© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 257/17 Gesetzliches Verbot von Doppelmandaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 257/17 Seite 2 Gesetzliches Verbot von Doppelmandaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 257/17 Abschluss der Arbeit: 20. Dezember 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 257/17 Seite 3 1. Einleitung Der Sachstand befasst sich mit der Frage, ob bestehende gesetzliche Regelungen ein Doppelmandat verbieten. 2. Verfassungsrecht Die Verfassung spricht sich weder für noch gegen ein Verbot von gleichzeitiger Inhaberschaft eines Mandates im Bundestag, in einem Landtag oder im Europäischen Parlament aus.1 Das Doppelmandat ist insbesondere von Artikel 48 Absatz 2 Grundgesetz nicht umfasst, da das parlamentarische Mandat nicht als Beruf im Sinne des dort formulierten Behinderungsverbotes anzusehen ist.2 Es steht dem Gesetzgeber auf Bundes- und auf Landesebene mithin frei, Doppelmandate zu verbieten . Daraus folgt unweigerlich, dass auch die Kürzung einer Abgeordnetenentschädigung aufgrund der Inhaberschaft eines weiteren Mandates verfassungskonform ist.3 3. Vereinbarkeit eines Mandates im Europäischen Parlament mit anderen Mandaten Auf europäischer Ebene ist seit 2004 die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament mit dem Mandat für ein nationales Parlament als unvereinbar normiert.4 Als das Europäische Parlament 1952 seine Arbeit aufnahm, war eine Mitgliedschaft der Abgeordneten in den jeweiligen nationalen Parlamenten eines Mitgliedstaates zwingend, da sie von dort entsandt wurden. Mit zunehmender Bedeutung des Europäischen Parlamentes, insbesondere seit der ersten Direktwahl der europäischen Abgeordneten 1979, entwickelten sich Doppelmandate zunehmend zum Auslaufmodell.5 Die Möglichkeit, ein europäisches Mandat ohne eine nationale Parlamentsmitgliedschaft inne zu haben, bestand seit 1976.6 Das Europäische Parlament hat sich 1988 gegen die Zulässigkeit von Doppelmandaten ausgesprochen.7 Seit 1994 gab es kein Doppelmandat mit einer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag mehr.8 1 Kluth, Winfried, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage, 2016, Rdn. 48 mit weiteren Nachweisen. Siehe auch bereits Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 vom 21. Juni 2017 und dies., Aktueller Begriff Nr. 84/05 , Inkompatibilitäten mit dem Bundestagsmandat, vom 10. November 2005. 2 Kluth, Winfried, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage, 2016, Rdn. 48. 3 BVerfGE vom 16. März 1955, in: NJW 1955, 625 ff. 4 Artikel 7 EP-Direktwahl-Akt in der Fassung vom 1. April 2004. 5 Hölscheidt, Sven, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard/Nettesheim, Martin, Das Recht der EU, 62. Auflage, 2017, Rdn. 70. 6 Artikel 5 a.F. EP-Direktwahl-Akt. 7 Entschließung vom 7. Juli 1988, ABl. 1988 – C 235/131. 8 Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Kapitel 2.11, Stand: 23. April 2014. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 257/17 Seite 4 Die zeitgleiche Mitgliedschaft in einem Parlament auf Landes- oder auf kommunaler Ebene ist durch das Verbot nicht ausgeschlossen.9 4. Vereinbarkeit eines Bundestagsmandates mit der Mitgliedschaft in einem Landesparlament Weder nach der Bundes- noch der Landesgesetzgebung ist die Doppelmitgliedschaft in einem Landesparlament und im Deutschen Bundestag oder in zwei Landesparlamenten verboten.10 Allerdings sehen Landesgesetze regelmäßig eine Kürzung der Abgeordnetenentschädigung und sonstiger finanzieller Zuwendungen vor, wenn eine weitere Parlamentsmitgliedschaft gegeben ist. So werden etwa nach dem baden-württembergischen Abgeordnetengesetz die Leistungen an Abgeordnete ausgesetzt, solange das Mandat mit einer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag oder im Europäischen Parlament zusammenfällt.11 Auch nach sächsischem Landesrecht ruht die Grundentschädigung , solange und soweit eine Entschädigung für eine Mitgliedschaft im Europäischen Parlament, im Deutschen Bundestag oder in einem anderen Landtag bezogen wird.12 Die Zahl der Doppelmandate hat in den letzten Jahren im Deutschen Bundestag stetig abgenommen. So hatten zuletzt Jürgen Möllemann (FDP) in der 15. Wahlperiode für acht Monate und Oskar Lafontaine (DIE LINKE.) in der 17. Wahlperiode für drei Monate jeweils neben ihren Bundestagsmandaten auch ein Mandat des nordrhein-westfälischen bzw. des saarländischen Landtages inne.13 In der 18. Wahlperiode hatte keine Abgeordnete und kein Abgeordneter des deutschen Bundestages länger als drei Monate ein Landtagsmandat inne. *** 9 Von der Groeben, Hans/Schwarze, Jürgen/Hatje, Armin, 7. Auflage, 2015, Europäisches Unionsrecht, Art. 7 EP- Direktwahl-Akt, Rdn. 1. 10 Kluth, Winfried, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage, 2016, Rdn. 48. Nach § 2 Geschäftsordnung des Bundesrates dürfen die Mitglieder des Bundesrates nicht gleichzeitig dem Bundestag angehören. 11 § 21 Absatz 3 des baden-württembergischen Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages vom 12. September 1978. 12 § 23 Absatz 1 sächsisches Abgeordnetengesetz vom 1. Juli 2000. 13 Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Kapitel 2.10, Stand: 31. März 2010.