© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 260/17 Waffenrechtliche Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Nachtsicht- und Nachtzielgeräten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 260/17 Seite 2 Waffenrechtliche Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Nachtsicht- und Nachtzielgeräten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 260/17 Abschluss der Arbeit: 21.12.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 260/17 Seite 3 1. Einleitung Es wird darum gebeten, die waffenrechtlichen Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Nachtsichtund Nachtzielgeräten darzustellen. Dabei soll auch angegeben werden, welche Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene für die Entscheidung über einen solchen Einsatz zuständig sind. 2. Umgang mit Nachtsicht- und Nachtzielgeräten Das Waffengesetz (WaffG) regelt den Umgang mit Waffen und Munition. Unter den Begriff des Umgangs fallen gemäß § 1 Abs. 3 WaffG u.a. das Besitzen, Führen und Mitnehmen von Waffen oder Munition sowie das Schießen mit diesen Gegenständen. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG definiert Waffen als Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände. Darüber hinaus erfüllen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG bestimmte tragbare Gegenstände die Waffeneigenschaft. Die weitere Konkretisierung von Waffen erfolgt durch die Anlage 1 zum Waffengesetz, § 1 Abs. 4 WaffG. Entscheidend für den Umgang mit Waffen ist, ob dieser erlaubnispflichtig (§ 2 Abs. 2 WaffG) oder verboten ist (§ 2 Abs. 3 WaffG). Die Zuordnung zu den erlaubnispflichtigen und verbotenen Waffen wiederum richtet sich nach den Auflistungen in der Anlage 2 zum Waffengesetz. 2.1. Umgangsverbot Die Anlage 2 zum Waffengesetz zählt die verbotenen Waffen in ihrem Abschnitt 1 auf. Gemäß Ziff. 1.2.4. der Anlage 2 fallen auch solche Gegenstände unter die verbotenen Waffen, die dazu bestimmt sind, als Zubehör für Schusswaffen zu dienen.1 Diese Zubehörgegenstände erfüllen als „sonstige Vorrichtungen für Schusswaffen“ (Anlage 1, Unterabschnitt 1, Ziff. 4) zwar nicht selbst den Waffenbegriff, sie unterliegen aber als verbotenes Zubehör für Schusswaffen nach der Anlage 2 dem Umgangsverbot.2 Auch bestimmte Nachtsicht- und Nachtzielgeräte fallen unter das verbotene Zubehör für Schusswaffen. Nach Ziff. 1.2.4.2. der Anlage 1, Abschnitt 1 gehören dazu „für Schusswaffen bestimmte (…) Nachtsichtgeräte und Nachtzielgeräte mit Montagevorrichtung für Schusswaffen sowie Nachtsichtvorsätze und Nachtsichtaufsätze für Zielhilfsmittel (z. B. Zielfernrohre ), sofern die Gegenstände einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen.3 1 Heinrich, in: Steindorf, Waffenrecht (10. Aufl., 2015), Rn. 9 zu § 2 WaffG. 2 Heinrich (Fn. 1), Rn. 2 zu § 2 WaffG, spricht insoweit von einer unscharfen Einordnung. 3 In einer anderen Formulierung, aber inhaltlich gleich definiert die Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Ziff. 4.3. die genannten Nachtsicht- und Nachtzielgeräte als sonstige Vorrichtungen für Schusswaffen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 260/17 Seite 4 Konkretisierend heißt es dazu in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV): „Bei den Nachtsichtgeräten, Nachtsichtvorsätzen und -aufsätzen handelt es sich um Vorrichtungen , die mit üblichen Zielfernrohren kombiniert und dann als Nachtzielgeräte verwendet werden können.