Deutscher Bundestag Studien zur Integration von in Deutschland lebenden Türken oder Personen mit türkischem Migrationshintergrund Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 261/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 2 Studien zur Integration von in Deutschland lebenden Türken oder Personen mit türkischem Migrationshintergrund Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 261/12 Abschluss der Arbeit: 1. Oktober 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Studie Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten 2012 4 2.1. Bildung und Erwerbstätigkeit 5 2.2. Deutschland und Heimat 5 2.3. Sprache 5 2.4. Soziale Beziehungen und gesellschaftliche Themen 5 2.5. Religiosität 6 3. Das internationale Forschungsprojekt TIES: Die Integration der zweiten Generation in Deutschland 6 3.1. Bildung 7 3.2. Erwerbstätigkeit 7 3.3. Deutschland und Heimat/ Sprache 7 3.4. Soziale Beziehungen 8 3.5. Religiosität 8 4. Interethnische Kontakte, Freundschaften, Partnerschaften und Ehen von Migranten in Deutschland 8 4.1. Alltagskontakte 9 4.2. Bekanntschaften und Freundschaften 9 5. Fortschritte der Integration: Zur Situation der fünf größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen 10 5.1. Bildung 10 5.2. Erwerbstätigkeit 10 5.3. Sprache 10 5.4. Identifikation mit Deutschland und Kontakte zu Personen deutscher Herkunft 11 6. Zuwanderer in Deutschland: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund 11 6.1. Identität und Integration 11 6.2. Kontakte zu Personen deutscher Herkunft 12 7. Zusammenfassung der Ergebnisse 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 4 1. Einleitung Integration ist in Deutschland ein hoch sensibles Thema, das nicht selten zu sowohl politischen als auch gesellschaftlichen Konflikten führt. Insbesondere der Gruppe der türkischstämmigen Migranten wird oftmals Desintegration, kultureller Rückzug und Re-Islamisierung vorgeworfen. Dabei wird jedoch oft verkannt, dass Desintegration kein typisch türkisches Phänomen ist, sondern auch andere Gruppen, gar Deutsche, beispielsweise an sozialen Brennpunkten, von gesellschaftlichen Desintegrationsprozessen betroffen sein können.1 Ziel der Wissenschaft ist es deshalb, die Integrationsbereitschaft und den Integrationserfolg verschiedener Zuwanderungsgruppen auf empirische Daten zu stützen und dadurch den unterschiedlichen Erfolg der Zuwanderergruppen zu erklären.2 Im Folgenden wird zunächst die Studie Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten des Meinungsforschungsinstituts INFO GmbH/Liljeberg Research International von 2012 vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Darstellung der sozialen Kontakte der Türken, ihrer Identifikation mit Deutschland und ihrer Einstellung zu gesellschaftlichen Themen. Sind Türken tatsächlich nur mit Türken zusammen und sehen sie Deutschland zunehmend weniger als ihre Heimat an? Die Ausarbeitung stellt zur Klärung dieser Fragen vier weitere aktuelle Studien zur Integration von Türken aus den Jahren 2009-2012 und deren Kernergebnisse vor. Dargestellt werden Ergebnisse aus einer Studie des internationalen Forschungsprojektes TIES zur Integration der zweiten Generation in Deutschland. Ebenfalls wird auf zwei Studien des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Integration von Zuwanderern und deren soziale Kontakte, sowie auf die Studie „Zuwanderer in Deutschland: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund“ des Instituts für Demoskopie Allensbach Bezug genommen. 2. Die Studie Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten 2012 Für die Studie Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten3 des Meinungsforschungsinstituts INFO GmbH/ Liljeberg Research International wurden 1011 Personen mit türkischem Migrationshintergrund befragt. In Erfahrung gebracht werden sollten ihre Einstellung gegenüber Deutschland, ihre Werte und Lebenseinstellungen. 