Deutscher Bundestag Möglichkeiten der Abschöpfung von zusätzlichen Gewinnen der Atomwirtschaft zugunsten der Länder Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 256/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 2 Möglichkeiten der Abschöpfung von zusätzlichen Gewinnen der Atomwirtschaft zugunsten der Länder Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 256/10 Abschluss der Arbeit: 15. Juli 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 3 Inhalt 1. Zusammenfassung .............................................................................. 4 2. Sachverhalt ......................................................................................... 4 3. Brennelemente-Steuer ........................................................................ 6 3.1. Besteuerungsgegenstand ................................................................... 6 3.2. Steuerart ............................................................................................ 6 3.3. Verteilung des Steueraufkommens ................................................... 7 4. Sonderabgabe ...................................................................................... 8 4.1. Begriff der Sonderabgabe .................................................................. 8 4.2. Zulässigkeit von Sonderabgaben ...................................................... 9 4.2.1. Investitionshilfeabgabe ..................................................................... 9 4.2.2. „Kohlepfennig“ ............................................................................... 10 4.2.3. Feuerwehrabgabe ............................................................................ 11 4.2.4. Hessisches Sonderurlaubsgesetz .................................................... 11 4.2.5. Abfallausfuhrabgabe ....................................................................... 12 4.3. Sonderabgabe auf Atomstrom? ....................................................... 12 4.4. Verwendung des Aufkommens ....................................................... 13 5. Versteigerung von Lizenzen ............................................................. 13 5.1. Versteigerung der UMTS-Lizenzen ................................................. 13 5.2. Zulässigkeit der Versteigerung von Strommengen? ....................... 14 5.3. Verteilung des Aufkommens .......................................................... 15 6. Gewinnabschöpfung per Vertrag .................................................... 16 6.1. Kompetenz für die Errichtung eines Fonds .................................... 16 6.2. Gesetzliche Ermächtigung .............................................................. 16 6.3. Einfachgesetzliches Kopplungsverbot ............................................ 17 6.4. Verfassungsrechtliches Kopplungsverbot ....................................... 18 6.5. Verhandlungen durch die Länder? ................................................. 19 6.6. Auszahlung der Fondsmittel über die Länder ................................ 20 7. Freiwillige Zahlungsversprechen für den Fall einer Änderung des Atomgesetzes ............................................................ 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 4 1. Zusammenfassung Der Ertrag einer Brennelemente-Steuer stünde ausschließlich dem Bund zu. Will der Bund die Atomwirtschaft mit einer Sonderabgabe belasten, muss er das Aufkommen „gruppennützig“ verwenden, d.h. finanziert werden darf nur, wofür die Atomwirtschaft eine besondere Finanzierungsverantwortung trägt. Sichergestellt werden müsste, dass die Sonderabgabe nicht über die Strompreise auf die Allgemeinheit abgewälzt werden kann. Gegen die Versteigerung von Lizenzen zur Produktion von Atomstrom bestehen Bedenken , weil sie nicht an die Knappheit eines Gutes anknüpfen würde. Der Erlös aus einer solchen Versteigerung stünde dem Bund zu. Die Aufgaben eines Fonds, an den die Atomwirtschaft als Gegenleistung für längere Laufzeiten ihrer Kraftwerke Zahlungen leistet, müssten in einem sachlichen Zusammenhang mit dem durch die Atomkraft bedingten Aufwand der öffentlichen Hand oder den Folgen des Kraftwerksbetriebs für die Allgemeinheit stehen. Diese Aufgaben könnten aufgrund eines Bundesgesetzes auch von den Ländern ausgeführt werden. 