© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 264/19 Kinderrechte im Asylverfahren Zu den Anforderungen der UN-Kinderrechtskonvention und der EU-Grundrechte-Charta Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Anforderungen der UN-Kinderrechtskonvention 2.1. Geltung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland Bei der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) im Jahr 1992 hat die Bundesrepublik Deutschland zunächst mehrere Erklärungen abgegeben, die auf eine Einschränkung der Verpflichtungen aus der Konvention zielten.2 Diese Erklärungen hat die Bundesregierung im Namen der Bundesrepublik Deutschland jedoch mit Wirkung zum 1. November 2010 zurückgenommen.3 Damit gilt die KRK als völkerrechtlicher Vertrag in Deutschland vollumfänglich im Range eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 GG).4 Unmittelbare Wirkung haben die Regelungen der Konvention jedoch nur, wenn sie „self executing“ sind, d.h. wenn die konkrete Bestimmung nach ihrer Normstruktur und insbesondere ihrer normativen Dichte hinreichend bestimmt und unbedingt ist.5 Nach wohl überwiegender Auffassung ist eine Reihe von Bestimmungen der KRK in Deutschland unmittelbar anwendbar.6 Dazu sollen insbesondere die Bestimmungen der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7, Art. 12 und Art. 40 KRK gehören.7 1 Nicht behandelt wird das sog. Dublin-Verfahren zur Prüfung der Zuständigkeit für das Asylverfahren. Siehe zur Berücksichtigung des Kindeswohls im Dublin-Verfahren Hoffmann, Zur Berücksichtigung des Kindeswohls im deutschen Migrationsrecht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, Band 25, 2017, 197 (210 f.). 2 Vgl. dazu die Erklärungen in BGBl. 1992 II, S. 990 f. Zum Ratifikationsprozess im Jahr 1992 und zu den darauf folgenden Entwicklungen siehe Schmahl, KRK, 2012, Einleitung Rn. 23 f. 3 Nachweise bei Schmahl, KRK, 2012, Einleitung Rn. 24. Siehe dazu auch Löhr, Gesetzliche Konsequenzen aus der Rücknahme des Vorbehalts zur Kinderrechtskonvention, in: ZAR 2010, 378. 4 Die Einordnung von völkerrechtlichen Verträgen in den Rang von Bundesgesetzen ist nicht zwingend, siehe Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, 87. EL März 2019 Art. 59 Rn. 184. In Bezug auf die KRK wird dies jedoch angenommen , siehe Schmahl, KRK, 2012, Einleitung Rn. 25; Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt - Die Folgen der unmittelbaren Anwendbarkeit des Kindeswohlvorrangs nach der UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung, MRM 2011, 5 (7, 12). 5 Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt - Die Folgen der unmittelbaren Anwendbarkeit des Kindeswohlvorrangs nach der UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung, MRM 2011, 5 (7). 6 Vgl. zum Meinungsstand die Nachweise bei Schmahl, KRK, 2012, Einleitung Rn. 26. 7 Schmahl, KRK, 2012, Einleitung Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 264/19 Seite 4 Die Bestimmungen der KRK gelten nach Art. 2 KRK für alle Kinder. „Kind“ im Sinne der KRK ist nach Art. 1 KRK grundsätzlich, wer das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat. Somit ist die KRK unter anderem bei Minderjährigen im Asylverfahren zu beachten. Unmittelbare Rechte lassen sich jedoch nur aus den unmittelbar anwendbaren Bestimmungen ableiten. 2.2. Anforderungen der UN-Kinderrechtskonvention 2.2.1. Vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls, Art. 3 Abs. 1 KRK Art. 3 Abs. 1 KRK besagt, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist. Das Kindeswohl ist das Leitprinzip der gesamten KRK, das durch die im Einzelnen gewährten Garantien nur ausgestaltet wird.8 Nach der Vorgabe des Art. 3 Abs. 1 KRK sind unter anderem alle Behörden und Gerichte verpflichtet, unter der Beteiligung des Minderjährigen zu ermitteln, welche Maßnahme dem Kindeswohl gerecht wird und dieses Ergebnis in die weitere Güterabwägung einzubringen.9 Da sämtliche Maßnahmen öffentlicher Stellen umfasst sind, gelten die Vorgaben auch für alle Stadien des Asylverfahrens und ebenso für die Anordnung und Durchführung der Abschiebung. Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes sind Verwaltungsbehörden und -gerichte verpflichtet, den jeweiligen Sachverhalt zu klären und dazu Beweise zu erheben (§ 24 VwVfG, § 86 VwGO). Für das Asylverfahren ist dieser Grundsatz spezialgesetzlich in § 24 Abs. 1 AsylG geregelt.10 Diese Anforderungen gelten auch in Bezug auf die Ermittlung des Kindeswohls. Dabei muss das Kindeswohl nicht nur in den behördlichen Entscheidungsprozess einfließen, sondern sich auch in der Entscheidungsbegründung niederschlagen.11 Daraus ergibt sich eine Dokumentationspflicht der entsprechenden Stellen.12 Im Streitfall muss bewiesen werden, dass eine asyl- bzw. aufenthaltsrechtliche Maßnahme nicht gegen den Vorrang des Kindeswohls verstößt.13 Ermessensfehlerhaft sind dabei sowohl Entscheidungen, die das Kindeswohl gar nicht berücksichtigen als auch solche, die dem Kindeswohl keine vorrangige Berücksichtigung zuteilwerden lassen.14 Aus Art. 3 Abs. 1 KRK lässt sich allerdings kein absoluter Vorrang des Kindeswohls ableiten, der gebieten würde, Belange von Kindern generell höher zu bewerten als andere Belange, die in die 8 Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt, in: MRM 2011, 5 (8) m.w.N. 9 Hoffmann, Zur Berücksichtigung des Kindeswohls im deutschen Migrationsrecht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, Band 25, 2017, 197 (199). 10 Zu den Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung siehe Gies, Prinzipien der Sachverhaltsermittlung im Asylverfahren , in: ZAR 2017, 406. 11 Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt, in: MRM 2011, 5 (15). 12 Vgl. Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt, in: MRM 2011, 5 (15). 13 Hoffmann, Zur Berücksichtigung des Kindeswohls im deutschen Migrationsrecht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, Band 25, 2017, 197 (199). 14 Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt, in: MRM 2011, 5 (13). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 264/19 Seite 5 Entscheidung einzubeziehen sind.15 Daher wurde das Kindeswohl bewusst als „ein“ vorrangig zu beachtender Gesichtspunkt formuliert, nicht etwa – wie im ursprünglichen Entwurf der KRK vorgesehen 16 – als „der“ vorrangig zu beachtende Punkt.17 Im Einzelfall können andere Interessen so gewichtig sein, dass das Kindeswohl dahinter zurückstehen muss.18 Dies kann etwa bei schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Fall sein.19 Die Gründe für das Überwiegen anderer Belange müssen aber besonders sorgfältig und nachvollziehbar aufgeführt werden.20 2.3. Mitspracherecht und rechtliches Gehör, Art. 12 KRK Art. 12 Abs. 1 KRK verpflichtet die Vertragsstaaten, einem Kind, das fähig ist, eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zuzusichern, seine Meinung in allen Angelegenheiten, die es betreffen, frei zu äußern. Die Meinung des Kindes muss angemessen und dem Alter und der Reife des Kindes entsprechend berücksichtigt werden. Nach Art. 12 Abs. 2 KRK muss Kindern insbesondere Gelegenheit gegeben werden, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren selbst oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle gehört zu werden. Das Recht auf rechtliches Gehör muss in jedem Stadium des Verfahrens berücksichtigt werden.21 Implizit enthält Art. 12 KRK das Recht des Kindes, diejenigen Informationen zu erhalten, die für seine Meinungsbildung erforderlich sind.22 Art. 12 KRK stellt auf die Meinungsbildungsfähigkeit des Kindes ab, legt aber kein Mindestalter fest. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC) betont, dass die Norm weit auszulegen sei.23 Grundsätzlich sollten die Staaten davon ausgehen, dass auch Kleinkinder die Fähigkeit zur Meinungsbildung hätten; die Beweislast für den Gegenbeweis liege beim Staat. 