1 Haci-Halil Uslucan, Dabei und doch nicht mittendrin- Die Integration türkeistämmiger Zuwanderer, 2011, S. 8. 2 Unterrichtung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration – Zweiter Integrationsindikatorenbericht, BT-Drs. 17/8540, S. 9. 3 INFO GmbH/Liljeberg Research International, Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts, Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten, 2012, https://d171.keyingress.de/multimedia/document/228.pdf (gesamte Studie). Im Folgenden wird die Pressemitteilung zitiert, da diese eine gute Auswertung der Ergebnisse enthält: http://www.infogmbh.de/wertewelten/Wertewelten-2012-Pressemitteilung.pdf, [Stand: 19. September 2012] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 5 2.1. Bildung und Erwerbstätigkeit Die Studie ergab, dass immerhin 25% der befragten Türken in Deutschland einen höheren Schulabschluss (Gymnasium/ Abitur) besitzen und 9% studiert haben. Circa die Hälfte der Türken in Deutschland ist voll oder teilweise berufstätig (47%), allerdings gehen dabei 27% aller Befragten einer ungelernten oder angelernten Tätigkeit nach. Der Arbeitslosenanteil unter den erwerbsfähigen Personen beläuft sich auf lediglich 10%.4 2.2. Deutschland und Heimat In Bezug auf die Frage, ob die in Deutschland lebenden Türken Deutschland als ihre Heimat betrachten, gaben nur 15% an, dass dies zutreffe, wohingegen es 2010 noch 18% waren, 2009 sogar 21%. Allerdings ist anzumerken, dass immerhin 45% Deutschland und die Türkei gleichermaßen als Heimat empfinden.5 45% der befragten Personen planen eine Rückkehr in die Türkei, wovon jedoch nur 5% dies in den nächsten zwei Jahren verwirklichen wollen. Die Gründe sind ganz unterschiedlicher Art. 63% der Befragten wollen zurückkehren, weil die Türkei ihre Heimat ist, was sich mit der obigen Aussage deckt, dass tendenziell weniger Türken Deutschland als ihre Heimat empfinden. 10% wollen zurückkehren, weil sie mit Deutschland und den Deutschen nicht zurechtkommen.6 2.3. Sprache Nur 31% der Befragten sind der Ansicht, dass sie besser Deutsch als Türkisch sprechen. Allerdings schätzen immerhin 70% der unter 30-Jährigen ihre Deutschkenntnisse besonders gut ein und nehmen an, dass sie besser Deutsch als Türkisch sprechen.7 Dass den in Deutschland lebenden Türken das Erlernen der deutschen Sprache wichtig erscheint, zeigt sich darin, dass 95% der Befragten der Meinung sind, dass türkischstämmige Kinder vor Schulbeginn gut Deutsch sprechen können sollten. Sogar 91% denken, dass Kinder von klein auf Deutsch lernen müssen. Diese Zahlen veranschaulichen, dass Türken sehr wohl bereit sind die deutsche Sprache zu erlernen, um Teil der Gesellschaft zu werden.8 2.4. Soziale Beziehungen und gesellschaftliche Themen Die Mehrheit der Türken ist sich sicher, dass es richtig war, nach Deutschland zu kommen. Sie empfinden Deutschland als weltoffen und sind der Meinung, dass jeder hier „etwas werden“ 4 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 1. 5 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3),S. 2. 6 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 3 f. 7 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 4. 