© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 269/19 Allgemeine Dienstpflicht Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 269/19 Seite 2 Allgemeine Dienstpflicht Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 269/19 Abschluss der Arbeit: 28.11.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 269/19 Seite 3 1. Einleitung Es wurde um Informationen gebeten, ob eine allgemeine Dienstpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und welche Änderungen im Grundgesetz zu ihrer Einführung notwendig wären. Zudem soll auf die Vorgaben des Unionsrechts und die Situation in anderen europäischen Ländern eingegangen werden. Zu diesen Fragen liegen einschlägige Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste bereits vor, die im Folgenden dokumentiert sind. 2. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen Die Ausarbeitung Möglichkeit der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer nach deutschem Verfassungsrecht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 - 3000 - 154/16, Anlage 1, befasst sich ausführlich mit der Frage der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer, deren derzeitigen verfassungsrechtlichen Grenzen und der Möglichkeit einer Einführung durch eine Grundgesetzänderung. Auf dieser baut die jüngste Ausarbeitung Einzelfragen zur rechtlichen Möglichkeit der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 - 3000 - 258/19, Anlage 2, auf und erläutert näher die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 12 Abs. 2 GG. Besonders eingegangen wird auf das Merkmal der „herkömmlichen“ Dienstpflicht. Zudem wird auf die Gesetzgebungskompetenz für die allgemeine Dienstpflicht in Verbindung mit der Schulpflicht eingegangen. Die Dokumentation Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht – Initiativen und Standpunkte in den letzten 15 Jahren, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 - 3000 - 165/16, Anlage 3, gibt einen Überblick über die in den Jahren 2004 bis 2016 vertretenen Initiativen und Standpunkte zu diesem Thema. Recherchiert wurden Parlamentsdokumente, Literatur und Presseartikel. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 269/19 Seite 4 Eine empfehlenswerte externe Zusammenfassung der verfassungs- und völkerrechtlichen Probleme bei der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht bietet der Aufsatz Könnte in der Bundesrepublik Deutschland eine allgemeine Dienstpflicht eingeführt werden?, Krämer, UBWV 1/2018, Anlage 4. In dem Beitrag Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht? Der Unterschied zwischen Waffen und Windeln, Gauseweg, LTO vom 09.08.2018, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende /h/allgemeine-dienstpflicht-einfuehrung-verfassung-wehrpflicht-zivildienst/ (zuletzt aufgerufen am 26.11.2019) geht der Autor insbesondere auch auf die Möglichkeit einer Dienstpflicht durch eine neue Norm im Grundgesetz ein. Diese könnte parallel zum Art. 12a GG (Wehrpflicht) eine allgemeine Dienstpflicht als Ausnahme von dem Verbot der Zwangsarbeit nach Art. 12 Abs. 2 GG darstellen. Als eine der wenigen Stimmen hält Gauseweg die rechtlichen Hürden für überwindbar. 3. Unions- und völkerrechtlicher Rahmen Die Ausarbeitung Unionsrechtliche Fragen der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, Unterabteilung Europa, Fachbereich Europa, PE 6 - 3000 - 86/16, Anlage 5, geht auf die unionsrechtlichen Vorgaben ein, die für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht gelten würden. Insbesondere Art. 5 Abs. 2 der Grundrechtecharta stellt dafür eine hohe Hürde auf, da dieser den Arbeitszwang verbietet. Der Sachstand Vereinbarkeit einer allgemeinen Dienstpflicht mit Art. 4 EMRK, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 2 - 3000 - 83/16, Anlage 6, geht vergleichbar zu der vorherigen Ausarbeitung auf die völkerrechtlichen Grenzen ein. Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt vor Arbeitszwang. Ausnahmen dazu sind für den Wehr- und Wehrersatzdienst, den Dienst bei Notständen oder Katastrophen und den Dienst im Rahmen normaler Bürgerpflichten normiert. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 269/19 Seite 5 Die beiden Dokumente zeigen auf, dass unions- und völkerrechtlich sehr enge Grenzen gesetzt sind, wenn von der verfassungsrechtlichen Gestaltungsoption durch den deutschen Verfassunggeber Gebrauch gemacht werden würde. Diese lassen wohl kaum Raum für die bisher bekannten Überlegungen zu einer allgemeinen Dienstpflicht. 4. Allgemeine Dienstpflicht in anderen europäischen Ländern In mehreren europäischen Ländern wurde in den letzten Jahren sowohl über die Abschaffung und Wiedereinführung der Wehrpflicht, als auch über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht diskutiert. Frankreich geht nun erste Schritte hin zu einer allgemeinen Dienstpflicht von vier Wochen für alle Jugendlichen zwischen 15 und 16 (bzw. bis 25) Jahren. Dabei sind zwei Wochen in einer gemeinsamen Unterbringung mit zahlreichen staatsbürgerlichen Unterrichtungen, aber auch einem Erste-Hilfe-Kurs und militärischen Übungen geplant. Weitere zwei Wochen verbringen die Jugendlichen dann in caritativen Einrichtungen bzw. der Verwaltung. Ein Test für dieses Programm hat im Sommer 2019 begonnen. Die Zahl der Teilnehmer soll sukzessive ansteigen bis hin zu einer vollständigen Verpflichtung. Nähere Informationen zur französischen Dienstpflicht: Informationen des französischen Bildungsministeriums (auf Französisch): http://www.jeunes.gouv.fr/actualites/zoom-sur/article/service-national-universel-8523 (zuletzt aufgerufen am 26.11.2019). Pflichtdienst für Frankreich, Wiegel, FAZ vom 18.06.2019: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/frankreich-will-dienstpflicht-fuer-jugendliche -einfuehren-16241413.html (zuletzt aufgerufen am 26.11.2019). Erste Ausführungen dazu, welche rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Kompetenz für ein verpflichtendes soziales Engagement von Schülern in Deutschland gelten würden, können dem Sachstand Schulpflicht und Gestaltung des Schulwesens, Zulässigkeit der Verpflichtung von Schülern zu gesellschaftlichem oder sozialem Engagement, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 - 3000 - 259/19, Anlage 7, entnommen werden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 269/19 Seite 6 In Norwegen und Schweden wurde in den letzten Jahren die Wehrpflicht auch für Frauen eingeführt . In der Schweiz besteht eine Dienstpflicht für Männer, nach der öffentliche Aufgaben nebenberuflich ausgeübt werden. Dies umfasst neben der Wehrpflicht und dem Zivildienst auch den Schweizer Zivilschutz1 und zum Beispiel weitgehend die Organisation der Feuerwehr. Darüber hinaus gibt es in keinem weiteren europäischen Land eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen.2 *** 1 Vgl. dazu Art. 11 ff. des Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz (Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz, BZG) vom 4. Oktober 2002 (Stand am 1. Januar 2017), https://www.admin.ch/opc/de/classified -compilation/20011872/index.html (zuletzt aufgerufen am 26.11.2019). 2 Thorsten Jungholt/Philip Kuhn/Sabine Menkens, Ist eine Einführung der Wehrpflicht überhaupt möglich?, Die WELT vom 6. August 2018, https://www.welt.de/politik/deutschland/article180688760/Debatte-ueber-Dienstpflicht -Wehrpflicht-Die-wichtigsten-Fragen-und-Antworten.html (zuletzt aufgerufen am 26.11.2019).