© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 263/16 Meldepflicht von Angehörigen reisender Berufsgruppen nach dem Bundesmeldegesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 263/16 Seite 2 Meldepflicht von Angehörigen reisender Berufsgruppen nach dem Bundesmeldegesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 263/16 Abschluss der Arbeit: 19.12.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 263/16 Seite 3 1. Fragestellung Es wird die Frage gestellt, ob Angehörige reisender Berufsgruppen, die keine eigene Wohnung beziehen (z.B. Schausteller), der Meldepflicht nach dem Bundesmeldegesetz (BMG) unterliegen. Für den Fall einer Meldepflicht würde sich die Frage anschließen, wie diese ohne Bezug einer eigenen Wohnung erfüllt werden könnte bzw. ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Anmeldung unter einer „selbst gewählten Adresse“ zu ermöglichen sei. 2. Meldepflichten nach dem Bundesmeldegesetz 2.1. Allgemeine Meldepflicht Das Bundesmeldegesetz unterscheidet zwischen allgemeinen und besonderen Meldepflichten. Nach der allgemeinen Meldepflicht des § 17 Abs. 1 BMG hat sich derjenige, der eine Wohnung bezieht, innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug bei der Meldebehörde anzumelden. Eine entsprechende Abmeldepflicht beim Auszug aus einer Wohnung besteht nur dann, wenn im Inland keine neue Wohnung bezogen wird. Mit dem Abstellen auf den Ein- oder Auszug knüpft die allgemeine Meldepflicht nicht an einen rechtlichen Vorgang an (z.B. Abschluss eines Mietvertrages ), sondern an ein tatsächliches Geschehen. Die Maßgeblichkeit des tatsächlichen Ein- oder Auszugs entspricht der Aufgabe der Meldebehörden, „die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften Personen (Einwohner) zu registrieren, um deren Identität und deren Wohnungen feststellen und nachweisen zu können“ (§ 2 Abs. 1 BMG). Nach § 19 Abs. 6 BMG ist es zudem verboten, eine Wohnungsanschrift für eine Anmeldung nach § 17 Abs. 1 BMG einem Dritten anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, obwohl ein tatsächlicher Bezug der Wohnung durch den Dritten weder stattfindet noch beabsichtigt ist (Verbot von Scheinanmeldungen). Der Begriff der Wohnung ist in § 20 BMG legaldefiniert und umfasst jeden umschlossenen Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Wohnwagen und Wohnschiffe sind nach § 20 S. 3 BMG nur dann als Wohnungen anzusehen, wenn sie nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden . Voraussetzung für das Beziehen einer Wohnung ist, dass dort im Allgemeinen die „Angelegenheiten des täglichen Lebens wie z.B. Aufhalten, Essen und Schlafen verrichtet werden“.1 Darüber hinaus muss die Absicht bestehen, die Wohnung nicht für einen völlig unerheblichen Zeitraum zu nutzen, wenngleich eine Mindestdauer gesetzlich nicht festgelegt ist.2 Wird keine Wohnung bezogen und liegt auch kein Auszug aus einer Wohnung vor, greift die allgemeine Meldepflicht von vornherein nicht. In diesen Fällen bedarf es auch keines Rückgriffs auf die in § 26 BMG und § 27 BMG geregelten Befreiungen und Ausnahmen von der allgemeinen Meldepflicht, z.B. für Mitglieder einer ausländischen diplomatischen Mission oder für Wehrdienstleistende . Diese Ausnahmen von der Meldepflicht betreffen nur diejenigen Personen, die grundsätzlich der Meldepflicht unterliegen, da sie eine Wohnung beziehen oder aus dieser ausziehen . Soweit die Angehörigen reisender Berufsgruppen keine Wohnung im Sinne der §§ 17, 20 BMG beziehen, fallen sie nicht unter die allgemeine Meldepflicht. 1 So Süßmuth, Bundesmeldegesetz (Loseblatt-Slg.), Rn. 10 zu § 17 (Stand: Juni 2014). 2 Süßmuth (Fn. 1). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 263/16 Seite 4 2.2. Besondere Meldepflichten Für bestimmte Berufsgruppen gelten nach dem Bundesmeldegesetz aber besondere Meldepflichten . Binnenschiffer und Seeleute, die nicht im Inland für eine Wohnung gemäß § 17 BMG gemeldet sind, sind zur An- und Abmeldung gemäß § 28 BMG verpflichtet. Ferner bestehen besondere Meldepflichten bei der Unterbringung in Beherbergungsstätten, § 29 BMG. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 sind Beherbergungsstätten Einrichtungen, die der gewerbs- oder geschäftsmäßigen Aufnahme von Personen dienen. Die Meldepflicht hängt im Einzelnen davon ab, ob bereits eine Anmeldung für eine Wohnung nach § 17 BMG vorliegt und welche Aufenthaltsdauer in der Beherbergungsstätte beabsichtigt ist (drei oder sechs Monate). Für Personen, die auf gewerbs- oder geschäftsmäßig überlassenen Plätzen z.B. in Wohnmobilen oder Wohnwagen übernachten , gilt nach § 29 Abs. 4 S. 1 BMG hingegen keine Meldepflicht, wenn sie im Inland bereits mit einer Wohnung nach § 17 BMG gemeldet sind. Liegt keine Meldung für eine Wohnung nach § 17 BMG vor, haben sich diese Personen innerhalb von zwei Wochen anzumelden, sobald ihr Aufenthalt die Dauer von drei Monaten überschreitet, § 29 Abs. 4 S. 2 BMG. Soweit Angehörige reisender Berufsgruppen die genannten Beherbergungsmöglichkeiten nutzen, können sie nach § 29 BMG – je nach geplanter oder tatsächlicher Aufenthaltsdauer – meldepflichtig sein, auch wenn sie über keine nach § 17 BMG gemeldete Wohnung verfügen. Die Meldepflicht bezieht sich dann auf die jeweilige Unterbringung. 