8 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 6 kann. 84% sind überzeugt, dass dabei die deutsche Sprache eine wichtige Rolle spielt. Auf der anderen Seite fühlen sich jedoch 47% in Deutschland unerwünscht und lediglich 62% glauben, dass Deutsche und Türken in Deutschland die gleichen Bildungschancen haben.9 Auffällig ist, dass 62% am liebsten nur mit Türken zusammen sind, was im Vergleich zum Vorjahr (40%) eine hohe Zahl ist. Auch religiöse Ressentiments, insbesondere gegenüber Atheisten und Juden, haben zugenommen. Religiöse Ressentiments gegenüber Christen haben im Vergleich zur Studie 2010 abgenommen (von 10% auf 8%).Allerdings wünschen sich 46% der Befragten, dass in Deutschland ingendwann mehr Muslime als Christen wohnen.10 In Bezug auf die Toleranz von Türken in Deutschland kann man feststellen, dass sie im Vergleich zum Vorjahr abgenommen hat. So sind beispielsweise nur 26% für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen und 73% lehnen eine homosexuelle Beziehung von Männern ab. 72% empfinden Sterbehilfe und 64% einen Schwangerschaftsabbruch als schlimm. Währenddessen wird aber auch die Situation, dass ein Ehemann seine Frau zum Geschlechtsverkehr zwingt von 94% als inakzeptabel empfunden , während dies zuvor nur 89% so bewerteten. Auch ein Kind aufgrund von Ungehorsam zu schlagen, wird nun weniger toleriert.11 2.5. Religiosität Die Religion spielt eine sehr wichtige Rolle. Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Anteil der streng Religiösen angestiegen, 37% bezeichnen sich als streng religiös. 44% beten mindestens einmal am Tag, 34% beten sogar wie vorgeschrieben fünf Mal am Tag.12 3. Das internationale Forschungsprojekt TIES: Die Integration der zweiten Generation in Deutschland TIES (The Integration of the European Second Generation) ist ein Forschungsprojekt zur zweiten Generation in acht EU-Staaten, darunter auch Deutschland, unter der Leitung des Institute for Migration and Ethnic Studies (IMES) und des Netherlands Interdisciplinary Demographic Institute (NIDI). Die Studie von 201113 richtet sich auf Nachkommen von Einwanderern aus der Türkei, Jugoslawien und Marokko. In Deutschland wurde sie in Berlin und Frankfurt am Main durchgeführt . Bei der Erhebung waren die 503 Befragten mit türkischem Migrationshintergrund zwischen 18 und 35 Jahre alt. Daneben interviewte man eine Kontrollgruppe von Probanden deutscher Her- 9 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 8. 10 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 9. 11 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 12. 12 INFO GmbH/Liljeberg Research International (Fn. 3), S. 16. 13 Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Die Integration der zweiten Generation in Deutschland, 2011, http://www.imis.uni-osnabrueck.de/pdffiles/imis39.pdf, [Stand: 19. September 2012]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 7 kunft, deren Eltern beide im Einwanderungsland mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden, um einen Vergleich zu der Gruppe der Migranten herzustellen. Im Folgenden soll nur auf die Ergebnisse der Studie bezüglich der türkischen Einwanderer und gegebenenfalls die der Kontrollgruppe eingegangen werden, um einen Vergleich herstellen zu können. 3.1. Bildung Die Befragten der Gruppe türkischer Herkunft sind deutlich stärker von Klassenwiederholungen betroffen als die der Vergleichsgruppe. So wiederholten 12,7% der Türken in der Grundschule eine Klasse, während es bei der Kontrollgruppe lediglich 3,8% sind.14 28,2% der Türken erhalten eine Hauptschulempfehlung, während dies in der Kontrollgruppe nur 0,6% sind. Eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten 10,6% der Türken.15 Anzumerken ist dabei aber, dass andere Studien gezeigt haben, dass Kinder mit Migrationshintergrund bei gleicher Leistung eine geringere Chance haben eine Gymnasialempfehlung zu erhalten als Kinder ohne Migrationshintergrund.16 93% der Schüler mit Empfehlung zur Hauptschule besuchten eine solche.17 Nach der Hauptschule erfolgt bei vielen Türken (44,5%) kein weiterer Bildungsgang. In der Kontrollgruppe beträgt dieser Wert