© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 260/19 Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz Rechtsfragen insbesondere zum Rechtsschutz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 2 Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz Rechtsfragen insbesondere zum Rechtsschutz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 260/19 Abschluss der Arbeit: 4. Dezember 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Verfassungsrechtliche Beurteilung 4 2.1. Gewaltenteilung 4 2.2. Rechtsschutzgarantie 6 2.3. Weitere Grundrechte Dritter/Einzelfallgesetz 8 2.4. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie 8 2.5. Zwischenergebnis 9 3. Voraussetzung für die Planung durch Gesetz 9 3.1. „Guter Grund“ 9 3.2. Gründe des Gemeinwohls 10 4. Rechtsschutzmöglichkeiten bezüglich Verkehrsinfrastrukturprojekten 12 4.1. Rechtschutzmöglichkeiten gegen Planfeststellungsbeschlüsse 12 4.1.1. Anfechtungsklage 13 4.1.1.1. Zulässigkeit 13 4.1.1.2. Prüfungsumfang 15 4.1.2. Vorläufiger Rechtsschutz 15 4.2. Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Maßnahmengesetze 16 4.2.1. Rechtsschutz Betroffener 16 4.2.2. Rechtsschutz von Umwelt- und Naturschutzverbänden 18 4.2.3. Rechtsschutz der Bundesländer 18 5. Verbleibende Beteiligungsrechte für anerkannte Verbände und deren Durchsetzung 19 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 4 1. Fragestellung Diese Ausarbeitung befasst sich mit dem – dem Entwurf für ein Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG-E)1 zugrundeliegenden – Konzept, große Verkehrsinfrastrukturvorhaben durch einzelne Maßnahmengesetze statt durch Verwaltungsakte zu genehmigen. Dies soll insbesondere zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren der 12 dort genannten Projekte führen. In diesem Rahmen werden verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Fragestellungen erörtert. Insbesondere werden Fragen des Rechtsschutzes näher beleuchtet. Zu weiteren europarechtlichen Fragestellungen erfolgt eine gesonderte Ausarbeitung des Fachbereichs Europa (PE 6). 2. Verfassungsrechtliche Beurteilung Einleitend ist festzuhalten, dass das MgvG-E seinerseits im Wesentlichen nur Vorbereitungen und die Regelungen des Verfahrens hin zu einzelnen Maßnahmengesetzen trifft. Erst die Maßnahmengesetze als solche, die dann die Genehmigung der Vorhaben enthalten, können zu einer Kollision mit verfassungsrechtlich geschützten Rechten führen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass es auch nach dem MgvG-E nicht zwingend ist, dass die 12 genannten Projekte durch Gesetz genehmigt werden müssen. Vielmehr sieht § 7 Abs. 2 und 3 MgvG-E selbst die Möglichkeit vor, dass auch weiterhin eine Genehmigung durch Verwaltungsakt möglich ist. Mithin kann durch das einzelne Maßnahmengesetz eine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz entstehen, die auf der Grundlage des MgvG-E allein noch nicht zwingend ist. Nichtsdestotrotz können an dieser Stelle bereits Hinweise gegeben werden, welche Regelungen des Grundgesetzes besonders tangiert sein könnten. 2.1. Gewaltenteilung Verfassungsrechtlich problematisch ist die Vereinbarkeit der Planfeststellung durch Gesetz mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. In Bezug auf die horizontale Gewaltenteilung stellt sich die Frage, ob die Legislative mit der Planfeststellung auf eine typische, der Verwaltung vorbehaltene Aufgabe des Verwaltungsvollzugs zugreifen würde. Man könnte annehmen, es liege ein „Systembruch“ vor, wenn die „Legislative im Einzelfall sich selbst vollziehende Gesetze erlässt“.2 Denn eine staatliche Aufgabe soll jeweils von dem Organ bzw. der Staatsgewalt wahrgenommen werden, die dazu nach Struktur und Funktionsweise am besten geeignet sind.3 Auf der anderen Seite kann die Zuordnung von Aufgaben zur Legislative oder zur Exekutive – insbesondere im Bereich der Planung – im Einzelnen schwierig sein. Zudem sieht das Grundgesetz keine strikte Trennung der Gewalten, sondern eine Gewaltenverschränkung vor.4 1 Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz - MgvG), BR-Drs. 579/19. 2 So Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Aufl., 2015, Rn. 4643. 3 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 15; Schneller, ZG 1998, 179, 183 m.w.N.; Fiege, LKV 2000, 285, 287. 4 Schneller, ZG 1998, 179, 184 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 5 Art. 20 Abs. 3 GG setzt den Vorrang des Gesetzes gegenüber der Verwaltung voraus.5 Dabei ist aber zu beachten, dass der Kernbereich der jeweiligen Gewalt unangetastet bleiben muss.6 Eine Planfeststellung durch Gesetz verstößt nach der Stendal-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 7 nicht von vornherein gegen den Grundsatz der horizontalen Gewaltenteilung, da die staatliche Planung im Ergebnis weder eindeutig der Legislative noch eindeutig der Exekutive zugeordnet werden könne. Die Planvorbereitung jedoch müsse bei der Exekutive liegen. Zudem dürfe der Gesetzgeber – auf Initiative und Vorbereitung von Regierung und Verwaltung hin – einen Plan nur durch Gesetz beschließen, wenn die Materie ihrer Natur nach geeignet ist, gesetzlich geregelt zu werden und sonstige verfassungsrechtliche Gründe nicht entgegenstehen.8 Die Möglichkeit einzelner planfeststellender Gesetze nimmt das Bundesverfassungsgericht auch für den Bereich der Fachplanung an.9 Insoweit betont es aber ihre besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit . Da die Fachplanungsentscheidung üblicherweise der Verwaltung vorbehalten sei, die dafür den erforderlichen Verwaltungsapparat und Sachverstand besitze, dürfe der Gesetzgeber eine solche Entscheidung nur dann an sich ziehen, wenn „hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa weil die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist“.10 Problematisch ist darüber hinaus die vertikale Gewaltenteilung, also die im Grundgesetz vorgesehene Ausübung staatlicher Gewalt im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Für die gesetzliche Planfeststellung muss dem Bundesgesetzgeber zunächst die Gesetzgebungskompetenz zukommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht für die genannten Themen des Ausbaus von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes nach Art. 73 Nr. 6a GG11 und für die 5 Art. 20 Abs. 3 GG: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Dazu auch: Degenhart, NJW 1984, 2184, 2187; Schneller, ZG 1998, 179, 184. 