2. Sachverhalt Im Jahr 2000 vereinbarte die Bundesregierung mit den Energieversorgungsunternehmen die geordnete Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität unter Sicherstellung des geordneten Betriebes der Kernkraftwerke für die verbleibende Nutzungsdauer.1 Per Gesetz vom 22. April 2002 wurde diese Vereinbarung von Seiten des Gesetzgebers umgesetzt.2 Es wurde die normative Grundsatzentscheidung getroffen, die Nutzung der Kernenergie nur noch für einen begrenzten Zeitraum hinzunehmen . Unter anderem wurde durch Änderung des § 7 des damaligen Atomgesetzes3 die Erteilung von Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen für neue Atomanlagen ausgeschlossen und bestimmt, dass die Berechtigungen zum Leistungsbetrieb der bestehenden kommerziellen Reaktoren mit Erreichung bestimmter Elektrizitätsmengen erlöschen.4 Mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) vom 8. Juli 20045 ist in Deutschland der Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen eingeführt worden . Die Emission von Treibhausgasen wurde in ein kostenpflichtiges Gut verwandelt, 1) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umwelt Nr. 7-8/2000, S. I bis IX (Sonderteil). 2) Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergie zur gewerblichen Nutzung von Elektrizität vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1351). 3) Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz ) vom 23. Dezember 1959 in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), vorher zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3586). 4) Gesetzesbegründung vom 11. 9. 2001, Drs. 14/6890, S. 1, 13 ff. 5) Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft vom 8. Juli 2004 (BGBl. I S. 1578). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 5 indem die Emission solcher Gase an den Besitz von Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen geknüpft wurde.6 Die Stromerzeuger haben in der Folge die Opportunitätskosten für Emissionsrechte auf die Strompreise übergewälzt. Dies hat insbesondere der Kernenergiewirtschaft, die weitgehend emissionsfrei ist, erhebliche Zusatzgewinne beschwert (windfall profits).7 Im Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode des Bundestages ist verabredet worden, „die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern.“ Das Neubauverbot im Atomgesetz soll bestehen bleiben und mit den Betreibern unter anderem ein „Vorteilsausgleich“ für die Laufzeitverlängerung vereinbart werden.8 Ein Gesetzentwurf zur Umsetzung dieser Passage des Koalitionsvertrages ist noch nicht vorgelegt worden. Wie der Ausgleich des Vorteils aus einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken konkret aussehen soll, ist bisher nicht bekannt. Diskutiert werden folgende Varianten : - Kernbrennelemente-Steuer, - Sonderabgabe, - Versteigerung von Lizenzen zur Erzeugung zusätzlicher Strommengen aus Atomkraft, - Kopplung der Erteilung oder Änderung einer atomrechtlichen Genehmigung an die Zahlung des Kraftwerkbetreibers an einen Fonds, - freiwilliges Zahlungsversprechen der Atomwirtschaft gegenüber der Bundesrepublik Deutschland oder einem mit Rechtspersönlichkeit zu versehenden Fonds unter der Bedingung einer Änderung des Atomgesetzes. Im Land Baden-Württemberg wird nach Möglichkeiten gesucht, auch den Ländern Vorteile aus einer Laufzeitverlängerung zukommen zu lassen.9 6) Begründung des Gesetzentwurfs, Drs. 15/2328, S. 7. 