Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Ethikratgesetz und Informationsrecht der Abgeordneten - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 257/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Ethikratgesetz und Informationsrecht der Abgeordneten Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 257/08 Abschluss der Arbeit: 14. Juli 2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - - Zusammenfassung - Aufgaben und Stellung des Deutschen Ethikrates definiert das Gesetz zur Einrichtung des Deutschen Ethikrates (Ethikratgesetz – EthRG) vom 16. Juli 2007. Nach § 9 EthRG sind die Mitglieder des Deutschen Ethikrates und die Angehörigen der Geschäftsstelle zur Verschwiegenheit über die nicht öffentlichen Beratungen und die vom Deutschen Ethikrat als vertraulich bezeichneten Beratungsunterlagen verpflichtet. Die Pflicht zur Verschwiegenheit bezieht sich auch auf Informationen, die dem Deutschen Ethikrat gegeben und als vertraulich bezeichnet werden. Als Ergebnis der Auslegung dieser Vorschrift ist Folgendes festzuhalten: Die Tatsache einer ausdrücklichen und ausführlichen Regelung der Möglichkeiten, wie sich das Parlament , aber auch die Regierung und die Öffentlichkeit über die Arbeit des Deutschen Ethikrates informieren können, deutet darauf hin, dass ein darüber hinausgehendes Informationsrecht des Bundestages oder gar einzelner Abgeordneter über der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Sachverhalte nicht intendiert ist. Eine andere Interpretation folgt auch nicht aus dem sich aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ergebenden Informationsanspruch der Abgeordneten zur Wahrnehmung der mit seinem Mandat zusammenhängenden Aufgaben und Befugnisse. Gegenüber der Bundesregierung stehen dem Deutschen Bundestag- und damit seinen Mitgliedern – Informationsrechte zur Verfügung, die von den Abgeordneten nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages wahrgenommen werden. Aus dem verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten folgt seine Pflicht und zugleich sein Recht, an der Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken. In diesem Zusammenhang steht ihm auch ein „nach Innen gerichtetes“ Informationsrecht zu. Die nötigen Informationen werden u. a. durch die Bundestagsverwaltung bereitgestellt. Der Deutsche Ethikrat liegt weder im Verantwortungsbereich der Regierung noch ist er dem Bundestag zuzuordnen. Vielmehr ergibt sich aus den Regelungen des Ethikratgesetzes über Zusammensetzung, Organisation und Verfahrensweise seine Stellung als unabhängiger Sachverständigenrat. Ein Informationsrecht gegenüber den Mitgliedern des Ethikrates, das die Verschwiegenheitspflicht nach § 9 EthRG unterliegende Sachverhalte betrifft, lässt sich danach nicht begründen. Gegenüber den Angehörigen der Geschäftsstelle scheidet ein Informationsanspruch ebenfalls aus, weil die Geschäftsstelle nach ihrer derzeitigen Organisationsform bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) angesiedelt und nicht Bestandteil der Bundestagsverwaltung ist. Zum anderen besteht auch unabhängig von der derzeitigen Organisationsform kein solcher Anspruch der Abgeordneten, da der Deutsche Ethikrat selbst kein Organ des Deutschen Bundestages, sondern ein unabhängiger Sachverständigenrat ist. Die Geschäftsstelle, die den Deutschen Ethikrat bei seinen Aufgaben unterstützt, untersteht folgerichtig fachlich allein der oder dem Vorsitzenden. - 4 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 5 2. Umfang der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 EthRG 5 3. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als Grundlage eines weitergehenden Informationsanspruchs der Abgeordneten 6 3.1. Zur Reichweite des Informationsrechts der Abgeordneten 7 3.2. Schlussfolgerungen im Hinblick auf Informationsrechte der Abgeordneten gegenüber dem Deutschen Ethikrat 8 3.2.1. Gegenüber den Mitgliedern des Deutschen Ethikrates 8 3.2.2. Gegenüber den Angehörigen der Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates 9 4. Ergebnis 11 - 5 - 1. Einleitung Der Deutsche Ethikrat ist ein Sachverständigenrat, der zur Beratung von Deutschem Bundestag und Bundesregierung und als ein nationales Forum des Dialogs insbesondere über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften eingerichtet wurde.1 Er ist Nachfolgegremium des Nationalen Ethikrates, der seit Juni 2001 für die Beratung in diesen Fragen zuständig war. Während dieser auf Beschluss der Bundesregierung vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingesetzt wurde, ist für den Deutschen Ethikrat eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Aufgaben und Stellung des Deutschen Ethikrates definiert das Gesetz zur Einrichtung des Deutschen Ethikrates (Ethikratgesetz – EthRG) vom 16. Juli 2007. Das Gremium wurde am 11. April 2008 vom Bundestagspräsidenten konstituiert. Zur administrativen Unterstützung bei der Durchführung seiner Aufgaben dient eine Geschäftsstelle. Außerdem hat sich am 23. April 2008 ein (Ethikbeirat) konstituiert, der sich aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages entsprechend der Fraktionsstärke zusammensetzt und ein „parlamentarisches Begleitgremium ist, das die Verzahnung und Zusammenführung von ethischer Sachkompetenz und parlamentarischer Arbeit gewährleistet“.2 Im Folgenden geht es um die Reichweite der in § 9 EthRG verankerten Verschwiegenheitspflicht . Dort heißt es: „Die Mitglieder des Deutschen Ethikrates und die Angehörigen der Geschäftsstelle sind zur Verschwiegenheit über die nicht öffentlichen Beratungen und die vom Deutschen Ethikrat als vertraulich bezeichneten Beratungsunterlagen verpflichtet. Die Pflicht zur Verschwiegenheit bezieht sich auch auf Informationen, die dem Deutschen Ethikrat gegeben und als vertraulich bezeichnet werden.“ § 1 der gemäß § 6 Abs. 2 EthRG erlassenen Geschäftsordnung (GO-EthR) wiederholt diese Pflicht. Es ist zu prüfen, ob die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder und Angehörigen der Geschäftsstelle auch im Verhältnis zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestages gilt. 2. Umfang der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 EthRG Der Wortlaut der eingangs zitierten Vorschrift deutet auf eine umfassende Verschwiegenheitspflicht in den genannten Fallkonstellationen hin. Eine ausdrückliche Ausnahme für die Mitglieder des Deutschen Bundestages ergibt sich hieraus nicht. Für eine auch die Abgeordneten umfassende Regelung spricht daneben die Gesetzessystematik: Zu 1 Vgl. Schröter, Heike, Was ist eigentlich der Deutsche Ethikrat, in: Die Betriebskrankenkasse (BKK) 2007, S. 372; zu den Aufgaben im Einzelnen siehe § 2 Ethikratgesetz (EthRG). 2 Antrag der Abg. Eberhard Gienger, Ilse Aigner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, Einrichtung eines Parlamentarischen Beirats zu Fragen der Ethik insbesondere in den Lebenswissenschaften (Ethikbeirat), BT-Drs. 16/5128 vom 25.04.2007, S. 1. - 6 - den Aufgaben des Ethikrates gehört nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 EthRG die Erarbeitung von Stellungnahmen sowie von Empfehlungen für gesetzgeberisches und politisches Handeln . Stellungnahmen kann der Deutsche Ethikrat auf Grund eigenen Entschlusses, aber auch im Auftrag des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung abgeben (§ 2 Abs. 3 EthRG). Er leitet seine Stellungnahmen dem Bundestag und der Bundesregierung vor der Veröffentlichung zur Kenntnis zu. Außerdem berichtet der Deutsche Ethikrat dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung zum