vergleichsweise nur 27,4%.18 3.2. Erwerbstätigkeit Bezüglich der Erwerbs- und Arbeitslosenquoten der türkischstämmigen Migranten wurde Folgendes festgestellt: Die Erwerbsquote liegt bei 72,9%, die Arbeitslosenquote bei 15,9%.19 53,9% haben eine oder mehrere Arbeitsstellen, 11,6% sind arbeitssuchend. Arbeitslos und gleichzeitig nicht arbeitssuchend sind 5% der befragten Türken, während dieser Wert in der Kontrollgruppe nur 2,4% beträgt.20 3.3. Deutschland und Heimat/ Sprache Unter dem Begriff „ethnische Orientierung“ beschreibt die Studie das momentane Zugehörigkeitsgefühl zu spezifischen ethnischen Gruppen. Bei der Frage inwiefern das Gefühl „deutsch“ zu sein ausgeprägt ist, antworteten fast die Hälfte der befragten Türken (49,2%) mit „eher stark“, lediglich 3% mit „überhaupt nicht“. 32,7% antworteten mit „mittelmäßig“ und 15,1% mit „eher 14 IMIS (Fn. 13), S. 40. 15 IMIS (Fn. 13), S. 44. 16 Cornelia Kristen, Ethnische Diskriminierung im deutschen Schulsystem?- Theoretische Überlegungen und empirische Ergebnisse, 2006, S. 18 f. 17 IMIS (Fn. 13), S. 46. 18 IMIS (Fn. 13), S. 54, 62. 19 IMIS (Fn. 13), S. 79. 20 IMIS (Fn. 13), S. 80. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 8 schwach“. Nahezu 50% können sich mit Deutschland identifizieren.21 58,7% der Befragten Türken sind sich sicher, dass sie nicht in ihr Herkunftsland auswandern wollen. 27% beantworten diese Frage mit „vielleicht“, während nur 1,2% mit Sicherheit auswandern wollen.22 In Bezug auf die deutsche Sprache nehmen immerhin 65,4% der Türken an, dass sie „gut bis sehr gut“ sprechen und 30,4% sogar, dass sie „ausgezeichnet“ sprechen. Lediglich 0,2% denken, dass sie „schlecht bis nicht so gut“ und 4%, dass sie „mittelmäßig“ sprechen. Beim Lesen hingegen finden 59,1%, dass sie „gut bis sehr gut“ lesen, beim Schreiben beträgt dieser Wert 52,6%.23 Es lässt sich also eine Unsicherheit von der gesprochenen zur geschriebenen Sprache feststellen. 3.4. Soziale Beziehungen Betrachtet man die ethnische Herkunft der Freunde während der Sekundarschulzeit, so fällt auf, dass Türken ihren engsten Freundeskreis in der eigenen ethnischen Gruppe haben. So gehören 68,8% derselben ethnischen Gruppe an wie ihr bester Freund und 65,2% wie ihr zweitbester Freund. Dahingegen sind nur 30,2% der besten Freunde Deutsche.24 3.5. Religiosität Bei der Ausprägung religiöser Identifikation überwiegt eindeutig die Identifikation mit dem Islam : 67,1% der Türken geben an, dass sie sich „eher stark“ mit dem Islam identifizieren, während lediglich 5,8% sagen, dass dies „überhaupt nicht“ der Fall ist. Dementsprechend umgekehrt sind die Werte in Bezug auf die Identifikation mit dem Christentum: 1,6% der befragten Türken identifizieren sich „eher stark“ damit, also nur ein kleiner Bruchteil. 87,7% geben hingegen an, dass sie sich „überhaupt nicht“ damit identifizieren.25 4. Interethnische Kontakte, Freundschaften, Partnerschaften und Ehen von Migranten in Deutschland Die Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 201026 beschäftigt sich mit der sozialen Integration von Migranten in Deutschland, darunter auch die der türkischstämmigen Migranten. Gemessen wird die soziale Integration an der Art und Intensität der sozialen 21 IMIS (Fn. 13), S. 143, 144. 22 IMIS (Fn. 13), S. 149. 23 IMIS (Fn. 13), S. 147. 24 IMIS (Fn. 13), S. 161. 25 IMIS (Fn. 13), S. 151. 26 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Interethnische Kontakte, Freundschaften, Partnerschaften und Ehen von Migranten in Deutschland, 2010, http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/ WorkingPapers/wp33-interethnische-kontakte.pdf;jsessionid=445FECD21A4EE552C17230D7AA619D3A.1_ cid286?