© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 271/14 Integritäts- und Transparenzregeln bei ausgewählten Förderstiftungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 271/14 Seite 2 Integritäts- und Transparenzregeln bei ausgewählten Förderstiftungen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 271/14 Abschluss der Arbeit: 19.11.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 271/14 Seite 3 1. Fragestellung Der Bund ist an einigen Stiftungen beteiligt, die Förderungen an Dritte für bestimmte Projekte vergeben . In diesem Zusammenhang sind verschiedene Fragen zu den Integritäts- und Transparenzregeln dieser Stiftungen für die Fälle gestellt worden, bei denen ein Mitglied des Stiftungsgremiums, das über den Förderantrag entscheidet, gleichzeitig Vertreter oder Mitglied der antragstellenden Organisation ist. Im Einzelnen wurden folgende Fragen gestellt: 1. Welche Förderstiftungen des Bundes oder mit Beteiligung des Bundes (durch Bundesgesetz oder durch Stiftungsgeschäft) gibt es? 2. Welche Regelungen (Befangenheit, Ausschluss von der Antragsstellung, Stimmrecht etc.) gibt es für Organisationen, die ein Entsendungsrecht in die verschiedenen Stiftungsgremien haben, sowie die entsandten Personen (und ihre Familienangehörigen), um auszuschließen, dass sie selbst in eigenem Interesse, im Interesse der entsandten Stelle oder eines Vereins/Unternehmen, in dem sie selbst, Arbeitnehmer, Mitglied oder Funktionär sind, bei der Entscheidung über Förderanträge entscheiden? Wie wird jeweils sichergestellt, dass entsendende Stellen bei der Projektbewilligung weder benachteiligt noch bevorzugt werden? Die nachfolgenden Darstellungen zur ersten Frage basieren im Wesentlichen auf der Antwort der Bundesregierung auf eine vergleichbare Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (dazu unten Ziff. 2). Zum zweiten Fragenkomplex wurde mit dem Auftraggeber dieses Gutachtens vereinbart, dass diese Fragen an vier bis fünf fördernde Stiftungen weitergegeben und die Antworten dieser Stiftungen in diesem Sachstand wiedergegeben werden sollen (dazu unten Ziff. 3.). 2. Fördernde Stiftungen des Bundes Die Wissenschaftlichen Dienste verfügen über keine eigenen Informationen zu den Stiftungen des Bundes.1 Ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 03.07.2012 hat die Bundesregierung eine Tabelle mit den Stiftungen beigefügt, die Stiftungen des Bundes sind oder an denen der Bund beteiligt ist.2 Auf der Basis der weiterführenden Angaben, die sich auf der Internetseite des Bundesverbands Deutscher Stiftungen3 finden,4 können folgende „Bundesstiftungen“ als „fördernd“5 bezeichnet werden: 1 Vgl. die entsprechenden Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 03.07.2012, BT-Drs. 17/10227, S. 1. 2 BT-Drs. 17/10227, S. 3 ff. 3 http://www.stiftungen.org/. 4 Recherche in der online-Datenbank des Bundesverbands Deutscher Stiftungen: http://www.stiftungen.org/de/service /stiftungssuche.html. Weitere Quellen wurden nicht genutzt, so dass die Ausführungen allein auf den Angaben in dieser Datenbank beruhen. 5 „Fördernd“ bedeutet im Unterschied zu „operativ“, dass die Stiftungen zumindest auch Drittmittelprojekte und nicht nur („operativ“) ein bestimmtes Projekt, z.B. ein Museum (Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum), fördern. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 271/14 Seite 4 Stiftung Wissenschaft und Politik; Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur; Kulturstiftung des Bundes; Stiftung Jüdisches Museum Berlin; Alexander von Humboldt Stiftung; Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ); Stiftung Hochschule für Gestaltung HfG Ulm; Deutsche Stiftung Verbraucherschutz; Härtefall-Stiftung; Deutsche AIDS-Stiftung; Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU); Conterganstiftung für behinderte Menschen; Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“; Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung; Stiftungsfonds Martin-Buber-Gesellschaft; German-Israeli Foundation (GIF); Deutsche Stiftung Friedensforschung. 