6 BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1972 – 2 BvL 51/69, BVerfGE 34, 52, 59: „Die Teilung der Gewalten ist für das Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip. (…) Das Prinzip der Gewaltenteilung ist für den Bereich des Bundes jedoch nicht rein verwirklicht. Es stehen zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen . Nicht absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten ist dem Verfassungsaufbau des Grundgesetzes zu entnehmen (…). Kann somit der Sinn der Gewaltenteilung zwar nicht in einer scharfen Trennung der Funktionen der Staatsgewalt gesehen werden, so muss doch andererseits die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten bestehen bleiben. (…) Der Kernbereich der verschiedenen Gewalten ist unveränderbar.“ 7 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1. 8 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 16. 9 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 17: „Mit der Planung eines einzelnen Vorhabens greift der Gesetzgeber mithin nicht notwendig in die Funktion ein, die die Verfassung der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung vorbehalten hat (…).“ 10 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 17, Hervorhebungen nicht im Original. 11 Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 6 Bundeswasserstraßen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG (die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen). Dass es sich um entsprechende Verkehrswege des Bundes handelt, wird für diese Ausarbeitung unterstellt. Fraglich ist zudem, ob der Bund für die Legalplanung darüber hinaus über die Verwaltungskompetenz verfügen muss. Dafür spricht, dass der Bundesgesetzgeber andernfalls die im Grundgesetz vorgesehene Verteilung der Vollzugskompetenzen zugunsten der Länder (Art. 83 ff. GG) unterlaufen könnte.12 Jedoch ist auch die Verwaltungskompetenz für die genannten Projekte gegeben. Für die Eisenbahnprojekte folgt diese aus Art. 87e GG,13 für die Wasserwege aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 89 GG. Mithin stellt im Ergebnis der Grundsatz der Gewaltenteilung keine verfassungsrechtliche Hürde für entsprechende Maßnahmengesetze dar. 2.2. Rechtsschutzgarantie Fraglich ist, inwieweit die geplante Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen durch Gesetz mit der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG vereinbar ist. Von Bedeutung ist dabei der Umstand, dass gegen einen genehmigenden Verwaltungsakt der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht einschließlich möglicher mehrerer Instanzen offen steht. Gegen eine Genehmigung durch Gesetz ist im Wesentlichen nur der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht möglich. Dabei besteht nur für den betroffenen Bürger die Möglichkeit für eine Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz auch noch dann möglich ist, wenn auf der Grundlage des Maßnahmengesetzes Verwaltungsakte erlassen werden. Dies ist zum Beispiel bei durch das Gesetz vorbereiteten Enteignungsmaßnahmen denkbar, die dann noch durch einen Verwaltungsakt ausgeführt werden. Dann stünde dem betroffenen Grundstückseigentümer der Verwaltungsrechtsweg offen. Das Verwaltungsgericht könnte das Maßnahmengesetz sodann auch dem Bundesverfassungsgericht zur konkreten Normenkontrolle vorlegen (Art. 100 Abs. 1 GG).14 Einen Anspruch des einzelnen Bürgers auf Vorlage durch das Verwaltungsgericht gibt es jedoch nicht. Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten im Einzelnen siehe unten Abschnitt 4. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der überwiegenden Meinung in der Literatur ist die parlamentarische Gesetzgebung keine „öffentliche Gewalt“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.15 Demnach ist auch eine Veränderung des Rechtsschutzes gegen eine durch Gesetz geplante Maßnahme nicht an der Rechtsschutzgarantie zu messen. Dies wird vor allem damit begründet, dass das Grundgesetz in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 und Art. 100 Abs. 1 GG sowie der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG einen gerichtlichen Rechtsschutz gegen 12 So Ronellenfitsch, DÖV 1991, 771, 779: „Geht man davon aus, dass der Gesetzgeber Verwaltungsmaßnahmen in Gesetzesform nur im Rahmen der Gesetzgebungsbefugnisse treffen darf, dann müssten nahezu alle Maßnahmegesetze vom Bund erlassen werden. Das würde praktisch auf eine staatliche Entmachtung der Länder hinauslaufen, (…).“ 13 Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 18. 14 Vgl. dazu auch: Schneller, ZG 1998, 179, 190. 15 Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 7 Gesetze ausdrücklich und spezieller regelt. Neben diesen an bestimmte Voraussetzungen gebundenen Möglichkeiten zur Kontrolle von Gesetzen, soll kein weiterer allgemeiner Rechtsschutz mehr nach der Konzeption des Grundgesetzes bestehen.16 Wenn mit der Mindermeinung die Rechtsschutzgarantie auch gegenüber dem Gesetzgeber gelten sollte, wären folgende Aspekte zu berücksichtigen. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gibt nach herrschender Auffassung keinen Anspruch auf mehr als eine gerichtliche Instanz.17 Der Rechtsweg ist dabei weitgehend frei durch den Gesetzgeber ausgestaltbar, solange der Rechtsschutz nicht unzumutbar erschwert wird.18 Nach dem Bundesverfassungsgericht verwehrt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG „es dem Gesetzgeber deshalb auch nicht, ein bisher nach der jeweiligen Verfahrensordnung statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Dies kann grundsätzlich mit Wirkung auch für solche Verfahren geschehen, die bereits bei Gericht anhängig sind, soweit dem nicht durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG Grenzen gezogen sind.“19 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsschutzgarantie auch einen Rechtsschutz in angemessener Zeit beinhaltet.20 Dieses Beschleunigungsgebot kann insbesondere bei Verfahren mit zahlreichen Beteiligten unterschiedlicher Gruppen, wie zum Beispiel bei großen Infrastrukturvorhaben , relevant werden.21 Das Bundesverfassungsgericht hat zudem in einzelnen Entscheidungen betont, dass Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG dem Gesetzgeber nicht aufgebe, Planungsentscheidungen in eine Rechtsform zu kleiden, die für den Bürger den bestmöglichen oder umfassenden Rechtsschutz bietet.22 Im Ergebnis folgen aus der Rechtsschutzgarantie also keine durchgreifenden Bedenken gegen die Legalplanung. 16 Siehe ausführlich: BVerfG, Urteil vom 25. Juni 1968 – 2 BvR 251/63, BVerfGE 24, 33, 49 ff.; Brüning, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl., 2019, Art. 19, Rn. 92 m.w.N. Siehe zum Streitstand auch: Schulze- Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2013, Art. 19 Abs. 4, Rn. 50. 