Rechtmäßigkeit einer bundesgesetzlichen Verbotsregelung für die Einfuhr, den Verkauf und die Vermietung von gewaltverherrlichenden Computerspielen „Killerspiele“ - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 263/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Rechtmäßigkeit einer bundesgesetzlichen Verbotsregelung für die Einfuhr, den Verkauf und die Vermietung von gewaltverherrlichenden Computerspielen Ausarbeitung WD 3 - 263/06 Abschluss der Arbeit: 15.08.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Der Bundesgesetzgeber ist generell nicht gehindert, ein Einfuhr-, Verkaufs-, Vermietund Verleihverbot für „Killerspiele“ zu erlassen. Eine solche Regelung würde nicht per se gegen das Grundgesetz verstoßen. Jedoch ist im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Hersteller und Händler dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Beachtung zu schenken. Darüber hinaus bedarf eine solche Regelung zur Wahrung der Bestimmteheit einer genauen Definition dessen, was als „Killerspiel“ unter den Tatbestand fallen soll. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Begriff der „Killerspiele“ 4 3. Rechtmäßigkeit einer bundeseinheitlichen Verbotsregelung 5 3.1. Zuständigkeit des Bundes 5 3.1.1. Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG – Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge 6 3.1.2. Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht 6 3.1.3. Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 – Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft 7 3.1.4. Ergebnis 7 3.2. Materielle Rechtmäßigkeit einer Verbotsregelung 8 3.2.1. Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG – Recht der Eltern auf Erziehung 8 3.2.2. Vereinbarkeit mit Art. 12 GG – Berufsfreiheit 8 3.2.3. Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit der Konsumenten 11 3.2.4. Bestimmtheitsgrundsatz 12 4. Ergebnis 12 5. Anlagenverzeichnis 13 - 4 - 1. Einleitung Nach der derzeit geltenden Rechtslage wird der Jugendmedienschutz sowohl in Bundesals auch in Landesgesetzen geregelt. Vorschriften des Bundes über den Jugendmedienschutz finden sich im Jugendschutzgesetz (JuSchG)1 und im Strafgesetzbuch (StGB)2 und betreffen nur die so genannten Trägermedien (Gedrucktes, Videos, CD ROMs etc.). In den Landesvorschriften, namentlich im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMstV),3 sind Regelungen zu den so genannten Telemedien zu finden (hauptsächlich Rundfunk und Internet, vergleiche auch § 1 Abs. 3 JuSchG). Grund für diese Aufspaltung war bisher die unterschiedliche Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes.4 Fraglich ist, ob eine bundeseinheitliche Regelung des Jugendmedienschutzes möglich ist und ob im Zuge einer solchen ein Verbot für die Einfuhr, den Vertrieb (Verkauf, Verleih) von so genannten Killerspielen rechtmäßig wäre. 2. Begriff der „Killerspiele“ Der Begriff „Killerspiele“ ist juristisch nicht definiert. Zuerst verwandt wurde er von Günther Beckstein als bayrischem Innenminister im Zusammenhang mit gewaltdarstellenden Computerspielen (Simulation realitätsnaher Tötungshandlungen).5 Im Jahr 2002 wurde der Begriff in einem Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Änderung des Jugendschutzgesetzes benutzt, jedoch auf „Paintball“ (auch „Gotcha“6 genannt) und „Laserdrome “ angewendet.7 Auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wird die Forderung niedergeschrieben, „Killerspiele“ zu verbieten, jedoch ist nicht ersichtlich, wel- 1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730), zuletzt geändert durch Art. 2 G zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums vom 23. 7. 2004 (BGBl. I S. 1857). 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 168, Erstes G über die Bereinigung von BundesR im Zuständigkeitsbereich des BMJ vom 19. 4. 