15 Hoffmann, Zur Berücksichtigung des Kindeswohls im deutschen Migrationsrecht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, Band 25, 2017, 197 (202); vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011, 1 B 22/10, juris Rn. 4. 16 Vgl. Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt, in: MRM 2011, 5 (9). 17 Schmahl, KRK, 2012, Art. 3 Rn. 7. 18 Hoffmann, Zur Berücksichtigung des Kindeswohls im deutschen Migrationsrecht, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, Band 25, 2017, 197 (202). 19 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011, 1 B 22/10, juris Rn. 4. 20 Vgl. Lorz/Sauer, Kinderrechte ohne Vorbehalt, in: MRM 2011, 5 (11). 21 Schmahl, KRK, 2012, Art. 12 Rn. 12. 22 Schmahl, KRK, 2012, Art. 12 Rn. 25. 23 CRC, General Comment No. 12, CRC/C/GC/12, 2009, Rn 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 264/19 Seite 6 Die durch das Kind geäußerte Meinung ist insbesondere bei der Ermittlung des Kindeswohls nach Art. 3 Abs. 1 KRK zu berücksichtigen.24 Dabei ist die Meinung des Kindes umso stärker zu gewichten , je größer die Auswirkungen der Entscheidung für das Leben des Kindes sind.25 Art. 12 KRK verlangt jedoch nicht, dass das Kind in jedem Fall selbst gehört werden muss. Vielmehr kann auch ein Vertreter des Kindes oder eine geeignete Stelle angehört werden.26 Dabei kann es sich um die Eltern des Kindes handeln, aber auch beispielsweise um einen Anwalt oder Sozialarbeiter.27 Die Frage, ob sich das Kind selbst äußern will, soll ihm grundsätzlich selbst überlassen werden.28 3. Anforderungen der EU-Grundrechte-Charta Die EU-Grundrechte-Charta (GRCh) gilt nach Art. 51 Abs. 1 S. 2 GRCh für die Mitgliedstaaten ausschließlich „bei der Durchführung des Rechts der Union“. Dies ist etwa der Fall bei der Anwendung nationalen Rechts, das in Umsetzung von Unionsrecht erlassen wurde.29 Im Bereich des Asylrechts und des Aufenthaltsrechts werden vielfach EU-Richtlinien umgesetzt, etwa die Verfahrensrichtlinie30 und die Qualifikationsrichtlinie31 sowie in Bezug auf Abschiebungen die Rückführungsrichtlinie32. Für diejenigen Maßnahmen, die in Umsetzung der Richtlinien normiert wurden, ist die GRCh anwendbar. Nach Art. 24 Abs. 2 GRCh muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein. Nach Art. 24 Abs. 1 S. 2 und 3 GRCh haben Kinder das Recht, ihre Meinung frei zu äußern; ihre Meinung muss in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt werden. Die Regelungen beruhen auf den soeben erörterten Vorgaben der 24 Schmahl, KRK, 2012, Art. 12 Rn. 27. 25 Schmahl, KRK, 2012, Art. 12 Rn. 10 m.w.N. 26 Schmahl, KRK, 2012, Art. 12 Rn. 16. 27 CRC, General Comment No. 12, CRC/C/GC/12, 2009, Rn 36. 28 CRC, General Comment No. 12, CRC/C/GC/12, 2009, Rn 35. 29 Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl. 2016, Art. 51 Rn. 22 m.w.N. 30 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 60). 31 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit internationalem Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9). 32 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 264/19 Seite 7 KRK.33 Dementsprechend wird auch der Begriff der Vorrangigkeit des Kindeswohls ähnlich beurteilt wie bei der KRK: Das Kindeswohl müsse nur eine, nicht etwa die vorrangige Erwägung sein.34 Es müsse daher zwar gebührend berücksichtigt werden,35 im Einzelfall könne aber anderen Belangen der Vorrang gewährt werden.36 Aus Art. 24 Abs. 1 S. 3 GRCh ergibt sich die Pflicht, sich bei allen Angelegenheiten, die Kinder betreffen, mit der Kindesmeinung auseinanderzusetzen und diese in den Erkenntnisprozess einzubeziehen .37 Der Umfang der Verpflichtung hängt vom Alter und der Einsichtsfähigkeit des Kindes ab.38 Die Vorgaben von Art. 24 Abs. 1 und 2 GrCh dürften somit letztlich mit den Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 und 2 KRK übereinstimmen. 