Transparenz bei der Anhörung von Interessenvertretern durch den Bundestag oder die Bundesregierung - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 266/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Transparenz bei der Anhörung von Interessenvertretern durch den Bundestag oder die Bundesregierung Ausarbeitung WD 3 - 266/07 Abschluss der Arbeit: 18. Juli 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Anhörungen durch den Deutschen Bundestag 4 1.1. Regelungsebene eines Transparenzvorbehaltes 4 1.2. Regelungsvorschlag 5 2. Anhörungen durch die Bundesregierung 6 2.1. Regelungsebene eines Transparenzvorbehaltes 6 2.2. Regelungsvorschlag 7 2.3. Ministerielle Beiräte und Gremien 8 3. Ergebnis 8 - - 4 1. Anhörungen durch den Deutschen Bundestag Nach § 70 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) kann ein Ausschuss „[z]ur Information über einen Gegenstand seiner Beratung […] öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vornehmen .“ Diese Regelung sieht keine Verpflichtung der Interessenvertreter vor, offen zu legen, wie sie sich finanzieren (Transparenzvorbehalt). Nach Anlage 2 zur GO-BT führt der Präsident des Bundestages zwar eine öffentliche Liste, in der alle Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten, eingetragen werden. Die Finanzierung gehört jedoch nicht zu den eintragungspflichtigen Daten. 1.1. Regelungsebene eines Transparenzvorbehaltes Ein künftig geltender Transparenzvorbehalt ließe sich auf drei Ebenen regeln: - Grundgesetz - Formelles Gesetz - Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT). Auf der Ebene des Grundgesetzes dürfte eine Regelung des Transparenzvorbehalts zulässig sein. Mit einem Transparenzvorbehalt würde das Verfahren der Anhörung von Interessenvertretern um einen Schritt erweitert, nämlich die Offenlegung ihrer jeweiligen Finanzierung. Damit dürfte es sich zwar um eine Verfahrensregel handeln, die in die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG fällt.1 Der Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie wird jedoch an verschiedenen Stellen durch die Verfassung selbst geregelt. Es bestehen daher keine Bedenken, diesen verfassungsrechtlichen Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie um einen Transparenzvorbehalt zu ergänzen. Nicht zulässig sein dürfte hingegen eine Regelung des Transparenzvorbehalts im Wege eines formellen Gesetzes. Im Bereich der Geschäftsordnungsautonomie ist der Bundestag nicht uneingeschränkt frei, zwischen der Regelungstechnik einer Geschäftsordnung oder eines Gesetzes zu wählen. Denn ein Gesetz eröffnet Mitwirkungsmöglichkeiten anderer Verfassungsorgane und beeinträchtigt so die Geschäftsordnungsautonomie, u. a. durch das Initiativrecht der Bundesregierung, das Prüfrecht des Bundespräsidenten, die Einspruchsmöglichkeit des Bundesrats und die erweiterte Kontrollmöglichkeit durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG).2 Ferner bindet ein Gesetz den nachfolgenden 1 Morlok in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 6. 2 Morlok in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 6, 20; BVerfG, NJW 1986, 907 mit Sondervoten Böckenförde und Mahrenholz. - - 5 Bundestag und beeinträchtigt so die Diskontinuität.3 In gewissem Umfang weist die Verfassung dem Gesetzgeber gleichwohl die Kompetenz zu, geschäftsordnungsrelevante Sachverhalte gesetzlich zu regeln, so z. B. Art. 45c GG hinsichtlich der Befugnisse des Petitionsausschusses. Über diese verfassungsrechtlich vorgegebenen Bereiche hinaus räumt das BVerfG dem Gesetzgeber die Kompetenz zur Regelung von Teilbereichen der Geschäftsordnung ein, „wenn das Gesetz – auch seine Aufhebung – nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, der Kern der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages nicht berührt wird und überdies gewichtige sachliche Gründe dafür sprechen, die Form des Gesetzes zu wählen.