© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 279/14 Änderungsbedarf im Passrecht aufgrund der UN-Resolution 2178 (2014) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 2 Änderungsbedarf im Passrecht aufgrund der UN-Resolution 2178 (2014) Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 279/14 Abschluss der Arbeit: 20. November 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Aussagen der UN Resolution 2178 (2014) 4 2.1. Ausländische terroristische Kämpfer als besondere Gefahr 4 2.2. Maßnahmen zur Verhinderung der Ein- und Ausreise 5 3. Maßnahmen nach gegenwärtiger Rechtslage 6 3.1. Maßnahmen nach dem Passrecht 6 3.1.1. Ausreiseverbot nach dem Passgesetz 6 3.1.2. Weitere passbeschränkende Maßnahmen 8 3.2. Einreise und Ausreise von Ausländern 9 3.2.1. Aufenthaltstitel 9 3.2.2. Grenzkontrollen 10 3.2.3. Zurückweisung nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG 10 3.2.3.1. Ausweisungsgrund nach § 54 AufenthG 11 3.2.3.2. Rechtsprechung zu § 54 Nr. 5 AufenthG 11 3.2.4. Ausreiseverweigerung nach § 46 Abs. 2 AufenthG 13 3.3. Ein- und Ausreise von EU-Bürgern 13 4. Anpassungsbedarf aufgrund der UN-Resolution 2178 (2014) 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 4 1. Fragestellung Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am 24. September 2014 die UN-Resolution 2178 (2014) verabschiedet. Diese Resolution fordert die Mitgliedstaaten zu schärferen Maßnahmen gegenüber mutmaßlichen Terroristen auf. Die Mitgliedstaaten werden nach dieser Resolution nicht nur verpflichtet, einen umfassenden Straftatenkatalog für das Reisen mit terroristischer Absicht zu erlassen, sondern auch dazu, die Ein-, Aus- und Durchreise stärker zu kontrollieren. Diese Ausarbeitung stellt die durch die Resolution 2178 (2014) gestellten Anforderungen im Hinblick auf passrechtliche sowie – im engen Sachzusammenhang dazu stehende – ausländerrechtliche Maßnahmen dar (dazu unter 2.). Zur Klärung der Frage eines etwaigen Anpassungsbedarfs ist zunächst die gegenwärtige Rechtslage im Hinblick auf die durch die Resolution geforderten Maßnahmen zu analysieren (dazu unter 3.). Dazu werden zunächst Maßnahmen nach dem Passgesetz (PassG) und dem Personalausweisgesetz (PAuswG) erörtert, wobei besonderes Augenmerk auf das Ausreiseverbot nach dem Passgesetz gegenüber deutschen Staatsangehörigen gelegt wird. Sodann wird erläutert, inwiefern nach derzeitiger Rechtslage die Ein- und Ausreise von Ausländern und EU-Bürgern im Hinblick auf terroristische Aktivitäten im Ausland verweigert werden kann. Abschließend erfolgt eine Bewertung dessen, welche Auswirkungen die UN-Resolution 2178 (2014) auf das Ausländer- und Passrecht hat und ob aufgrund der Resolution rechtlicher Anpassungsbedarf für die Bundesrepublik Deutschland besteht (dazu unter 4.). 2. Aussagen der UN Resolution 2178 (2014) Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verfolgt mit der Resolution 2178 (2014) das Ziel, die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu erhöhen.1 Er stellt fest, dass Terroristen internationale Netzwerke zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielstaaten aufgebaut haben, über die ausländische terroristische Kämpfer und Ressourcen zu ihrer Unterstützung hin und her geschleust werden.2 Zweck der Resolution ist es, der Bedrohung insbesondere durch ausländische terroristische Kämpfer mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog entgegenzutreten. 2.1. Ausländische terroristische Kämpfer als besondere Gefahr Ausländische terroristische Kämpfer werden in der Resolution 2178 (2014) als Personen definiert, „die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen.“3 Dabei nimmt der Sicher- 1 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, Erwägungsgründe S. 1. 2 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, Erwägungsgründe S. 2. 