© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 258/14 Teilnahme von Ausländern an Volksabstimmungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 2 Teilnahme von Ausländern an Volksabstimmungen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 258/14 Abschluss der Arbeit: 20.11.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 3 1. Einleitung Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volk aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht versteht unter Volk das Staatsvolk und damit die deutschen Staatsangehörigen und die ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen.1 Ob und inwieweit Ausländern ein Wahlrecht nach geltendem oder zu änderndem Verfassungsrecht zukommen kann, ist – abgesehen vom grundgesetzlich verankerten kommunalen Wahlrecht für Unionsbürger (Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG) – umstritten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob das im Grundgesetz verankerte Demokratieprinzip auch einen anderen Volksbegriff zulässt – Volk im Sinne aller Herrschaftsunterworfenen/Betroffenen – und damit auch die gesamte Bevölkerung als Legitimationssubjekt in Betracht kommt. Hinsichtlich direktdemokratischer Beteiligungsformen stellt sich die Frage, ob die Diskussion parallel zum Ausländerwahlrecht zu führen ist oder ob sich aus den Besonderheiten direktdemokratischer Beteiligung andere Maßstäbe für die Stimmberechtigung von Ausländern ergeben. Zur Einordnung der Problematik wird zunächst kurz die Diskussion zum Ausländerwahlrecht dargestellt. 2. Wahlrecht für Ausländer In seinen beiden Entscheidungen zum (kommunalen) Ausländerwahlrecht hat das BVerfG einer einfachgesetzlichen Ausweitung des Wahlrechts eine Absage erteilt. Träger der Staatsgewalt könne nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG nur das Staatsvolk sein, was über Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG (Homogenitätsgebot ) auch für die Länder, Kreise und Gemeinden gelte.2 Ein einfachgesetzliches Ausländerwahlrecht auf Bundesebene würde danach gegen Art. 20 Abs. 2 GG verstoßen. Der Einführung eines Ausländerwahlrechts auf Landes- und kommunaler Ebene durch einfaches oder Landesverfassungsrecht stünde Art. 28 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 GG entgegen.3 Erforderlich für die Einführung eines Ausländerwahlrechts wäre demnach eine Grundgesetzänderung, wie sie zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für Unionsbürger (Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG) auch erfolgt ist. Geht man mit dem BVerfG von dem Erfordernis einer Grundgesetzänderung aus, stellt sich die Frage, ob diese nach Maßgabe des Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsgarantie) zulässig wäre. Insoweit kommt es darauf an, ob die Änderung des Legitimationssubjekts „Staatsvolk“ das Demokratieprinzip berührt. Angesichts der Erweiterung des Wahlrechts für Unionsbürger auf kommunaler 1 BVerfGE 83, 37, 50 ff. (mit Verweis auf den Volksbegriff in der Präambel und in Art. 146 GG). 2 BVerfGE 83, 37, 53 ff.; E 83, 60, 76. 3 Nach restriktiver Auslegung des Homogenitätsgebotes aus Art. 28 Abs. 1 GG stehen den Ländern hingegen größere Spielräume bei der Ausgestaltung des Wahlrechts zur Verfügung mit der Folge, dass eine Grundgesetzänderung nicht erforderlich wäre. In diesem Sinne das abweichende Votum der Richterin Sacksofsky zum Urteil des StGH Bremen, NVwZ-RR 2014, 497 (504). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 4 Ebene4 könnten weitere Ausweitungen in Betracht kommen, und zwar zugunsten von Unionsbürgern (z.B. Wahlrecht auf Landesebene5) und allgemein für Drittstaatsangehörige. Man könnte annehmen, das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger in Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG bringe einen veränderten Volksbegriff zum Ausdruck und zeige, dass das Junktim zwischen Volk und Staatsangehörigkeit jedenfalls auf kommunaler Ebene nicht (mehr) zwingend sei.6 Dagegen spricht aber, dass das kommunale Wahlrecht für Unionsbürger nicht auf die Änderung des Volksbegriffs abzielt, sondern „lediglich“ dem Vorrang des Unionsrechts, das ein solches Wahlrecht in Art. 22 Abs. 1 AEUV vorsieht, Rechnung trägt.7 Den Unionsbürgern kommt damit, legitimiert durch Art. 23 GG, eine Sonderstellung zu. Im Übrigen werden zur Ausweitung des Wahlrechts für Ausländer – je nach betroffener Organisationsebene – verschiedene Auffassungen vertreten. Die Argumentation zugunsten eines Ausländerwahlrechts auf Bundesebene gestaltet sich dabei, folgt man nicht schon grundsätzlich einem weiten, die Betroffenen einschließenden Volksbegriff,8 am schwierigsten, da insoweit Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG berührt sein dürfte.9 Eine die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG wahrende Grundgesetzänderung zugunsten eines allgemeinen Ausländerwahlrechts auf kommunaler und Landesebene könnte man darüber hinaus mit dem für Länder und Kommunen geltenden Homogenitätsgebot aus Art. 28 Abs. 1 GG begründen. Da diese Norm nicht ausdrücklich in Art. 79 Abs. 3 GG genannt wird, könnte man vertreten, dass entsprechende Änderungen nicht in den änderungsfesten Bereich des Art. 79 Abs. 3 GG fallen und damit grundgesetzliche Regelungen zugunsten eines Ausländerwahlrechts auf Landes- und kommunaler Ebene möglich sind.10 Im Hinblick auf die kommunale Ebene könnte man zudem darauf verweisen, dass hier die Ausübung der Staatsgewalt bereits ausreichend durch den Landesgesetzgeber legitimiert sei, und zwar durch die landesgesetzlichen Vorgaben in den Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen 4 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des kommunalen Wahlrechts für Unionsbürger nach Art. 79 Abs. 3 GG vgl. BVerfGE 83, 50, 59. 5 Vgl. , Wahlrecht für EU-Bürger auf Landesebene, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 3000 – 177/12), 2012. 6 So im Hinblick auf das Wahlrecht zur Bremer Bürgerschaft die Richterin Sacksofsky in ihrem abweichendem Votum zum Urteil des StGH Bremen, NVwZ-RR 2014, 497 (503). 7 StGH Bremen, NVwZ-RR 2014, 497 (500); Schwarz, Erweiterungen des Kreises der Wahlberechtigten auf Ausländer auf Landes- und Kommunalebene?, AöR 2014, 411 (431 f.). 8 Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Rn. 79 zu Art. 79 Abs. 3. 9 So Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Grundgesetz, Stand 2014, Rn. 131 f. zu Art. 79; a.A. Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2006, Rn. 43 zu Art. 79 Abs. 3 mit Hinweis auf andere westliche Demokratien. 10 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Rn. 11 zu Art. 79. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 5 einschließlich der dort geregelten Aufsichtsrechte übergeordneter Landesbehörden (Kommunalaufsicht ). Damit bestehe eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation, die durch ein allgemeines Ausländerwahlrecht nicht erschüttert werde. Entsprechende Grundgesetzänderungen berührten daher auch nur den Randbereich des Demokratieprinzips und wären nach Maßgabe des Art. 79 Abs. 3 GG zulässig.11 Nach dem engen Volksbegriff des BVerfG hingegen wäre eine grundgesetzliche Ausweitung des Ausländerwahlrechts über das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger hinaus (wohl) auf allen Ebenen unzulässig. Eine solche Ausweitung würde den Träger der Staatsgewalt selbst verändern und damit den Kern des Demokratieprinzips berühren – mit der Folge der Unzulässigkeit nach Art. 79 Abs. 3 GG.12 3. Direktdemokratische Beteiligung als Ausübung von Staatsgewalt Eine Legitimation durch das (Staats-)Volk ist nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG nur für die Ausübung von Staatsgewalt erforderlich. Unter Staatsgewalt versteht das BVerfG amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter, nicht hingegen vorbereitende