WD 3 - 3000 - 256/19 (8. November 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Art. 18 GG besagt: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.“ Es wird gefragt, ob eine Änderung von Art. 18 GG möglich wäre, durch die das Kriterium einer erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland als weitere Voraussetzung der Verwirkung hinzugefügt würde. Bei der folgenden in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vorgenommenen kursorischen Prüfung wird auf ein Kriterium abgestellt, das sich in ähnlicher Weise bereits in Art. 13 Abs. 7 GG findet. Dort wird als Schutzgut die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ benannt. In Anlehnung an diese Formulierung ist die angefragte Änderung von Art. 18 GG in zwei Varianten denkbar. Zum einen könnte das Kriterium in die bereits bestehende Regelung eingefügt werden, sodass jemand, der die genannten Grundrechte missbrauchte und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gefährdete, diese verwirkte. In Betracht kommt zudem eine Änderung, bei der für das neue Tatbestandsmerkmal das Kriterium des Grundrechtsmissbrauchs entfiele, sodass allein die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügte, um bestimmte Grundrechte zu verwirken. Eine Änderung des Grundgesetzes ist an Art. 79 Abs. 3 GG zu messen. Die sogenannte Ewigkeitsgarantie schließt die Änderung bestimmter Grundsätze des Grundgesetzes dauerhaft aus. Den geschützten Verfassungskern bilden dabei die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und die in den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsätze. Gemäß Art. 79 Abs. 3 GG dürfen die genannten Grundsätze nicht „berührt“ werden. Eine solche „Berührung“ wird lediglich bei prinzipieller Preisgabe angenommen (vgl. BVerfGE 30, 1 (24)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden die Grundsätze als solche von vornherein nicht berührt, wenn ihnen im Allgemeinen Rechnung Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Änderung von Art. 18 Grundgesetz (GG) Kurzinformation Änderung von Art. 18 Grundgesetz (GG) Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 getragen wird und sie nur für eine Sonderlage entsprechend deren Eigenart aus sachgerechten Gründen modifiziert werden. Nach diesen Maßstäben dürfte die erstgenannte Änderungsmöglichkeit verfassungsrechtlich zulässig sein. Dass die Verwirkung von Grundrechten – solange die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG nicht berührt ist – grundsätzlich zulässig ist, ergibt sich bereits aus der aktuellen Fassung von Art. 18 GG. Bei der erstgenannten Änderungsmöglichkeit verbliebe das Erfordernis des Grundrechtsmissbrauchs . Die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung käme als Tatbestandsalternative zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung hinzu. Wie bereits erwähnt, ist die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein (in Art. 13 Abs. 7 GG) verfassungsrechtlich etabliertes Schutzgut. Die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dürfte in ihrer Gefährlichkeit als mindestens gleichwertig zum bisherigen Tatbestandsmerkmal des Kampfes gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beurteilen sein. Gegen das Hinzufügen der neuen Tatbestandsalternative dürften daher keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Bei der zweiten Änderungsmöglichkeit könnte bedenklich sein, dass für die neue Tatbestandsvariante das Erfordernis des Grundrechtsmissbrauchs entfiele. Gegen diese Änderung ließe sich einwenden, dass durch dieses Entfallen zu geringfügige Voraussetzungen für eine Grundrechtsverwirkung bestünden. Dem könnte man allerdings die Tatsache entgegenhalten, dass allein das Bundesverfassungsgericht über eine Verwirkung von Grundrechten entscheidet und auch das Ausmaß der Verwirkung festlegt. Dadurch wäre sichergestellt, dass die Anforderungen, die zur Rechtfertigung einer Grundrechtsverwirkung an die Gefährlichkeit des Betroffenen gestellt werden, verfassungsrechtlichen Maßstäben genügten und dass die Verwirkung auch nur im Umfang der Gefährlichkeit des Betroffenen ausgesprochen würde. Problematisch könnte bei der zweiten Änderungsmöglichkeit zudem sein, dass durch das Entfallen des Kriteriums des Grundrechtsmissbrauchs auch die direkte Verbindung zwischen der Handlung des Betroffenen und dem verwirkten Grundrecht entfiele. Das Bundesverfassungsgericht könnte aber in der Verwirkungsentscheidung sicherstellen, dass nur diejenigen Grundrechte verwirkt werden, bei denen eine hinreichende Verbindung zur erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Betroffenen besteht. Somit dürfte auch die zweite Änderungsmöglichkeit keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. ***