17 BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90, BVerfGE 87, 48, 61; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2013, Art. 19 Abs. 4, Rn. 94 m.w.N.; Fiege, LKV 2000, 285, 287. 18 Fiege, LKV 2000, 285, 287. 19 BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90, BVerfGE 87, 48, 61. 20 BVerfG, Beschluss vom 27. März 1980 – 2 BvR 316/80, BVerfGE 54, 39, 41; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2013, Art. 19 Abs. 4, Rn. 111 m.w.N. 21 Fiege, LKV 2000, 285, 287. 22 BVerfG, Urteil vom 29. Juli 1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, 105; BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 2 BvR 397/82, 2 BvR 398/82, 2 BvR 399/82, BVerfGE 70, 35, 56; Schneller, ZG 1998, 179, 190. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 8 2.3. Weitere Grundrechte Dritter/Einzelfallgesetz Eine verfassungsrechtliche Kollision eines Maßnahmengesetzes kommt auch bezüglich weiterer Grundrechte in Betracht. Diesbezüglich ist insbesondere der grundrechtliche Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG relevant, soweit das Gesetz auf die Enteignung von Grundstücken eine gewisse Vorwirkung hat.23 Darüber hinaus könnte auch der Schutz der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG relevant werden. Dieser beinhaltet auch eine Schutzpflicht des Staates zum Beispiel vor schädlichen Umwelteinwirkungen.24 Ob und inwieweit diese Grundrechte tangiert sind, kann jedoch nur anhand des konkreten Maßnahmengesetzes überprüft werden. Der verfassungsrechtliche Schutz vor Einzelfallgesetzen führt zunächst zu keinen weiteren Einschränkungen . Dieser gilt nach herrschender Meinung nur für einen bestimmten Kanon an Grundrechten , nicht jedoch für die Justizgrundrechte.25 In Bezug auf einen möglichen Eingriff des Maßnahmengesetzes in das Eigentumsgrundrecht aufgrund von enteignungsrechtlichen Vorwirkungen einer Legalplanung hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits festgelegt. Da Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG eine Enteignung durch den Gesetzgeber ausdrücklich zulasse, sei das Verbot des Einzelfallgesetzes nicht berührt.26 Zwar könnte ein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG noch vom Verbot von Einzelfallgesetzen umfasst sein, jedoch stimmen Rechtsprechung und Literatur dahingehend überein, dass Maßnahmengesetze, also Gesetze die auf einen konkreten Sachverhalt abstellen, nicht unzulässig sind und keinen strengeren verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegen als andere Gesetze.27 2.4. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie Auch die Vereinbarkeit planfeststellender Gesetze mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kann in Frage stehen. Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG haben die Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Zum Gewährleistungsgehalt der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung gehören dabei die sog. Gemeindehoheiten, u.a. die Planungshoheit.28 Die kommunale Planungshoheit bedeutet das Recht der Gemeinden, das Gemeindegebiet selbst zu ordnen und zu gestalten.29 Dieses Recht kann durch Fachplanungen im Rahmen von Planfeststellungsverfahren beeinträchtigt werden. Dabei kommt ein Eingriff in Planungshoheit allerdings nur dann in Betracht, 23 So bei BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 21 ff. 24 Vgl. Horn, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl., 2019, Art. 2, Rn. 84. 25 Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2013, Art. 19 Abs. 1, Rn. 10. 26 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 26 27 Vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1969 – 2 BvL 15/67, BVerfGE 25, 371, 396; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2013, Art. 19 Abs. 1, Rn. 13 m.w.N. 28 Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2015, Art. 28, Rn. 120 ff. 29 Vgl. Brüning, Kommunalverfassung, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 3. Aufl., 2013, § 64, Rn. 35 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 9 wenn die gemeindlichen Planungen bereits konkretisiert sind.30 Liegt ein Eingriff in diesem Sinne vor, ist am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob dieser verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.31 Die gesetzliche Planung dürfe dafür die weitere Planung der Kommunen nicht von vornherein wesentlich erschweren oder sogar völlig unmöglich machen. Zudem müsse die gesetzliche Planung auf vollständigen und sorgfältigen Sachverhaltsermittlungen und auf einer umfassenden Abwägung und Berücksichtigung der Belange der betroffenen Gemeinden beruhen.32 2.5. Zwischenergebnis Die obigen Ausführungen zeigen verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen auf, innerhalb derer eine Legalplanung durch Maßnahmengesetz stattfinden kann. Vorgaben, die eine solche Genehmigung von Infrastrukturmaßnahmen durch Gesetz allgemein unzulässig machen, bestehen nicht. 3. Voraussetzung für die Planung durch Gesetz 3.1. „Guter Grund“ Der MgvG-E verlangt – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –, dass gute Gründe dafür vorliegen müssten, das Infrastrukturprojekt durch Gesetz zu genehmigen. § 7 Abs. 2 S. 1 MgvG-E spricht insoweit von „triftigen Gründen“. Im Satz 2 folgt des Weiteren die Erklärung, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) von einer Zulassung des Projekts durch Maßnahmengesetz absehen kann, wenn das Projekt dadurch „zugunsten des Gemeinwohls nicht oder nur unwesentlich beschleunigt wird“. Die Begründung des Gesetzentwurfes greift dies ebenfalls auf und hält zunächst fest: „Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzverkürzung müssen triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden wäre, denen nur durch eine gesetzlich Regelung begegnet werden kann.“33 30 BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 11 A 65/95, Rn. 27; Mehde, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 87. EL März 2019, Art. 28 Abs. 2, Rn. 60; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Aufl., 2015, Rn. 4849. 31 BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 – 2 BvK 1/00, BVerfGE 103, 332, 366 f. m.w.N. 32 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 25 f. 33 Begründung zu § 1, BR-Drs. 579/19, S. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 10 Darüber hinaus: „Der Gesetzgeber darf solche Entscheidungen zudem nur dann an sich ziehen, wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa weil die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist. Insofern steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zu.