__blob=publicationFile, [Stand: 19. September 2012]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 9 Beziehungen von Migranten untereinander sowie zwischen ihnen und der einheimischen Bevölkerung . Dabei wird auf Alltagskontakte, Freundschaften, Partnerschaften und Ehen eingegangen. Im Folgenden soll vorrangig die soziale Integration von türkischen Zuwanderern untersucht werden , wobei gegebenenfalls Vergleichszahlen der anderen befragten Zuwanderungsgruppen (Jugoslawen , Italiener, Griechen, Polen) herangezogen werden. Bezug genommen wird vorliegend auf die Ergebnisse bezüglich der Alltagskontakte und der Bekanntschaften und Freundschaften. 4.1. Alltagskontakte Zunächst wird darauf eingegangen, wie häufig die Befragten Kontakt zu Deutschen am Arbeitsplatz / in der Schule oder in der Universität haben. Dabei geben 51,1% der befragten Türken an, dass sie täglich Kontakt zu Deutschen haben. Damit stellen sie jedoch unter allen befragten Nationalitäten die Gruppe dar, welche am wenigstens Kontakt zu Deutschen hat (bspw. haben 61,1% der Italiener täglich Kontakt mit Deutschen). Dementsprechend hoch ist auch die Zahl der Türken die angeben, dass sie gar keinen Kontakt zu Deutschen am Arbeitsplatz haben (38%). Eine solch hohe Zahl findet sich bei keiner anderen Gruppe von Zuwanderern.27 Im Folgenden werden die Kontakte in der Nachbarschaft untersucht. Bei keiner Zuwanderungsgruppe ist der Anteil der Personen, die nie in Kontakt zu deutschen Nachbarn tritt, höher als 7%, bei den Türken beträgt der Wert 6,4%. Zwar haben auch 40,7% der Türken täglichen Kontakt mit Deutschen aus der Nachbarschaft, gleichzeitig pflegen aber auch 43,3% täglichen Kontakt mit der eigenen ethnischen Gruppe. Dieser Wert ist bei keiner der anderen befragten Gruppen annähernd so hoch.28 Bezüglich der Kontakte im Freundeskreis fällt ebenfalls bei den Türken auf, dass eine hohe Zahl (14,4%) gar keinen Kontakt mit deutschen Freunden hat. Die täglichen Kontakte mit Freunden aus der eigenen ethnischen Gruppe sind auch deutlich höher (45,5%) als die mit deutschen Freunden (32,6%).29 4.2. Bekanntschaften und Freundschaften In Bezug auf die Frage nach der engsten Bezugspersonen und deren Herkunft lässt sich feststellen , dass lediglich 25% ihren besten Freund aus Deutschland haben. 62,4% der Türken haben gar keine enge Bezugsperson deutscher Herkunft.30 27 BAMF (Fn. 26), S. 23 f. 28 BAMF (Fn. 26), S. 25. 29 BAMF (Fn. 26), S. 27. 30 BAMF (Fn. 26), S. 29 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 10 5. Fortschritte der Integration: Zur Situation der fünf größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen Die Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 201031 informiert über die Lebensverhältnisse der fünf größten Ausländergruppen in Deutschland. Als Vergleichsgruppen gegenüber den Türken dienen die Griechen, die Italiener, die Polen und Personen aus dem ehemaligen Jugoslawen. 5.1. Bildung Auffällig in Bezug auf die Bildung ist, dass die Türken die Gruppe mit dem größten Anteil sind, die gar keinen Schulabschluss haben (13,1%). 61% haben eine niedrige Schulbildung, während nur 9,9% eine hohe Schuldbildung besitzen. Damit schneiden sie am schlechtesten ab. Betrachtet man weiter die Angaben zum höchsten erreichten Schulabschluss, so hat der größte Teil der Befragten einen Hauptschulabschluss (23%). Lediglich 3,3% besitzen das Abitur.32 5.2. Erwerbstätigkeit Aus der Studie geht hervor, dass 17% der türkischen Männer arbeitslos sind. Dieser Wert ist im Vergleich zu den anderen Gruppen höher (bspw. bei den Griechen 10%). Zudem sind türkische Männer seltener in Vollzeit erwerbstätig (39,5%) als die Männer aus den anderen Zuwanderungsgruppen . Bei den türkischen Frauen widmet sich ein Großteil der Haus- und Familienarbeit (43,2%).Türkinnen sind insgesamt weniger