3. Antworten auf die Fragen zu den Integritäts- und Transparenzregeln bestimmter Stiftungen Folgende Fragen wurden an die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), die Deutsche Stiftung Friedensforschung, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Deutsche Bundestiftung Umwelt sowie die VolkswagenStiftung gestellt, wobei die Volkswagen- Stiftung die einzige Stiftung ohne Beteiligung des Bundes ist: „Einigen Bundesstiftungen stehen - wie Ihrer Stiftung - Mittel zur Förderung von Projekten zu. In den über die Förderanträge entscheidenden Organe der Stiftungen (zumeist Vorstand) sind teilweise Personen Mitglied, die Organisationen vertreten, die selber Antragsberechtigte sind. Unsere Fragen in diesem Zusammenhang sind: 1. Gibt es in Ihrer Stiftung eine vergleichbare Konstellation? 2. Wie wird hiermit umgegangen, um eine Interessenkollision zu vermeiden? Werden etwa entsprechende Organisationen von der Antragstellung ausgeschlossen oder der jeweilige Vertreter von der Abstimmung über den Förderantrag ausgeschlossen oder gibt es eine andere Lösung? 3. Ist dies in der nicht öffentlich zugänglichen Geschäftsordnung oder an einem anderen Ort geregelt oder gibt es nur eine entsprechende Praxis?“ Die genannten Stiftungen haben auf diese Fragen wie nachfolgend dargestellt geantwortet bzw. die genannten weiterführenden Dokumente übersandt.6 6 Im Folgenden werden die Antworten der Stiftungen – wie mit dem Auftraggeber dieses Sachstandes besprochen – im Wesentlichen wörtlich wiedergegeben, worauf die semantischen und stilistischen Deviationen zurückzuführen sind. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 271/14 Seite 5 3.1. Antwort der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ Es kommen zwei Organe als Entscheidungsträger über Förderanträge in Betracht: das Kuratorium sowie der Vorstand. Entscheidungen des Kuratoriums: Nach § 6 Abs. 3 der Satzung7 sind Anträge von Organisationen, die in Verbindung mit Kuratoren stehen, der Entscheidungskompetenz des Vorstands (der ansonsten zuständig wäre) entzogen. Über diese Anträge entscheidet ausnahmslos das Kuratorium (ansonsten nur über Projekte mit einem Volumen von über 100.000 Euro). Der betroffene Kurator ist nicht abstimmungsberechtigt. Darüber hinaus ist es geübte Praxis, dass der betroffene Kurator bei der Aussprache über den Antrag sowie der Abstimmung den Saal verlässt. Entscheidungen des Vorstands: Es existiert keine vergleichbare Satzungsvorschrift. In der Praxis wird dies so gehandhabt, dass die Vorstände gegenseitig die Befangenheit anzeigen und die Mitarbeiter, die den Antrag bearbeiten, ausdrücklich aufgefordert werden, die Vorlage weisungsfrei zu erstellen. In der Praxis lag allerdings noch keine Konstellation vor (und ist auch schwer vorstellbar), in der es über eine passive Verbundenheit mit Antragstellern hinausging (z.B. über Vereinsmitgliedschaft). Für Mitarbeiter, die Anträge bearbeiten, gelten ähnliche Regelungen. Verbundenheit zu Antragstellern ist anzuzeigen, die Anträge dieser Organisationen werden von anderen Mitarbeitern bearbeitet. 3.2. Antwort der Deutsche Stiftung Friedensforschung Die Stiftung hat ein Merkblatt für die Mitglieder des Stiftungsrates übersandt (Anlage 1), aus dem ihre Vorgehensweise beim Umgang mit Eigenanträgen entnommen werden kann. Die Deutsche Stiftung Friedensforschung unterscheidet danach, ob die Anträge aus dem Kreis der Stiftungsratsmitglieder oder aus dem Vorstand gestellt werden. 3.3. Antwort der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Sollte - was nur in Ausnahmefällen bisher vorgekommen ist - es vorkommen, dass Personen im Vorstand der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der über die Projektförderung entscheidet, mit der antragstellenden Organisation verbunden sein, dann enthalten sich die entsprechenden Vorstandsmitglieder in diesen Punkten der Abstimmung und verlassen die Sitzung. Dies ist bisher noch nicht schriftlich geregelt; wird aber jetzt nachgeholt. 3.4. Antwort der Deutsche Bundestiftung Umwelt Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt ist eine privatrechtliche Stiftung. Das Stiftungskapital stammt aus dem Verkauf der Salzgitter AG. Es handelt sich somit nicht um eine Bundesstiftung im Rechtssinne. 7 http://www.stiftung-evz.de/stiftung/satzung-der-stiftung-evz.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 271/14 Seite 6 Antragsberechtigt sind natürliche und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts (s. Ziff. IV der Verfahrensbestimmungen – hier beigefügt als Anlage 2). Soweit im Kuratorium Vertreter von Organisationen vorhanden sind, enthalten diese sich bei Anträgen der Organisation bei der Beratung und der Abstimmung zur Förderung der Stimme. Das Kuratorium der Stiftung hat zum einen die „Grundsätze guter Stiftungspraxis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen“ (hier beigefügt als Anlage 3) zur Anwendung verabschiedet; weiterhin wendet die DBU die „Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesregierung“8 analog an, soweit diese „passen“. 