines politischen Vertreters des Ministers zu. Soweit der parlamentarische Staatssekretär in seiner Funktion tätig wird, ist er nicht mit anderen Abgeordneten vergleichbar; das Prinzip der formalen Gleichbehandlung greift hier ebenfalls nicht. *** 1 Zentralerlass B-630/6, Besuche von Politikerinnen und Politikern bei der Bundeswehr. 2 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 38 Rn. 169. 3 BVerfGE 93, 195 (204); BVerfGE 40, 296 (317 f.).