7) Antwort der Bundesregierung vom 28. Oktober 2008, Drs. 16/10715, Nr. 11; Bundeskartellamt, Sachstandspapier zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Sachen Emissionshandel und Strompreisbildung, 20. März 2006; Kempfert, DIW, Energiepolitik sozial und ökologisch gestalten, 2006; Schafhausen, Perspektiven des Emissionshandels aus deutscher Sicht, DIW, Vierteljahreshefte 76 (2007), S. 99; Matthes, Die Gewinnmitnahmen deutscher Stromerzeuger in der zweiten Phase des EU-Emissionshandelssystems (2008-2012), Ökoinstitut e.V. Freiburg, 2008; Beschlüsse der Bundesregierung vom 7. Juni 2006: Die Grundpfeiler unserer Zukunft stärken, S. 3, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/2010/2010-06-07-eckpunktekabinett ,property=publicationFile.pdf. 8) Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Wahlperiode vom 26. Oktober 2009, http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf, S. 29/132. 9) Antrag der Abg. Rülke u.a. FDP/DVP und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums, Landtags- Drs. 14/6078. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 6 3. Brennelemente-Steuer 3.1. Besteuerungsgegenstand Diskutiert werden eine Steuer auf den Verbrauch nuklearer Brennstäbe und eine Steuer, die auf den damit erzeugten Strom erhoben werden soll. In seinem Hintergrundpapier zum beschleunigten Atomausstieg vom 10. Juli 2009 legte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Eckpunkte eines Kernbrennstoffsteuergesetzes vor.10 Vorgeschlagen wurde, den Einsatz von Uran-235 und von Plutonium-239 in MOX-Brennstäben zu besteuern. Der Steuertarif sollte an der eingesetzten Masse der genannten Stoffe ansetzen. Vereinzelt wird auch davon gesprochen, die mit Kernkraft erzeugte elektrische Energie zu besteuern.11 3.2. Steuerart Beide Varianten sind als Verbrauchsteuer zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung sind Verbrauchsteuern „Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer , regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten.“12 Während bei Verkehrssteuern (z.B. Versicherungssteuer , Wechselsteuer etc.) wertbezogene Steuermaßstäbe vorherrschen, sind Verbrauchsteuern regelmäßig durch mengenbezogene Bemessungsmaßstäbe gekennzeichnet.13 Als Besteuerung des Verbrauchs werden sie in der Regel bei demjenigen Unternehmer erhoben , der das Verbrauchsgut für die allgemeine Nachfrage anbietet, sind aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt. Die Verbrauchsteuer knüpft an das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr an, ohne aber – wie die Verkehrsteuern – im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner zu erfassen .“14 Der Begriff der Verbrauchsteuer umfasst nicht nur Steuern auf Güter des „letzten“ Verbrauchs , das heißt die Belastung des Verbrauchs im privaten Haushalt, sondern betrifft auch den produktiven Bereich. Möglich ist auch das Anknüpfen einer Verbrauchsteuer an ein Produktionsmittel, etwa an Rohstoffe.15 Entstehungstatbestand kann die Entnahme eines Wirtschaftsgutes aus einem Versorgungsnetz oder dessen Überführung oder Entnahme in den freien Verkehr sein; maßgeblich ist, dass der Verbrauch besteuert wird. Angelegt für die Überwälzung auf den Verbraucher ist die Steuer dann, wenn die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung 10) http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/hintergrund_atomkraft_lang_bf.pdf. 11) so wohl Clifford Change, Presseinformation vom 5. Juli 2010. 12) BVerfGE 98, 106 [123 f.]; BVerwGE 96, 272 [281]. 13) BVerwGE 96, 272 [281]. 14) BVerfGE 98, 106 [123 f.]; 110, 274 [295]; BVerwGE 96, 272 [281]; BFHE 110, 213. 15) BVerfGE 110, 274 [296]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 7 in dem Sinne besteht, „dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen – Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten – treffen kann.“ Nicht erforderlich ist, dass die Überwälzung in jedem Einzelfall gelingt.16 Typische Verbrauchsteuern sind die Strom- und Mineralölsteuer17, die Tabak-, Kaffee-, Tee-, Zucker-, Salz-, Bier-, Schaumwein-, Zündwaren-, Leuchtmittel-, Spielkartensteuer18 sowie verschiedene Alkoholsteuern.19 Allen diesen Steuern gemein ist die Erhebung an der Quelle, d.h. beim Hersteller bzw. bei der Einfuhr. 