und rein konsultative Tätigkeiten.13 Direktdemokratische Beteiligungsformen weisen allerdings nicht notwendig Entscheidungscharakter auf. Sie können auch – wie eine „schlichte“ Befragung des Volkes ohne Bindungswirkung – bloß konsultativ wirken. Bei der Frage nach der Beteiligung von Ausländern ist daher zwischen direktdemokratischen Instrumenten mit und ohne Entscheidungscharakter zu differenzieren. Direktdemokratische Instrumente ohne Entscheidungscharakter stellen keine Ausübung von Staatsgewalt dar und können daher auch für Ausländer geöffnet werden. Direktdemokratische Instrumente mit Entscheidungscharakter sind als Ausübung von Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zu qualifizieren und bedürfen der Legitimation durch das (Staats-)Volk. Welche konkreten direktdemokratischen Instrumente Entscheidungscharakter aufweisen oder nur konsultativ wirken, kann nicht allgemein festgestellt werden, da Terminologie und Ausgestaltung unterschiedlich sind.14 Die Verfassung des Landes Brandenburgs beispielsweise sieht ein dreistufiges Verfahren mit Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vor. Die Volksinitiative verpflichtet den Landtag dabei „nur“, sich mit der Vorlage zu befassen, Art. 76 Verf BB, nicht aber in bestimmter Weise zu entscheiden. Als nur konsultative Beteiligungsform steht die Volksinitiative nach den Artt. 22 Abs. 2 S. 2, 76 Abs. 1 S. 1 Verf BB allen Einwohnern und damit 11 So Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Grundgesetz, Stand 2014, Rn. 132 zu Art. 79 m.w.N.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Rn. 155 zu Art. 20 Abs. 2. 12 So im Ergebnis Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Band II – Verfassungsstaat, 2004, § 21, Rn. 89; Böckenförde, in: HStR II, § 24, Rn. 28. Zur Unzulässigkeit eines Wahlrechts für Unionsbürger auf Bundes- und Landesebene s.a. , Wahlrecht für Bürger der Europäischen Union in Deutschland, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 157/08), 2008 und (Fn. 3). 13 BVerfGE 83, 60, 73 f. 14 Vgl. dazu , Volksbegehren, Volksentscheid, Volksabstimmung: Begrifflichkeiten und Modelle, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 237/09), 2009; s.a. auch Rux, Direkte Demokratie in Deutschland, 2008, S. 38 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 6 auch Ausländern offen.15 Im Gegensatz zur Volksinitiative kann mit dem Volksbegehren nach Art. 77 i.V.m. Art. 78 Verf BB die Durchführung eines Volksentscheids erreicht werden. Der Volksentscheid nach Art. 78 Verf BB wiederum stellt eine verbindliche Entscheidung über eine konkrete Sachfrage (Gesetzentwurf oder andere Vorlage) dar. Als Maßnahmen mit Entscheidungscharakter sind Volksbegehren und Volksentscheid gemäß Artt. 77, 78 Verf BB als Ausübung von Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zu qualifizieren; abstimmungsberechtigt sind dementsprechend gemäß Art. 22 Abs. 2 S. 1 Verf BB nur die Bürger des Landes Brandenburg. Der Begriff des Referendums kann für direktdemokratische Instrumente verwendet werden, die die parlamentarische Gesetzgebung ergänzen. 16 Insoweit kann man wiederum zwischen Referenden mit und ohne Entscheidungscharakter unterscheiden, also z.B. zwischen dem konstitutiven Referendum , das Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Entscheidung ist und damit Entscheidungscharakter aufweist und dem deklaratorischen Referendum, das eine vorausgegangene Entscheidung – gleichsam als nachträgliche Volksbefragung – nur bestätigt. 