2006 (BGBl. I S. 866), 3 Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien , in der Fassung des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag), in Kraft seit 1. April 2005. 4 Vgl. hierzu eingehend Petersen, Jens, Medienrecht, 2. Auflage, München 2005, § 13 Rn. 12 ff, § 16 Rn. 1 ff. 5 http://de.wikipedia.org/wiki/Killerspiel (Stand: 06.07.2006). 6 Das Wort „Gotcha“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Hab’ dich“ 7 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes (JuSchGÄndG), BT-Drucks. 15/88, S. 14. - 5 - che Bedeutung dem Wort zukommen soll.8 Im Folgenden soll auf gewaltdarstellende Computerspiele Bezug genommen werden, da eine gesetzliche Regelung Fragen sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit als auch der inhaltlichen Möglichkeiten aufwirft. Folgende Definition des Begriffs „Killerspiele“ wird von den Verfassern zugrunde gelegt: 9 Killerspiele sind solche Computerspiele, in denen das realitätsnah simulierte Töten von Menschen in der fiktiven Spielwelt wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung ist und der Erfolg des Spielers im Wesentlichen davon abhängt. Dabei sind auch die graphische Darstellung der Tötungshandlungen und die spielimmanenten Tötungsmotive zu berücksichtigen. 3. Rechtmäßigkeit einer bundeseinheitlichen Verbotsregelung Die Rechtmäßigkeit einer bundeseinheitlichen Verbotsregelung für die Einfuhr, den Verkauf oder die Vermietung der in Rede stehenden Computerspiele hängt zunächst davon ab, ob der Bundesgesetzgeber für eine solche – den gesamten Jugendmedienschutz umfassende – Regelung zuständig ist, die sich sowohl auf Träger- als auch auf Telemedien erstreckt. Weiterhin muss der Inhalt einer solchen Regelung mit der Verfassung vereinbar sein. 3.1. Zuständigkeit des Bundes Nach Art. 70 Abs. 1 GG ist der Bund nur dann zur Gesetzgebung befugt, wenn das GG ihm diese Befugnis erteilt.10 Daraus folgt, dass die Kompetenzzuweisung zwischen Bund und Ländern in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis steht, nach dem die Länder zuständig sind, wenn dem Bund keine Kompetenz zugewiesen ist.11 Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht nicht. Allerdings könnte aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht), Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) und 8 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005, S. 105. 9 Die Verfasser haben diese Definition anhand der in der öffentlichen Diskussion am meisten verbreiteten Gesichtspunkte erstellt. 10 Maunz in: Maunz-Düring, Kommentar zum Grundgesetz, Stand August 2005, Art. 70 Rn. 28. 11 Pieroth in: Jarras/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 8. Auflage, München 2006, Art. 70 Rn. 1. - 6 - Nr. 7 (öffentliche Fürsorge) im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung eine Bundeszuständigkeit für den Jugendmedienschutz hergeleitet werden. 3.1.1. Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG – Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge Der Bund könnte gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG für die Regelung des Jugendmedienschutzes zuständig sein, wenn dieser vom Begriff der öffentlichen Fürsorge umfasst wird. Neben dem originären Bereich der öffentlichen Fürsorge, der Sozialhilfe, ist der Begriff im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip weit auszulegen. Er lässt auch spezielle bundeseinheitliche Ausformungen und vorbeugende Maßnahmen zu.12 Hierunter fällt nach herrschender Meinung auch der Jugendschutz.13 Die Zuständigkeit erstreckt sich im Ergebnis auf den gesamten Bereich des Jugendmedienschutzes.14 Der Bund ist daher im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung für den Jugendmedienschutz zuständig. 3.1.2. Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht Unter den Regelungsbereich des Strafrechts fallen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG alle Normen, die für eine rechtswidrige und schuldhafte Tat als Rechtsfolge eine Strafe, Buße oder Maßregel der Sicherung und Besserung festsetzen, also auch das Ordnungswidrigkeitenrecht .15 Vorschriften, die bedeutende Rechtsgüter, wie hier die Fortent- 12 Jarras/Pieroth, GG, Art. 74 Rn. 17, Kunig, in: v. Münch/Kunig, Kommentar zum GG, Band III, 5. Auflage, München 2003, Art. 74 Rn. 34, BVerfGE 22, S. 108 [212 ff.], 88, S: 203 [329]. 13 Liesching, Marc, Zur Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für den Bereich „Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“, ZUM (Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht), S. 868, [869, 873] m.w.N., v. Münch/Kunig, Art. 74 Rn. 34, Jarras/Pieroth, Art. 74 Rn. 18. Anderer Ansicht: Reinwald, Gerhard, Jugendmedienschutz im Telekommunikationsbereich in Bundeskompetenz?, ZUM 2002, S. 119, der für den Bereich der Telemedien eine Länderkompetenz annimmt. Für eine Bundeskompetenz fordert der Verfasser eine Kausalkette zwischen Jugendmedienschutz als Präventivmaßnahme und dem Ziel der Vermeidung finanzieller Notlagen der zu schützenden in der Zukunft. Aufsatz beigefügt als Anlage 2. 14 Eine detaillierte Ausführung hierzu, die auch die Frage der Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG behandelt, ist dem in Anlage 1 beigefügten Aufsatz zu entnehmen: Liesching, Marc, Zur Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für den Bereich „Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“, ZUM (Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht), S. 868. 15 Vgl. Pieroth in: Jarras/Pieroth, GG, Art. 74 Rn. 4; BVerfGE 109, S. 190, [213]; 27, S. 18, [32 f.]. - 7 - wicklung und das Wohl von Kindern und Jugendlichen, schützen und Zuwiderhandlungen mit erheblichen Sanktionen belegen, sind Bestandteile des Strafrechts.16 Es lässt sich daher im Ergebnis ebenfalls eine Kompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG herleiten, da alle einschlägigen derzeit geltenden Jugendmedienschutznormen , namentlich die des StGB, des JuSchG und des JMStV, Zuwiderhandlungen als Straftaten oder zumindest als Ordnungswidrigkeiten ausweisen. Ein solcher Umweg, eine Rechtsmaterie über das Strafrecht durch Schaffung von Straftatbeständen in Bundeszuständigkeit übergehen zu lassen, birgt zwar auf den ersten Blick die Gefahr einer Aushöhlung der Länderkompetenzen. Jedoch fordert das BVerfG17 in diesem Zusammenhang auch eine historische oder herkömmliche Zugehörigkeit der Rechtsmaterie zum Strafrecht. Diese ist für den Jugendmedienschutz im Ergebnis vorhanden .18 3.1.3. Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 – Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft Eine Zuständigkeit des Bundes über das Recht der Wirtschaft aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ist hingegen nicht anzunehmen, da beim Jugendmedienschutz die wirtschaftlichen Gesichtspunkte allenfalls nebensächlich sind. 3.1.4. Ergebnis Der Bund hat daher die Gesetzgebungskompetenz19 für den gesamten Bereich des Jugendmedienschutzes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG sowie auch hinsichtlich möglicher straf- und ordnungsrechtlicher Regelungen aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. 16 Dem Jugendschutz kommt nach einhelliger Meinung Verfassungsrang zu, BVerfGE 30, S. 336, [348], 77, S. 346, [356]. 17 Vgl. BVerfGE 7, S. 29, [40]; 61, S. 149, [175]; v. Münch/Kunig, Art. 70 Rn. 21. 18 Vgl. Anlage 1, Liesching, S. 870. 19 Bezüglich des Jugendmedienschutzes hat sich die Rechtslage mit der Föderalismusreform nicht geändert Vgl. Ausarbeitung von , Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform , WD 3 – 37/06 und 123/06, vom 15.Mai 2006. - 8 - 3.2. Materielle Rechtmäßigkeit einer Verbotsregelung Ein Gesetz, das die Einfuhr und den Vertrieb von „Killerspielen“ verbietet, muss materiell rechtmäßig sein, d.h. es darf nicht in Widerspruch zu höherem Recht stehen. Da es sich hier um eine noch zu schaffende Normierung handelt, deren Regelungen offen sind, können im Rahmen der Ausarbeitung nur generelle Aussagen gemacht werden. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Normen des Grundgesetzes (GG) möglicherweise betroffen sein könnten bzw. welche Grundrechte zu beachten wären. 3.2.1. Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG – Recht der Eltern auf Erziehung Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG haben vorrangig die Eltern das natürliche Recht für die Erziehung ihrer Kinder. Dieses Elternrecht erfasst u.a. die Sorge für die seelische und geistige Gesundheit sowie insgesamt die umfassende Verantwortung für die Lebensund Entwicklungsbedingungen der Kinder.20 Darunter fällt auch die Auswahl des Spielzeugs der Kinder.21 Dem gegenüber steht der Jugendschutz als staatlicher Auftrag mit Verfassungsrang.22 Das Elternrecht erweist sich als Schranke des staatlichen Jugendschutzes . Jedoch muss der Staat dort eingreifen, wo Eltern aus vielfältigen Gründen versagen oder nicht in der Lage sind, den ausreichenden Schutz der Kinder zu gewährleisten . In der heutigen Zeit des zunehmenden Einflusses und immer leichterer Verfügbarkeit von medialen Informationen und Inhalten erscheint eine stärkere Schutzaufgabe des Staates erforderlich. Ein Eingriff in das Elternrecht, bestimmte mediale Inhalte zu verbieten und damit ein Stück der medialen Erziehungskompetenz der Eltern zu beschneiden , dürfte daher nach Abwägung mit dem staatlichen Schutzauftrag im Bereich des Jugendschutzes im Ergebnis als zulässig zu bewerten sein. 3.2.2. Vereinbarkeit mit Art. 12 GG – Berufsfreiheit Die Berufsfreiheit der betroffenen Händler und Hersteller von Computerspielen könnte durch ein Verkaufsverbot verletzt sein. Art. 12 Abs. 1 GG schützt unter anderem die 20 Jarras/Pieroth, Art. 6 Rn. 32. 21 Vgl. von Münch, Verfassungsmäßigkeit eines Kriegsspielzeugsverbotes?, NJW 1982, S. 2644, [2647]. 22 BVerfGE 30, S. 336, [347 ff.]; 83, S. 130, [139 ff.]. - 9 - Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit – insbesondere ein Gewerbe – zu betreiben. Auch juristische Personen sind nach Art. 19 Abs. 3 GG dahingehend geschützt , soweit die Tätigkeit ihrem Wesen nach in gleicher Weise von einer juristischen Person wie von einer natürlichen Person betrieben werden kann.23 Hiervon wird auch das Herstellen von „Killerspielen“ und deren Vertrieb umfasst. Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt somit in Form einer Berufsausübungsregelung vor. Dieser Eingriff ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn er von sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls getragen wird sowie geeignet, erforderlich und angemessen ist, den angestrebten Gesetzeszweck zu erreichen. Zweck des Gesetzes ist, Kinder und Jugendliche vor Angeboten in Medien zu schützen, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden.24 Es soll mithin verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche durch gewaltverherrlichende Spiele gegenüber realer Gewalt abstumpfen oder gar eine Steigerung der eigenen Aggressivität und Gewaltbereitschaft einsetzt. Das Gesetz verfolgt damit einen von sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls getragenen Zweck. Fraglich ist jedoch, ob es auch geeignet, erforderlich und angemessen ist, diesen Zweck zu erreichen. Die Geeignetheit eines solchen Gesetzes hängt maßgeblich davon ab, ob eine Korrelation zwischen Gewaltbereitschaft von Jugendlichen und dem Konsum von „Killerspielen “ anzunehmen ist. Es bedarf keines wissenschaftlich erbrachten Beweises, dass ein solcher Zusammenhang besteht. Jedoch muss sich der Gesetzgeber zumindest über sein „Gefühl“ hinaus auf eine wissenschaftlich vertretbare Meinung berufen können.25 Das Gesetz wäre demnach geeignet, wenn es wissenschaftlich vertretbare Gutachten zu dieser Frage gibt, auf die der Gesetzgeber sich beruft.26 Weiterhin stellt sich für die Geeignetheit des Gesetzes, Kinder und Jugendliche vor „Killerspielen“ zu schützen, die Problematik der modernen Kommunikationsmedien wie des Internets. Eine Verbotsregelung kann zwar deutsche Hersteller hindern, Spiele im Internet auf deutschen Plattformen anzubieten. Jedoch vermag das Gesetz allein nicht zu verhindern, dass dieselben Spiele von im Ausland ansässigen Firmen auch in Deutschland abrufbar sind. Es könnte daher notwendig sein, im Zuge einer Verbotsregelung auch eine Regelung zur Zugriffsbe- 23 Hofman, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum GG, 10. Auflage, München 2004, Art. 12 Rn. 7. 