© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 267/17 Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Beteiligung von Verfassungsschutzbehörden bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen im privaten Bereich Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Bevor auf diesen verfassungsrechtlichen Rahmen eingegangen wird, soll zunächst ein Überblick über bestehende gesetzliche Regelungen auf Bundesebene zur Beteiligung der Verfassungsschutzbehörden bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit Privater gegeben werden.2 2. Bestehende gesetzliche Regelungen zur Beteiligung von Verfassungsschutzbehörden bei der Überprüfung Privater Erst 2016 wurden die Regelungen zum Bewachungsgewerbe novelliert und den zuständigen Behörden mit der Regelung des § 34a Abs. 1 S. 6 Gewerbeordnung ermöglicht, „zum Zweck der Überprüfung der Zuverlässigkeit bei der für den Sitz der Behörde zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz die Abfrage des nachrichtendienstlichen Informationssystems [zu] veranlassen“. Laut Gesetzesmaterialien ist diese Befugnis erforderlich, damit im Bereich des sensiblen Bewachungsgewerbes auch Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden über radikale, islamistische oder sonstige extremistische Bestrebungen in die Beurteilung der Zuverlässigkeit des (künftigen) Gewerbetreibenden einbezogen werden können.3 Die 2014 vom Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht “ zur Überarbeitung des Bewachungsrechts eingesetzte Arbeitsgruppe führt in diesem Zusammenhang aus: „Eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden wäre nach Einschätzung des Bund-Länder-Ausschusses […] verfassungsrechtlich bedenklich und auch nicht sinnvoll. Im Einzelfall soll sie aber – sofern den Vollzugsbehörden bekannt – insbesondere für die Fälle der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften und von Großveranstaltungen erfolgen können.“4 Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich eine Regelung zur Beteiligung von Verfassungsschutzbehörden . Nach § 37 Abs. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz übermitteln die Einbürgerungsbehörden den Verfassungsschutzbehörden zur Ermittlung von Ausschlussgründen hinsichtlich einer Einbürgerung die bei ihnen gespeicherten personenbezogenen Daten der Antragsteller und die Verfassungsschutzbehörden unterrichten die anfragende Stelle unverzüglich nach Maßgabe der 1 Teile der folgenden Ausführungen basieren auf der Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Regelabfrage bei Verfassungsschutzbehörden zur Prüfung der Zuverlässigkeit im Überwachungsgewerbe , 2016, der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. 2 Ausgeklammert wird dabei das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG), dessen Regelungen zwar Anfragen bei den Nachrichtendiensten vorsehen (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 SÜG), bei denen jedoch die Nachrichtendienste nicht (lediglich) mitwirkende Behörde sind, sondern eine eigene – und letztlich maßgebende – Bewertung der über die betreffende Person vorliegenden Erkenntnisse vornehmen, siehe Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 6a. 3 BT-Drs. 18/8558, S. 15. 4 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Eckpunktepapier des Bund-Länder-Ausschusses „Gewerberecht“ zur Überarbeitung des Bewachungsrechts, 2015, S. 3, abrufbar unter http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads /E/eckpunkte-bewachungsrecht.html, zuletzt abgerufen am 23. Januar 2018. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 267/17 Seite 4 insoweit bestehenden besonderen gesetzlichen Verwendungsregeln. Laut den Gesetzesmaterialien wurde die Regelung eingefügt, um nach den Ereignissen des 11. September 2001 alle Möglichkeiten auszuschöpfen, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Terroristen auszuschließen.5 In der Literatur wird jedoch betont, dass die Anfrage nicht routinemäßig vorgenommen werden dürfe, sondern nur dann, wenn sich bereits ein konkreter Anlass für die mögliche Erfüllung der Ausweisungs- und Ausschlussgründe aus sonstigen Unterlagen oder Angaben ergeben habe.6 Weiter enthält das Atomrecht Regelungen zur Beteiligung von Verfassungsschutzbehörden. So ist eine Überprüfung der Zuverlässigkeit etwa bei Personen vorgesehen, die