© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 262/18 Ausführung des Aufenthalts- und Asylrechts durch die Bundespolizei Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern Nach Art. 30 GG sind für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben die Länder zuständig, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Diesem Grundsatz folgend geht auch Art. 83 GG für den Vollzug der Bundesgesetze von einem Vorrang der Länderexekutive aus. Demnach führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Ein einheitlicher Gesetzesvollzug der oben genannten Rechtsgebiete durch Bundesbehörden – namentlich durch die Bundespolizei – müsste vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben positiv begründet werden. Hierzu bedarf es zunächst einer Bundeskompetenz, die einen einheitlichen Vollzug der genannten Rechtsgebiete durch Bundesbehörden zulässt. In einem zweiten Schritt müsste darüber hinaus auch geprüft werden, ob eine solche Bundesaufgabe dann der Bundespolizei übertragen werden könnte. 3. Bundeseigene Verwaltung nach Art. 87 GG Regelungen zur bundeseigenen Verwaltung finden sich überwiegend in den Art. 86 ff. GG. Insbesondere Art. 87 GG definiert die zentralen Gegenstände eines Gesetzesvollzugs durch Bundesbehörden . Die verfassungsrechtlichen Vorgaben differenzieren dabei zwischen der obligatorischen also verpflichtenden Bundesverwaltung (Abs. 1 S. 1) und fakultativen Bereichen.1 Der Vollzug des Aufenthalts- und Asylrechts lässt sich keinem der abschließend aufgezählten obligatorischen oder fakultativen Bereiche nach Art. 87 Abs. 1 oder Abs. 2 GG zuordnen. Eine Verwaltungskompetenz des Bundes ließe sich daher möglicherweise lediglich auf Art. 87 Abs. 3 GG stützten. Hiernach steht dem Bund unter bestimmten Umständen die Verwaltungskompetenz für Bereiche zu, für die er die Gesetzgebungskompetenz besitzt. 3.1. Vollzug durch Bundesoberbehörden nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG Nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG kann der Bund für Angelegenheiten, für die ihm die Gesetzgebungskompetenz zusteht, selbstständige Bundesoberbehörden errichten. Voraussetzung dieser Verwaltungskompetenz ist folglich das Bestehen einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes.2 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ist unter Umständen auch das Vorliegen der Erforderlichkeit i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG notwendig.3 Von einer bestehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann für den Bereich des Aufenthalts- und Asylrechts ausgegangen werden. Nach Auffassung in 1 Vgl. hierzu umfassend: Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 16 ff. 2 Vgl. Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, 37. Edition Stand: 15.05.2018, Art. 87 GG Rn. 27. 3 Vgl. nur: Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 61 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 262/18 Seite 4 der juristischen Literatur können sowohl die aufenthaltsrechtlichen als auch die asylrechtlichen Regelungen auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG gestützt werden, wonach der Bund das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer regeln kann.4 Eine Einschränkung erhält die Verwaltungskompetenz des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG jedoch aufgrund der Beschränkung der Aufgabenwahrnehmung durch Bundesoberbehörden. Eine Aufgabenübertragung ist damit von vornherein auf Bereiche begrenzt, die durch eine zentrale Behörde einheitlich für das gesamte Bundesgebiet erledigt werden können.5 Das Bundesverfassungsgericht führte hierzu bereits in einer frühen Entscheidung aus: „Aus dem Begriff der selbständigen Bundesoberbehörde ergibt sich, daß sie nur für Aufgaben errichtet werden kann, die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder - außer für reine Amtshilfe - wahrgenommen werden können. Dagegen schließt Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG nicht aus, daß eine Bundesoberbehörde errichtet wird, die ihre Aufgaben nur in Zusammenarbeit mit einer bereits bestehenden anderen Bundesoberbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, oder in Anlehnung an eine solche, auf der Ebene der Gleichordnung erfüllen kann. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG enthält eine ausschließliche Bundeskompetenz, deren Ausübung nicht von Voraussetzungen abhängen kann, die das GG für den Fall der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes im Bereich der Sachregelung aufstellt.