auf dem Arbeitsmarkt vertreten als Frauen der anderen Vergleichsgruppen.33 5.3. Sprache Es wurden sowohl Daten zur Fremdeinschätzung der Sprachkenntnisse (durch den Interviewer) als auch zur Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkenntnisse erhoben. Dabei wurde zwischen zwei Altersgruppen (15- bis 34-Jährige und 35- bis 64-Jährige), sowie zwischen männlich und weiblich unterschieden. Letztlich haben insgesamt bei allen Nationalitäten die Jüngeren bessere Deutschkenntnisse. Allerdings schneiden die türkischen Migranten im Vergleich zu den anderen Migranten eher schlecht ab. Insbesondere bei den älteren Türkinnen wird die Sprachfähigkeit lediglich für 16,6% als sehr gut bewertet. Die Selbsteinschätzungen fallen hingegen deutlich besser aus: Es schätzen immerhin 55,7% ihre Sprachfähigkeit als gut oder sehr gut ein, 63,2% sogar ihr Hörverständnis. Bei der Selbsteinschät- 31 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Fortschritte der Integration: Zur Situation der fünf größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen, 2010, http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/ Forschungsberichte/fb08-fortschritte-der-integration.pdf?__blob=publicationFile, [Stand: 19. September 2012]. 32 BAMF (Fn. 31), S. 82 ff. 33 BAMF (Fn. 31), S. 125 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 11 zung zur Lesefähigkeit wird ein Wert von 52,6%, beim Schreibvermögen einer von 43,4% erreicht . Anzumerken ist allerdings auch, dass im Vergleich mit den anderen Gruppen eine relativ hohe Zahl der befragten Türken ihre Fähigkeiten als schlecht einschätzen. Die Beherrschung der Herkunftssprache wird hingegen in allen vier Bereichen von teilweise bis zu 93% als gut bis sehr gut eingeschätzt. 5.4. Identifikation mit Deutschland und Kontakte zu Personen deutscher Herkunft Hinsichtlich der Kontakte im alltäglichen Leben (Familie, Arbeit und Ausbildung, Freundeskreis, Nachbarschaft) weisen türkische Zuwanderer die wenigsten Kontakte zu Personen mit deutscher Herkunft auf. So haben immerhin 44,5% der Türken gar keinen Kontakt zu Deutschen auf der Arbeit, 18,8% sogar keinen im Freundeskreis.34 Bezüglich der Rückwanderungsabsichten will ein Großteil der Türken (77,5%) in Deutschland bleiben, was tendenziell auf allgemeine Zufriedenheit hier schließen lässt. Lediglich 10% wollen in das Herkunftsland zurück.35 Dieser Wert ist bei einem Großteil der Vergleichsgruppen höher. Über 65% der befragten Türken fühlen sich stark oder sogar sehr stark mit Deutschland verbunden . Mit dem eigenen Herkunftsland fühlen sich knapp 58% stark oder sehr stark verbunden.36 6. Zuwanderer in Deutschland: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund Die Studie der Bertelsmann Stiftung37 beschäftigt sich insbesondere mit den subjektiven Vorstellungen verschiedener Gruppen von Zuwanderern bezüglich ihrer Identität, Integration und ihren Chancen in der deutschen Gesellschaft. Die Befragung stützt sich dabei auf 1581 Interviews mit Personen mit Migrationshintergrund aus der Türkei, der ehemaligen Sowjetunion, dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen, Italien, Spanien und Griechenland ab 16 Jahren. 6.1. Identität und Integration Bei der Frage danach, welches Land die Türken als Heimatland empfinden, antworteten 71% damit, dass dies ihr Herkunftsland sei. Lediglich 29% empfinden Deutschland als ihre Heimat. Anzumerken ist dabei, dass dies nicht nur bei den Türken so aussieht (auch wenn die Differenz hier sehr groß ist), sondern auch bei allen anderen Gruppen.38 34 BAMF (Fn. 31), S. 157 ff. 35 BAMF (Fn. 31), S. 164 ff. 36 BAMF (Fn. 31), S. 169 ff. 37 Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, Zuwanderer in Deutschland: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund, 2009, http://www.ifdallensbach .de/uploads/tx_studies/7405_Zuwanderer.pdf, [Stand: 19. September 2012]. 