20 Die von Bundesumweltministerium vorgeschlagene Variante knüpft die Besteuerung an den mengenmäßig bestimmten Verbrauch von Rohstoffen (Uran und Plutonium), die als Produktionsmittel eingesetzt werden sollen, um elektrische Energie zu gewinnen. Das Verbrauchsgut – die elektrische Energie – soll in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr eingebracht werden. Das steuerpflichtige Energieunternehmen kann die ihm durch die Brennelemente-Steuer entstehenden Kosten auf den Strompreis aufschlagen. Die zweite Variante – Besteuerung der erzeugten elektrischen Energie – knüpft an die Verbringung eines mengenmäßig bestimmten Wirtschaftsgutes in den Verkehr an. Sie entspricht einer besonderen Stromsteuer (vgl. § 5 Stromsteuergesetz21). 3.3. Verteilung des Steueraufkommens Verbrauchsteuern stehen nach Artikel 106 Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz (GG)22 mit Ausnahme der Biersteuer, der Einfuhrumsatzsteuer und örtlichen Verbrauchsteuern in der alleinigen Ertragshoheit des Bundes.23 Das Aufkommen aus einer Brennelemente-Steuer stünde ausschließlich dem Bund zu. 16) BVerfGE 110, 274 [295]. 17) BVerfGE 110, 274 [295]. 18) BFHE 110, 213. 19) BVerfGE 27, 375 [383]; Jachmann, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage , München 2005, Bd. 3, Art. 105, Rn. 55; Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage , München 2009, Art. 105, Rn. 37. 20) BFHE 110, 213. 21) Stromsteuergesetz (StromStG) vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 378), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1870). 22) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2248). 23) Maunz, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lieferung 33, November 1997, Art. 106, Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 8 4. Sonderabgabe Erwogen wird, die aus einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken resultierenden zusätzlichen Gewinne der Atomwirtschaft durch eine Sonderabgabe abzuschöpfen . 4.1. Begriff der Sonderabgabe Eine Sonderabgabe ist ein Finanzierungsmittel für eine öffentliche Aufgabe, die außerhalb der Finanzverfassung des Grundgesetzes steht.24 Typisch für sie ist zum einen, dass ihr Aufkommen nicht in den Haushaltsplan eingestellt wird25, sondern in einen „Parafiskus “ fließt.26 Zum andern wird nicht die Allgemeinheit der Steuerzahler, sondern es werden die Angehörigen einer bestimmten Gruppe belastet.27 Als Sonderabgaben in diesem Sinne angesehen hat das Bundesverfassungsgericht die Berufsbildungsabgabe28, die Schwerbehindertenabgabe29, die Investitionshilfeabgabe30, den „Kohlepfennig“31, die Feuerwehrabgaben in Baden-Württemberg und Bayern32, die Ausgleichsabgabe nach dem hessischen Sonderurlaubsgesetz33, die Altenpflegeumlage34 und wohl auch die Beiträge zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds35. Keine Sonderabgaben sind die Abgaben im Rahmen der Künstlersozialversicherung. Bereits aus dem Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Sozialversicherung sei der Bund zur Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung und damit zur Erhebung von Sozialversicherungsabgaben berechtigt.36 Ebenfalls keine Sonderabgabe ist die Fehlbelegungsabgabe, die der Rückabwicklung staatlich gewährter Subventionsvorteile in Form einer Abschöpfungsabgabe dient. Sie darf unter Inanspruchnahme einer Sachkompetenz der Artikel 73 ff. GG erhoben werden .37 Auch die Erstattungspflicht nach § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der das Risiko der Arbeitslosigkeit von älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmern teilweise dem 24) BVerfGE 91, 186 [202]. 25) BVerfGE 91, 186 [201 f.]. 26) Jachmann, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Auflage, München 2005, Art. 105, Rn. 15. 27) BVerfGE 92, 91 [121]. 28) BVerfGE 55, 274 [297 ff.]. 29) BVerfGE 57, 139 [166]. 30) BVerfGE 67, 256 [278]. 31) BVerfGE 91, 186 [203]. 32) BVerfGE 92, 91 [115]. 33) BVerfGE 101, 141 [146]. 34) BVerfGE 108, 186 [220]. 35) BVerfGE 110, 370 [387 ff.]. Das Gericht ging jedenfalls von einer nichtsteuerlichen Abgabe aus, die weder Beitrag noch Gebühr sei. 36) BVerfGE 75, 108 [148]. 