© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 269/17 Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin Übertragbarkeit des österreichischen Zulassungsverfahrens auf Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 269/17 Seite 2 Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin Übertragbarkeit des österreichischen Zulassungsverfahrens auf Deutschland Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 269/17 Abschluss der Arbeit: 17. Januar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 269/17 Seite 3 1. Fragestellung Mit Urteil vom 19. Dezember 2017 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit verschiedener bundes- und landesgesetzlicher Vorschriften über die Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin festgestellt und den Gesetzgebern aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen.1 Vor diesem Hintergrund wird gefragt, ob sich das österreichische Zulassungsverfahren auf Deutschland übertragen lasse. 2. Zulassungsverfahren in Österreich In Österreich ermöglicht § 71d des Universitätsgesetzes2 speziell für Studiengänge, „die von den deutschen bundesweiten Numerus-Clausus-Studien Medizin, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin betroffen sind“, die Zulassungsbeschränkung durch Einführung eines Aufnahmeverfahrens . Über die Einführung einer Zulassungsbeschränkung und deren Ausgestaltung entscheiden die Rektorate der betroffenen Universitäten unter Beteiligung weiterer universitärer Gremien. Auf dieser Grundlage führen die Medizinische Universität Wien, die Medizinische Universität Innsbruck, die Medizinische Universität Graz und die Medizinische Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz seit 2013/2014 jährlich einen gemeinsamen Aufnahmetest für das Fach Humanmedizin (MedAT-H) durch. Hierzu haben die Rektorate im Wesentlichen übereinstimmende Rechtsakte („Verordnungen“) über die Zulassungsbeschränkung3 sowie über Inhalt und Auswertung der Aufnahmetests4 erlassen. Zu dem Test müssen sich Studienbewerber über eine gemeinsame Website der Universitäten5 anmelden und eine Kostenbeteiligung von derzeit 110 € bezahlen. Sie müssen sich für das Studienfach Humanmedizin oder Zahnmedizin und für einen Studienort 1 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14. 2 Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl. I Nr. 120/2002, abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =20002128; alle Internet-Quellen zuletzt abgerufen am 16. Januar 2018. 3 Vgl. nur Medizinische Universität Wien, Verordnung über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin, 15. Mitteilungsblatt, Nr. 16, 3. Januar 2018, abrufbar unter https://www.meduniwien .ac.at/web/fileadmin/content/serviceeinrichtungen/rechtsabteilung/mitteilungsblaetter_2017- 18/15_MB_03_01_2018__ZulassungsVO_2017_2018.pdf; Verordnung des Rektorats der Johannes Kepler Universität Linz über Zugangsbeschränkungen zum gemeinsamen Bachelorstudium Humanmedizin der Johannes Kepler Universität Linz und der Medizinischen Universität Graz (K 033/303) im Studienjahr 2017/18, abrufbar unter http://www.jku.at/STA/content/e4426/e3098/e2380/e261886/e261987/e261944/AufnahmeVO- MED_MTB06_010217_ger.pdf. 4 Vgl. nur Medizinische Universität Wien, Verordnung über die Testinhalte und -auswertung der Aufnahmetests Humanmedizin und Zahnmedizin aufgrund der Verordnung über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin, 9. Mitteilungsblatt, Nr. 10, 14. Februar 2017, abrufbar unter https://www.meduniwien .ac.at/web/fileadmin/content/serviceeinrichtungen/rechtsabteilung/mitteilungsblaetter_2016-17/9_Mitteilungsblatt _14_02_2017_Verordnung_Testinhalte_und__Auswertung_Zulassungsbeschraenkung.pdf; Verordnung des Rektorats der Johannes Kepler Universität Linz über Inhalt und Auswertung des Aufnahmetests MedAT-H für das Studienjahr 2017/18, abrufbar unter http://www.jku.at/STA/content /e4426/e3098/e2380/e261886/e261987/e270040/AufnahmetestVOMED_MTB30_070617_ger.pdf. 5 https://www.medizinstudieren.at/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 