3 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, Erwägungsgründe S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 5 heitsrat insbesondere solche ausländischen terroristischen Kämpfer ins Visier, die mit dem Islamischen Staat im Irak und der Levante, der Al-Nusra-Front und anderen Zellen, Unterorganisationen, Splittergruppen oder Ablegern Al-Qaidas verbunden sind.4 Der Sicherheitsrat befürchtet, dass durch ausländische terroristische Kämpfer die Konflikte in Krisengebieten verschärft werden. Sie würden zudem eine Bedrohung für ihre Herkunftsländer, für die Länder, durch die sie reisen, und besonders für die Staaten, die an Krisengebiete angrenzen, darstellen. Zudem seien durch ausländische terroristische Kämpfer eine stärkere Radikalisierung und die Anwerbung weiterer Kämpfer zu befürchten.5 2.2. Maßnahmen zur Verhinderung der Ein- und Ausreise Die Resolution will daher unter anderem verhindern, dass ausländische Terroristen in die Krisengebiete reisen, um terroristische Gruppen oder Splitterzellen zu unterstützen. Zu diesem Zweck legt der Sicherheitsrat den Mitgliedstaaten nahe bzw. fordert sie diese auf, innerstaatlich verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Im ausländerrechtliche bzw. passrechtlichen Kontext sind dies insbesondere: – die Durchführung von wirksamen Grenzkontrollen,6 – stärkere Kontrollen der Ausstellung von Identitäts- und Reisedokumenten,7 – eine Risikobewertung und Kontrolle von Reisenden durch ein faktengestütztes Verfahren,8 – die Verhinderung des Grenzübertritts ausländischer terroristischer Kämpfer,9 – die Verhinderung der Einreise und Durchreise von allen Personen, die terroristische Aktivitäten finanzieren, planen, vorbereiten oder durchführen wollen, mit der Maßgabe, dass diese Bestimmung keinen Staat dazu verpflichtet, seinen eigenen Staatsangehörigen oder 4 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, Erwägungsgründe S. 2. 5 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, Erwägungsgründe S. 2. 6 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, S. 4 Ziffer 2. 7 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, S. 4 Ziffer 2. 8 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, S. 4 Ziffer 2. 9 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, S. 5 Ziffer 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 6 ständig ansässigen Personen die Einreise in sein Hoheitsgebiet zu verweigern oder ihre Ausreise zu verlangen.10 3. Maßnahmen nach gegenwärtiger Rechtslage Zur Abschätzung eines etwaigen Anpassungsbedarfs ist zunächst zu untersuchen, inwieweit nach geltender Rechtslage Personen mit terroristischen Absichten an der Ein- und Aus- bzw. Durchreise gehindert werden können. 3.1. Maßnahmen nach dem Passrecht Für deutsche Staatsangehörige sieht das Passgesetz verschiedene Maßnahmen vor. 3.1.1. Ausreiseverbot nach dem Passgesetz Wenn einem Deutschen der Pass nach § 7 Abs. 1 PassG versagt oder nach § 8 PassG entzogen worden ist, dann ist nach § 10 Abs. 1 S. 1 PassG ein Ausreiseverbot zu verhängen. Darüber hinaus können nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG die zuständigen Behörden einem deutschen Staatsangehörigen die Ausreise untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Passversagungsgrund nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegt. § 7 Abs. 1 PassG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine zulässige Schranke der Ausreisefreiheit, die durch die allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt wird.11 Ein Ausreiseverbot könnte für den Fall, dass ein Deutscher mit terroristischen Absichten das Land verlassen will, auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt werden. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, „wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.“ Die Passversagung ist ein Mittel der Gefahrenabwehr. Sie dient dazu, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Länder vor der Beeinträchtigung ihrer inneren und äußeren Sicherheit und der Gefährdung ihrer erheblichen Belange zu schützen.12 Die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik ist bei einem im Ausland kämpfenden Terroristen grundsätzlich nicht betroffen.13 Bei deutschen Staatsangehörigen, die ausreisen wollen, um sich an terroristischen Akten im Ausland zu beteiligen, kann hingegen das Tatbestandsmerkmal der „sonstigen erheblichen Belange“ erfüllt sein. Darunter werden Handlungen verstanden, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen 10 S/RES/2178 (2014): Resolution 2178 (2014), Threats to international peace and security caused by terrorist acts, verabschiedet auf der 7272. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. September 2014, S. 6 Ziffer 8. 11 Vgl. BVerfGE 6, 32. 12 Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 199. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 184. Ergänzungslieferung 2011), § 7 PassG Rn. 5. 13 VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009, Az. 8 L 164/09, NVwZ-RR 2009, 781 (781). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 7 der Bundesrepublik zu schädigen.14 Das Tatbestandsmerkmal liegt unter anderem vor, wenn die Person eine Gefahr oder eine Bedrohung für andere Staaten darstellt.15 Das VG Berlin führte in diesem Zusammenhang aus: „Die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten Jihad ist geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu gefährden […]. Terroranschläge des militanten Jihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitgewirkt haben, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und sind in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zu erzeugen. Als Teilnahmehandlungen sind dabei sowohl die Teilnahme an Ausbildungs- und Kampfhandlungen im Ausland als auch sonstige Unterstützungshandlungen wie z. B. der Transport von Unterstützungsgeldern in das Ausland, die Schulung oder die Beratung anderer gewaltbereiter Jihadisten im Ausland zu verstehen.“16 Die Bundesrepublik ist zudem durch zahlreiche Verträge und Abkommen verpflichtet, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Sind daher erhebliche Anzeichen vorhanden, dass eine Person sich im internationalen Raum an terroristischen Aktivitäten beteiligen will, dann liegen sonstige erhebliche Belange im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vor,17 so dass deutschen Staatsangehörigen die Ausreise aus diesem Grund nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG verweigert werden kann. Hervorzuheben ist, dass die Behörde für die Überprüfbarkeit der Gefahrenprognose konkrete Tatsachen dafür anführen muss, dass das Verhalten des Ausreisewilligen einen Tatbestand nach § 7 Abs. 1 PassG erfüllt.18 Zudem ist das Übermaßverbot nach § 7 Abs. 2 PassG zu beachten, wobei in diesem Rahmen besonders passbeschränkende Maßnahmen in Betracht kommen könnten.19 Ausreiseverbote für deutsche Jihadisten können zudem auf die Passversagungsgründe nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG und § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG gestützt werden. § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG ist einschlägig , wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass sich eine Person unbefugt zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr verpflichten will. Die Norm soll verhindern, dass 14 Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 199. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 184. Ergänzungslieferung 2011), § 7 PassG Rn. 7. 15 Ein andere Ansicht vertritt Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (528 f.). Er ist der Auffassung, dass das internationale Ansehen der Bundesrepublik durch die Teilnahme am Jihad im Ausland nicht in jedem Fall gefährdet ist. 16 VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, Az. VG 23 K 59.10, BeckRS 2012, 49190. 17 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 71. Ergänzungslieferung 2010), § 46 AufenthG Rn. 22. 18 Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (528 f.). 19 Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 199. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 184. Ergänzungslieferung 2011), § 7 PassG Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 8 Deutsche unbefugt in fremde Streitkräfte eintreten,20 da im Ausland militärisch ausgebildete Deutsche eine potentielle Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen.21 Mit der Norm sind nicht nur staatliche Streitkräfte, sondern auch militärähnliche Verbände gemeint,22 womit auch die Beteiligung am Jihad in Syrien auf Seiten des sog. Islamischen Staates von diesem Passversagungsgrund erfasst sein dürfte.23 § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG ist einschlägig, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass ein Deutscher eine Straftat nach § 89a Strafgesetzbuch (StGB) vornehmen wird. § 89a StGB stellt unter dem als strafrechtliche Reaktion auf den internationalen Terrorismus erlassenen Straftatbestand „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ bereits terroristische Vorfeldaktivitäten in einem frühen Stadium unter Strafe.24 Insbesondere die Ausbildung in einem „Terror- Camp“ ist nach § 89a StGB strafbar.25 § 89a StGB wurde im Jahr 2009 in das PassG aufgenommen. Nach der Gesetzbegründung soll mit § 89a StGB auch die Sicherheit anderer Staates geschützt werden.26 Damit können auch Ausreiseverbote verhängt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person beabsichtigt, im Ausland für eine terroristische Organisation zu kämpfen oder sich ausbilden zu lassen. 3.1.2. Weitere passbeschränkende Maßnahmen Neben dem Ausreiseverbot nach § 10 Abs. 1 PassG sieht das Passgesetz die Möglichkeit vor, einem deutschen Staatsangehörigen den Pass zu versagen, § 7 Abs. 1 PassG, oder den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, § 7 Abs. 2 PassG. Darüber hinaus erlaubt § 8 PassG die Entziehung des Passes, wenn die Voraussetzungen der Passversagung nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Diese Maßnahmen dürfen nach § 9 PassG im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden. Neben den nach dem Passgesetz möglichen Maßnahmen sieht das Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisgesetz - PAuswG) die Möglichkeit vor, im Einzelfall anzuordnen, dass der Personalausweis bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG nicht zum Verlassen der Bundesrepublik berechtigt, § 6 Abs. 7 PAuswG. Diese Anordnungen dürfen nach § 6 Abs. 8 PAuswG ebenfalls im polizeilichen Grenzfahndungsbestand 20 Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 199. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 184. Ergänzungslieferung 2011), § 7 PassG Rn. 16. 21 Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (532). 22 Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 199. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 184. Ergänzungslieferung 2011), § 7 PassG Rn. 16. 23 Mit gewissen Einschränkungen so auch Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (532). 24 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 89a Rn. 1b. 25 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, Die neuen Tatbestände im Staatsschutzstrafrecht – Versuch einer ersten Auslegung der §§ 89a, 89b und 91 StGB, NStZ 2009, 593 (596). 26 BT-Drs. 16/12428, S. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 9 gespeichert werden. Das Personalausweisgesetz verweist hingegen nicht auf § 8 PassG mit der Folge, dass der Personalausweis nicht nach den Passversagungsgründen entzogen werden kann. Personalausweise können nach §§ 28, 29 PAuswG lediglich im Fall ihrer Ungültigkeit eingezogen werden. 3.2. Einreise und Ausreise von Ausländern Maßnahmen zur Beschränkung der Ein- und Ausreise von Ausländern finden sich im Aufenthaltsgesetz . Ausländer ist jede Person, die nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist, § 2 Abs. 1 Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). 