© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 271/15 Zulässigkeit direkter Zurückweisung von Flüchtlingen an EU-Binnengrenzen der Bundesrepublik Ergänzung zur Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 2 Zulässigkeit direkter Zurückweisung von Flüchtlingen an EU-Binnengrenzen der Bundesrepublik Ergänzung zur Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 271/15 Abschluss der Arbeit: 5. November 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Zurückweisung bei Beantragung internationalen Schutzes an der Grenze 4 2.1. Zuständigkeit der Bundesrepublik für die Prüfung des zuständigen Staates nach den Bestimmungen der Dublin III-Verordnung? 4 2.2. Gelten Asylsuchende für die Zeit der Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin III-Verordnung als eingereist? 7 2.3. Handelt es sich rechtlich noch um Zurückweisung an der Grenze, wenn ein Dublin-Prüfverfahren in Deutschland durchgeführt wurde? 8 3. Auswirkungen des Inkrafttretens des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes auf die Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zurückweisung von Flüchtlingen an EU-Binnengrenzen mit geltendem Recht vereinbar ist. In der Ausarbeitung wird die Rechtslage ausgehend von den nationalen Regelungen des § 15 Aufenthaltsgesetz (die Einreise begehrende Ausländer ohne Asylbegehren) und des § 18 Asylverfahrensgesetz (die Einreise begehrende Ausländer mit Asylbegehren) dargestellt. Auf die Regelungen der in Deutschland unmittelbar zur Anwendung kommenden Dublin III-Verordnung geht die Ausarbeitung im Zusammenhang mit § 18 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 1 AsylVfG insoweit ein, als die Verordnung materielle Vorgaben für die (Un)Zulässigkeit der Einreiseverweigerung formuliert. Zu dieser Ausarbeitung wird gefragt, ob nach der Dublin III-Verordnung vor einer Zurückweisung in den direkten Nachbarstaat zwingend durch die Bundesrepublik geprüft werden müsse, welcher Staat für die Asylprüfung zuständig sei. Weiter wird gefragt, ob die Asylsuchenden für die Zeit dieser Prüfung als eingereist gelten und ob es sich rechtlich noch um eine Zurückweisung an der Grenze handele, wenn das oft mehrere Wochen dauernde Dublin-Prüfverfahren in Deutschland durchgeführt worden sei. Darüber hinaus wird gefragt, ob die Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 auch nach Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 24. Oktober 2015 unverändert gültig sei. 2. Zurückweisung bei Beantragung internationalen Schutzes an der Grenze Die gestellten Fragen betreffen eine Problematik, die in diesem Umfang mit Zunahme des Flüchtlingsstroms erst seit Kurzem virulent geworden und in dieser Form unter der Geltung des Dublin- Systems noch nicht vorgekommen ist. Einschlägige Rechtsprechung ist nicht vorhanden und auch die wenigen, die Frage behandelnden Publikationen geben keine zweifelsfreie Auskunft über die Handhabung. Die Rechtslage ist zudem äußerst komplex. Auch angesichts der Kürze der Bearbeitungszeit beschränken sich die folgenden Ausführungen auf einen Überblick zu den verschiedenen, die Problematik betreffenden Positionen. So überhaupt eine Einschätzung abgegeben werden kann, ist diese nur vorläufig. 2.1. Zuständigkeit der Bundesrepublik für die Prüfung des zuständigen Staates nach den Bestimmungen der Dublin III-Verordnung? Die Dublin III-Verordnung (Dublin III-VO) ist eine „Verordnung zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist“1. Bei der in der vorliegenden Frage angesprochenen Konstellation würde der Antrag auf internationalen Schutz jedoch nicht in der Bundesrepublik – also im Mitgliedstaat – sondern an der Grenze gestellt. Die Dublin III-VO erwähnt diese Form der Antragstellung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1: 1 Titel der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 29. Juni 2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 5 „Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt.“ Im Hinblick auf diese Regelung wird in der Literatur vertreten, dass die Pflicht Deutschlands, zu prüfen, welcher Mitgliedstaat nach der Dublin III-VO für ein Asylverfahren zuständig ist, unabhängig davon besteht, ob ein Antragsteller bereits in Deutschland ist oder sich noch an der Grenze oder in der Transitzone befindet2. Dies wirft im Hinblick darauf, wie die Dublin III-VO die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 definiert, Fragen auf. Nach Art. 2 d) Dublin III-VO bezeichnet der Ausdruck „‚Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz‘ die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Behörden in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß der Richtlinie 2013/32/EU und der Richtlinie 2011/95/EU mit Ausnahme der Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß dieser Verordnung“. Die zitierten „Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates gemäß dieser Verordnung“ stellen auf die verfahrensrechtlichen Normen des Kapitels VI – Art. 20 ff. Dublin III-VO ab3. Mit anderen Worten regelt die Dublin III-VO also insbesondere, welcher Mitgliedstaat dafür zuständig ist, zu entscheiden, welcher Mitgliedstaat für die (materielle) Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz (nach Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO) zuständig ist. Insoweit bestimmt Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO, dass der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitel III als zuständiger Staat bestimmt wird. Von der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO beschriebenen (inhaltlichen) Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz müsste demnach das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu unterscheiden sein („Zuständigkeitsbestimmungsverfahren“4). Nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO wird „das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats (…) eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.“ 2 So mit Verweis auf die „ausdrückliche“ Regelung in Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO Lehner, Grenze auf, Grenze zu? Die transnationale Wirkung von Rechtsverstößen im Dublin-System, VerfBlog, 2015/10/30, http://www.verfassungsblog .de/grenze-auf-grenze-zu-die-transnationale-wirkung-von-rechtsverstoessen-im-dublin-system/; Michl, Transitzonen für Flüchtlinge im Dublin-System?, VerfBlog, 2015/10/14, http://www.verfassungsblog.de/wiepassen -transitzonen-fuer-fluechtlinge-ins-dublin-system/#.VjiYHcsqfGg; Marx, Änderungen im Dublin-Verfahren nach der Dublin III-Verordnung, ZAR 2014, 5 (9 f.). 3 Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2. Auflage 2014, Art. 2 K 11. 4 So genannt von VG Frankfurt, Beschluss vom 11. Juli 2007 – 7 G 1872/07.AF – juris, Rn. 18 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 6 Bereits diese Formulierung umfasst – im Unterschied zu der Formulierung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO – nur die im Mitgliedstaat selbst gestellten Anträge auf internationalen Schutz. Für nicht in einem Mitgliedstaat gestellte Anträge formuliert Art. 20 Abs. 4 Dublin III-VO wie folgt: „Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält“. In der Literatur wird insoweit vertreten, dass diese Regelung Fälle betrifft, in denen Asylbewerber beim Versuch, eine Grenze zu übertreten, einen Asylantrag stellen5. Art. 20 Abs. 4 Dublin III-VO stelle eine Ausnahme zu dem Grundsatz dar, dass der Erstantragsstaat für die Einleitung des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens zuständig sei6. „Wenn eine Antragstellung an der Grenze zweier Mitgliedstaaten am Grenzüberwachungsposten vor der Einreise in den zweiten erfolgt, ist der erste Mitgliedstaat für das Zuständigkeitsprüfungsverfahren zuständig und kann der Fremde vom zweiten Mitgliedstaat an der Einreise gehindert werden“7. Der erste Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 20 Abs. 4 Satz 2 Dublin III-VO). In Anwendung dieser Bestimmung müsste die Bundesrepublik vor einer Zurückweisung in den direkten Nachbarstaat nicht prüfen, welcher Staat für die Asylprüfung zuständig ist. Diese Prüfung obläge dem Nachbarstaat, in dem sich der Antragsteller ohnehin befindet. Ein praktisches Problem stellt sich bei Art. 20 Abs. 4 Dublin III-VO jedoch insoweit, als fraglich ist, ob sich der Antragstellende im Grenzbereich zwischen zwei Mitgliedstaaten des Schengenraums, in dem Grenzkontrollen abgeschafft sind, überhaupt noch auf dem Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats befindet8. Art. 20 Abs. 4 Dublin III-VO wird in der gegenwärtigen Diskussion über den Umgang mit sich an der Grenze befindenden Asylbegehrenden jedoch nicht erwähnt9. Teilweise wird die grundsätzliche Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO unter gleichzeitigem Hinweis auf die Formulierung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO so ausgelegt, als ergebe sich hieraus auch die Zuständigkeit bei 5 Pelzer, Flüchtlinge im Verschiebebahnhof EU, IV. Rechtliche Grundlagen der Dublin-Verfahren, 2008, S. 24 für Art. 4 Abs. 4 Dublin II-Verordnung, der Art. 20 Abs. 4 Dublin III-VO entspricht. 