“34 Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass die Entscheidung über die Fachplanung dann vom Parlament durch Gesetz vorgenommen werden kann, „wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen“.35 Solche guten Gründe könnten darin liegen, dass die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist. Dem Gesetzgeber steht hier ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zu.36 Diese Aussagen gibt auch die Begründung des Gesetzentwurfs wieder.37 In der Entscheidung benennt das Bundesverfassungsgericht als entsprechenden guten Grund die Motive des Gesetzgebers, die Wirtschaft auf schnellstmöglichem Wege in den neunen Ländern zu stärken und auf Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet hinzuwirken. Der unverzügliche Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern sei dazu von großer Bedeutung gewesen.38 Auch ein erwarteter erheblicher Zeitgewinn bei der Projektrealisierung sei in diesem Zusammenhang ein guter Grund.39 Dass dieser vertretbar angenommene Zeitgewinn in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Projekt bereits aufgrund länger dauernden Gesetzgebungsverfahrens verringert wurde, war für die verfassungsgerichtliche Annahme eines guten Grundes irrelevant.40 3.2. Gründe des Gemeinwohls Für die Beurteilung, welche Gründe des Gemeinwohls dafür streiten können, dass ein Projekt durch Gesetz genehmigt wird, gibt es weder eine abschließende Regelung, noch von der Rechtsprechung über die oben genannten Beispiele nähere Eingrenzungen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch hinreichend deutlich gemacht, dass dem Gesetzgeber hier ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zukommt. Das Bundesverfassungsgericht selbst formuliert das Vorliegen der besonderen Bedeutung für das Gemeinwohl auch nicht als zwingende Bedingung für die Legalplanung sondern als Beispiel für 34 Begründung zu § 2, BR-Drs. 579/19, S. 12. 35 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 17. 36 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 17. 37 Siehe oben; Begründung zu § 7 Abs. 2, BR-Drs. 579/19, S. 21. 38 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 18. 39 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 19. 40 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 19 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 11 einen guten Grund.41 Der MgvG-E wiederholt in der Begründung zu § 2 diese Formulierung.42 Insofern können auch andere als Gemeinwohlgründe entsprechend zur Beurteilung der Notwendigkeit der Legalplanung herangezogen werden. Aufgrund des weiten Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers kann kein abschließender Katalog benannt werden, welche Gründe des Gemeinwohls an dieser Stelle herangezogen werden können. Gemeinwohlbelange als solche sind seit je auch nicht abschließend definiert.43 Das Gemeinwohl stellt aber mehr als die Summe der Individualinteressen dar und auch nicht nur deren kleinsten gemeinsamen Nenner.44 Der Gesetzentwurf selbst spricht unter anderem von – der „gesamtwirtschaftlichen Bewertung“, – den „volkswirtschaftlichen Nutzen, die in den herausragenden Nutzen-Kosten-Verhältnissen der Wasserstraßenprojekte zum Ausdruck kommen,“ in Verbindung mit der „schnelle(n) Verwirklichung der Vorhaben“, – der „Klimaschutzwirkung“, – der „Einsparung von CO2-Emissionen“, – „Umweltnutzen(s) unter Berücksichtigung von positiven Effekten im Hinblick auf Belastungen durch Verkehrslärm, Kohlendioxid-Emissionen (CO2) und Luftschadstoff- Emissionen“. Diese benannten Gemeinwohlbelange unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, die sich auf das Vorhandensein einer nachvollziehbaren Begründung, den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften , die Ermittlung des zutreffenden und vollständigen Sachverhalts, die Missachtung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze und das Vorhandensein sachfremder Erwägungen bezieht .45 Zur Ermittlung der abwägungsrelevanten Aspekte gehört in jedem Fall auch die Anhörung 41 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 17: „Das Parlament darf durch Gesetz eine solche Entscheidung nur dann an sich ziehen, wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa weil die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist.“ Hervorhebung nur hier. 42 BR-Drs. 579/19, S. 12: „Der Gesetzgeber darf solche Entscheidungen zudem nur dann an sich ziehen, wenn hier- für im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa weil die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist. Insofern steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996, Az. 2 BvF 2/93, Rn. 51).“ Hervorhebung nur hier. 43 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl., 2013, Art. 20, Rn. 119. 44 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 2. Aufl., 2013, Art. 20, Rn. 119. 45 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 22 f. Diese Kriterien der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Beurteilungsspielräumen haben sich über einen langen Zeitraum durch die Rechtsprechung etabliert. Siehe dazu: BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2009 – 1 BvR 3151/07, NVwZ 2010, 435. Sie wurden zwischenzeitlich auch in Fachgesetzen normiert, unter anderem in § 4a Abs. 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz , der jedoch mittlerweile aufgehoben wurde. Vgl. auch: Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193, 197. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 12 der individuell betroffenen Grundstückseigentümer und Kommunen.46 Dass die genannten Zwecke einer gerichtlichen Überprüfung der Einhaltung des weiten Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers nicht standhalten würden, ist zunächst nicht ersichtlich. Eine nähere Begründung im Rahmen der einzelnen Maßnahmengesetze wäre diesbezüglich jedoch sinnvoll. Zur näheren Bestimmung der relevanten Gemeinwohlbelange wird noch auf zwei weitere Aspekte hingewiesen. Auch Art. 87e GG, der die Kompetenzen des Bundes im Bereich der Eisenbahn regelt, nimmt explizit auf das Gemeinwohl Bezug. Absatz 4 S. 1 lautet: „Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen , beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“ Insofern sind hier die Verkehrsbedürfnisse ausdrücklich als Teil des Gemeinwohls benannt. Ebenso für eine Planung durch Gesetz könnte die Argumentation sprechen, die nach § 20 Abs. 2 S. 1 Standortauswahlgesetz47 vorsieht, dass die Standortentscheidung für ein atomares Endlager vom Bundesgesetzgeber vorgenommen wird. Nach der Gesetzesbegründung soll die Handlungsform des Gesetzes die Legitimation der Standortentscheidung erhöhen.48 4. Rechtsschutzmöglichkeiten bezüglich Verkehrsinfrastrukturprojekten Zur Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten ist nach bisheriger Rechtslage die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nach §§ 72 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in Verbindung mit den einschlägigen Fachgesetzen49 erforderlich. Dieses endet mit dem Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses durch die Planfeststellungsbehörde, § 74 Abs. 1 VwVfG. Projekte, für die das MgvG-E Anwendung finden soll, werden dagegen durch ein Maßnahmengesetz genehmigt. Welche Unterschiede sich daraus für die Rechtsschutzmöglichkeiten von Betroffenen sowie Umweltund Naturschutzverbänden ergeben, soll im Folgenden dargelegt werden. 