3.2.1. Aufenthaltstitel Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (Assoziationsabkommen EWG/Türkei)27 ein Aufenthaltsrecht besteht. Das Aufenthaltsgesetz unterscheidet zwischen befristeten Aufenthaltstiteln (Visum, Aufenthaltserlaubnis und Blaue Karte EU) und unbefristeten Aufenthaltstiteln (Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt -EU). Zudem gibt es auch Konstellationen, in denen ein Ausländer von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist.28 § 5 AufenthG bestimmt die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. In diesem Rahmen ist § 5 Abs. 4 AufenthG besonders hervorzuheben, nach dem ein Aufenthaltstitel zu versagen ist, wenn ein Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 bis Nr.5b AufenthG vorliegt. § 54 Nr. 5 AufenthG ist erfüllt, wenn der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat.29 Die Vorschrift verfolgt den Schutz vor Terrorismus, indem potentielle Attentäter bereits am Betreten des Bundesgebietes gehindert werden.30 Terroristen soll grundsätzlich kein Aufenthaltstitel gewährt werden. Es handelt sich hierbei um eine absolute Schranke für die Erteilung eines Aufenthaltstitels .31 Die Vorschrift gilt für alle Aufenthaltstitel. 27 Dieses Abkommen gilt aber nicht für die erstmalige Einreise in das Bundesgebiet. 28 Vgl. hierzu auch eingehend , Erläuterung der verschiedenen Aufenthaltstitel aus dem Aufenthaltsgesetz sowie weiterer Aufenthaltsrechte, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, (WD 3 – 3000 – 251/14), 2014. 29 Siehe zu den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 54 Nr. 5 AufenthG: Ziffer 3.2.3.1. 30 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 77. Ergänzungslieferung 2012), § 5 AufenthG Rn. 85. 31 Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 5 AufenthG Rn. 139. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 10 3.2.2. Grenzkontrollen § 13 Abs. 1 AufenthG stellt die formalen Voraussetzungen für die Einreise in das Bundesgebiet auf. Danach hat die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich an den zugelassenen Grenzübergangsstellen innerhalb bestimmter Verkehrsstunden stattzufinden, § 13 Abs. 1 S. 1 AufenthG. Es sind bestimmte Papiere mitzuführen und der Ausländer hat sich einer Grenzkontrolle zu unterziehen, § 13 Abs. 1 S. 2 AufenthG. Zudem ist für die Einreise in das Bundesgebiet ein Aufenthaltstitel erforderlich (s.o.). Diese formalen Erfordernisse sollen dem Sicherheitsbedürfnis der Bundesrepublik Deutschland Rechnung tragen.32 Die formalen Erfordernisse nach § 13 Abs. 1 AufenthG werden allerdings durch den Schengener Grenzkodex (SGK) weitgehend überlagert. Nach dieser unionsrechtlich verbindlichen Verordnung entfallen die Personenkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen. Der Umfang der Grenzkontrolle ist daher wesentlich von der Einstufung der Staatsgrenzen als (Schengen-)Binnengrenze oder (Schengen-)Außengrenze abhängig.33 Personenkontrollen finden regelmäßig nur noch an den Außengrenzen statt. Ausländer sind gleichwohl verpflichtet, einen Pass oder Passersatz mitzuführen und sich auf Verlangen auszuweisen.34 3.2.3. Zurückweisung nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG § 15 AufenthG berechtigt die zuständigen Behörden bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen , einen Ausländer an der Grenze zurückzuweisen.35 Die Zurückweisung bedeutet die Verweigerung der Einreise.36 Die nationale Zurückweisungsregelung des § 15 AufenthG wird zum Teil durch Art. 13 SGK verdrängt,37 der für bestimmte Fälle die Zurückweisung von Drittstaatangehörigen regelt.38 Zudem findet an den Schengen-Binnengrenzen keine Zurückweisung statt.39 § 15 AufenthG unterscheidet zwischen zwei Fällen: Nach § 15 Abs. 1 AufenthG sind Ausländer, die unerlaubt einreisen wollen, zwingend zurückzuweisen. Der Behörde steht kein Ermessen zu. Dies sind insbesondere Fälle, in denen der Ausländer keinen Pass oder keinen Aufenthaltstitel 32 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 71. Ergänzungslieferung 2010), § 13 AufenthG Rn. 1. 33 Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 13 AufenthG Rn. 3. 34 Westphal, in: Huber, Aufenthaltsgesetz, Kommentar, 1. Auflage 2010, § 13 AufenthG Rn. 13. 35 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 58. Ergänzungslieferung 2008), § 15 AufenthG Rn. 1. 36 Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 15 AufenthG Rn. 2. 37 Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 15 AufenthG Rn. 9. 38 Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 15 AufenthG Rn. 9. 