2.3. Meldeberechtigung Die melderechtliche Erfassung kann auch für nicht meldepflichtige Personen vorteilhaft sein. Durch den Datenaustausch mit anderen Behörden werden beispielsweise bestimmte Verwaltungsmaßnahmen wie die Zusendung der Steueridentifikationsnummer in Gang gesetzt. Nach § 2 Abs. 4 S. 2 BMG können – bei Vorliegen einer Einwilligung – auch nicht meldepflichtige Personen erfasst werden. Die Meldeberechtigung nach § 2 Abs. 4 S. 2 BMG bezieht sich allerdings nur auf nicht meldepflichtigen Personen, die in dem Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Meldebehörde wohnhaft sind.3 Beispielsweise können sich ausländische Saisonarbeiter, die nach § 27 Abs. 2 S. 3 BMG erst nach Ablauf von drei Monaten meldepflichtig sind, auch vorher freiwillig mit ihrem Wohnsitz anmelden.4 Die Meldeberechtigung nach § 2 Abs. 4 S. 2 BMG umfasst aber nicht die Berechtigung, sich unter einer frei gewählten Adresse anzumelden. Eine solche Möglichkeit würde dem Zweck des Bundesmeldegesetzes widersprechen, die tatsächlichen Wohnverhältnisse wiederzugeben.5 In einem Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 1996 über Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit heißt es zur „Registrierung einer fiktiven Adresse“: 3 Vgl. Süßmuth (Fn. 1), Rn. 1 zu § 2 BMG; Belz, Bundesmeldegesetz (2016), Rn. 28. 4 Vgl. dazu Rehm, Freiwillige Anmeldung von Saisonarbeitern, Newsletter Pass-, Ausweis- und Melderecht (Juni 2016), 2, abrufbar unter: http://www.rehmnetz.de/__STATIC__/newsletter/pass-ausweis-melderecht /2016/self/newsletter-2016.06_1466334529000.pdf. 5 Siehe dazu Süßmuth (Fn. 1), Rn. 13 zu § 17 BMG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 263/16 Seite 5 „Denn die Registrierung einer fiktiven Anschrift im Melderegister würde erhebliche rechtssystematische und verwaltungspraktische Probleme aufwerfen. Alleiniges Kriterium für die Registrierung von Einwohnern ist der Bezug einer Wohnung (…); damit werden die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Einwohner erfasst. Die Funktion der Melderegister als zentrale Informationsquelle für eine Vielzahl von Behörden und anderen Nutzern und der Vollzug einer großen Anzahl von Bundes- und Landesgesetzen, der auf Daten des Melderegisters aufbaut, wäre bei Aufnahme unzutreffender Daten nicht mehr gesichert.“6 3. Nicht meldepflichtige Personen Für den hier fraglichen Fall, dass eine meldepflichtige Wohnung oder Unterbringung von Angehörigen reisender Berufsgruppen nicht bezogen wird, stellt sich die eingangs erwähnte Frage nach der Erfüllung der Meldepflicht durch eine frei gewählte Adresse nicht. Nicht meldepflichtige Personen unterliegen nach dem Bundesmeldegesetz auch keinen weiteren Verpflichtungen. Sie sind insbesondere nicht dazu verpflichtet, eine meldepflichtige Wohnung oder Unterbringung zu beziehen. Die Meldepflichten des Bundesmeldegesetzes setzen den Bezug einer Wohnung oder die Unterbringung in bestimmten Einrichtungen (bzw. Schiffen) voraus, verpflichten aber umgekehrt nicht dazu, einen (festen) Wohnsitz zu begründen.7 Rechtsvorschriften anderer Rechtsgebiete mit Wohnsitzbezug knüpfen dementsprechend für wohnsitzlose Personen an den (gewöhnlichen) Aufenthalt an, z.B. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende), § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Einkommenssteuergesetz (Kindergeld), § 12 Abs. 1 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (Wahlrecht), § 61 Gewerbeordnung (zuständige Behörde für die Erteilung einer Reisegewerbekarte).8 In Verwaltungsverfahren besteht ferner die Möglichkeit, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, § 14 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG), oder für die Zustellung von Mitteilungen, Verwaltungsakten etc. einen Empfangsbevollmächtigten zu benennen, § 15 VwVfG. *** 6 BT-Drs. 13/5226, 6. In der Begründung zum Entwurf des Bundesmeldegesetzes (BT-Drs. 17/7746) wird diese Problematik nicht angesprochen. 7 Zum grundrechtlichen Schutz des Art. 11 GG, keinen Wohnsitz zu begründen Wollenschläger, in: Dreier, GG (3. Aufl., 2013), Art. 11, Rn. 37 m.w.N. 8 Verfügt die Person, die einen Personalausweis beantragt, nicht über einen festen Wohnsitz, ist im Feld „Anschrift “ im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 9 Personalausweisgesetz der derzeitige Aufenthaltsort ohne Straßenangabe einzutragen, vgl. VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 30.03.2006, 5 L 449/05, Rn. 15.