Ablauf jedes Kalenderjahres schriftlich über seine Aktivitäten und den Stand der gesellschaftlichen Debatte (§ 2 Abs. 4 EthRG). Der Ethikrat berät im Regelfall öffentlich, kann aber auch nicht öffentlich tagen sowie die Ergebnisse nichtöffentlicher Beratung veröffentlichen (§ 7 Abs. 1 EthRG). Gemäß § 7 Abs. 2 EthRG veröffentlicht er seine Stellungnahmen, Empfehlungen und Berichte. Die Art und Weise der parlamentarischen Begleitung ist darüber hinaus konkretisiert im Beschluss zur Einsetzung des Ethikbeirates gemäß dem Antrag der Koalitionsfraktionen vom 25. April 2007.3 So leitet der Ethikbeirat dem Deutschen Ethikrat Aufträge des Deutschen Bundestages nach § 2 Abs. 3 EthRG zu und nimmt die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Stellungnahmen entgegen. Er berät die Stellungnahmen und Berichte des Deutschen Ethikrates und bereitet den Diskurs in den parlamentarischen Gremien vor. Ein besonderes Informationsrecht über der Verschwiegenheit unterliegende Sachverhalte des Ethikrates ergibt sich nicht. Dementsprechend bestimmt auch § 11 Abs. 2 GO-EthR, dass der Ethikrat den Ethikbeirat und die Bundesregierung einladen kann, an bestimmten Sitzungen teilzunehmen, nicht aber der Ethikbeirat selbst entscheiden kann, ob er nicht öffentlichen Sitzungen des Ethikrates beiwohnt. Die Tatsache einer ausdrücklichen und ausführlichen Regelung der Möglichkeiten, wie sich das Parlament, aber auch die Regierung und die Öffentlichkeit über die Arbeit des Deutschen Ethikrates informieren können, deutet darauf hin, dass ein darüber hinausgehendes Informationsrecht des Bundestages oder gar einzelner Abgeordneter über der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Sachverhalte nicht intendiert war. 3. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als Grundlage eines weitergehenden Informationsanspruchs der Abgeordneten Eine von der unter 2. erläuterten Auslegung abweichende Interpretation könnte sich aus dem freien Mandat der Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ergeben. 3 BT-Drs. 16/5128. - 7 - 3.1. Zur Reichweite des Informationsrechts der Abgeordneten4 Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG leitet die herrschende Meinung einen Anspruch des Abgeordneten auf die Informationen ab, die er zur Wahrnehmung der mit seinem Mandat zusammenhängenden Aufgaben und Befugnisse benötigt.5 Ein allgemeiner und auf beliebige Gegenstände gerichteter Informationsanspruch des Abgeordneten existiert nicht. Gegenüber der Bundesregierung stehen dem Deutschen Bundestag - und damit seinen Mitgliedern – Informationsrechte zur Verfügung, die von den Abgeordneten nach Maßgabe der Geschäftsordnung (vgl. parlamentarisches Fragerecht gemäß §§ 100 ff. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT)) wahrgenommen werden, sowie das parlamentarische Untersuchungsrecht. Sehr weit gehen die Rechte der Abgeordneten auf Information im Rahmen der Gesetzgebung und des parlamentarischen Budgetrechts . Die Abgeordneten bedürfen hier grundsätzlich einer umfassenden Information, um ihren Aufgaben genügen zu können.6 Im Verhältnis zur Bundesregierung ist es allerdings äußerst problematisch, aus dem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Informationsanspruch nicht nur ein Recht auf Fremdinformation, ein Fragerecht, sondern auch ein Recht auf Selbstinformation, ein Akteneinsichtsrecht, abzuleiten.7 Dem steht insbesondere Art. 44 GG entgegen, der die Selbstinformation des Parlaments (Beweiserhebung ) betrifft und im Unterschied zum Fragerecht (vgl. Art. 43 Abs. 1 GG) als Minderheitenrecht ausgestaltet ist. Er trägt damit den Gegebenheiten der parlamentarischen Demokratie, in der sich weniger Parlament und Regierung, sondern Parlamentsmehrheit und Regierung einerseits und Opposition andererseits gegenüber