4.1. Rechtschutzmöglichkeiten gegen Planfeststellungsbeschlüsse Zur Abwehr von Nachteilen durch den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses könnte zunächst eine bereits dem Beschluss vorbeugende Unterlassungsklage in Betracht kommen. Hierfür ist das 46 Zum Anhörungsrecht der Umweltverbände vergleich unten Punkt 5. 47 Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle vom 23. Juli 2013, BGBl. I, 2553. 48 Siehe dazu die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/13471, S. 30: „Dabei bietet die Entscheidungsform des Gesetzes das größtmögliche Maß an demokratischer Legitimation und damit die größtmögliche Chance auf eine dauerhaft akzeptierte Streitentscheidung.“ 49 Zum Verhältnis der Normen Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Aufl. 2017, § 62, Rn. 24 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 13 Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses erforderlich. Daran wird es im Planfeststellungsverfahren jedoch regelmäßig fehlen, da das Abwarten des Planfeststellungsbeschlusses und die daran anknüpfende Möglichkeit, repressiven Rechtsschutz zu erhalten, keine Nachteile für Betroffene haben wird.50 Auch sonstige Rechtsbehelfe während des Verfahrens sind grundsätzlich nach § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgeschlossen. Es verbleibt mithin nur die Möglichkeit, repressiv gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichtlich vorzugehen. Dieser ergeht nach überwiegender Ansicht als Verwaltungsakt,51 sodass seine Aufhebung im Wege einer Anfechtungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erreicht werden kann.52 Kann die geltend gemachte Rechtsverletzung nachträglich behoben werden, ist mit Blick auf § 75 Abs. 1a VwVfG auch die Möglichkeit einer Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO gerichtet auf eine Planergänzung gegeben. Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde ist aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes erst nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtsweges möglich. 4.1.1. Anfechtungsklage 4.1.1.1. Zulässigkeit § 48 Abs. 1 VwGO bestimmt für die meisten Planfeststellungsverfahren die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte. Für zahlreiche Verkehrsinfrastrukturprojekte ist dagegen nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO erstinstanzlich das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Darunter sind auch die in § 2 MgvG-E erfassten Bundeswasserstraßen und Vorhaben nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz. Teilweise wird durch die Fachgesetze eine Klagebegründungsfrist von sechs53 bzw. zehn54 Wochen bestimmt. Ein Widerspruchsverfahren ist aufgrund des Verweises in § 74 Abs. 1 S. 2 VwVfG auf § 70 VwVfG nicht erforderlich.55 Die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage setzt nach § 43 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Kläger geltend macht, möglicherweise durch den Verwaltungsakt in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt zu sein (Klagebefugnis). Als Adressat des Verwaltungsaktes ist zunächst allein der Vorhabenträger unmittelbar betroffen. Dritte, insbesondere Anwohner, können aber ebenfalls klagebefugt 50 Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl., 2001, Rn. 330 ff. 51 BVerwG, Urteil vom 10. April 1968 – IV C 227.65, BVerwGE 29, 282, 283; BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 – IV C 21.74, NJW 1975, 1373; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Aufl., 2017, § 62, Rn. 120 m. w. N. in Fn. 226; Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz , 9. Aufl., 2018, § 74, Rn. 19. 52 Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Aufl., 2017, § 62, Rn. 183. 53 Bspw. § 29 Abs. 7 Personenbeförderungsgesetz, § 10 Abs. 5 S. 1 Luftverkehrsgesetz. 54 Bspw. § 17e Abs. 5 Bundesfernstraßengesetz, § 18e Abs. 5 Allgemeines Eisenbahngesetz, § 14e Abs. 5 S. 1 Bundeswasserstraßengesetz . 55 Kämper, in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 45. Ed. Oktober 2019, § 74, Rn. 152. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 14 sein, soweit sie die Verletzung drittschützender Normen geltend machen. Eine Norm ist dann drittschützend, wenn sie nicht nur dem Schutz öffentlicher Interessen dient, sondern auch dem Schutz eines erkennbar abgrenzbaren Personenkreises. In Betracht kommen dabei insbesondere subjektive Rechte auf Berücksichtigung eigener Belange im Abwägungsverfahren,56 die Verletzung von Schutznormen des Fachplanungsrechts oder die Beeinträchtigung von Grundrechten wie dem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1, 3 GG.57 Für anerkannte Naturschutzverbände, die nach § 63 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zur Mitwirkung im Planfeststellungsverfahren berechtigt sind, besteht nach § 64 BNatSchG eine gesetzliche Ausnahme vom Erfordernis subjektiver Betroffenheit.58 Dies gilt gemäß § 2 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) ebenso für anerkannte Umweltschutzverbände, die im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zur Beteiligung berechtigt waren.59 Aufgrund dieser Verbandsklagebefugnis ist es damit möglich, in einem objektiven Beanstandungsverfahren Verletzungen des Umwelt- bzw. Naturschutzrechtes zu rügen.60 Nicht geltend gemacht werden dürfen Rechte, die bereits im Anhörungsverfahren eingewandt werden konnten, § 73 Abs. 4 S. 3 und 5 VwVfG (Einwendungspräklusion).61 Der EuGH hat diese Einschränkung des Rechtsweges jedoch im Falle von UVP-pflichtigen Vorhaben für unionsrechtswidrig erklärt,62 weshalb für diese ebenso wie für UVP-vorprüfpflichtige Vorhaben gemäß § 7 Abs. 4 UmwRG keine Präklusion angenommen wird.63 Eine Ausnahme besteht nach § 5 UmwRG nur, wenn die erstmalige Geltendmachung im Gerichtsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. 56 Dazu Johlen, DÖV 1989, 204, 205. Die Abwägung selbst unterliegt jedoch nur begrenzt der gerichtlichen Kontrolle, vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Aufl., 2017, § 62, Rn. 163. 