39 Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 15 AufenthG Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 11 besitzt. § 15 Abs. 2 AufenthG zählt dagegen Regelfälle auf, in denen die Behörde die Einreise verweigern kann. Es handelt sich hierbei um eine Ermessensvorschrift, so dass die Behörde auch Ausnahmefälle berücksichtigen kann. Für die Zurückweisung sind die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden zuständig, vgl. § 71 Abs. 3 AufenthG. 3.2.3.1. Ausweisungsgrund nach § 54 AufenthG Ein Ausländer kann von den Grenzbehörden zurückgewiesen werden, wenn ein Ausweisungsgrund nach den §§ 53 ff. AufenthG vorliegt, § 15 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Die Ausweisung begründet die materielle Ausreisepflicht. Sie ist ein Beendigungstatbestand des Aufenthaltsrechtes und soll auch die Wiedereinreise verhindern.40 Dabei ist nur das Vorliegen des Ausweisungsgrundes für die Zurückweisung entscheidend.41 Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG kann ein Ausländer zurückgewiesen werden, wenn „Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.“ Mit diesem Ausweisungsgrund soll der Terrorismus effektiv bekämpft und Vorfeldaktivitäten eingedämmt werden.42 § 54 Nr. 5 AufenthG wurde als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 eingeführt. Dem weltweiten Terrorismus soll durch die Vorschrift jegliche Grundlage entzogen werden.43 Der Gesetzgeber will mit der Vorschrift sowohl den nationalen als auch den internationalen Terrorismus erfassen. Der räumliche Anwendungsbereich der Norm ist daher sehr weit und erfasst jegliche terroristische Akte, unabhängig davon, wo sie stattfinden.44 3.2.3.2. Rechtsprechung zu § 54 Nr. 5 AufenthG Bei der ersten Tatbestandsalternative kommt es auf die Mitgliedschaft in einer Vereinigung an, die den Terrorismus unterstützt. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst , fördert oder befürwortet.45 Insbesondere ist von einer terroristischen Vereinigung auszugehen, wenn politische Ziele mit terroristischen – völkerrechtlich geächteten – Mitteln, wie z. B. dem 40 Bauer, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 54 AufenthG Rn. 1 f. 41 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 58. Ergänzungslieferung 2008), § 15 AufenthG Rn. 25. 42 Bauer, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 54 AufenthG Rn. 15. 43 BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. 1 C 13/10, NVwZ 2012, 701 (702). 44 So die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 5 Abs. 4 AufenthG, der auf § 54 Nr. 5 AufenthG verweist: BT-Drs. 15/420, S. 70. 45 BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. 1 C 13/10, NVwZ 2012, 701 (703); vgl. auch BT-Drs. 14/7386, S. 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 12 Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben von unbeteiligten Dritten, verfolgt werden.46 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist bei der Beurteilung des Tatbestandes der normale Beweismaßstab anzulegen. Dieses Tatbestandsmerkmal muss zur vollen Überzeugung des Gerichtes feststehen.47 Hingegen kommt es bei der zweiten Tatbestandsalternative auf die Unterstützungshandlung selbst an.48 Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen.49 Der Beweismaßstab ist bei diesem Tatbestandsmerkmal geringer. Ein Ausländer unterstützt eine terroristische Vereinigung, wenn sich seine Tätigkeit in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung, die den internationalen sowie nationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt.50 Die Zielrichtung der Unterstützungshandlung muss dabei für den Ausländer erkennbar sein, weil sie ihm andernfalls nicht zurechenbar ist.51 In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wurden Ausweisungen wegen Sympathiewerbung52 oder wegen der Teilnahme an Veranstaltungen einer terroristischen Vereinigung53 für zulässig erachtet. Die Rechtsprechung legt somit § 54 Nr. 5 AufenthG sehr weit aus. Auch Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen in der Vergangenheit können den Tatbestand erfüllen, wenn durch die Person eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht.54 Die aktive Unterstützung einer terroristischen Vereinigung fällt ohne weiteres unter den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. In diesen Fällen können die zuständigen Behörden die Einreise in das Bundesgebiet gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG verweigern. 