stehen, bereits hinreichend Rechnung. Aus dem verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten folgt seine Pflicht und zugleich sein Recht, an der Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken.8 In diesem Zusammenhang steht ihm auch ein „nach Innen gerichtetes“ Informationsrecht zu. Die nötigen Informationen werden u. a. durch die Bundestagsverwaltung bereit- 4 Vgl. hierzu auch , Das Recht des Abgeordneten auf Einsichtnahme in Akten des Wehrbeauftragten , Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, WF III – 310/03, S. 4. ff. 5 Vgl. BVerfGE 70, 324 (355); 80, 188 (218); 92, 130 (130); Magiera, Siegfried, in: Sachs, Michael, Grundgesetz, 4. Aufl., München 2007, Art. 38 Rn. 41; Schreiber, Wolfgang, in: Friauf, Karl Heinrich /Höfling, Wolfram, Berliner Kommentar, Bd. 3, Berlin, Stand: 02/08, Art. 38 Rn. 117 (Stand: 10/00). 6 BVerfGE 70, 324, 355 ff; Badura, Peter, in Schneider, Hans-Peter/Zeh, Wolfgang, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Berlin, New York 1989, § 15 Rn. 40. 7 Ein solches ausdrücklich verneinend: Ismayr, Wolfgang, Der Deutsche Bundestag im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Opladen 2001, S. 307. 8 Klein, Hans, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter/Herzog, Roman, Grundgesetz, Kommentar, Bd. IV, München, Stand: 12/07, Art. 38 Rn. 230. - 8 - gestellt.9 Im Hinblick auf ein Akteneinsichtsrecht im Verhältnis des Abgeordneten zum Bundestag und seinen Untergliederungen greift nicht der soeben im Verhältnis zur Regierung genannte Einwand. Hier wird nicht in den Bereich eines anderen Verfassungsorgens übergegriffen, so dass grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden ist, die sich in der Verfügung dieser Untergliederungen befindlichen Informationsquellen, wie z. B. Akten, jedem Abgeordneten zum Zwecke der Selbstinformation zur Verfügung zu stellen. Konkretisiert ist das Akteneinsichtsrecht in § 16 GOBT. 3.2. Schlussfolgerungen im Hinblick auf Informationsrechte der Abgeordneten gegenüber dem Deutschen Ethikrat Informationsansprüche der Abgeordnete in Angelegenheiten, die der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 EthRG unterliegen (z. B. nicht öffentliche Beratungsunterlagen wie etwa die Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen, sofern kein Veröffentlichungsbeschluss gefasst wurde), kämen nach den Ausführungen unter 3.1. nur in Betracht, wenn der Deutsche Ethikrat institutionell entweder der Bundesregierung oder dem Bundestag selbst z. B. als Unterorgan zuzurechnen wäre. 3.2.1. Gegenüber den Mitgliedern des Deutschen Ethikrates Eine Beziehung zu den beiden Verfassungsorganen ergibt sich zunächst z. B. aus folgenden Bestimmungen: Wie bereits unter 2. erwähnt, zählt zu den Aufgaben des Deutschen Ethikrates u. a. die Erarbeitung von Stellungnahmen sowie Empfehlungen für gesetzgeberisches Handeln (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 EthRG), wobei Stellungnahmen vom Bundestag und von der Bundesregierung in Auftrag gegeben werden können (§ 2 Abs. 3 EthRG); ebenso besteht die Berichtspflicht gegenüber beiden Verfassungsorganen (§ 2 Abs. 4 EthRG) (s. o. 2.). Der Präsident des Deutschen Bundestages beruft außerdem die Mitglieder des Deutschen Ethikrates (§ 5 Abs. 1 EthRG). Bundestag und Bundesregierung haben je zur Hälfte ein Vorschlagsrecht. Gemäß § 10 EthRG trägt der Bund die Kosten des Deutschen Ethikrates. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Mittel aus dem Einzelplan des Deutschen Bundestages bestritten werden.10 Die genannten Vorschriften formulieren zwar bestimmte Rechte des Bundestages und auch der Bundesregierung gegenüber dem Rat und stellen die finanzielle Trägerschaft des Bundes sicher. Letztere ist dann im Hinblick auf bestimmte Pflichten im Haushaltsverfahren des Bundes von Bedeutung (z. B. Rechnungslegungspflichten des Ethikrates gegenüber dem Bundestag, damit dieser seinerseits die Vorgaben der BHO für seinen Einzelplan erfüllen kann). Allein daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass 9 Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 38 Rn. 232. 