Atomanlagen betreiben (§ 12b Abs. 1 Nr. 1 Atomgesetz [AtG]), die bei deren Errichtung oder Betrieb (§ 12b Abs. 1 Nr. 2 AtG) oder beim Umgang mit radioaktiven Stoffen oder bei deren Beförderung (§ 12b Abs. 1 Nr. 3 AtG) tätig sind, sowie bei entsprechenden Sachverständigen (§ 12b Abs. 1 Nr. 4 AtG). Nach § 12b Abs. 3 Nr. 2 AtG darf die zuständige Behörde zur Überprüfung der Zuverlässigkeit dieser Betroffenen bei den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsamen Erkenntnisse anfragen. Im Luftsicherheitsrecht sieht § 7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) Zuverlässigkeitsprüfungen bestimmter Personengruppen zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs vor. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit darf die Luftsicherheitsbehörde gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 LuftSiG unter anderem Anfragen bei den Verfassungsschutzbehörden der Länder sowie, soweit im Einzelfall erforderlich, dem Bundesamt für Verfassungsschutz nach vorhandenen für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsamen Informationen stellen. Für Zuverlässigkeitsprüfungen im Rahmen des Sprengstoffrechts bestimmt § 8a Abs. 5 Nr. 4 Sprengstoffgesetz , dass die zuständige Behörde die Auskunft der zuständigen Verfassungsschutzbehörde einzuholen hat, soweit bekannt ist, dass die betreffende Person Mitglied in einem nach dem Vereinsgesetz verbotenen Verein war oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden. Im Waffenrecht ist auf der Ebene des Waffengesetzes die Einholung einer Auskunft bei den Verfassungsschutzbehörden nicht vorgesehen. Allerdings führt die zum Waffengesetz durch das Bundesministerium des Innern erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift (WaffVwV) zur Prüfung der Zuverlässigkeit nach § 5 Waffengesetz (WaffG) aus, dass die in § 5 Abs. 5 WaffG genannten Erkenntnisquellen nicht abschließend seien und sich im Einzelfall eine ergänzende Anfrage bei den zuständigen Landesbehörden für Verfassungsschutz anbiete.7 Dies sollte insbesondere dann erfolgen, wenn sich entsprechende Hinweise aus den Stellungnahmen der nach § 5 Abs. 5 WaffG zwingend anzufragenden Stellen ergeben würden. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch auf die 1972 auf Vorschlag der Innenministerkonferenz erlassenen „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen 5 BT-Drs. 15/955, S. 43. 6 Hailbronner, in: ders./Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 6. Aufl. 2017, § 37 StAG Rn. 10; Geyer, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 StAG Rn. 8. 7 Nr. 5.5 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 267/17 Seite 5 Dienst“ – dem sog. Radikalenerlass – hingewiesen, auch wenn die darin enthaltene Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden nicht für Beschäftigte im privaten Bereich, sondern für die Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgesehen war. Den Radikalenerlass hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich zulässig erachtet; dies jedoch unter ausdrücklicher Betonung der besonderen Anforderungen an das Berufsbeamtentum, für das verlangt werden dürfe, dass der Bewerber jederzeit die Gewähr dafür biete, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.8 In derselben Entscheidung hat das Gericht in Bezug auf Regelabfragen bei den Verfassungsschutzbehörden bei der Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst in einem obiter dictum festgestellt, dass solche nur schwerlich mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot der Verhältnismäßigkeit vereinbar seien.9 Der Schwerpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Anwärters müsse auf dem Vorbereitungsdienst und der Zeit als Beamter auf Probe liegen, da in dieser Zeit die Verwaltung sich unmittelbar ein zuverlässiges Bild über die Persönlichkeit des Betroffenen machen könne. 3. Verfassungsrechtlicher Rahmen Die Beteiligung von Verfassungsschutzbehörden bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen im privaten Bereich ist in erster Linie am Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), daneben ggf. auch an der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit zu messen. 3.1. Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG 3.1.1. Eingriff in den Schutzbereich Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst; dieses Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.10 Erfolgt die Beteiligung der Verfassungsschutzbehörden bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit in Form einer Abfrage, bei der die Verfassungsschutzbehörden den anfragenden Stellen die über die Betroffenen vorliegenden Informationen mitteilen, stellt diese Übermittlung einen selbstständig neben der bereits erfolgten Datenerhebung liegenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar.11 8 BVerfGE 39, 334 (335 – Leitsatz 10). 9 BVerfGE 39, 334 (356 f.). 10 BVerfGE 65, 1 (1 – Leitsatz 1, 38 ff.). 11 Vgl. BVerfGE 130, 151 (184), dazu, dass Vorschriften, die zum Umgang mit personenbezogenen Daten durch staatliche Behörden ermächtigen, in der Regel verschiedene, aufeinander aufbauende Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG begründen und insoweit zwischen Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten zu unterscheiden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 267/17 Seite 6 3.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos gewährleistet; der Einzelne muss vielmehr grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Beschränkungen bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss.12 Insbesondere ist insoweit verfassungsrechtlich geboten, informationelle Grundrechtseingriffe auf das Erforderliche zu beschränken.13 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , wonach Grundrechtseingriffe, die durch Verdachtslosigkeit gekennzeichnet sind – bei denen also Personen betroffen sind, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben –, grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität aufweisen.14 Der Einzelne sei in seiner grundrechtlichen Freiheit umso intensiver betroffen, je weniger er selbst für einen staatlichen Eingriff Anlass gegeben habe. In der Literatur zur Einbindung der Verfassungsschutzbehörden im Staatsangehörigkeitsrecht wird zudem auf die weitreichenden Datenerhebungs- und Speicherungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden verwiesen, die grundsätzlich eine restriktive Handhabung von Übermittlungspflichten erforderten.15 Sei eine einbürgerungsrechtliche Relevanz fern liegend oder seien Daten aus dem Privatleben gespeichert, könne sich eine Übermittlung als von vornherein unverhältnismäßig erweisen oder könnten schutzwürdige Belange der Betroffenen eine Übermittlung ausschließen . Insgesamt bewege sich das Aufgabenfeld des Verfassungsschutzes im nicht strafbewehrten Vorfeld, welches er zu beobachten und über das er Informationen zu sammeln sowie auszuwerten habe.16 Vor diesem Hintergrund könne eine Regelanfrage bei den Verfassungsschutzbehörden einer Datenübermittlung über Nichtverdächtige gleichkommen.17 Insoweit wird auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der sog. Rasterfahndung Bezug genommen, in der das Gericht feststellt, dass auch für die Verfolgung des fundamentalen Staatszwecks der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung die Verfassung dazu verpflichtet, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen.18 Eine pauschale Bewertung der Zulässigkeit der Mitwirkung von Verfassungsschutzbehörden an der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen im privaten Bereich ist letztlich nicht möglich. 12 Siehe nur BVerfGE 65, 1 (1 – Leitsatz 2, 43 f.). 13 Vgl. BVerfGE 65, 1 (44). 14 BVerfGE 115, 320 (354 m.w.N.). 15 Hilbrans, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 37 StAG Rn. 16. 16 Siehe hierzu Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, §§ 3, 4 BVerfSchG Rn. 87 ff. 17 So Hilbrans, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 37 StAG Rn. 14 – Fn. 15. 18 BVerfGE 115, 329 (358). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 267/17 Seite 7 Entscheidend ist vielmehr, welchen Allgemeininteressen eine Zuverlässigkeitsüberprüfung im konkreten Fall dient und ob diese Allgemeininteressen die Rechte des Betroffenen überwiegen. 3.2. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG 3.2.1. Eingriff in den Schutzbereich Soll die Mitwirkung von Verfassungsschutzbehörden an einer Zuverlässigkeitsprüfung im Sinne der dieser Ausarbeitung zugrundeliegenden Fragestellung im Vorfeld oder im Zusammenhang mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit erfolgen, ist auch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit fasst die Berufswahlfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit zu einem einheitlichen Grundrecht zusammen. Die insbesondere im Gewerberecht als Voraussetzung vieler Tätigkeiten geforderte Zuverlässigkeit, die persönliche Eignung oder das Fehlen bestimmter Vorstrafen werden klassischerweise als subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen angesehen.19 Hieraus kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass auch die Mitwirkung von Verfassungsschutzbehörden an einer Zuverlässigkeitsprüfung generell eine Berufszulassungsvoraussetzung darstellt. Entscheidend ist vielmehr insbesondere, welche Anforderungen an den Betroffenen für die Erfüllung des Zuverlässigkeitserfordernisses gestellt werden bzw. welchen Einfluss ein Votum der Verfassungsschutzbehörden auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit und damit auf die Ausübung der Berufstätigkeit des Betroffenen hat. 3.2.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübungsfreiheit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Die entsprechende rechtliche Grundlage muss verfassungskonform ausgestaltet sein, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.20 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass der Staat mit dem Grundrechtseingriff einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgt.21 Zur berufsfreiheitsspezifischen Strukturierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Bundesverfassungsgericht die sog. Drei-Stufen-Lehre entwickelt, die zwischen Berufsausübungsregelungen sowie subjektiven und objektiven Berufswahlregelungen differenziert.22 Dabei werden qualifizierte Anforderungen an die gesetzliche Zwecksetzung im Verhältnis zur Eingriffsintensität gestellt. Berufsausübungsregelungen betreffen lediglich die Art und Weise der Berufsausübung, also das „wie“ der beruflichen Tätigkeit.23 Sie sind regelmäßig bereits durch vernünftige Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt. Subjektive Berufswahlregelungen sind solche, die die Aufnahme eines Berufes 19 Vgl. nur Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 67. 20 BVerfGE 9, 83 (88). 21 Siehe statt vieler nur BVerfGE 109, 279 (335 ff.). 22 BVerfGE 7, 377 (397 ff.). 23 Siehe zum Folgenden Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Stand: 35. Edition (Oktober 2017), Art. 12 Rn. 93 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 267/17 Seite 8 an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen oder Leistungsnachweise knüpfen. Derartige Regelungen können gerechtfertigt sein, sofern sie dem Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter, die der Freiheit des Einzelnen vorgehen, dienen. Objektive Berufswahlregelungen erweisen sich schließlich nur dann als zulässig, wenn sie der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dienen. In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers bleibt. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Berufsregelungen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass sich diese nicht nur aus allgemein anerkannten Gemeinschaftswerten ergeben kann, sondern auch aus solchen Gemeinschaftswerten, die sich erst aus den besonderen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Zielen des Gesetzgebers ergeben.24 Das Bundesverfassungsgericht könne die Berufsregelungen in solchen Fällen nicht schon deswegen beanstanden, weil die ihnen zugrunde liegenden politischen Auffassungen umstritten seien: „Das Gericht ist insoweit auf die Prüfung beschränkt, ob die öffentlichen Interessen, deren Schutz die gesetzliche Regelung dient, überhaupt Gemeinschaftswerte von so hohem Rang darstellen können, dass sie eine Einschränkung der freien Berufswahl rechtfertigen. Den Anschauungen des Gesetzgebers darf es die Anerkennung nur versagen, wenn sie offensichtlich fehlsam oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind.“25 Schließlich bleibt festzuhalten, dass auch in Bezug auf die Berufsfreiheit eine pauschale Bewertung der Zulässigkeit der Mitwirkung von Verfassungsschutzbehörden nicht möglich ist. Entscheidend ist insoweit, wie die Mitwirkung der Verfassungsschutzbehörden ausgestaltet ist und welchen Zwecken diese dient. *** 24 Vgl. BVerfGE 13, 97 (97 Leitsatz 2, 107). 25 BVerfGE 13, 97 (107).