4. Gleiche Legitimationsbedürftigkeit von Wahlen und Abstimmungen Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG beschränkt nicht nur die Teilnahme an Wahlen auf das (Staats-)Volk, sondern auch die Teilnahme an Abstimmungen. Auch wenn sich Wahlen und Abstimmungen in ihrer Art und Bedeutung erheblich voneinander unterscheiden, sind sie im Hinblick auf die Ausübung von Staatsgewalt gleichermaßen legitimationsbedürftig.17 Mit Abstimmungen wird qualitativ nicht „weniger Staatsgewalt“ ausgeübt, so dass eine Legitimation ebenfalls durch das (Staats-)Volk zu erfolgen hat.18 Die gleiche Legitimationsbedürftigkeit von Wahlen und Abstimmungen führt zur Parallelität von Wahl- und Stimmberechtigung. Dementsprechend wird die Abstimmungsberechtigung in Ländern und Kommunen auch an die jeweilige Wahlberechtigung geknüpft.19 Wegen der gleichen Legitimationsbedürftigkeit von Wahlen und Abstimmungen würden – insoweit wie beim Ausländerwahlrecht (s.o. unter 2.) – einfachgesetzliche und/oder landesverfassungsrechtliche Ausweitungen des Abstimmungsrechts auf Ausländer auf Bundes-, Landes- und kommunaler 15 Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des Art. 76 Abs. 1 S. 1 Rux (Fn. 14), 515 f., der insoweit von einer Art „qualifizierter Gruppenpetition“ spricht. 16 Vgl. Rux (Fn. 14), S. 42 f. 17 Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Grundgesetz, Stand 2014, Rn. 111 zu Art. 20. 18 Röper/Sieveking, Einwohner bei Volksabstimmungen und Bundesländern als Grundgesamtheit, ZAR 2007, 128 (129). 19 Vgl. nur Brandenburg: §§ 11, 15 BbgKVerf, §§ 16, 28 VAGBbg; Berlin: §§ 10, 33 AbstG; Niedersachsen: §§ 28 Abs. 2, 32 Abs. 1, 4 NKomVG, § 1 II NVAbstG; Hamburg: §§ 4 Abs. 2, 11 Abs. 2 S. 1, 20 Abs. 1 S. 1 VAbstG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 7 Ebene an Art. 20 Abs. 2 GG scheitern.20 Die Abstimmungsberechtigung von Unionsbürgern auf kommunaler Ebene hingegen folgt aus ihrem kommunalen Wahlrecht.21 5. Ausländerstimmrecht durch Grundgesetzänderung? Nach den obigen Ausführungen wäre für die Einführung eines allgemeinen (über die EU-Ausländer hinausgehenden) Ausländerstimmrechts eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Allerdings ist die Frage nach einem Ausländerstimmrecht auf Bundesebene (noch) nicht relevant, da das Grundgesetz Abstimmungen auf Bundesebene – abgesehen von den Territorialplebisziten in den Artt. 29, 118, 118a GG – (bisher) nicht vorsieht.22 Für die Einführung eines Ausländerstimmrechts auf Landes- und/oder Kommunalebene wäre – wie beim Ausländerwahlrecht (s.o. unter 2.) – wegen der Anforderungen des Homogenitätsgebotes nach Art. 28 Abs. 1 S. GG eine Grundgesetzänderung erforderlich. Die Verfassung des Landes Brandenburg beispielsweise nimmt eine solche grundgesetzliche Weichenstellung schon vorweg und regelt in Art. 22 Abs. 2 S. 1 „das Recht der Einwohner, sich an Volksbegehren und Volksentscheiden (…) zu beteiligen, sobald und soweit das Grundgesetz dies zulässt“. Maßgeblich für die Zulässigkeit einer grundgesetzlichen Verankerung eines allgemeinen (d.h. über das kommunale Abstimmungsrecht der Unionsbürger hinausgehenden) Ausländerstimmrechts ist wiederum Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsgarantie). Wegen der gleichen Legitimationsbedürftigkeit von Wahlen und Abstimmungen (s.o. unter 4.) ist die Diskussion grundsätzlich parallel zur Einführung eines Ausländerwahlrechts zu führen. Insoweit kommt es also darauf an, ob und inwieweit das Junktim zwischen Volk und Staatsangehörigkeit zum änderungsfesten Bereich des Demokratieprinzips gehört oder ob das grundgesetzliche Demokratieprinzip offen ist für einen alle Betroffenen umschließenden Volksbegriff. Die Frage nach der grundgesetzlichen Einführung eines allgemeinen Ausländerstimmrechts wird allerdings – soweit ersichtlich – bisher in der Literatur nicht näher behandelt, 23 so dass auf die obige Diskussion zum Ausländerwahlrecht Bezug genommen wird. Legt man die Rechtsprechung 20 Für die Möglichkeit einer landesverfassungsrechtlichen Einführung eines Ausländerstimmrechts aber Rux (Fn. 14), 253 ff., der der von der Rechtsprechung des BVerfG zum Volksbegriff abweicht und es im Rahmen von Art. 28 Abs. 1 GG für zulässig erachtet, wenn der Landesverfassungsgesetzgeber „Nicht-Deutsche in den Kreis der Landesangehörigen “ einbezieht und ihnen Stimmrechte gewährt. 