10 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats (Ethikratgesetz-EthRG), BT-Drs. 16/2856 vom 04.10.2006, S. 9. - 9 - der Deutsche Ethikrat und die Tätigkeit seiner Mitglieder einem der beiden Verfassungsorgane zuzurechnen ist. Ausschlaggebend für die Bewertung der Stellung des Deutschen Ethikrates im Verhältnis zu Bundesregierung und Bundestag dürfte vielmehr Folgendes sein: Gemäß § 1 EthRG ist der Deutsche Ethikrat ein unabhängiger Sachverständigenrat. § 3 EthRG legt darüber hinaus die Stellung des Deutschen Ethikrates und seiner Mitglieder fest: „Der Deutsche Ethikrat ist in seiner Tätigkeit unabhängig und nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden. Die Mitglieder üben ihr Amt persönlich und unabhängig aus.“ In der Gesetzesbegründung zu § 3 wird außerdem betont, dass die Mitglieder nicht Vertreter bestimmter Interessengruppen sind, sondern als unabhängige Persönlichkeiten in den Rat berufen werden.11 Die Unabhängigkeit des Deutschen Ethikrates und seiner Mitglieder sei zentrale Grundvoraussetzung für die Erfüllung seiner Aufgaben. Sie spiegele sich auch in den gesetzlichen Regelungen über Zusammensetzung , Organisation und Verfahrensweise wider, die ein Höchstmaß an Unabhängigkeit ermögliche.12 Nach § 4 EthRG sind im Ethikrat z. B. Wissenschaftler und Wissenschafterinnen aus bestimmten Wissenschaftsgebieten vertreten. Absatz 3 der Vorschrift legt fest, dass die Mitglieder weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundesregierung oder einer Landesregierung angehören dürfen. Die beschriebene unabhängige Stellung des Deutschen Ethikrates und seiner Mitglieder spricht insgesamt gegen eine unmittelbare organisatorische Zugehörigkeit zu Bundesregierung bzw. Bundestag. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Deutsche Ethikrat nach dem Ethikratgesetz weder im Verantwortungsbereich der Regierung liegt noch dem Bundestag zuzuordnen ist, so dass sich kein Informationsrecht der Abgeordneten gegenüber den Mitgliedern des Deutschen Ethikrates aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG im Hinblick auf der Verschwiegenheit nach § 9 EthRG unterliegende Vorgänge herleiten lässt. Die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder gilt nach alledem auch im Verhältnis zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestages. 3.2.2. Gegenüber den Angehörigen der Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates Unter der Voraussetzung, dass die Geschäftsstelle Teil der Bundestagsverwaltung ist, wäre ein Informationsanspruch der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auch für der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Sachverhalte des Ethikrates in Erwägung zu ziehen. Denn wie unter 3.1. erläutert, werden die zur Mandatsausübung erforderlichen Informationen u. a. auch durch die Bundestagsverwaltung bereitgestellt. Für ein Akten- 11 BT-Drs. 16/2856, S. 9. 