4. Beispiele im deutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht für die Berücksichtigung des Kindeswohls Im Asyl- und Aufenthaltsrecht finden sich zahlreiche Regelungen, die dem Kindeswohl Rechnung tragen. Im Folgenden können nur einige Beispiele genannt werden. So haben etwa unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach den Vorgaben der KRK ein Recht darauf, dem Kindeswohl entsprechend untergebracht und betreut zu werden.39 Sie sind nach den §§ 42 ff. SGB VIII in Obhut zu nehmen, außerdem ist ihnen ein Vormund zu stellen.40 Nach § 36 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wird den Eltern unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die eine bestimmte Art der Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis haben, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn sich noch kein sorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält. Den minderjährigen Kindern eines Ausländers wird nach § 32 AufenthG unter bestimmten Umständen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Nach § 32 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann dies auch ohne 33 Vgl. Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 24 Rn. 2 ff. 34 Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 24 Rn. 31. 35 Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 24 Rn. 31. 36 Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl. 2016, Art. 24 Rn. 16. 37 Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 24 Rn. 26 m.w.N. 38 Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl. 2016, Art. 24 Rn. 14. 39 Vogel, in: Deutscher Caritasverband, Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland – Rechtliche Vorgaben und deren Umsetzung, 2. Aufl. 2017, 25. 40 Siehe vertiefend Huber, Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Migrationsrecht, in: NVwZ-Extra 17/2016, 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 264/19 Seite 8 Vorliegen der Voraussetzungen erfolgen, wenn es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Dabei schreibt § 32 Abs. 4 S. 2 AufenthG ausdrücklich vor, dass insbesondere das Kindeswohl zu berücksichtigen ist. Nach § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem Ausländer trotz vollziehbarer Ausreisepflicht eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit einem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Unmöglichkeit der Ausreise kann sich beispielsweise aus einer schweren Erkrankung, aus einer Suizidgefahr oder aus dem Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG ergeben.41 Bei der Beurteilung der Frage, ob die Ausreise unmöglich ist, ist, sofern Minderjährige von der Ausreise direkt oder indirekt betroffen wären, das Kindeswohl gebührend zu berücksichtigen.42 Wird keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt, so ist bei Unmöglichkeit der Ausreise nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG die Abschiebung vorübergehend auszusetzen (Duldung). Eine Duldung kann nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG auch dann erteilt werden, wenn die Ausreise zwar möglich wäre, jedoch dringende humanitäre oder persönliche Gründe die vorübergehende weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern (sog. Ermessensduldung). Dringende persönliche Gründe können bei Minderjährigen etwa der Abschluss der Schulausbildung, wenn der Schüler sich im letzten Schuljahr befindet, oder der Abschluss eines sonstigen Schuljahres , wenn dieses nur noch wenige Wochen andauert, sein.43 *** 41 Fränkel, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 25 AufenthG Rn. 75; Fritzsch, Neue Bleiberechte aufgrund der UN-Kinderrechtskonvention oder der EU-Grundrechtecharta?, in: ZAR 2014, 137 (141). 42 Vgl. Fritzsch, Neue Bleiberechte aufgrund der UN-Kinderrechtskonvention oder der EU-Grundrechtecharta?, in: ZAR 2014, 137 (141). 43 Kluth/Breidenbach, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 23. Edition Stand: 1. August 2019, § 60a AufenthG Rn. 24 m.w.N.