57 BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 – 4 C 80/79, NJW 1983, 2459. 58 Bei Verletzung ihres Beteiligungsrechts können sich Verbände jedoch auch auf eigene Rechte berufen, vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C 7/88, BVerwGE 87, 62, 68 ff. 59 Die UVP ist gemäß § 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ein unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren über die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben. Verkehrsinfrastrukturprojekte sind in der Regel nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG i. V. m. der Anlage 1, Nr. 14 ff. UVP-pflichtig. 60 Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 74, Rn. 275. 61 Ob bei Einwendungspräklusion die Zulässigkeit oder Begründetheit entfällt, ist allerdings umstritten; ausführlich dazu Kluth, Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Aufl., 2017, § 62, Rn. 91 ff. Zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit von Präklusionen BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 109 ff. 62 EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 – C-137/14, NJW 2015, 3495, 3498. 63 Dazu Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., 2018, § 73, Rn. 88b ff.; ebenfalls Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Entwicklung der Präklusionsregelungen im Umweltrecht, WD 7 - 3000 - 115/18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 15 4.1.1.2. Prüfungsumfang Nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die Klage begründet, soweit der Beschluss rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Grundsätzlich kann der Kläger im Anfechtungsverfahren also nur die Betroffenheit eigener Belange geltend machen. Das Gericht überprüft den Planfeststellungsbeschluss daher ausschließlich auf die Verletzung subjektiver Rechte des Klägers.64 Eine besondere Stellung haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Eigentümer,65 denen gegenüber der Planaufstellungsbeschluss enteignungsrechtliche Vorwirkungen entfaltet. Eine subjektive Rechtsverletzung können objektive Verfahrens- und Abwägungsfehler demnach begründen, soweit sie kausale Auswirkungen auf das Ausmaß der Betroffenheit der Rechte des Klägers haben könnten. Würde also ein Grundstück eventuell weniger oder gar nicht für die Maßnahmen benötigt werden, wenn die entsprechenden umwelt- oder naturschutzrechtlichen Belange eingestellt worden wären, ist dies im Verfahren zu berücksichtigen. Die Begründetheit der Klage hängt in diesen Fällen folglich auch vom Bestehen objektiver Rechtsverstöße ab. Mithin könnten so auch rechtlich geschützte Umwelt- und Naturschutzbelange geltend gemacht werden. Im Rahmen einer Verbandsklage im Sinne des § 64 BNatSchG werden vom Gericht Verstöße gegen Maßgaben des BNatSchG, der Naturschutzgesetze der Länder sowie sonstige im Planfeststellungsverfahren zu beachtende Belange des Naturschutzes sowie der Landschaftspflege geprüft.66 Klagen von Umweltverbänden gegen UVP-pflichtige Vorhaben sind darüber hinaus nach § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UmwRG begründet, soweit der Planfeststellungsbeschluss gegen Vorschriften verstößt, die zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses führen können. Ist das Vorhaben nicht UVP-pflichtig, werden allein Verstöße gegen umweltbezogene Vorschriften geprüft, § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UmwRG. 4.1.2. Vorläufiger Rechtsschutz Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO wird teilweise spezialgesetzlich aufgehoben.67 Mithin könnte das Vorhaben trotz bestehender Klage dagegen umgesetzt werden. Um die Vollstreckung des Planfeststellungsbeschlusses bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahrens auszusetzen, besteht daher die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5, § 80a VwGO zu stellen. Diesem wird vom Gericht stattgegeben, soweit das Suspensivinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Behörde überwiegt. 64 Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl., 2001, Rn. 475. 65 Dies gilt auch für die entsprechend von den enteignungsrechtlichen Vorwirkungen Betroffenen, insb. Inhaber einer Vormerkung, Mieter oder Pächter, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2012 – 9 C 14/11, NVwZ 2013, 803. 66 Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., 2018, § 74, Rn. 276 f. 67 Bspw. § 10 Abs. 4 S. 1 Luftverkehrsgesetz, 43e Abs. 1 S. 1 Energiewirtschaftsgesetz, § 17e Abs. 2 Fernstraßengesetz, § 14e Abs. 2 S. 1 Bundeswasserstraßengesetz und teilweise auch nach § 18e Abs. 2 S. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 16 Wird die Verpflichtung zur Planergänzung begehrt, kann vorläufig ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO gestellt werden. Voraussetzung der Anordnung ist, dass dem Antragsteller irreparable Nachteile durch den Vollzug des Beschlusses drohen. 4.2. Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Maßnahmengesetze 4.2.1. Rechtsschutz Betroffener Während gegen einen Planfeststellungsbeschluss der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offensteht , ist dieser bei einer Planfeststellung durch Gesetz wegen der dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten Normverwerfungskompetenz (Art. 100 Abs. 1 GG) versperrt. Zum Einleiten einer abstrakten Normenkontrolle im Sinne der Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6, §§ 76 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) durch das Bundesverfassungsgericht, sind allerdings allein die Bundesregierung, eine der Landesregierungen oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages berechtigt . Von dem Vorhaben betroffene Dritte sind daher darauf beschränkt, Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben. Anders als vor den Verwaltungsgerichten reicht die Möglichkeit der Verletzung eigener (einfachgesetzlicher ) öffentlicher Rechte für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht aus. Beschwerdebefugt ist vielmehr nur, wer durch das Maßnahmengesetz möglichweise selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinen Grundrechten verletzt wird. Dementsprechend ist eine Verfassungsbeschwerde auch nur begründet, soweit der Kläger tatsächlich in seinen Grundrechten verletzt wird. In Betracht kommt dabei vor allem das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Art. 20a GG, der Umwelt- und Tierschutz zu Staatszielen erklärt, begründet dagegen kein subjektives Abwehrrecht.68 Allerdings prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen die objektive Verfassungsmäßigkeit des Eingriffsgesetzes, sodass