24 Siehe § 1 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. 25 Vgl. diesbezüglich Diskussionen um ein Verbot von Kriegsspielzeug, v. Münch, NJW 1982, S. 2644; Küschner/Walther, NJW 1983, S. 2182. 26 Die Geeignetheit wird im Folgenden unterstellt. Jedoch ist dies wissenschaftlich stark umstritten. Da es sich hierbei aber um eine Frage aus dem Bereich der Psychologie/Soziologie handelt, kann im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht darauf eingegangen werden. Im Rahmen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht wohl aber sowohl ein Zusammenhang zwischen Spielen und Gewalt vertretbar, als auch die Ansicht, es komme vorwiegend auf die erzieherische Begleitung der Eltern an, ihren Kindern Medienkompetenz zu vermitteln und die sonstigen sozialen Begebenheiten, in denen sich die Kinder und Jugendlichen befinden. - 10 - schränkung für Internetseiten mit entsprechenden Inhalten zu erlassen. Im Ergebnis kann jedoch von einer Geeignetheit ausgegangen werden, da die Verbotsregelung grundsätzlich geeignet ist, den Vertrieb von „Killerspielen“ zu unterbinden oder zumindest erheblich einzuschränken. Das Gesetz müsste zudem erforderlich sein. Dies ist der Fall, wenn es kein milderes Mittel zur Erreichung des vom Gesetz verfolgten Zwecks gibt. Ein milderes Mittel könnte die derzeitige Tätigkeit der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)27 sein, die Computerspiele auf ihre Alterstauglichkeit hin überprüft und mit Alterbeschränkungen versieht, soweit dies nötig erscheint. Jedoch sind Spielehersteller nicht verpflichtet, ihre Produkte einzustufen, es handelt sich vielmehr um eine freiwillige Selbstverpflichtung. Nicht gekennzeichnete Spiele dürfen dann nur im selben Rahmen wie Spiele ohne Jugendfreigabe verkauft werden. Ohne eine Kennzeichnungspflicht ist jedoch die Kontrolle äußerst erschwert, welche Spiele überhaupt vermarktet werden. Insbesondere könnte hier ein Schlupfloch für Hersteller liegen, Spiele, die nach den Prüfungskriterien zu indizieren (gänzlich zu verbieten) wären, zumindest kurzzeitig auf den Markt zu bringen. Die Kontrolle durch die USK ist daher, zumindest in der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung, nicht geeignet, den Gesetzeszweck gleichwertig zu fördern. Das Gesetz müsste darüber hinaus auch angemessen sein. Das Gesetz wäre angemessen, wenn eine Abwägung zwischen dem Wohl der Jugendlichen und der Interessen der Hersteller zu Gunsten des Jugendwohls entschieden würde. Hierbei ist zu berücksichtigen, inwieweit die Hersteller auf „Killerspiele“ spezialisiert sind. Soweit eine gänzliche Spezialisierung von Herstellern anzunehmen ist, würde sich eine Verbotsregelung faktisch wie eine Berufswahlregelung auswirken und wäre nach der Drei-Stufen-Theorie des BVerfG28 an höheren Maßstäben zu messen. 29 Ein gänzliches Verbot könnte somit gegen Art. 12 GG verstoßen. Nimmt man hingegen an, dass die Hersteller neben den „Killerspielen“ auch unbedenkliche Spiele herstellen, wäre zur Wahrung der Angemessenheit wohl eine Übergangsfrist zur Umstellung ausreichend, in der dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die Entwicklung von Computerspielen oft mehrere Jahre dauert. Es ist davon auszuge- 27 Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ist Teil des Fördervereins für Jugend und Sozialarbeit e.V. in Berlin. Sie erlässt seit 2003 verpflichtende Alterseinstufungen für Computerspiele. Jedoch sind die Spielhersteller nicht verpflichtet ihr Produkte einstufen zu lassen, sie können jedoch gegen Gebühr eine Kennzeichnung vornehmen lassen. 