46 BVerwG, Urteil vom 30. April 2009, Az. 1 C 6/08, NVwZ 2009, 1162 (1166). 47 BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. 1 C 13/10, NVwZ 2012, 701 (702). 48 Marx, Abgrenzungsprobleme bei der Vorfeldbekämpfung terroristischer Bestrebungen, ZAR 2011, 167 (168). 49 BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. 1 C 13/10, NVwZ 2012, 701 (702). 50 BVerwG, Urteil vom 15. März 2005, Az. 1 C 26/03, NVwZ 2005, 1091 (1093). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. Oktober 2011 (Az. 1 C 13/10) ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass die Kriterien des Urteils von 2005 (Az. 1 C 26/03) weiterhin maßgeblich bei der Beurteilung sind, ob eine individuelle Unterstützungshandlung durch eine Person vorliegt. 51 BVerwG, Urteil vom 15. März 2005, Az. 1 C 26/03, NVwZ 2005, 1091 (1093). 52 BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013, Az. 1 C 9.12, NVwZ 2014, 294 (295). 53 VGH Mannheim, Urteil vom 14. Mai 2014, Az. 11 S 2224/13, BeckRS 2014, 53263. 54 BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. 1 C 13/10, NVwZ 2012, 701 (704). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 13 3.2.4. Ausreiseverweigerung nach § 46 Abs. 2 AufenthG § 46 Abs. 2 AufenthG ordnet die entsprechende Anwendung des § 10 PassG an. Damit kann auch einem Ausländer mit terroristischen Beweggründen die Ausreise verweigert werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen kann auf die Ausführungen zu §§ 10, 7 PassG verwiesen werden.55 3.3. Ein- und Ausreise von EU-Bürgern Für Unionsbürger gelten zum Teil andere Vorschriften. Für die Einreiseverweigerung gilt nicht § 15 AufenthG, sondern das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz – FreizügG/EU). Das Freizügigkeitsgesetz ist grundsätzlich eine abschließende spezialgesetzliche Regelung, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist, § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. In § 1 FreizügG/EU werden Unionsbürger als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union definiert. EU-Bürger benötigen für die Einreise und den Aufenthalt grundsätzlich kein Visum.56 Damit können Unionsbürger eines EU-Mitgliedstaats ohne weiteres in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates einreisen.57 Das Freizügigkeitsrecht verleiht aber nicht nur ihnen, sondern auch ihren Familienangehörigen den Anspruch auf Einreise in einen und Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat. Die Einreise kann aber nach § 6 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verweigert werden. Hieraus resultiert ein vollziehbares Einreiseverbot.58 Der Begriff der öffentlichen Sicherheit ist nicht mit dem polizeirechtlichen Begriff identisch.59 Er umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowohl die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats als auch seine äußere Sicherheit.60 Zur inneren Sicherheit zählen der Bestand der staatlichen Einrichtungen und der wichtigen öffentlichen Dienste sowie die Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung. Die äußere Sicherheit umfasst nicht nur militärische Bedrohungen, sondern auch die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker.61 Die Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit muss, wie im Falle der öffentlichen Ordnung, von dem persönlichen Verhalten des Betroffenen 55 Siehe Ziffer 3.1.1. 56 Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 2 FreizügG/EU Rn. 10. 57 Tübingen, Das Einreiseverbot – ein Instrument zur Beschränkung der Freizügigkeit, ZAR 2013, 330 (330). 58 Tübingen, Das Einreiseverbot – ein Instrument zur Beschränkung der Freizügigkeit, ZAR 2013, 330 (330). 59 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 81. Ergänzungslieferung 2013), § 6 FreizügG/EU Rn. 30. 60 EuGH, Urteil vom 23. November 2010, Az. C-145/09, NVwZ 2011, 221 (223). 