“4 Von entscheidender Bedeutung für die Einordnung der Geräte als verbotenes Zubehör ist, ob sie über eine Montagevorrichtung zum Befestigen an der Schusswaffe verfügen.5 Nachtsichtbrillen und -ferngläser z.B. fallen in Ermangelung einer solchen Montagevorrichtung nicht unter das Umgangsverbot des § 2 Abs. 3 WaffG.6 Nachtsichtgeräte ohne Montagevorrichtungen sind auch nicht in der Liste der erlaubnispflichtigen Gegenstände aufgeführt (Anlage 2, Abschnitt 2), sodass für ihren Einsatz keine behördliche Erlaubnis erforderlich ist. Bei Zweifeln darüber, ob ein Gegenstand vom Waffengesetz erfasst wird oder wie er nach Maßgabe der Anlagen einzuordnen ist, entscheidet auf Antrag das Bundeskriminalamt (BKA), § 2 Abs. 5, § 48 Abs. 3 WaffG. Die Entscheidungskompetenz gilt allerdings nur für solche Zweifelsfragen, die sich aus der Bauart oder Konstruktion der Gegenstände ergeben.7 2.2. Ausnahmen Ausnahmen vom Umgangsverbot gelten nach Maßgabe des § 40 Abs. 2 – 5 WaffG. In Bezug auf den Einsatz von verbotenen Nachtsichtgeräten kommt zunächst die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 40 Abs. 4 WaffG in Betracht. Danach kann das BKA auf Antrag allgemein oder für den Einzelfall Ausnahmen von den Verboten der Anlage 2 Abschnitt 1 zulassen, wenn die Interessen des Antragstellers auf Grund besonderer Umstände das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Verbots überwiegen. Als (nicht abschließende) Regelbeispiele für überwiegendes Interesse des Antragstellers verweist § 40 Abs. 4 WaffG auf die Verbringung von verbotenen Waffen oder verbotener Munition ins Ausland, die Verfolgung wissenschaftlicher oder Forschungszwecke sowie auf die Erweiterung einer kulturhistorisch bedeutsamen Sammlung.8 Nach Nr. 4.2.2 WaffVwV prüft das BKA die Zuverlässigkeit des Antragstellers im Einvernehmen mit der örtlich zuständigen Waffenbehörde. Die zuständige Waffenbehörde wiederum ergibt sich aus den Vorschriften des jeweiligen Landesrechts, und zwar zum einen gemäß § 49 Abs. 1 WaffG aus den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder (örtliche Zuständigkeit) und zum anderen 4 Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz ist abrufbar unter: https://www.stmi.bayern.de/assets /stmi/sus/inneresicherheit/ie_waffenrecht_waffvwv_20120322.pdf. 5 Ausführlich dazu Dietlein/Hermes, Rechtsfragen des Einsatzes zu Nachtzieltechnik bei der Jagd, AUR 2015, 281, 283. 6 Gade/Stoppa, Waffengesetz (2011), Rn. 25 zu Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4. 7 BVerwG NVwZ-RR 2009, 839 ff. 8 Kritisch in Bezug auf überwiegende Interessen des Antragssteller bei der Schwarzwildjagd mit verbotener Nachtsichttechnik Dietlein/Hermes (Fn. 5), 284 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 260/17 Seite 5 aus den Rechtsverordnungen der Länder, die gemäß § 48 Abs. 1 WaffG die sachlich zuständigen Behörden für die Ausführung des Waffengesetzes zu bestimmen haben.9 Nach § 40 Abs. 2 WaffG ist das Umgangsverbot ferner nicht anzuwenden, soweit jemand auf Grund eines gerichtlichen oder behördlichen Auftrags tätig wird. Von dieser Ausnahme sollen vor allem Sachverständige und waffen- oder munitionstechnische Laboratorien erfasst werden, die sich zu Begutachtungs- oder Prüfzwecken mit verbotenen Gegenständen beschäftigen müssen.10 Nach den o.g. allgemeinen Vorschriften wäre für eine solche behördliche Beauftragung die nach Landesrecht für die Ausführung des Waffengesetzes bestimmte Behörde zuständig. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von verbotenen Nachtsichtgeräten wird ferner die Möglichkeit einer Beauftragung durch die zuständige Jagdbehörde in Betracht gezogen. Dies geht aus einem Schreiben des Bayerischen Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an die Präsidentin des Bayerischen Landtags vom Mai 2016 hervor, das sich mit den rechtlichen Möglichkeiten für den Einsatz von Nachtzieltechnik in besonderen Problemregionen befasst.11 Danach vertrete das Bundesministerium des Innern die Auffassung, die waffenrechtliche Grundlage für den Einsatz von verbotener Nachtzieltechnik könne im Einzelfall gemäß § 40 Abs. 2 WaffG dadurch geschaffen werden, dass bayerische Behörden Jäger entsprechend beauftragen. Dabei dürfe die gesetzgeberische Entscheidung für ein grundsätzliches Umgangsverbot nicht unterlaufen werden.12 Hiervon ausgehend nimmt der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an, die zuständigen Jagdbehörden könnten eine waffenrechtliche Beauftragung gemäß § 40 Abs. 2 WaffG aussprechen. Wegen des grundsätzlichen Umgangsverbotes sei dabei eine „qualifizierte Befugnis“ erforderlich. Von einer solchen „qualifizierten Befugnis“ sei jedenfalls dann auszugehen, wenn „auf Grund der Einzelfallbewertung der unteren Jagdbehörde eine regional besonders ernste Wildschadenssituation vorliegt, der mit den ‚normalen‘ und zumutbaren Möglichkeiten des regulären Gesetzesvollzugs nicht entsprochen/abgeholfen werden kann. Die erforderliche Reduzierung der regionalen Schwarzwildpopulation, muss also außerordentliche Maßnahmen erfordern. Dies ist auch gegeben, wenn ein entsprechender Wildschaden mit hoher Wahrscheinlichkeit einzutreten droht (Prävention). Die Verwendung von Nachtsichtvorsatzgeräten 9 So sind in Bayern nach § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführungen des Waffen- und Beschussrechts (AVWaff- BeschR) die Kreisverwaltungsbehörden für die Ausführung des Waffengesetzes zuständig, die AVWaffBeschR ist abrufbar unter: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayAVWaffBeschR/true?AspxAutoDetect- CookieSupport=1. 10 Gerlemann, in: Steindorf, Waffenrecht (10. Aufl., 2015), Rn. 3 zu § 40 WaffG; Gade/Stoppa (Fn. 5), Rn. 4 zu § 40. 11 Das Schreiben ist abrufbar unter: http://www.jjv-kulmbach.de/fileadmin/content/Dokumente/Beschluss _des_bayr._Landtags_zum_Thema_Nachtzielgeraete.pdf. Es beruht auf einem Beschluss des Bayerischen Landtags, mit dem die Staatsregierung aufgefordert wurde, die Verwendung von Nachtzieltechnik in Problemregionen auszuschöpfen, vgl. LT- Drs. 17/5539. 12 Schreiben des Bayerischen Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Fn. 8), 4 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 260/17 Seite 6 kann in den aufgezeigten rechtlichen Grenzen durch entsprechende Beauftragung waffenrechtlich zugelassen werden.“13 Nach einem engeren Verständnis des § 40 Abs. 2 WaffG kommt eine behördliche Beauftragung im Zusammenhang mit Jagdaufgaben nur dann in Betracht, wenn es darum geht, dass dienstliche Aufgaben durch einen Privaten erfüllt werden sollen. Da die Jagd jedoch als privates Eigentumsrecht konstituiert sei, würde sich „die waffengesetzlich notwendige ‚Brücke‘ zu einem dienstlichen Tätigwerden staatlicher Behörden bzw. einem ‚behördlichen Auftrag‘ regelmäßig nicht herstellen lassen“. Eine behördliche Beauftragung von Jägern käme erst für den Bereich staatlicher Vollstreckungstätigkeit gegenüber den Jagdausübungsberechtigten in Betracht.14 *** 13 Schreiben des Bayerischen Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Fn. 8), 5 f. 14 Dietlein/Hermes (Fn. 5), 284 f.