Art. 20a GG als Prüfungsmaßstab dienen kann.69 Einfachgesetzliche Verfahrensfehler erlangen ausschließlich Bedeutung, wenn sie zu einem Verfassungsverstoß führen. Für die Betroffenen ist der Prüfungsumfang wie bereits dargestellt eigentlich auf die Überprüfung subjektiver Rechte beschränkt. Jedoch kommt auch an dieser Stelle dem Eigentumsschutz eine besondere Bedeutung zu (vgl. 4.1.1.2), sodass mittelbar auch eine teilweise Überprüfung von Verstößen gegen Naturschutz- und Umweltrecht möglich ist. § 8 Abs. 3 Nr. 2 MgvG-E verlangt im Rahmen des Abschlussberichts von der vorbereitenden Exekutive, „den für eine Abwägung erforderlichen Sachverhalt und dessen vorläufige Bewertung sowie Abwägungsalternativen einschließlich der Darstellung der nicht erledigten Einwendungen“ aufzubereiten. Der Begriff der Abwägung ist im Planungsrecht stets damit verknüpft, dass bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit 68 BVerwG, Beschluss vom 13. April 1995 – 4 B 70/95, NJW 1995, 2648, 2649; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl., 2015, Art. 20a, Rn. 82. 69 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl., 2015, Art. 20a, Rn. 82; Steinberg, NJW 1996, 1985, 1992. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 17 im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind.70 Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung klargestellt, dass ein in seinem Eigentumsgrundrecht betroffener Bürger auch einen subjektiven Anspruch darauf hat, dass diese Abwägung ordnungsgemäß erfolgt ist.71 Somit würden auch umweltschutzrelevanten Normverstöße oder Sachverhalte durch ihn im Verfahren relevant vorgetragen werden können. Dies liegt darin begründet, dass eine Entscheidung bei ordnungsgemäßer Abwägung auch dieser öffentlichen Belange dazu führen könnte, dass es nicht zu einem Eingriff in das Eigentum des Betroffenen kommt.72 Dieses Recht auf ordnungsgemäße Abwägung ist insoweit nicht nur einfachgesetzlich geregelt, sondern im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG verankert, da eine Enteignungsentscheidung den rechtsstaatlichen Anforderungen des Abwägungsgebotes genügen muss.73 Deshalb könnten auch diese Belange im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde vorgetragen werden. Neben der Verfassungsbeschwerde ist die verfassungsrechtliche Prüfung eines Gesetzes auch im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. BVerfGG möglich. Gehen Betroffene gegen Verwaltungsakte vor, die auf Grundlage des Maßnahmengesetzes erlassen wurden (z.B. eine Enteignung durch Verwaltungsakt), könnte es im diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren dazu kommen, dass das Verwaltungsgericht dem Bundesverfassungsgericht das zugrunde liegende Gesetz vorlegt. Ein Anspruch der Kläger auf Vorlage des Maßnahmengesetzes besteht jedoch nicht.74 Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht auf Antrag einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Gegen eine ablehnende Entscheidung ist binnen 2 Wochen nach § 32 Abs. 3 BVerfGG ein Widerspruch möglich. 70 So § 18 Abs. 1 S. 2 AEG, § 14 Abs. 1 S. 2 WaStrG, § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG. 71 BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 – 4 C 80/79, NJW 1983, 2459. 72 BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 – 4 C 80/79, NJW 1983, 2459, 2460. 73 BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 – 4 C 80/79, NJW 1983, 2459: „Mit der Konkretisierung des Enteignungszwecks und der Enteignungsvoraussetzungen im Rahmen des ihm nach Art. 14 I 2 GG obliegenden Regelungsauftrages bestimmt der Gesetzgeber zugleich auch die Reichweite des (Eigentums-) Schutzes vor davon nicht gedeckten Enteignungen. 'Gesetzmäßigkeit' bedeutet für den vorliegenden Fall, daß der über die Zulässigkeit der Enteignung befindende Planfeststellungsbeschluß u. a. den rechtsstaatlichen Anforderungen des Abwägungsgebotes genügen muß, das z. B. für das Bundesstraßenrecht in § 17 I 2 FStrG seinen Ausdruck gefunden hat (BVerwGE 48, 56 (63) = NJW 1975, 1373). Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, ist also die Inanspruchnahme von privaten Grundflächen des Kl. nicht gesetzmäßig, so braucht die Schutzfähigkeit seines Eigentums vor Enteignungen nicht zusätzlich begründet zu werden. Insbesondere kommt es nicht darauf an, daß der rechtliche Mangel speziell auf der Verletzung von Vorschriften beruht, die ihrerseits die Belange des Eigentümers schützen sollen. Dieser verfassungsrechtliche Eigentumsschutz ist in der vorbezeichneten Weise nicht erst gegenüber der Enteignung selbst, sondern schon gegenüber dem Planfeststellungsbeschluß gegeben, wenn mit ihm - wie hier - abschließend über die Zulässigkeit der - möglicherweise nachfolgenden - Enteignung befunden wird (vgl. § 19 I 3 FStrG).“ 74 Vgl. dazu auch oben Abschnitt 2.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 18 4.2.2. Rechtsschutz von Umwelt- und Naturschutzverbänden Umwelt- und Naturschutzverbände können zwar vor Verwaltungsgerichten Klagen erheben, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend zu machen; eine Beschwerdebefugnis im Rahmen von verfassungsrechtlichen Klagen besteht dem Wortlaut der § 2 Abs. 1 S. 1 UmwRG, § 64 Abs. 1 BNatSchG nach jedoch nicht. Vielmehr müssen sie ebenfalls eine eigene, unmittelbare und gegenwärtige Grundrechtsverletzung geltend machen. Dies ist schon deshalb nur eingeschränkt möglich, da sie sich als juristische Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG einzig auf Grundrechte berufen können, die ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. In Betracht kommt zwar bspw. eine Betroffenheit des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG, zum Beispiel wenn der Verband über ein eigenes Grundstück im Bereich der geplanten Maßnahme verfügt, nicht aber der Rechte aus Art. 2 Abs. 2 GG. Auch für Verbände begründet Art. 20a GG keine subjektiven Rechte.75 4.2.3. Rechtsschutz der Bundesländer Auch einzelne Bundesländer können Rechtsschutz geltend machen. Zunächst können auch Bundesländer Grundstückseigentümer sein, die von den Maßnahmen direkt betroffen sind. Jedoch schützt das Eigentumsgrundrecht juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht, sondern zielt regelmäßig auf den Schutz des Eigentums Privater. Sie haben insoweit auch nicht die gleiche grundrechtstypische Gefährdungslage (Art. 19 Abs. 3 GG) wie private Eigentümer.76 Demnach können sich die Länder also nicht auf eine Verletzung ihres Eigentums im Sinne des Art. 14 GG im Rahmen eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht berufen. Wenn das Bundesland (durch die Landesregierung) sich primär darauf berufen will, dass der Bund mit dem Erlass des Maßnahmengesetzes seine Kompetenzen überschritten hat, etwa, weil Planungsverfahren grundsätzlich der Exekutive und damit den Ländern zuzuordnen seien, könnten sie einen Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Nr. 7, §§ 68 - 70 BVerfGG anstreben. Zu den materiell rechtlichen Gesichtspunkten vgl. oben 2. Etwas umfassender wäre die Kontrollmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts bei einer abstrakten Normenkontrolle im Sinne der Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6, § 76 ff. BVerfGG. Diese gibt der Landesregierung die Möglichkeit, bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz, das Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht kann dabei jede Norm des GG als Prüfungsmaßstab heranziehen.77 75 BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 10. Mai 2001 – 1 BvR 481/01, NVwZ 2001, 1148, 1149. 