269/17 Seite 4 entscheiden. Der MedAT-H findet jährlich im Sommer an allen beteiligten Universitäten gleichzeitig statt. Prüfungsgegenstände sind Kenntnisse in Naturwissenschaften und Mathematik, Textverständnis , kognitive Fähigkeiten und sozial-emotionale Kompetenzen. Die Abiturnote spielt keine Rolle. Anhand der Testergebnisse erstellt jede Universität eine eigene Rangliste. Dabei entfallen bestimmte Quoten auf Unionsbürger und österreichische Abiturienten. Nicht angenommene Plätze werden in einem Nachrückverfahren verteilt. Bewerber, die nicht erfolgreich waren, können den Aufnahmetest in den folgenden Jahren beliebig oft wiederholen. 3. Rahmenbedingungen in Deutschland Den rechtlichen Rahmen für eine Neuregelung der Hochschulzulassung in Deutschland geben das Grundgesetz und ein Staatsvertrag der Länder vor. 3.1. Gesetzgebungskompetenz Die Hochschulzulassung ist seit der Föderalismusreform von 2006 nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 Grundgesetz (GG) Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Dies gilt auch für die Zulassung zum Fach Medizin, die nicht unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG („Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen“) fällt.6 Bei der konkurrierenden Gesetzgebung „haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat“ (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund hat von dieser Gesetzgebungskompetenz bisher keinen Gebrauch gemacht. Sollte er dies tun, könnten die Länder jedoch nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG abweichende Regelungen treffen. Bereits vor der Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen hatte der Bund aufgrund einer entsprechenden Zuständigkeit zur Rahmengesetzgebung das Hochschulrahmengesetz (HRG) erlassen. Das HRG gilt nach Art. 125b Abs. 1 GG fort. Seit dem Ablauf der Frist des Art. 125b Abs. 1 S. 3 a.E. GG können die Länder auch hier vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen. 3.2. Staatsvertragliche Vorgaben Die Länder sind bislang nicht vom HRG abgewichen, sondern haben ihr Hochschulzulassungsrecht entsprechend § 72 Abs. 2, §§ 29 ff. HRG geregelt. Die Länder haben dazu den Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung (StV)7 geschlossen. Neben der Errichtung der Stiftung für Hochschulzulassung (bis 2008: Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, ZVS) regelt der StV das zentrale Vergabeverfahren, wobei er die einschlägigen 6 Vgl. nur Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 81. Lfg. 2017, Art. 74 Rn. 217; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 74 Rn. 78; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 94. 7 Staatsvertrag vom 8. März 2008 - 5. Juni 2008, vgl. nur die bayerische Bekanntmachung vom 5. Mai 2009, GVBl. S. 186; noch nicht in Kraft getreten ist die Novellierung durch Staatsvertrag über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung vom 17. - 21. März 2016, vgl. nur die bayerische Bekanntmachung vom 21. März 2017, GVBl. S. 55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 269/17 Seite 5 Vorschriften des Rahmenrechts wiederholt und teilweise ausfüllt.8 Weitere Details sind in übereinstimmenden Verordnungen der Länder geregelt (Art. 12 Abs. 2 StV). Das zentrale Vergabeverfahren wird nach Art. 7 Abs. 1 StV angewandt, wenn ein Studiengang an allen staatlichen Hochschulen zulassungsbeschränkt ist. Das gilt derzeit für die Studiengänge Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie und Tiermedizin.9 Nach Abzug sogenannter Vorabquoten, insbesondere für Härtefälle, erfolgt die Studienplatzvergabe in den genannten Fächern nach drei Hauptquoten (§ 32 Abs. 3 HRG, Art. 10 Abs. 1 StV): Die Plätze werden an jeder Hochschule zu einem Fünftel durch die Stiftung für Hochschulzulassung nach der Abiturnote, zu einem weiteren Fünftel nach Wartezeit und im Übrigen von den Hochschulen selbst nach einem eigenen Auswahlverfahren vergeben. Das hochschuleigene Auswahlverfahren wird in den Ländern unterschiedlich durch Landesrecht und Satzungen der Hochschulen geregelt; der StV nennt lediglich beispielhaft geeignete Auswahlkriterien (Abiturnote, gewichtete Einzelnoten, Studierfähigkeitstests, Berufsausbildung etc.).10 3.3. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jüngsten Urteil die materiellen Anforderungen, die das Grundgesetz an die Studienplatzvergabe stellt, zusammengefasst und weiterentwickelt.11 Danach folgt aus der Berufswahlfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 12 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) für jeden, der die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllt, ein Recht auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot im Rahmen der bestehenden Kapazitäten. Wo eine Auswahl erforderlich ist, muss sich diese grundsätzlich an der Eignung orientieren. Entscheidend sind die Anforderungen des Studienfachs und der typischen späteren Berufe. Die Vergabe eines Teils der Studienplätze nach der Abiturnote ist demnach verfassungsrechtlich zulässig. Dabei müssen jedoch Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Benotung ausgeglichen werden. Verfassungswidrig ist dagegen die – bislang praktizierte – vorrangige Berücksichtigung von Ortswünschen: Anhand der eignungsrelevanten Abiturnote muss zunächst entschieden werden, ob ein Bewerber überhaupt einen Studienplatz erhält; erst in einem zweiten Schritt dürfen Ortswünsche berücksichtigt werden. Eine Wartezeitquote ist verfassungsrechtlich nicht geboten, aber zulässig, solange sie die derzeit geltenden 20 % nicht übersteigt. Die Wartezeit muss jedoch begrenzt werden, weil zu langes Warten die Erfolgschancen im Studium schmälert. Für das Auswahlverfahren der Hochschulen rechtfertigt zwar die in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre gewisse Spielräume bei der Ausgestaltung. Jedoch unterliegt der Kern des Zulassungswesens nach der Wesentlichkeitstheorie dem Parlamentsvorbehalt. Der Gesetzgeber muss insbesondere die Auswahlkriterien bestimmen und ein standardisiertes und 8 Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Dezember 2012, Az. 13 B 1240/12, Rn. 11, Juris. 9 Pautsch/Dillenburger, Kompendium zum Hochschul- und Wissenschaftsrecht, 2. Aufl. 2016, B Rn. 102; seit der Umstellung auf BA/MA werden Studienplätze in Biologie und Psychologie nicht mehr zentral vergeben, vgl. Lindner, in: Hartmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 11 Rn. 134 Fn. 273. 10 Lindner, in: Hartmer (Hrsg.), Hochschulrecht, Kap. 11 Rn. 139; Martini/Ziekow, Die Landarztquote, 2017, S. 29. 11 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14; vgl. bereits BVerfGE 33, 303; 43, 291. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 269/17 Seite 6 strukturiertes Verfahren gewährleisten. Er muss die Hochschulen verpflichten, zumindest ergänzend ein nicht schulnotenbasiertes Kriterium heranzuziehen. 4. Übertragbarkeit des österreichischen Zulassungsverfahrens Das österreichische Zulassungsverfahren kann weder auf Bundes- noch auf Landesebene unverändert eingeführt werden. 4.1. Vereinheitlichung des Zulassungsrechts in Deutschland Die österreichische Regelung zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass das Zulassungsverfahren an allen Universitäten übereinstimmt. Eine Rechtsvereinheitlichung in Deutschland wäre auf unterschiedlichen Ebenen möglich. Eine gewisse bundesweite Einheitlichkeit ist bereits durch das HRG und den StV erreicht. Die Regelungen lassen den Ländern und den Hochschulen für das hochschuleigene Auswahlverfahren jedoch recht weitreichende Spielräume. Durch detailliertere staatsvertragliche Regelungen könnten die Länder eine weitere Vereinheitlichung des Verfahrens erreichen. Alternativ käme auch eine Vereinheitlichung durch abgestimmte Landesgesetzgebung in Betracht, wie sie etwa im Polizeirecht und im Verwaltungsverfahrensrecht praktiziert wird. Eine vollständige bundeseinheitliche Regelung des Verfahrens wäre grundsätzlich erreichbar, indem der Bund von seiner Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch machte. Auf diese Möglichkeit weist auch das Bundesverfassungsgericht hin.12 