38 Institut für Demoskopie Allensbach (Fn. 37), S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 12 58% der Türken fühlen sich in Deutschland stark bis mittel integriert. 42% geben aber auch an sich nur schwach integriert zu fühlen.39 24% fühlen sich fremd in Deutschland und 31% geben an, dass sie von vielen als fremd betrachtet werden.40 Die Mehrheit der Zuwanderer aus der Türkei hat das Gefühl weniger anerkannt zu werden, als jemand der aus Deutschland stammt (61%).41 6.2. Kontakte zu Personen deutscher Herkunft In Bezug auf den Kontakt zu Deutschen geben 45% der Türken an, dass sie viele deutsche Freunde haben. Auch die Bereitschaft zu häufigerem Kontakt mit Deutschen ist vorhanden. So bestätigen immerhin 26%, dass sie gerne mehr deutsche Freunde oder Bekannte hätten. 21% geben an, Schwierigkeiten zu haben deutsche Freunde zu finden.42 7. Zusammenfassung der Ergebnisse Im Hinblick auf die sozialen Kontakte der türkischstämmigen Zuwanderer stimmen die Ergebnisse der verschiedenen Studien weitestgehend überein. So sind Türken eher mit Türken zusammen und weniger mit Personen deutscher Herkunft. Aus der Studie Deutsch-Türkische Lebens - und Wertewelten geht hervor, dass dies bei 62% der Befragten der Fall ist. Die Studie des Forschungsprojektes TIES hat gezeigt, dass fast 70% der befragten Personen derselben ethnischen Gruppe angehören wie ihr bester Freund. Beide Studien des BAMF zeigen, dass die Türken die Gruppe mit den wenigsten Kontakten zu Deutschen darstellen. So sind die täglichen Kontakte mit türkischen Freunden (45,5%) deutlich höher als die mit deutschen Freunden (32,6%). 18,8% der Befragten haben gar keine Deutschen in ihrem Freundeskreis. Allerdings zeigt die Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass die Bereitschaft zu häufigerem Kontakt mit Deutschen durchaus vorhanden ist und mehr als ein Viertel der Türken gerne mehr deutsche Freunde hätte. In Bezug auf die Identifikation mit Deutschland kommen die Studien teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Aus der Studie Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten geht hervor, dass nur 15% der befragten Türken Deutschland als ihre Heimat ansehen. Währenddessen lässt sich aus der Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2009 entnehmen, dass dies immerhin noch 29% so empfanden. Dieser Unterschied ist womöglich auf die zeitliche Differenz der beiden Studien zurückzuführen. Aus der Studie des Forschungsprojekts TIES hingegen geht hervor , dass immerhin 50% sich mit Deutschland identifizieren können. Knapp 50% geben auch an, dass sie sich stark mit Deutschland verbunden fühlen. Die Studie Fortschritte der Integration des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zeigt, dass sogar 65% der befragten Türken sich stark oder sehr stark mit Deutschland verbunden fühlen. Diese Zahlen sprechen also nicht für eine fehlenden Verbundenheit der in Deutschland lebenden Türken zu Deutschland. 39 Institut für Demoskopie Allensbach (Fn. 37), S. 15. 40 Institut für Demoskopie Allensbach (Fn. 37), S. 17. 41 Institut für Demoskopie Allensbach (Fn. 37), S. 18. 42 Institut für Demoskopie Allensbach (Fn. 37), S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 261/12 Seite 13 Dass es eine Zunahme von Ressentiments gegenüber Juden und Atheisten gegeben hat, ist ausschließlich der Studie Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten von 2012 zu entnehmen. Die anderen Studien enthalten dazu keine Angaben. Ebenso wenig lässt sich aus den anderen Studien eine Ablehnung gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften entnehmen.