“6 Die Ausführung aller Bereiche des Aufenthalts- und Asylrechts durch eine einheitliche Bundesoberbehörde erscheint nicht praktikabel. Eine zentrale Aufgabenwahrnehmung besteht derzeit lediglich im Bereich des Asylrechts. Für dieses ist nach § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Bundesoberbehörde zuständig.7 Insbesondere das Aufenthaltsrecht wird derzeit jedoch dezentral durch Landes- bzw. Kommunalbehörden vollzogen. Es erscheint kaum praktikabel, auch diese Bereiche einer Bundesoberbehörde ohne einen entsprechenden Unterbau zu übertragen und zentral für das gesamte Bundesgebiet zu organisieren . Sowohl die Komplexität der verschiedenen Aufgaben als auch eine gewisse erforderliche Ortsnähe lassen eine bundesweit zentrale behördliche Zuständigkeit für die genannten Bereiche unpraktisch erscheinen. Eine Verwaltungskompetenz für eine bundeseinheitliche Ausführung des Aufenthalts- und Asylrechts lässt sich folglich nicht auf Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG stützen. Soweit der Bund das Asylverfahren dem BAMF vollständig zugewiesen hat, ist im Folgenden zu prüfen, ob diese Aufgabe der Bundespolizei übertragen werden könnte (dazu sogleich). 4 Vgl. Seiler, in: Epping/Hillgruber, 37. Edition Stand: 15.05.2018, Art. 74 GG Rn. 18 ff.; Maunz, in: Maunz/Dürig, 82. EL Januar 2018, Art. 74 GG Rn. 95 ff. 5 Vgl. Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 64 ff. 6 BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1962 – 2 BvF 4/61 –, juris Ls. 7 Vgl. Preisner, in: Kluth/Heusch, 18. Edition Stand: 01.05.2018, § 5 AsylG Rn. 11; kritisch zur Einrichtung von Außenstellen: Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, 37. Edition Stand: 15.05.2018, Art. 87 GG Rn. 28.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 262/18 Seite 5 3.2. Vollzug durch bundeseigene Mittel- und Unterbehörden Nach Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG ist ein Vollzug der Bundesgesetze durch bundeseigene Mittel- und Unterbehörden zulässig, wenn dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht, ihm neue Aufgaben erwachsen und für einen Vollzug durch bundeseigene nachgeordnete Behörden ein dringender Bedarf besteht. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann für den Bereich des Aufenthaltsund Asylrechts bejaht werden (siehe oben). Neue Aufgaben im Sinne dieser Regelung sind solche, die erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes entstanden sind. Der Begriff der neuen Aufgaben wird grundsätzlich eng interpretiert.8 Der Verfassunggeber hat die Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Unterbau bei Schaffung des Grundgesetzes und späteren Änderungen weitgehend abschließend definiert. Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG sollte einen „Notbehelf“ für nicht absehbare Entwicklungen darstellen.9 Sowohl das Aufenthaltsrecht als auch das Asylrecht waren bei Schaffung des Grundgesetzes jedoch bereits bekannte Rechtsgebiete. Dafür spricht bereits, dass der Verfassunggeber für beide Bereiche entsprechende Gesetzgebungstitel vorsah. Darüber hinaus wurde insbesondere auch das Asylrecht im damaligen Art. 16 GG vom Parlamentarischen Rat ausdrücklich im Grundgesetz verankert.10 Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den genannten Rechtsgebieten um neue Aufgaben im Sinne des Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG handelt. Weiterhin müsste selbst bei Bestehen einer neuen Aufgabe von einem dringenden Bedarf einer bundeseigenen Gesetzesausführung auszugehen sein. Ein solcher liegt vor, wenn die Aufgabenwahrnehmung anderweitig nicht sachgerecht erledigt werden kann.11 Hierzu müsste sowohl ein Gesetzesvollzug durch eine Bundesoberbehörde als auch durch Landesbehörden ausscheiden.12 Beides ist vorliegend nicht der Fall. Das Asylverfahren wird wie dargelegt einheitlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführt. Dass diese Zuständigkeit von vornherein eine sachgerechte Aufgabenerledigung ausschließt, ist nicht ersichtlich. Gleiches gilt für den Vollzug des Aufenthaltsrechts durch Landes- bzw. Kommunalbehörden. Der Bund besitzt für einen einheitlichen Vollzug des Aufenthalts- und Asylrechts mit eigenem Verwaltungsunterbau daher keine Verwaltungskompetenz nach Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG. Eine Übertragung dieser Aufgabe auf die Bundespolizei scheidet bereits aus diesem Grund aus. 8 M.w.N. Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 75. 9 Ibler, in: Maunz/Dürig, 82. EL Januar 2018, Art. 87 GG Rn. 274. 10 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Asylgrundrechts: Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, 82. EL Januar 2018, Art. 16a GG Rn. 3 ff. 11 Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 76. 12 Ibler, in: Maunz/Dürig, 82. EL Januar 2018, Art. 87 GG Rn. 275. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 262/18 Seite 6 4. Begrenzung der Aufgabenübertragung an die Bundespolizei Wie oben dargestellt scheidet eine Aufgabenübertragung an die Bundespolizei bereits aufgrund einer fehlenden bzw. eingeschränkten Verwaltungskompetenz des Bundes aus. Der Bund kann lediglich die Durchführung des Asylverfahrens auf Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG stützen und das Asylverfahren durch eine einheitliche Bundesoberbehörde -namentlich das BAMF- durchführen. Eine Übertragung dieser Zuständigkeit auf die Bundespolizei erscheint jedoch aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich problematisch. So würde eine Übertragung zunächst zu einer Umgehung der engen Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 GG führen. Der Bund hat wie dargelegt nur die Befugnis, das Asylverfahren mittels einer Bundesoberbehörde durchzuführen. Eine Aufgabenübertragung auf die Bundespolizei, die nach Art. 87 Abs. 1 GG zulässigerweise auch über einen eigenen Unterbau verfügt,13 würde diese Beschränkung aushebeln.14 Darüber hinaus setzt das Bundesverfassungsgericht einer Aufgabenübertragung auf die Bundespolizei enge Grenzen. So besitzt der Bund keine generelle Befugnis zur Schaffung einer allgemeinen Bundespolizei, sondern in erster Linie die Kompetenz zur Einrichtung von Grenzschutzbehörden .15 Ausdrücklich führt das Bundesverfassungsgericht hierzu aus: „Der Bundesgesetzgeber darf dem Bundesgrenzschutz über die in Art. 87 Abs. 1 Satz 2, 35 Abs. 2 und 3, 91 Abs. 1 und 2 und 115f Abs. 1 Nr. 1 GG genannten polizeilichen Aufgaben hinaus eine weitere Verwaltungsaufgabe zuweisen, wenn er sich für deren Wahrnehmung auf eine Kompetenz des Grundgesetzes stützen kann, die Aufgabe von Verfassungs wegen nicht einem bestimmten Verwaltungsträger vorbehalten ist und die Zuweisung der neuen Aufgabe das Gepräge des Bundesgrenzschutzes als einer Sonderpolizei zur Sicherung der Grenzen des Bundes und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen wahrt.“16 Weiterhin dürfe der Bundesgrenzschutz (Bundespolizei) sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben nicht verlieren.17 Eine Übertragung der Zuständigkeit für das Asylverfahren und wie in der Fragestellung angelegt ggf. auch des Aufenthaltsrecht auf die Bundespolizei dürfte das Gepräge der Bundespolizei deutlich verändern. Eine entsprechende Aufgabenausweitung würde das Grundgepräge der Bundespolizei als originäre Grenzschutzbehörde hin zu einer Sonderord- 13 Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 39. 14 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, juris Rn. 90 ff., wonach das Bundesverfassungsgericht für eine zulässige Aufgabenübertragung auf den Bundesgrenzschutz darauf abstellt, dass dem Bund für den zu übertragenen Bereich die Verwaltungskompetenz zusteht. 15 Sachs, in: Sachs, 8. Aufl. 2018, Art. 87 GG Rn. 38. 16 BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, juris 1. Ls. 17 BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, juris 2. Ls. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 262/18 Seite 7 nungsbehörde mit weitreichenden Befugnissen verändern. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts legen daher nahe, dass selbst bei unterstellten bestehenden Verwaltungskompetenzen des Bundes eine Aufgabenübertragung unzulässig wäre. 5. Fazit Dem Bund steht hinsichtlich des Aufenthalts- und Asylrecht keine Kompetenz zu, diese Bereiche in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Unterbau durchzuführen. Eine Aufgabenübertragung auf die Bundespolizei scheidet bereits aus diesem Grunde aus. Darüber hinaus würde eine solche Übertragung auch zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Veränderung des Gepräges der Bundespolizei als originärer Grenzschutzbehörde führen. Eine Veränderung der Verwaltungsstrukturen im Sinne der Fragestellung würde daher eine Verfassungsänderung voraussetzen. ***