3.5. Antwort der VolkswagenStiftung Bei der VolkswagenStiftung handelt es sich nicht um eine Bundesstiftung, sondern um eine Stiftung privaten Rechts, die vom Bund und vom Land Niedersachsen errichtet wurde. Das Kontrollorgan der VolkswagenStiftung ist ein 14-köpfiges Kuratorium. Das Kuratorium hat 1986 einen Beschluss zum Thema „Anträge von Mitgliedern des Kuratoriums“ erlassen (hier beigefügt als Anlage 4). Zudem hat sich die VolkswagenStiftung zur Einhaltung der „Prinzipien guter Stiftungspraxis“9 verpflichtet. Aus dem „Code of Conduct bei Gremienmitgliedschaften – Verhaltensrichtlinie“ der Volkswagen Stiftung ergeben sich zudem die nachstehenden Regeln: 1. Anlass Sowohl im Hochschulbereich als auch in der außeruniversitären Forschung zeichnet sich zunehmend eine Entstaatlichung der Steuerungsprozesse zugunsten eines deutlichen Autonomiezuwachses der einzelnen Einrichtungen ab. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bei der Besetzung ihrer Beratungs - und Entscheidungsgremien verstärkt auf die Mitwirkung von Vertretern der Wirtschaft und des 3. Sektors angewiesen sind. Eine solche Besetzung erscheint für beide Seiten sinnvoll und nützlich, sie kann aber auch zu Konflikten führen, wenn sich Gremienmitglieder bei Einzelentscheidungen in der Doppelrolle des im Interesse der Einrichtung agierenden Gremienmitglieds einerseits und der Tätigkeit als Drittmittelgeber andererseits befinden. Um für die Mitglieder der Geschäftsstelle der VolkswagenStiftung diesen Konflikt zu vermeiden und ihre Unabhängigkeit und Unbefangenheit zu bewahren, wird die nachstehende Regelung getroffen: 8 http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/Korruption_Sponsoring/Richtlinie _zur_Korruptionspraevention_in_der_Bundesverwaltung.html. 9 http://www.volkswagenstiftung.de/stiftung/governance.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 271/14 Seite 7 2. Geltungsbereich Die Verhaltensrichtlinie gilt für Referent(inn)en, Teamleiter(innen), die Abteilungsleiterin und den Generalsekretär, soweit sie Mitglieder von Beratungs- und Entscheidungsgremien einer Universität, Fachhochschule oder außeruniversitären Einrichtung sind. 3. Verhaltensrichtlinie 3.1. Für Referent(inn)en und die Abteilungsleiterin Die Auswahl von Gutachtern zu einem Antrag durch eine Referentin, einen Referenten bzw. ein(e) Teamleiter(in) oder die Abteilungsleiterin, die einem entsprechenden Gremium der Antrag stellenden Einrichtung angehören, wird wie folgt übertragen: Ist ein(e) Referent(in) oder ein(e) Teamleiter(in) Gremienmitglied, entscheidet die Abteilungsleiterin aufgrund eines von dem jeweiligen Referat oder Team vorgelegten Vorschlags über die Auswahl der Gutachter. Ist die Abteilungsleiterin Gremienmitglied, entscheidet der Generalsekretär aufgrund eines von der Abteilung vorgelegten Vorschlags über die Auswahl der Gutachter. Die Zusammensetzung von Gutachterkommissionen ist mit der Abteilungsleiterin und dem Generalsekretär abzustimmen. Bei einer Gremienmitgliedschaft der Abteilungsleiterin oder des Generalsekretärs findet die Abstimmung ohne deren bzw. dessen Beteiligung statt. Entscheidungsunterlagen sind je nach Einzelfall von der Referentin oder dem Referenten selbst zusammen mit der Teamleitung (Abteilungsleiterin ist Gremienmitglied) oder von einer fachlich nahe stehenden Referentin bzw. Referenten oder von der Teamleitung (Referent(in) ist Gremienmitglied) vorzubereiten. Bei Befangenheit der Abteilungsleiterin werden Nachbewilligungsanträge im Bewilligungsfalle vom Generalsekretär gezeichnet. 3.2. Für den Generalsekretär Ist der Generalsekretär Gremienmitglied, so nimmt er bei schriftlichen Verfahren am Prozess der Entscheidungsvorbereitung nicht teil. Soweit Anträge vor einem Gutachterkreis behandelt werden, gibt er die Gesprächsleitung an ein anderes Mitglied des Gutachterkreises, die Abteilungsleiterin oder ein(e) Teamleiter(in) ab und enthält sich der Einflussnahme. Entscheidungen (Bewilligungen und Ablehnungen) werden von der Abteilungsleiterin in Vertretung ausgesprochen und dem Generalsekretär anschließend zur Kenntnis gegeben. In Zweifelsfällen werden Anträge dem Kuratorium zur Entscheidung vorgelegt.