37) BVerfGE 78, 249 [266]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 9 Arbeitgeber überantwortete, wurde nicht als Sonderabgabe beurteilt. Dieser Erstattungspflicht stehe eine „Gegenleistung“ der öffentlichen Hand gegenüber, was die Charakterisierung als Sonderabgabe ausschließe.38 4.2. Zulässigkeit von Sonderabgaben Problematisch sind Sonderabgaben, weil sie mit drei grundlegenden Prinzipien in Konflikt stehen: Sie stellen die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes in Frage, gefährden das Budgetrecht des Parlaments und verschieben „die Belastung der Abgabepflichtigen von der Gemeinlast zu einer die Belastungsgleichheit der Bürger in Frage stellenden besonderen Finanzierungsverantwortlichkeit für eine Sachaufgabe“.39 Zulässig ist eine Sonderabgabe nur unter folgenden Voraussetzungen:40 – Eine Sonderabgabe ist nur zur Verfolgung eines Sachzwecks zulässig, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. In dem Gesetz muss außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung ihres Aufkommens auch die gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich zum Ausdruck kommen. – Die einen Sachbereich gestaltende Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe, die durch eine vorgegebene Interessenlage abgrenzbar ist, in Finanzverantwortung nehmen . Es bedarf einer spezifischen Sachnähe der Abgabepflichtigen zu der zu finanzierenden Aufgabe. – Die belastete Gruppe muss dem verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler und muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der zu finanzierenden Aufgabe haben. Andernfalls muss die öffentliche Angelegenheit im wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden. Verfassungswidrig waren folgende Sonderabgaben: 4.2.1. Investitionshilfeabgabe Das Investitionshilfegesetz (InvHG)41 sah die Erhebung einer rückzahlbaren Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaus vor. Abgabepflichtig waren steuerpflichtige natürliche Personen, Personenvereinigungen, Körperschaften und Vermögensmassen, deren steuerliche Bemessungsgrundlage einen bestimmten Betrag überstieg. Die Förderung des Wohnungsbaus war in dem Gesetz nicht näher geregelt, sondern in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ausgestaltet. 38) BVerfGE 81, 156 [187]. 39) BVerfGE 91, 186 [202]; 101, 141 [147]. 40) BVerfGE 55, 274 [298]; 67, 256 [275]; 82, 159 [179 ff.]; 91, 186 [201 ff.]; 93, 319 [342 f.]; 101, 141 [148]; 108, 186 [215]; 110, 370 [387]. 41) Artikel 10 des Gesetzes vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1857), geändert durch Artikel 36 des Gesetzes vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 10 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgericht regelte das Gesetz weder das Recht der Wirtschaft im Sinne des Artikel 74 Nr. 11 GG noch das Wohnungswesen im Sinne des Art 74 Nr. 18 GG. Aus Artikel 115 Abs. 1 Satz 1 GG ergebe sich keine Ermächtigung für den Bund, die Bürger mit Zwangsanleihen zu belasten. Damit fehle es dem Bund an der Gesetzgebungskompetenz. Die Erhebung der Abgabe wirke weder im Bereich der Wirtschaft noch im Bereich des Wohnungswesens. Die Abgabepflichtigen bildeten keine Gruppe unter Gesichtspunkten, die in der Rechts- und Sozialordnung materiell vorgegeben wären; verbunden seien sie nur durch ihre Körperschaftsteuerpflicht bzw. durch ein bestimmtes Einkommen und die daran anknüpfende Einkommensteuerpflicht. Es bestehe auch keine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem Zweck der Förderung des Wohnungsbaus. Sie stünden diesem Zweck nicht näher als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Die Verwendung des Abgabeaufkommens zur Förderung des Wohnungsbaus liege weder im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen noch nütze sie ihnen.42 4.2.2. „Kohlepfennig“ Der sogenannte Kohlepfennig war ein von den Verbrauchern zu entrichtender Preisaufschlag auf die Strompreise der Energieversorgungsunternehmen (Ausgleichsabgabe nach § 8 des Dritten Verstromungsgesetzes43). Zweck war die Finanzierung des Steinkohleabbaus in Deutschland, der ohne den Kohlepfennig gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig gewesen wäre. Mit seiner Entscheidung vom 11. Oktober 1994 erklärte das Bundesverfassungsgerichts die Erhebung des „Kohlepfennigs“ für verfassungswidrig. Er sei als Sonderabgabe nicht zu rechtfertigen, weil eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet werde, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe treffe, den Steinkohleeinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.44 Maßgeblich war bei dieser Entscheidung, dass die Gesetzeslage einen Elektrizitätsmarkt betraf, in dem die Stromversorger ihre Leistungen aufgrund eines Gebietsmonopols einem Nachfrager anboten, der einem Abnahmezwang unterlag. Insoweit überbrachten die Energieversorgungsunternehmen aufgrund einer rechtlichen Sonderstellung die Abgabenlast an den Endverbraucher, während die Abgabe bei ihnen selbst ein durchlaufender Posten war.45 Das Dritte Verstromungsgesetz sei seiner Zielsetzung, seinem Regelungsgehalt und seinen flankierenden Vorkehrungen nach darauf angelegt, dass die Abgabe auf 42) BVerfGE 67, 256. 43) Gesetz über die weitere Sicherung des Einsatzes von Gemeinschaftskohle in der Elektrizitätswirtschaft vom 13. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3473) in der Fassung vom 17. November 1980 (BGBl. I S. 2137). 44) BVerfGE 91, 186. 45) BVerfGE 91, 186 [205]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 11 den Endverbraucher überwälzt wird.46 Die Abgabe belaste eine Allgemeinheit von Betroffenen ähnlich einer Verbrauchsteuer. 47 4.2.3. Feuerwehrabgabe Die Länder Baden-Württemberg und Bayern erhoben ausschließlich von Männern eine Feuerwehr- bzw. Feuerschutzabgabe. Abgabepflichtig waren Männer eines bestimmten Alters, die nicht in der Feuerwehr oder bestimmten anderen gemeinnützigen Einrichtungen dienten. Die Abgabe sollte einen Ausgleich für den Feuerwehrdienst sein. Daher wurden nur Personen verpflichtet, die nach ihrem körperlichen und geistigen Gesundheitszustand Feuerwehrdienst leisten konnten. Unerheblich war jedoch, ob ein Feuerwehrdienstpflichtiger auf Grund seiner Meldung nicht zur Feuerwehr genommen werden konnte, weil schon genügend Feuerwehrleute vorhanden waren. Das Bundesverfassungsgericht befand, dass die Grundsätze über die finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit „parafiskalischer Sonderabgaben“ auch für landesrechtliche Sonderabgaben Geltung hätten. Für die Zulässigkeit der Sonderabgabe fehle es hier an der erforderlichen Homogenität der in Anspruch genommenen Gruppe und deren besonderen Sachnähe für das Feuerwehrwesen. Die Gruppe der feuerwehrpflichtigen männlichen Gemeindeeinwohner habe keine besondere Sachnähe (Finanzierungsverantwortlichkeit ) zum Feuerwehrwesen. Es sei offensichtlich, dass nicht gerade die feuerwehrdienstpflichtigen Männer ein irgendwie geartetes besonderes Interesse am Brandschutz hätten.48 4.2.4. Hessisches Sonderurlaubsgesetz Das Hessische Sonderurlaubsgesetz sah einen Anspruch auf Gewährung von bezahltem Sonderurlaub zur Mitarbeit in der Jugendarbeit vor. Mit dem Gesetz über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit führte das Land Hessen einen Ausgleichsfonds für diejenigen Arbeitgeber ein, die auf der Grundlage des Gesetzes Sonderurlaub gewähren mussten. Abgabepflichtig waren alle Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitsplätzen. Das Bundesverfassungsgericht hielt diese Abgabe für verfassungswidrig. Bei der Ausgleichsabgabe habe es sich um eine Sonderabgabe gehandelt, weil sie die Abgabenschuldner über die allgemeine Steuerpflicht hinaus belastete, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit suchte und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds vorbehalten gewesen sei. Die Finanzierung der Jugendarbeit sei eine Gemeinlast , die durch Steuern und damit durch die Allgemeinheit zu finanzieren sei, nicht aber einer einzelnen Gruppe überbürdet werden dürfe. Die hessischen Arbeitgeber treffe keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Jugendarbeit in Hessen.49 46) BVerfGE 91, 186 [203]. 47) BVerfGE 91, 186 [205 f.]