© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 258/18 Änderung des Direktwahlaktes Höhe einer verbindlich einzuführenden Sperrklausel Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Diese Schwelle darf nicht weniger als 2 % und nicht mehr als 5 % der abgegebenen gültigen Stimmen in dem betreffenden Wahlkreis, einschließlich eines einen einzigen Wahlkreis bildenden Mitgliedstaats betragen.“ Die neuen Bestimmungen sehen also für Mitgliedstaaten mit mehr als 35 Sitzen im Europäischen Parlament eine verbindliche Sperrklausel in Höhe von 2 bis 5 % vor. Sie treten nach Art. 223 Abs. 1 UAbs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Kraft, sobald der Rat sie – nach der nun vorliegenden Zustimmung des Parlaments – einstimmig erlässt und die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zustimmen.3 Europarechtlich ist das Wahlrecht zum Europäischen Parlament in Art. 14 Abs. 2 und 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) und im DWA nur unvollständig geregelt, vgl. Art. 8 DWA. Die Ausgestaltung obliegt den Mitgliedstaaten. In Deutschland sind die Wahlen zum Europäischen Parlament im Europawahlgesetz (EuWG) geregelt. Derzeit ist den Mitgliedstaaten nach Art. 3 DWA die Einführung einer Sperrklausel noch freigestellt; sie darf bis zu 5 % betragen. Von dieser Möglichkeit hatte Deutschland zunächst mit einer 5 %-Sperrklausel und später mit einer 3 %-Sperrklausel im EuWG Gebrauch gemacht. Beide Regelungen erklärte das Bundesverfassungsgericht jedoch wegen eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit – bei der Wahl zum Europäischen Parlament aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und nicht aus Art. 38 Abs. 1 GG – und in den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien aus 1 Beschluss und Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments vom 20. September 1976 (BGBl. 1977 II, S. 733), zuletzt geändert durch Beschluss des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (BGBl. 2003 II, S. 810; 2004 II, S. 520), abrufbar unter https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A01976X1008%2801%29-20020923; vgl. dazu den Änderungsentwurf : Beschluss (EU, Euratom) 2018/994 des Rates vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments, ABl. L 178/1, abrufbar unter https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018D0994&qid=1532076682077&from=EN; alle Internet -Quellen zuletzt abgerufen am 31. Juli 2018. 2 Vgl. Europäisches Parlament, Procedure file, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups /ficheprocedure.do?lang=en&reference=2015/0907(APP)#tab-0; Europäisches Parlament, Parlament billigt Modernisierung des EU-Wahlrechts, Pressemitteilung vom 4. Juli 2018, abrufbar unter http://www.europarl.europa .eu/news/de/press-room/20180628IPR06818/parlament-billigt-modernisierung-des-eu-wahlrechts. 3 Vgl. Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 63. Lfg. 2017, Art. 223 AEUV Rn. 16 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/18 Seite 4 Art. 21 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig.4 Im Jahr 2014 fanden die deutschen Europawahlen daher erstmals ohne eine Sperrklausel statt. Dadurch erhielten sieben kleine Parteien aus Deutschland, auf die jeweils weniger als 3 % der abgegebenen Stimmen entfielen, je einen Sitz im Europäischen Parlament.5 Gegenstand der Ausarbeitung ist die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber nach Inkrafttreten der Änderung des DWA bei der Festlegung der Sperrklausel den europarechtlichen Regelungsspielraum zwischen 2 und 5 % frei ausschöpfen darf oder ob er verfassungsrechtliche Beschränkungen zu beachten hat. 2. Umsetzungsbedarf und Prüfungsmaßstab Der DWA gibt den Mitgliedstaaten nur einen Rahmen vor. Die nationale Ausfüllung dieses Rahmens ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts am Grundgesetz zu prüfen: „Nach Art. 8 Abs. 1 des Direktwahlaktes bestimmt sich das Wahlverfahren – vorbehaltlich unionsrechtlicher Vorgaben und der Vorschriften des Aktes – in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften. Danach gibt der Direktwahlakt nur einen Gestaltungsrahmen für den Erlass nationaler Wahlrechtsvorschriften vor, die selbst aber den verfassungsrechtlichen Bindungen des jeweiligen Mitgliedstaates unterliegen. Art. 3 des Direktwahlaktes eröffnet den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von landesweit bis zu 5 % der abgegebenen Stimmen festzulegen, begründet aber keine entsprechende Verpflichtung und lässt daher die Reichweite der innerstaatlichen Überprüfung der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit den durch das Grundgesetz verbürgten Wahlgrundsätzen unberührt.“6 Der DWA-E ändert daran grundsätzlich nichts. Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten wird lediglich verringert: von derzeit 0 bis 5 % auf dann 2 bis 5 %. Die Umsetzung, insbesondere die Wahl der konkreten Höhe der Sperrklausel obliegt nach Art. 3 Abs. 3 DWA-E weiterhin den Mitgliedstaaten. Geht man von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus, hat der deutsche Gesetzgeber daher auch bei der Umsetzung der Änderungen des DWA nationale verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten. Fraglich ist, ob sich daraus Einschränkungen hinsichtlich der Höhe der Sperrklausel ergeben. Das Bundesverfassungsgericht hat in den beiden genannten Urteilen dargelegt, dass die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien kein absolutes Verbot von 4 BVerfGE 129, 300; BVerfGE 135, 259. 5 Vgl. die Wahlergebnisse auf der Website des Bundeswahlleiters, abrufbar unter https://www.bundeswahlleiter .de/europawahlen/2014/ergebnisse.html und https://www.bundeswahlleiter.de/europawahlen/2014/ergebnisse /bund-99.html. 6 BVerfGE 129, 300, 317; vgl. auch BVerfGE 135, 259, 282 f.; ebenso Morlok/Kühr, Wahlrechtliche Sperrklauseln und die Aufgaben einer Volksvertretung, JuS 2012, 385, 386, und Will, NJW 2014, 1421, 1424; kritisch Wernsmann , JZ 2014, 23, 24, und Grzeszick, Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Aufhebung der 3 %-Sperrklausel im Europawahlrecht durch das BVerfG und dessen Sicht auf das Europäische Parlament, NVwZ 2014, 537,538. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/18 Seite 5 Sperrklauseln bedeuteten. Sperrklauseln seien zulässig, soweit sie durch einen „besonderen, sachlich legitimierten, ‚zwingenden‘ Grund“ gerechtfertigt seien.7 Ein solcher Grund könne insbesondere in der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments liegen.8 Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments konnte das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen jedoch weder 2011 noch 2014 feststellen: „Es ist nicht erkennbar, dass durch die Zunahme von Parteien mit einem oder zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament dessen Funktionsfähigkeit mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt würde. Die im Europäischen Parlament gebildeten Fraktionen verfügen über eine erhebliche Integrationskraft, die durch den Einzug weiterer Parteien ebenso wenig grundsätzlich in Frage gestellt werden dürfte […] wie ihre Absprachefähigkeit […]. Das Risiko einer zu erwartenden Erschwerung der Mehrheitsbildung ist mit der Gefahr einer Funktionsbeeinträchtigung nicht gleichzusetzen […].“9 Außerdem wähle das Europäische Parlament keine Regierung, die auf seine fortlaufende Unterstützung mit einer stabilen Mehrheit angewiesen wäre.10 Schließlich greife ein weiteres Argument , das bei Bundestagswahlen für die Sperrklausel streite, hier nicht ein: Das einmal in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigte nationale Parlament könne eine erforderliche Wahlrechtsreform blockieren. Dagegen könne der Bundestag auch noch auf eine bereits eingetretene Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments reagieren und das Europawahlrecht ändern.11 Beide Urteile sind mit fünf zu drei Stimmen ergangen12 und auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert worden.13 Ungeachtet aller Kritik, ist die Frage nach der verfassungskonformen Umsetzung einer DWA-Änderung jedoch rechtspraktisch auf Grundlage der Rechtsprechung zu entscheiden.14 7 BVerfGE 129, 300, 320; BVerfGE 135, 259, 286. 8 BVerfGE 129, 300, 320 ff.; BVerfGE 135, 259, 286 ff. 9 BVerfGE 129, 300, 327. 10 BVerfGE 129, 300, 335 ff. 11 BVerfGE 129, 300, 324. 12 Vgl. die Sondervoten der Richter Di Fabio und Mellinghoff, BVerfGE 129, 300, 346, und des Richters Müller, BVerfGE 135, 259, 299. 13 Vgl. nur zustimmend Morlok, Chancengleichheit ernstgenommen – Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Fünf-Prozent-Klausel bei der Europawahl, JZ 2012, 76; ablehnend Schönberger, Das Bundesverfassungsgericht und die Fünf-Prozent-Klausel bei der Wahl zum Europäischen Parlament, JZ 2012, 80; zahlreiche weitere Nachweise bei Heinig, DVBl. 2016, 1141, 1143 Fn. 20. 14 Ebenso für die Frage der Ratifikationsfähigkeit einer – damals angedachten – einheitlichen Sperrklausel im DWA Heinig, DVBl. 2016, 1141, 1144. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/18 Seite 6 3. Neubewertung aufgrund veränderter Umstände? Das Bundesverfassungsgericht hat in beiden Urteilen die Bedeutung der jeweils vorherrschenden tatsächlichen Umstände betont. Der Gesetzgeber habe sich an der „politischen Wirklichkeit“ zu orientieren: „Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat […]. Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht bedeutet dies, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann. Eine Wahlrechtsbestimmung kann mit Blick auf eine Repräsentativkörperschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein, mit Blick auf eine andere oder zu einem anderen Zeitpunkt jedoch nicht […]. Eine einmal als zulässig angesehene Sperrklausel darf daher nicht als für alle Zeiten verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt werden. Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung kann sich ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, so muss er ihnen Rechnung tragen. […] Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, auch konkret absehbare künftige Entwicklungen bereits im Rahmen der ihm aufgegebenen Beobachtung und Bewertung der aktuellen Verhältnisse zu berücksichtigen; maßgebliches Gewicht kann diesen jedoch nur dann zukommen, wenn die weitere Entwicklung aufgrund hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren ist.“15 Nur derart veränderte Verhältnisse könnten eine über das europarechtlich vorgegebene Minimum von 2 % hinausgehende und damit am nationalen Verfassungsrecht zu messende Sperrklausel rechtfertigen. Nach dem verfassungsgerichtlichen Urteil von 2014 fanden noch im selben Jahr Europawahlen statt. Aus Deutschland zogen anstelle von zuvor sechs Parteien nun Vertreter von 14 Parteien ins Europäische Parlament ein.16 Betrachtet man das Parlament insgesamt, waren zur Zeit der Urteile „über 160“ nationale Parteien vertreten,17 heute sind es über 200.18 Während 15 BVerfGE 135, 259, 287 f.; vgl. auch schon BVerfGE 129, 300, 321 f. 16 Vgl. oben Fn. 5. 17 Vgl. BVerfGE 135, 259, 266, 306. 18 Die Zahlen schwanken, vgl. nur: European Parliament, Review of European and National Election Results, 2014- 2019, Mid-term, January 2017, S. 36 (Fn. NB), abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes /STUD/2017/599242/EPRS_STU(2017)599242_EN.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/18 Seite 7 seinerzeit noch sieben Fraktionen bestanden,19 sind es heute acht.20 Das Europäische Parlament selbst ist nun mehrheitlich der Ansicht, dass eine Sperrklausel „für die Sicherung der ordnungsgemäßen Arbeitsweise des Europäischen Parlaments wichtig ist, da so eine weitere Fragmentierung verhindert wird“.21 Ob diese Zahlen ausreichen, um eine hinreichend veränderte Sachlage im Sinne der Rechtsprechung zu begründen, erscheint indes fraglich. Bereits in seinem zweiten Urteil von 2014 hat das Bundesverfassungsgericht insoweit hohe Hürden aufgestellt: „Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Zunahme der Belastung des Europäischen Parlaments mit Legislativaufgaben mag zwar für die Frage einer strukturellen Beeinträchtigung seiner Funktionsfähigkeit Bedeutung erlangen, sobald das Europäische Parlament wegen einer Vielzahl kooperationsunwilliger Vertreter kleiner Parteien und Vereinigungen an die Grenze seiner Kapazitäten stößt. Dafür ist indes nichts Greifbares vorgetragen worden.“22 Das Gericht hat darauf hingewiesen dass die bloße Zahl der Parteien nicht entscheidend sei.23 Die Fraktionen scheinen ihre Integrationsfunktion weiterhin auszuüben.24 Die Zahl der fraktionslosen Abgeordneten ist gegenüber der siebten Legislaturperiode sogar gesunken: Damals blieben 27 bzw. 32 Abgeordnete fraktionslos,25 heute sind es 18.26 Der leichte Anstieg der Zahl der Fraktionen dürfte nicht von entscheidender Bedeutung sein. Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere einen Vergleich mit dem Deutschen Bundestag abgelehnt.27 Eine bloß erschwerte Mehrheitsbildung genüge nicht, um eine Funktionsbeeinträchtigung anzunehmen.28 Die beiden großen Fraktionen verfügen zudem weiterhin über eine absolute Mehrheit.29 19 Vgl. BVerfGE 129, 300, 307. 20 Vgl. die Website des Europäischen Parlaments, http://www.europarl.europa.eu/germany/de/presse-veranstaltungen /links-zu-den-fraktionen. 21 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2015 zu der Reform des Wahlrechts der Europäischen Union (2015/2035(INL)), Nr. 7, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=- //EP//TEXT+TA+P8-TA-2015-0395+0+DOC+XML+V0//DE. 22 BVerfGE 135, 259, 292 f. 23 BVerfGE 129, 300, 325. 24 Vgl. BVerfGE 129, 300, 327 f. 25 Vgl. BVerfGE 135, 259, 266, 307. 26 European Parliament, Election Results, S. 30. 27 BVerfGE 129, 300, 335 f. 28 BVerfGE 129, 300, 332 f. 29 Vgl. dazu BVerfGE 129, 300, 330 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/18 Seite 8 Selbst wenn man gegenüber 2014 entscheidende tatsächliche Veränderungen und eine Funktionsbeeinträchtigung des Parlaments annähme, folgte daraus auf Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht die Zulässigkeit einer Sperrklausel, die innerhalb des europarechtlichen Rahmens frei bestimmt und etwa bei 5 % angesetzt werden könnte. Eingriffe in die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien „müssen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich daher auch danach, mit welcher Intensität in das – gleiche – Wahlrecht eingegriffen wird.“30 Die Anzahl der im Europäischen Parlament vertretenen deutschen Parteien würde aber, legt man das Wahlergebnis der achten Legislaturperiode zugrunde, bereits mit einer 2 %-Sperrklausel von 14 auf sieben reduziert. Das spricht dafür, dass ein schwererer Eingriff zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht erforderlich wäre. *** 30 BVerfGE 129, 300, 321.