“4 Ein gewichtiger sachlicher Grund für die gesetzliche Regelung des Transparenzvorbehalts ist nicht ersichtlich, da er nicht in Rechtspositionen der Interessenvertreter eingreift . Das Grundgesetz sieht keinen Anspruch der Bürger vor, auf die Entscheidungsfindung der gesetzgebenden Gewalt direkt Einfluss zu nehmen, außer über Wahlen und Abstimmungen (Art. 20 Abs. 2 GG). Mit der Anhörung von Interessenvertretern wird daher kein subjektiv-öffentliches Recht erfüllt. Mangels gewichtigen sachlichen Grundes dürfte eine gesetzliche Regelung des Transparenzvorbehalts eine unzulässige Beschränkung der Geschäftsordnungsautonomie sein. Ein formelles Gesetz als Ermächtigungsgrundlage5 dürfte im Übrigen nicht nur nicht zulässig, sondern auch nicht notwendig sein, da ein Transparenzvorbehalt – wie vorstehend ausgeführt – nicht in die Rechte der Interessenvertreter eingreifen würde. 1.2. Regelungsvorschlag Die Formulierung eines Transparenzvorbehaltes sollte Fehldeutungen im Sinne eines Eingriffs in subjektiv-öffentliche Rechte der Interessenvertreter vermeiden. Der Wortlaut sollte daher nicht auf eine Pflicht der Interessenvertreter hindeuten, sondern auf eine (Transparenz-)Pflicht des jeweils anhörenden Ausschusses. Eine solche Regelung könnte z. B. in § 70 GO-BT die Ausschüsse verpflichten, Verbände oder Organisationen nur anzuhören, wenn die Anzuhörenden zuvor auf einem standardisierten Fragebogen offengelegt haben, über welche Mittel sie sich finanzieren. 3 Morlok in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 6; BVerfG, NJW 1986, 907; anderer Auffassung für ein Landesgesetz: Brandenburgisches Verfassungsgericht, NVwZ-RR 2003, 798 (799). 4 BVerfG, NJW 1986, 907 (910). 5 Vgl. Sommermann in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 5. Aufl., 2005, Art. 20, Rn. 276. - - 6 2. Anhörungen durch die Bundesregierung Die Anhörung von Interessenvertretern ist fester Bestandteil der Erarbeitung von Gesetzentwürfen .6 Die „Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien“7 (GGO) sieht hierzu folgende Regelungen vor: § 44 Abs. 4 S. 2 GGO: Das für den Gesetzentwurf fachlich zuständige Bundesministerium hat dazu [zu den wirtschaftlichen Gesetzesfolgen] Angaben der beteiligten Fachkreise und Verbände, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft, einzuholen. § 47 Abs. 1 und 3 GGO: (1) Der Entwurf einer Gesetzesvorlage ist Ländern […] möglichst frühzeitig zuzuleiten, wenn ihre Belange berührt sind. […] (2) Das Bundeskanzleramt ist über die Beteiligung zu unterrichten . […] (3) Für eine rechtzeitige Beteiligung von Zentral- und Gesamtverbänden sowie von Fachkreisen, die auf Bundesebene bestehen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Zeitpunkt, Umfang und Auswahl bleiben, soweit keine Sondervorschriften bestehen, dem Ermessen des federführenden Bundesministeriums überlassen. § 48 Abs. 2 GGO: Wird ein Gesetzentwurf den […] beteiligten Fachkreisen oder Verbänden beziehungsweise Dritten im Sinne von Absatz 1 zugeleitet, so ist er den Geschäftsstellen der Fraktionen des Deutschen Bundestages, dem Bundesrat und auf Wunsch Mitgliedern des Deutschen Bundestages und des Bundesrates zur Kenntnis zu geben. Die GGO verpflichtet die Ministerien jedoch nicht, offen zu legen, wie sie sich finanzieren . 2.1. Regelungsebene eines Transparenzvorbehaltes Eine künftig geltende Transparenzverpflichtung ließe sich auf drei Ebenen regeln: - Grundgesetz - Formelles Gesetz - Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Was die Regelung auf Ebene des Grundgesetzes anbelangt, gilt für die Bundesregierung das oben unter Nr. 1.1 Gesagte entsprechend: Gegen einen Transparenzvorbehalt im 6 Vgl. Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 76 Rn. 30. 7 Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern vom 13. November 2006 mit Wirkung zum 1. Dezember 2006, GMBl. 1133, http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Broschueren/2007/GGO,templateId=ra w,property=publicationFile.pdf/GGO.pdf - - 7 Wege einer Grundgesetzergänzung bestehen keine Bedenken, zumal ein Transparenzvorbehalt die Satzungshoheit der Bundesregierung nach Art. 65 S. 4 GG – im Unterschied zur Satzungshoheit des Bundestags – nicht berühren würde. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien ist eine Basis des ministeriellen Verwaltungshandelns .8 Anders als die Geschäftsordnung der Bundesregierung9 dürfte sie damit keine Satzung sein, sondern eine Verwaltungsvorschrift10, und unterfällt damit nicht Art. 65 S. 4 GG. Die Regelung in Form eines formellen Gesetzes erscheint im Hinblick auf die Gewaltenteilung nicht unbedenklich, denn der Gesetzgeber würde einen Verfahrensaspekt im Regierungsbereich regeln, nämlich die Vorarbeiten zu Gesetzesentwürfen. Allerdings bedeutet nach Auffassung des BVerfG nicht jede Einflussnahme des Parlaments auf die Regierung schon ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung: „Selbst eine gewisse Gewichtsverlagerung auf Kosten der Exekutive zugunsten des Parlaments ist in der parlamentarischen Demokratie unbedenklich. Erst wenn zugunsten des Parlaments ein Einbruch in den Kernbereich der Exekutive erfolgt, ist das Gewaltenteilungsprinzip verletzt .“11 Von einem solchen Einbruch in den Kernbereich dürfte hier eher nicht auszugehen sein. Es würde nur ein untergeordneter Teilaspekt zum Verfahren der Gesetzesentwürfe geregelt. Sollten einzelne Interessenvertreter aufgrund des Transparenzvorbehalts der Regierung nicht mehr zur Verfügung stehen, so dürfte diese Beeinträchtigung der Regierungsarbeit durch das Transparenzinteresse der Bürger gerechtfertigt sein. Notwendig wäre eine gesetzliche Regelung jedoch nicht, da der Transparenzvorbehalt nicht in Rechte der Interessenvertreter eingreifen würde. Hier gilt für die Bundesregierung das oben unter Nr. 1.1 Gesagte entsprechend. 2.2. Regelungsvorschlag Eine gesetzliche Regelung oder eine Vorschrift in der GGO könnten das Bundeskanzleramt und die Ministerien verpflichten, nur Interessenvertreter, Verbände oder Organisationen anzuhören, die zuvor auf einem standardisierten Fragebogen offengelegt haben , über welche Mittel sie sich finanzieren. 8 Zypries/Peters, Eine neue Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Zeitschrift für Gesetzgebung 2000, 316. 9 Vom 11. Mai 1951, GMBl. S. 137, in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2002 GMBl. S. 848. 10 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 31 IV 2 b, S. 307. 11 BVerfG, Neue Juristische Wochenschrift 1959, 1171. - - 8 2.3. Ministerielle Beiräte und Gremien Die Bundesregierung unterhält zahlreiche Beiräte und Gremien.12 Zum Teil gehören diesen Beiräten nur natürliche Personen an, wie z. B. bei wissenschaftlichen Beiräten. Der in der unter Nr. 2.2 vorgeschlagenen Regelung erwähnte Fragebogen müsste für natürliche Personen ggf. entsprechend angepasst werden. Eine Regelung in einem Gesetz oder der GGO könnte das Bundeskanzleramt und die Ministerien verpflichten, externe Dritte erst zu Mitgliedern ihrer Beiräte und sonstigen Gremien zu ernennen, wenn sie mittels eines standardisierten Fragebogens offengelegt haben, über welche Mittel sie sich finanzieren. Ferner müssten das Bundeskanzleramt und die Ministerien verpflichtet werden, vermögensfähige Gremien, wie z. B. die Stiftung für Wissenschaft und Politik, nur anzuhören, wenn diese zuvor auf einem standardisierten Fragebogen offengelegt haben, über welche Mittel sie sich finanzieren. 3. Ergebnis Derzeit besteht keine Verpflichtung von Interessenvertretern, vor Anhörungen beim Bundestag oder der Bundesregierung offen zu legen, wie sie sich finanzieren. Gleiches gilt für externe Mitglieder von Beiräten oder Gremien der Bundesregierung. Ein Transparenzvorbehalt für Interessenvertreter kann sowohl für den Bundestag als auch die Bundesregierung im Grundgesetz verankert werden. Da der Transparenzvorbehalt als Verfahrensregel anzusehen seien dürfte, könnte er darüber hinaus für den Bundestag aufgrund dessen Geschäftsordnungsautonomie nicht im Wege eines Gesetzes, sondern nur in der Geschäftsordnung geregelt werden. Für die Bundesregierung fällt ein Transparenzvorbehalt nicht unter die Geschäftsordnungsautonomie und kann im Wege eines Gesetzes geregelt werden. Im Übrigen kann sich die Bundesregierung über die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (oder eine sonstige Verwaltungsvorschrift ) auf einen Transparenzvorbehalt selbst verpflichten. 12 Übersicht bei BT-Drs. 16/4102 vom 19. Januar 2007, S. 2f.