Einzelne Länder könnten dann jedoch nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG durch formelles Gesetz von der bundesrechtlichen Regelung abweichen.13 Wollte man eine zwingende bundesrechtliche Vereinheitlichung erreichen, bedürfte es einer Verfassungsänderung. Im Rahmen des geltenden Bundesrechts und des StV könnten die Länder jeweils auf Landesebene das hochschuleigene Auswahlverfahren ihrer Universitäten weiter vereinheitlichen. Zwar muss in diesem Verfahren nach § 32 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 HRG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StV jede Hochschule die Studienplätze selbst vergeben. Sie tut dies aber „nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts“. Eine weitere Vereinheitlichung fordert hier bereits das Bundesverfassungsgericht, indem es den Gesetzgeber zur Festlegung der Auswahlkriterien und zur Gewährleistung eines standardisierten und strukturierten Verfahrens verpflichtet.14 Im Übrigen können die Länder jedoch über die Regelungsdichte und entsprechend über den verbleibenden Spielraum der Hochschulen bei der Ausgestaltung des Verfahrens entscheiden. Schließlich könnten – wie in Österreich – einzelne Hochschulen ihre Zulassungsverfahren aufgrund von Absprachen vereinheitlichen. Das wäre innerhalb eines Landes ohne weiteres möglich. 12 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 253. 13 Vgl. auch Martini/Ziekow, Die Landarztquote, 2017, S. 37 f. 14 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 115 ff., 141 ff., 213. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 269/17 Seite 7 Länderübergreifend setzte eine solche Koordinierung allerdings voraus, dass das gewählte Verfahren beiden bzw. allen betroffenen Landesrechten entspricht. 4.2. Ausgestaltung des Verfahrens Das österreichische Verfahren ist nicht nur föderal und universitätsübergreifend übereinstimmend geregelt. Es kennt auch inhaltlich nur ein einheitliches Testverfahren, nach dem alle Studienplätze vergeben werden. Auch in Deutschland könnte man von der derzeitigen Dreiteilung des zentralen Vergabeverfahrens mit unterschiedlichen Quoten abweichen und alle Studienplätze nach einem einheitlichen Testverfahren vergeben. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber hier einen „sehr weiten Ausgestaltungsspielraum“ ein.15 Insbesondere wäre der Verzicht auf eine Wartezeitquote verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.16 Auch auf die Berücksichtigung von Schulnoten könnte der Gesetzgeber wohl verzichten: Das Gericht stellt lediglich die Zulässigkeit einer Abiturbestenquote fest, jedoch nicht deren verfassungsrechtliche Gebotenheit.17 Verfassungsrechtlich problematisch erscheint dagegen die Bedeutung, die in Österreich der Wahl des Studienortes zukommt. Müsste sich ein Studienbewerber im Zulassungsverfahren für einen bestimmten Ort entscheiden, so könnte es passieren, dass er – wegen der unterschiedlichen Konkurrenz – am gewählten Studienort nicht zugelassen wird, während er an einem anderen Studienort zugelassen worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus: „Hierin liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Chancengleichheit. Das Kriterium der Abiturdurchschnittsnote als Maßstab für die Eignung wird hier mit dem Rang des Ortswunsches durch ein Kriterium überlagert und entwertet, das hinsichtlich der Studieneignung keine Aussagekraft hat. (…) Denn mit der Frage des ‚Ob‘ entscheidet sich die Möglichkeit des Berufszugangs selbst, die der Frage des ‚Wo‘ hinsichtlich der erstrebten Ausbildung vorausgeht. Ortswunschangaben dürfen insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nur als Sekundärkriterium, das heißt nur nachrangig für die Verteilung der vorhandenen Studienplätze unter den ausgewählten Bewerbern herangezogen werden.“18 *** 15 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 126. 16 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 216. 17 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 127 ff. 18 BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 136 f.