28 BVerfGE 25, S. 1, [11 ff.]. 29 Eine Spezialisierung der Händler ist hingegen nicht anzunehmen, höchstens eine Spezialisierung auf Computerspiele im Allgemeinen. Diese könnten selbst bei einem Verbot noch alle anderen Sparten von Spielen vertreiben. - 11 - hen, dass die Hersteller ihre technischen Einrichtungen auch zur Herstellung unbedenklicher Spiele verwenden können. Dies berücksichtigt, stellt eine Verbotsegelung lediglich eine Berufsausübungsregelung dar.30 Die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, was durch Art. 2 Abs. 2 und 6 Abs. 2 Satz 2 GG verdeutlicht wird. Unterstellt man, dass ein Verbot von „Killerspielen“ geeignet ist, Schäden für die kindliche Gesundheit zu verhindern, erscheint somit ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Hersteller und Vertreiber nicht unangemessen. Im Ergebnis dürfte daher ein Verkaufsverbot für „Killerspiele“ mit angemessener Übergangsfrist nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen. 3.2.3. Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit der Konsumenten In Betracht kommt eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Konsumenten aus Art. 2 Abs. 1 GG, wenn die „Killerspiele“ verboten werden würden. Der Umfang der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst jedes menschliche Verhalten ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht ihm für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt.31 Das Grundrecht wird durch jede generelle oder individuelle Regelung der öffentlichen Gewalt beeinträchtigt, die das geschützte Verhalten regelt.32 Bei einem Gesetz, welches die „Killerspiele“ verbieten würde, würde ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Konsumenten vorliegen. Aufgrund des sehr weiten Schutzbereiches der allgemeinen Handlungsfreiheit ist ihre Einschränkungsmöglichkeit relativ weit gefasst.33 Geht man davon aus, dass „Killerspiele“ die Gefahr erheblicher Schäden für die kindliche Entwicklung beinhalten, ist dies ein ausreichender Grund für die Einschränkung von Art. 2 Abs. 1 GG. Die Maßnahme ist insbesondere angemessen im engeren Sinn, da das Wohl von Kindern und Jugendlichen der allgemeinen Handlungsfreiheit der Konsumenten vorgeht. 30 Drei-Stufen-Theorie des BVerfG, BVerfGE 25, S. 1, [11 ff.], Vgl. auch v. Münch, NJW 1982, S. 2644, [2646]. 31 BVerGE 6, S.32, [36]; 54, S. 143, [144]. 32 Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 11. 33 Dreier in: Dreier, Kommentar zum GG, 2. Auflage, Tübingen 2004, Art. 2 Rn. 54. - 12 - 3.2.4. Bestimmtheitsgrundsatz Eine Verbotsregelung müsste dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Dieser ist Ausdruck des Rechtstaatsprinzips aus Art. 20 GG und besagt, dass Rechtsnormen so genau zu fassen sind, dass „wie das nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“.34 Die Regelung muss folglich die äußeren Grenzen des Verbots klar abstecken und deutlich aufzeigen, welche Spiele unter die Reglung fallen. Der Begriff des „Killerspiels“ ist daher vom Gesetzgeber klar zu definieren , um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen. 4. Ergebnis Der Bundesgesetzgeber ist generell nicht gehindert, ein Einfuhr-, Verkaufs-, Vermietund Verleihverbot für „Killerspiele“ zu erlassen. 34 BVerfGE 93, S. 213, [238]; 102, S. 254, [337], siehe auch Jarras/Pieroth, Art. 20 Rn. 61 - 13 - 5. Anlagenverzeichnis Anlage 1: Aufsatz: Liesching, Marc, Zur Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für den Bereich „Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“, ZUM, S. 868. Anlage 2: Aufsatz: Reinwald, Gerhard, Jugendmedienschutz im Telekommunikationsbereich in Bundeskompetenz?, ZUM 2002, S. 119.