76 BVerfG vom 6. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12, 1 BvR 1456/12, BVerfGE 143, 246, Rn. 187 ff.; Wendt, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl., 2018, Art. 14, Rn. 17. 77 Vgl. dazu: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 41, Rn. 105, st. Rspr.; Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl., 2018, Art. 93, Rn. 58. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 19 Im Rahmen der Überprüfung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Belange (vgl. 2.) ist für den Prüfungsumfang erneut darauf hinzuweisen, dass dem Gesetzgeber hier ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, der nur sehr begrenzt überprüft werden kann (dazu bereits 3.2.). 5. Verbleibende Beteiligungsrechte für anerkannte Verbände und deren Durchsetzung Im Rahmen der Genehmigung eines Infrastrukturprojekts durch Planfeststellungsverfahren kann ein Natur- oder Umweltschutzverband sein subjektiv-öffentliches Recht auf Beteiligung durch eine allgemeine Leistungsklage und gegebenenfalls durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchsetzen.78 Problematisch scheint, dass durch die Genehmigung eines Vorhabens durch Gesetz die üblichen Rechte der Beteiligten nach dem allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht aufgehoben werden. Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der MgvG-E selbst ein umfassendes vorbereitendes Verfahren vorsieht, zu dem nach § 4 Abs. 2 MgvG-E die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen , ein Anhörungsverfahren und die Erstellung eines Abschlussberichts gehören. Für dieses Verfahren sind auch zahlreiche Vorschriften des Planfeststellungsverfahrens anwendbar, § 4 Abs. 3 MgvG-E. Auch nach § 7 Abs. 1 MgvG-E i. V. m. § 73 Abs. 4 S. 5 VwVfG können sich anerkannte Vereinigungen an dem Anhörungsverfahren beteiligen, das vor dem Erlass eines Maßnahmengesetztes stattfinden muss. Insofern können Sie auch dieses Beteiligungsrecht durch eine allgemeine Leistungsklage bzw. einstweiligen Rechtsschutz geltend machen. Dies kann jedoch nur gelten, solange das Maßnahmengesetz noch nicht in den Gesetzgebungsprozess eingebracht ist, es sich also noch in der Sphäre der Exekutive befindet. Zu betrachten ist aber auch die Rechtsfolge, wenn ohne Einhaltung des vorgegebenen Verfahrens ein entsprechendes Maßnahmengesetz erlassen werden würde. Durch das neuere Gesetz könnten die speziellen verfahrensrechtlichen Vorschriften des älteren Gesetzes abbedungen werden. Insoweit greifen die Normkollisionsregeln des lex specialis bzw. lex posterior (das speziellere bzw. das spätere Gesetz geht dem allgemeineren bzw. älteren Gesetz vor).79 Das Maßnahmengesetz könnte also auch ohne Einhaltung des speziellen Verfahrensrechts Wirksamkeit erlangen. Fraglich ist, inwieweit Beteiligungsrechte auch aus der Verfassung abgeleitet werden können. Sodann könnten diese auch im Rahmen einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden, wenn eine passende Verfahrensart zur Verfügung steht. Da es als Grundlage von solchen Planungsentscheidungen auch durch das Bundesverfassungsgericht erkannt wurde, dass diesen der vollständig ermittelte Sacherhalt zugrunde gelegt werden muss, ist zumindest von einem weiteren Bestehen von Anhörungsrechten auszugehen. Diese gelten unmittelbar für die Anlieger und Kommunen, deren Eigentums- bzw. Planungsrechte betroffen sein könnten. Dazu das Bundesverfassungsgericht : 78 BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C 7/88, NVwZ 1991, 162, 164; Gellermann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UmweltR, 90. EL Juni 2019, BNatSchG § 64 Rn. 37; Dolde, NVwZ 1991, 960 ff. 79 Schneller, ZG 1998, 179, 186. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 260/19 Seite 20 „Hierfür ist maßgebend, daß der Gesetzgeber sich davon hat leiten lassen, den für die Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln, anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde zu legen sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abzuwägen. Das Gebot, den für die beabsichtigte Planung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln, umfaßt insbesondere die Pflicht des Gesetzgebers, die individuell betroffenen Grundstückseigentümer und Gemeinden anzuhören.“80 Darüber hinaus ist auch anzunehmen, dass entsprechend anerkannten Umweltverbänden eine Möglichkeit zur Anhörung eingeräumt werden muss. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass diese so Informationen in den Planungsprozess einbringen können, die für die vorbereitenden Behörden und den Gesetzgeber in der Abwägungsentscheidung von Belang sein können. Dass die Umweltverbände in diesem Zusammenhang (wie im Übrigen in der gesamten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einem vergleichbaren Maßnahmengesetz) nicht benannt wurden, kann hier nicht als ausdrücklicher Ausschluss von deren Beteiligungsrechten verstanden werden. Vielmehr hatten diese und der Umweltschutz im Allgemeinen zum Entscheidungszeitpunkt 1996 nicht die gleich bedeutende Stellung wie im Jahr 2019. Dies lässt sich unter anderem an der Einführung der Umweltverbandsklage81 2006 oder an der Aufnahme der Staatszielbestimmung zum Umweltschutz in das Grundgesetz82 im Jahr 1994 festmachen. Insofern ist die Beachtung des Anhörungsrechts der Verbände zumindest im Rahmen der verfassungsrechtlichen Abwägung zu berücksichtigen. *** 80 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, 1, 23. 81 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 7. Dezember 2006, BGBl. I S. 2816. 82 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3, 20a, 28, 29, 72, 74, 75, 76, 77, 80, 87, 93, 118a und 125a) vom 27. Oktober 1994, BGBl. I S. 3146.