21 Zwar enthalten weder das Unionsrecht noch das Grundgesetz ein ausdrückliches Abstimmungsrecht für Unionsbürger auf kommunaler Ebene, doch lässt sich dieses aus dem kommunalen Wahlrecht für Unionsbürger ableiten. Letzteres darf durch Abstimmungen nicht umgangen werden, so dass das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger das Abstimmungsrecht auf kommunaler Ebene einschließt. 22 Zu den insoweit erforderlichen, aber auch möglichen Grundgesetzänderungen BVerfGE 123, 267, 367; Grzeszick (Fn. 17), Rn. 112 f. zu Art. 20. Zu den Grenzen der Zulässigkeit nach Art. 79 Abs. 3 GG, insbesondere zur Ländermitwirkung und ggf. thematisch notwendigen Eingrenzungen vgl. Kühling, Volksgesetzgebung und Grundgesetz – „Mehr Demokratie wagen“?, JuS 2009, 777 ff. 23 Überhaupt näher diskutiert wird das Ausländerstimmrecht von Rux (Fn. 14), 253 ff. Für ihn stellt sich die Frage nach einer grundgesetzlichen Verankerung des Ausländerstimmrechts allerdings nicht, da er von der Zulässigkeit einer landesverfassungsrechtlichen Einführung ausgeht (Fn. 20). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 258/14 Seite 8 des BVerfG zum Ausländerwahlrecht zugrunde, wäre ein grundgesetzliches Ausländerstimmrecht – ebenso wie ein Ausländerwahlrecht – (wohl) unzulässig (vgl. oben unter 2)). Nach den Stimmen in der Literatur zum Ausländerwahlrecht (s.o. unter 2) ließe sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines allgemeinen Ausländerstimmrechts wohl am ehesten auf kommunaler Ebene begründen. Ausschlaggebend wäre insoweit nicht die Gleichbehandlung mit den Unionsbürgern. Vielmehr kann man auf kommunaler Ebene darauf verweisen, dass die sachlich-inhaltliche Legitimation ausreichend landesgesetzlich abgesichert ist und eine Veränderung des Legitimationssubjekts daher nicht den Kernbereich des Demokratieprinzips berührt. In eine ähnliche Richtung weist folgende Überlegung: Man könnte erwägen, nicht ein umfassendes Abstimmungsrecht für Ausländer zu schaffen, sondern Abstimmungsrechte für Ausländer in einzelnen , sachlich-gegenständlich eng umgrenzten Fällen grundgesetzlich zu regeln. Vereinzelte und sachlich begrenzte Abstimmungsrechte müssen nicht notwendig den Volksbegriff des Art. 20 Abs. 2 GG ändern und damit den änderungsfesten Kernbereich des Art. 79 Abs. 3 GG berühren. Dass das Demokratieprinzip in seinen Randbereichen eine gewisse Flexibilität aufweist, zeigt sich u.a. im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung (z.B. Kammern). Innerhalb eines gesetzlich bestimmten Rahmens können dort die Betroffenen (also auch Ausländer) die sie berührenden Angelegenheiten mitgestalten.24 Danach wäre es auch nicht abwegig, die grundgesetzliche Verankerung vereinzelter und sachlich begrenzter Abstimmungsrechte für Ausländer in Betracht zu ziehen, die dann wegen ihres Begrenzungs- und Ausnahmecharakters den Kern des Demokratieprinzips nicht berührten. In diese Richtung ist allerdings in der Literatur – soweit ersichtlich – bisher nicht gedacht worden, so dass es insoweit an belastbaren Grundlagen fehlt. Eine von Art. 20 Abs. 2 GG getrennte Regelung des Abstimmungsrechts für Ausländer, beispielsweise in Art. 28 Abs. 1 GG, würde die Problematik des Art. 79 Abs. 3 GG nicht entschärfen. Geht man von der Änderungsfestigkeit des Volksbegriffs aus (Art. 20 Abs. 2 GG), kann diese nicht durch eine Regelung an anderer Stelle unterlaufen werden. 6. Ergebnis Im Ergebnis steht die Einführung einer Beteiligung von Ausländern an direktdemokratischen Instrumenten mit Entscheidungscharakter (z.B. Volksentscheid) grundsätzlich vor denselben verfassungsrechtlichen Problemen wie das Ausländerwahlrecht. Einfachgesetzliche und landesverfassungsrechtliche Regelungen reichen nicht aus. Auch eine Grundgesetzänderung ist angesichts der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG sehr problematisch. 24 BVerfGE 83, 37, 55; 111, 191, 215 f.