61 Alexy, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, Handkommentar, 1. Auflage 2008, § 6 FreizügG/EU Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 14 ausgehen.62 Der Begriff der öffentlichen Sicherheit ist aber nicht nur auf die Sicherheit des Staates beschränkt. Auch schwere Straftaten, die die Ruhe und Sicherheit der Bevölkerung bedrohen, können eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellen.63 Es existiert keine verbindliche Definition des Begriffes. Der EuGH stellt auf den Einzelfall ab.64 Nach diesen Grundsätzen dürften aber drohende terroristische Akte das Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit betreffen. Mithin könnte einem EU-Bürger mit terroristischen Absichten die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach § 6 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU verweigert werden. Zudem wird mit § 11 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU auch auf § 46 Abs. 2 AufenthG verwiesen. Insofern können EU-Bürger nach den gleichen Maßstäben wie Ausländer und Deutsche an der Ausreise aus der Bundesrepublik gehindert werden.65 4. Anpassungsbedarf aufgrund der UN-Resolution 2178 (2014) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nach gegenwärtiger Rechtslage sowohl im Passrecht im Hinblick auf deutsche Staatsangehörige als auch im Ausländerrecht im Hinblick auf Ausländer und EU-Bürger hinreichende Möglichkeiten zur Verhinderung der Ein- bzw. Ausreise von Terroristen bestehen. Diese dürften den Anforderungen der UN-Resolution 2178 (2014) genügen. Dies liegt darin begründet, dass die Tatbestandsmerkmale der Ein- und Ausreiseverweigerungsvorschriften von der Rechtsprechung vergleichsweise weit ausgelegt werden und den Verwaltungsbehörden ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist, der es erlaubt, auf neue Bedrohungsszenarien zu reagieren, ohne dass es einer Änderung der Rechtsgrundlagen bedürfte. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber bereits im Gefolge der Terroranschläge auf das World Trade Center umfassend auf die mit dem internationalen Terrorismus verbundenen Gefahren reagiert. Problematisch erscheint allerdings folgender Aspekt: In der Resolution fordert der Sicherheitsrat wirksame Grenzkontrollen. Wie oben aufgezeigt, sind mit dem Schengener Grenzkodex aber große Teile der Grenzkontrollen weggefallen. An dieser Stelle besteht daher ein Spannungsverhältnis zwischen dem europarechtlich gewährleisteten freien Grenzübertritt innerhalb der Schengen- Staaten einerseits und der durch die Resolution geforderten effektiven Kontrolle der Aus- und Einreisebewegungen von (ausländischen) Terroristen andererseits. Dieses lässt sich allerdings nicht durch Maßnahmen des nationalen Gesetzgebers lösen, sondern ist in erster Linie eine Frage des Europarechts. 62 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 81. Ergänzungslieferung 2013), § 6 FreizügG/EU Rn. 38. 63 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 86. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 81. Ergänzungslieferung 2013), § 6 FreizügG/EU Rn. 30. 64 Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 6 FreizügG/EU Rn. 35. 65 Vgl. Ziffer 3.1.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 279/14 Seite 15 Über die nach gegenwärtiger Rechtslage bestehenden Möglichkeiten hinaus werden derzeit Änderungen im Personalausweisgesetz erwogen, die es ermöglichen würden, Terrorverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit den Personalausweis zu entziehen und stattdessen ein Ersatzdokument auszuhändigen, um die Ausreise in Kampfgebiete über Zwischenstationen (insbesondere über die Türkei) zu erschweren. In der Literatur wurden allerdings bereits verfassungsrechtliche Zweifel an einer solchen Lösung artikuliert.66 Es ist allerdings auch nicht ersichtlich, dass die UN-Resolution 2178 (2014) eine derartige Maßnahme fordern würde. 66 Hornung, Ersatzpersonalausweis für potenzielle Islamisten – Terrorismusbekämpfung durch Stigmatisierung, Legal Tribune Online vom 3.11.2014, abrufbar unter http://www.lto.de/persistent/a_id/13678/, [Stand: 20. November 2014].