12 BT-Drs. 16/2856, S. 9. - 10 - einsichtsrecht etwa zum Zwecke der Einsichtnahme in nichtöffentliche Beratungsunterlagen des Ethikrates könnte § 16 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GO BT einschlägig sein. Diese Bestimmung räumt jedem Mitglied des Bundestages das Recht ein, „alle Akten einzusehen , die sich in der Verwahrung des Bundestages oder eines seiner Ausschüsse befinden “. Die Geschäftsstelle wird gemäß § 8 S. 2 EthRG vom Präsidenten des Deutschen Bundestages eingerichtet.13 Der Gesetzentwurf enthielt ursprünglich die Formulierung „beim Deutschen Bundestag“, wurde dann aber auf Anregung des Bundestagspräsidenten im Gesetzgebungsverfahren geändert. Mit der Formulierung „vom Präsidenten des Deutschen Bundestages“ sollte sichergestellt werden, dass die Geschäftsstelle nicht in der Weise in die Bundestagsverwaltung integriert werden muss, dass der Bundestag mit der Besetzung der Mitarbeiterstellen und den damit verbundenen dienstrechtlichen Fragestellungen belastet ist.14 Man wollte also auch organisatorisch eine gewisse Distanz zum Bundestag ermöglichen. Umgesetzt wird dies dadurch, dass die Geschäftsstelle bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) als Trägerin angesiedelt ist. Grundlage hierfür ist eine Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, dieser vertreten durch den Direktor und der BBAW. Die Geschäftstelle untersteht in organisatorischen , finanziellen und personellen Belangen der BBAW, soweit das fachliche Unterstellungsverhältnis gegenüber der oder dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates nicht einschlägig ist (§ 1 Abs. 2 S. 3 der genannten Vereinbarung). Zum einen scheidet ein Informationsanspruch der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, weil die Geschäftsstelle derzeit bei der BBAW angesiedelt und damit nicht Bestandteil der Bundestagsverwaltung ist. Zum anderen dürfte es unabhängig von der derzeitigen Organisationsform für die für die Beantwortung der Frage nach einem Anspruch der Abgeordneten aus Art 38 Abs. 1 S. 2 GG gegenüber den Angehörigen der Geschäftstelle auf Informationen, die der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 EthRG unterliegen, ausschlaggebend sein, dass der Deutsche Ethikrat - wie unter 3.2.1 festgestellt - selbst kein Organ des Deutschen Bundestages, sondern ein unabhängiger Sachverständigenrat ist. Die Geschäftsstelle, die den Deutschen Ethikrat bei seinen Aufgaben unterstützt, untersteht folgerichtig fachlich allein der oder dem Vorsitzenden (§ 8 S. 1 u. 3 EthRG). Daher ist ein solches Informationsrecht der Abgeordneten auch gegenüber den Angehörigen der Geschäftsstelle im Ergebnis zu verneinen. Damit ist auch ein Anspruch auf Akteineinsicht, den die GOBT in § 16 als konkretes Informationsrecht (s. o. 3.1) formuliert, abzulehnen. Denn nur für ein Organ des Bun- 13 Vgl. Bundestagspräsident Norbert Lammert, 1. Beratung des Entwurfs des Ethikratgesetzes, Stenographischer Bericht, 63. Sitzung, 9. November 2006, BT-Plenarprotokoll 16/63, S. 6231. 14 Vgl. Bundestagspräsident Norbert Lammert, BT-Plenarprotokoll 16/63, S. 6231. - 11 - destages sind die Beziehungen zum Bundestag und seinen Mitgliedern Intra-Organ- Beziehungen, dem originären Anwendungsbereich des Geschäftsordnungsrechts des Bundestages.15 4. Ergebnis Die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Deutschen Ethikrates und der Angehörigen der Geschäftsstelle gemäß § 9 EthRG gilt auch im Verhältnis zu den Mitgliedern des Deutschen Bundestages. Um den Abgeordneten ein weitergehendes Informationsrecht einzuräumen, bedürfte es einer Gesetzesänderung.16 15 Vgl. Achterberg, Norbert/Schulte, Martin, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/ Starck, Christian , Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., München 2005, Art. 40 Rn. 37. Mit dieser Begründung wird z. B. die Bindung des Wehrbeauftragten an die GO BT bejaht (vgl. Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 45 b Rn. 103). 16 Im Rahmen der Beratungen zum Ethikratgesetz wurden z.B. Konzepte stärkerer parlamentarischer Einbindung vorgeschlagen (vgl. hierzu beispielsweise die Anträge der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der LINKEN zur Einsetzung eines Ethik-Komitees des Deutschen Bundestages bestehend aus Sachverständigen und Parlamentariern (BT-Drs. 16/3199 bzw. 16/3277)).