WD 3 - 3000 - 267/20 (18. November 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Ergebnis: Eine Regelung, die den Zutritt von Abgeordneten zum Plenarsaal beschränkt, verstieße gegen Art. 38 GG. Weil das freie Mandat zentraler Bestandteil der repräsentativen Demokratie ist, könnte eine solche Regelung auch nicht im Weg der Verfassungsänderung geschaffen werden. Die Frage ist, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen der Zutritt von Abgeordneten zum Plenarsaal beschränkt werden kann. Eine klare Antwort auf diese Frage lautet: „Der Abgeordnete hat – abgesehen vom Fall des § 38 GO-BT [Sitzungsausschluss] – das Recht zur Anwesenheit bei allen Plenarsitzungen des Bundestages “ (Müller, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 38 Rn. 84, Hervorhebung im Original). Ähnlich heißt es: Mitwirkungsbefugnisse des Abgeordneten seien das Rede- und Stimmrecht. „Der Abgeordnete hat das Recht, im Plenum, in den Ausschüssen und anderen Gremien des Bundestages, denen er angehört, das Wort zu ergreifen und (…) abzustimmen“ (Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 91. EL April 2020, Art. 38 Rn. 231). Auch in einem weiteren Kommentar wird ausgesagt, die parlamentarischen Beteiligungsrechte umfassten die Befugnisse des Abgeordneten , an den Verhandlungen und der Beschlussfassung des Bundestages, vor allem im Plenum, teilzunehmen (Magiera, in: Sachs, GG, 8. Auflage 2018, Art. 38 Rn. 59). Demzufolge ist es grundsätzlich nicht möglich, den Zutritt von Abgeordneten zum Plenarsaal einzuschränken . Allerdings gelten auch die Rechte des Abgeordneten nicht unbegrenzt. Eine Grenze kann aufgrund von Rechtsgütern von Verfassungsrang gezogen werden. Dazu zählt die Funktionsfähigkeit des Bundestages. Auf dieses Rechtsgut kann zum Beispiel ein Sitzungsausschluss (§ 38 GO-BT) gestützt werden. Auf dieses Rechtsgut ließe es sich auch stützen, Abgeordneten den Zutritt zum Plenarsaal zu verwehren, die erwiesenermaßen an einer schwerwiegenden ansteckenden Krankheit leiden. Unabhängig von solchen Extremfällen wird (das ist jedenfalls das Ergebnis einer kursorischen Prüfung) nicht diskutiert, ob eine generelle Zutrittsbeschränkung von Abgeordneten möglich ist. Eine Zutrittsbeschränkung würde eine sehr gravierende Ungleichbehandlung der Abgeordneten herbeiführen: Ein Teil hat Zutritt zum Plenum, ein anderer Teil jedoch nicht. Mit welchem Verfassungsgut dies gerechtfertigt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zutrittsbeschränkungen für Abgeordnete Kurzinformation Zutrittsbeschränkungen für Abgeordnete Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Eine solche Beschränkungsmöglichkeit im Weg der Verfassungsänderung einzuführen, muss Art. 79 Abs. 3 GG beachten. Demzufolge darf eine Grundgesetzänderung unter anderem den Grundsatz der Demokratie nicht berühren. Hierzu dürfte recht eindeutig der Grundsatz des freien Mandats gemäß Art. 38 GG jedenfalls in der hier relevanten Ausprägung gehören, dass Abgeordnete ungehindert an Plenarsitzungen teilnehmen können. ***