6 Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2. Auflage 2014, Art. 20 K 12. 7 Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2. Auflage 2014, Art. 20 K 12. 8 Vgl. zu dieser Problematik Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2. Auflage 2014, Art. 20 K 13. 9 Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015 und Michl, Transitzonen für Flüchtlinge im Dublin-System?, VerfBlog, 2015/10/14, http://www.verfassungsblog.de/wie-passen-transitzonen-fuer-fluechtlinge-ins-dublin-system /#.VjiYHcsqfGg erwähnten Art. 20 Dublin III-VO gar nicht; Bergmann erwähnt Art. 20 Dublin III-VO lediglich im Zusammenhang mit dem Begriff des „Feststehens“ im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG, vgl. Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81 (89). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 7 an der Grenze erfolgender Antragstellung und als sei das in Art. 20 Dublin III-VO geregelte Zuständigkeitsfeststellungsverfahren dasselbe Verfahren wie das in Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO beschriebene 10. Auch soweit man die Zuständigkeit der Bundesrepublik für die Durchführung eines Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens nach der Dublin III-VO unterstellt, ist die Frage, ob Deutschland die Einreise verweigern und Asylsuchende aus dem Grenzbereich in das jeweilig angrenzende Nachbarland überstellen darf, obwohl das Ergebnis der Zuständigkeitsprüfung ergibt, dass ein anderer Staat für das Verfahren zuständig ist, bislang ungeklärt11. Teilweise wird vertreten, dass insoweit in entsprechender Anwendung der sicheren Drittstaatenregelung 12 oder als faktische Folge der Feststellung der Unzuständigkeit der Bundesrepublik für das Asylverfahren nach Dublin13 die Einreise verweigert werden dürfe, was einer „Überstellung“ in den direkten Nachbarstaat gleichkäme. Teilweise wird vertreten, dass auch in diesen Fällen ein Übernahmeersuchen an den eigentlich zuständigen Staat gestellt werden müsse und, soweit dieser die Übernahme verweigere, die Bundesrepublik für die Durchführung des Verfahrens zuständig werde und den Betroffenen einreisen lassen müsse14. 2.2. Gelten Asylsuchende für die Zeit der Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin III-Verordnung als eingereist? Darüber, ob die Asylsuchenden für die Zeit der Prüfung der Zuständigkeit als eingereist gelten oder nicht, trifft die Dublin III-VO keine Aussage. Wie die Dublin II-Verordnung enthält auch die 10 So ausdrücklich Lehner, Grenze auf, Grenze zu? Die transnationale Wirkung von Rechtsverstößen im Dublin- System, VerfBlog, 2015/10/30, http://www.verfassungsblog.de/grenze-auf-grenze-zu-die-transnationale-wirkung -von-rechtsverstoessen-im-dublin-system/; ähnlich wohl auch Marx, Änderungen im Dublin-Verfahren nach der Dublin III-Verordnung, ZAR 2014, 5 (9 f.). 11 Vgl. Michl, Transitzonen für Flüchtlinge im Dublin-System?, VerfBlog, 2015/10/14, http://www.verfassungsblog .de/wie-passen-transitzonen-fuer-fluechtlinge-ins-dublin-system/#.VjiYHcsqfGg. 12 So wohl Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 3, 65. Aktualisierung 2009, § 18 AsylVfG Rn. 23; Aust/Malzahn, Aufstand gegen Merkel?, Welt am Sonntag vom 25. Oktober 2015, Seite 4; Müller, Angst vor Kontrollverlust, FAZ vom 2. November 2015, http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlingskrise -angst-vor-kontrollverlust-13866728.html ; ähnlich mit umfassenderer Argumentation im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung des Art. 3 Abs. 3 DublinVO Michl, Transitzonen für Flüchtlinge im Dublin-System?, VerfBlog, 2015/10/14, http://www.verfassungsblog.de/wie-passen-transitzonen-fuer-fluechtlinge-ins-dublinsystem /#.VjiYHcsqfGg. 13 So wohl Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 202. Ergänzungslieferung Mai 2015, § 18 AsylVfG Rn. 5. 14 Bruns, in: Hofmann/Hoffmann, Handkommentar Ausländerrecht, 1. Auflage 2008, § 18 AsylVfG Rn. 16; Renner, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 18 AsylVfG Rn. 23; Lehner, Grenze auf, Grenze zu? Die transnationale Wirkung von Rechtsverstößen im Dublin-System, VerfBlog, 2015/10/30, http://www.verfassungsblog.de/grenze-auf-grenze-zu-die-transnationale-wirkung-von-rechtsverstoessen-im-dublin -system/; so wohl auch Marx, der den Fall der Weigerung des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats so bewertet , dass die Einreiseverweigerung mangels tatsächlicher Durchführbarkeit nicht vollstreckt werden kann und mithin die Einreise zu gestatten ist, vgl. Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 18 AsylVfG Rn. 21 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 8 aktuelle Verordnung keine konkreten Bestimmungen über die Aufenthalts- und Einreiserechte der Asylsuchenden während des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens15. Bis auf Art. 28 Dublin III-VO, der die Inhaftnahme des Asylsuchenden zum Zwecke der Überstellung regelt, fehlen konkrete Bestimmungen. Nationalrechtlich16 bestimmt § 18a Abs. 6 Nr. 1 bis 4 Asylgesetz (AsylG) für den Einreiseversuch über den Luftweg, unter welchen Voraussetzungen dem Ausländer bei Überschreitung einer bestimmten Dauer des Verfahrens die Einreise zu gestatten ist. Auf die in § 15 Abs. 6 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelte Zurückweisungshaft wird in § 18a Abs. 6 Nr. 4 AsylG verwiesen. Für die Einreise über den Landweg fehlen derartige Bestimmungen (vgl. § 18 AsylG). In entsprechender Anwendung dieser Bestimmungen könnte angenommen werden, dass auch die Einreise über den Landweg nach ähnlichem Zeitablauf (längerer Dauer des Zuständigkeitsprüfungsverfahrens ) nicht verweigert werden dürfte. Insoweit wird vertreten, dass die Einreise zu gewähren ist, wenn die Zurückweisung in den zuständigen Staat nicht unverzüglich erfolgen kann17. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass asylbegehrende Ausländer, denen nach Durchführung des Zuständigkeitsverfahrens nach der Dublin III-VO die Einreise nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG verweigert werden soll, in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 5 AufenthG in Zurückweisungshaft genommen werden18. Die Zulässigkeit dieser Handhabung wird jedoch nicht nur im Hinblick auf Art. 28 Dublin III-VO19 bezweifelt20. Möglicherweise ergeben sich zudem zusätzliche Vorgaben aus europarechtlichen Bestimmungen21. 2.3. Handelt es sich rechtlich noch um Zurückweisung an der Grenze, wenn ein Dublin-Prüfverfahren in Deutschland durchgeführt wurde? Die Frage, ob es sich rechtlich noch um eine Zurückweisung an der Grenze handelt, wenn ein Dublin-Prüfverfahren in Deutschland durchgeführt wurde, dürfte nicht von der Durchführung 15 VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11. Juli 2007 – 7 G 1872/07.AF –, juris Rn. 18. 16 Für die Dublin II-VO sollten nach einer Entscheidung des VG Frankfurt die so entstehenden Lücken durch eine Auslegung und ggf. analoge Anwendung des nationalen Rechts zu schließen sein, vgl. VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11. Juli 2007 – 7 G 1872/07.AF –, juris Rn. 18. 17 Bruns, in: Hofmann/Hoffmann, Handkommentar Ausländerrecht, 1. Auflage 2008, § 18 AsylVfG Rn. 16. 18 Vgl. die Beschreibung bei Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 18 AsylVfG Rn. 40. Dafür, dass sich die gesetzliche Rechtsfolge aus § 15 AufenthG ergibt auch Bruns, in: Hofmann/Hoffmann, Handkommentar Ausländerrecht, 1. Auflage 2008, § 18 AsylVfG Rn. 16. 19 Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen , weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt; vgl. dafür, dass die Inhaftnahme jedenfalls vor diesem Hintergrund unzulässig ist Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 18 AsylVfG Rn. 40 ff. 20 Für die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit Bruns, in: Hofmann/Hoffmann, Handkommentar Ausländerrecht, 1. Auflage 2008, § 18 AsylVfG Rn. 16 f. 21 Vgl. insbesondere die Regelungen der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), die noch nicht umgesetzt ist, aber in Art. 43 eine Regelung zu Verfahren an der Grenze enthält. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 271/15 Seite 9 des Dublin-Prüfverfahrens abhängen, sondern von der Frage, ob dem Antragstellenden die Einreise gewährt wurde oder nicht (vgl. hierzu 2.2.). 3. Auswirkungen des Inkrafttretens des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes auf die Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 Mit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes hat sich die Bestimmung des § 15 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht geändert. Das Asylverfahrensgesetz wurde in Asylgesetz umbenannt; § 18 Asylgesetz entspricht in seinem Wortlaut § 18 Asylverfahrensgesetz. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass die Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 259/15 unverändert gültig ist. Ende der Bearbeitung