. 48) BVerfGE 92, 91. 49) BVerfGE 101, 141. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 12 4.2.5. Abfallausfuhrabgabe Der „Solidarfonds Abfallrückführung“50 sah eine Abgabepflicht zur Finanzierung der Kosten staatlicher Abfallrückführung vor. Hintergrund war das Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung. Nach diesem Abkommen hat ein Ausfuhrstaat Sorge zu tragen, dass gefährliche Abfälle unter bestimmten Bedingungen zurückgeführt werden . Die an den Solidarfonds zu leistende Abgabe diente der Deckung von Kosten, die als Folge normwidrigen Verhaltens von Abfallexporteuren durch die Pflicht zur Rückführung exportierter Abfälle entstehen können, für deren Erfüllung die Vertragsstaaten des Basler Übereinkommens eine Garantenstellung übernommen hatten. Der Abfallausfuhrabgabe fehlte es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an der hinreichenden Gruppennützigkeit und damit einem gegenüber der Steuer unterscheidungskräftigen Rechtfertigungsgrund für die Erhebung einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck . Die größere Nähe der abgabepflichtigen Unternehmen zum Exportmarkt für Abfälle lasse keinen Schluss auf eine korrespondierende Sachnähe und Finanzierungsverantwortlichkeit für die Kosten der Rückführung unzulässig exportierten Abfalls zu. Die Sonderabgabe könne nicht mit dem Bedürfnis gerechtfertigt werden, die Beseitigung der Folgen von Fehlverhalten in Fällen zu finanzieren, in denen die in erster Linie Verantwortlichen nicht herangezogen werden könnten; denn betroffen sei nicht die Ausfallverantwortung gerade derjenigen Gruppe, die zur Finanzierung herangezogen werde. Vielmehr belaste sie gerade diejenigen, die ihre Notifizierungspflicht im Zusammenhang mit der Abfallverbringung ins Ausland erfüllten.51 4.3. Sonderabgabe auf Atomstrom? Damit eine Sonderabgabe auf Atomstrom verfassungsrechtlich zulässig wäre, müsste sichergestellt sein, dass ein Sachzweck innerhalb der jeweiligen Gesetzgebungskompetenz verfolgt wird, der über das Erzielen von Einnahmen hinausreicht. Mit der Sonderabgabe müsste bezweckt werden, Ziele in der Atom- oder sonstigen Energiewirtschaft zu erreichen . Das Gesetz müsste einen die Atomwirtschaft regulierenden und lenkenden Inhalt haben („gestaltende Einflussnahme“ 52). Sicherzustellen wäre, dass die Belastungen aus der Abgabe nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden können, indem sie über einen höheren Strompreis refinanziert werden . Für die Erfüllung des Finanzierungszwecks müsste die belastete Atomwirtschaft eine besondere Gruppenverantwortung tragen. In Betracht kommt etwa die Heranziehung der Atomwirtschaft für den Rückbau der Kraftwerke und die Endlagerung der Abfälle oder sonstige ausschließlich mit der Atomkraft in Verbindung stehende Belastungen für die Allgemeinheit. 50) Artikel 1 § 8 des Ausführungsgesetzes zum Basler Übereinkommen vom 30. September 1994 (BGBl. I S. 2771). 51) BVerfGE 113, 128. 52) BVerfGE 67, 256 [275]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 13 Die Sachgesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Kernenergie steht nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ausschließlich dem Bund zu. Damit dürfte auch nur der Bund eine Sonderabgabe auf diesem Gebiet erheben. 4.4. Verwendung des Aufkommens Das Aufkommen aus einer Sonderabgabe darf nur für den mit der Erhebung verfolgten Zweck und nur „gruppennützig“ verwendet werden.53 Eine Zuführung des Aufkommens in die Haushalte der Länder wäre damit ausgeschlossen. 5. Versteigerung von Lizenzen Erwogen wird, Betriebsgenehmigungen zur Kernenergieerzeugung oder zusätzlich produzierbare Strommengen nach dem Vorbild der Versteigerung von UMTS-Lizenzen zu versteigern.54 5.1. Versteigerung der UMTS-Lizenzen Im Juli und August 2000 versteigerte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post als Bundesoberbehörde aufgrund von § 11 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 199655 Lizenzen für Frequenzen für das Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) für ca. 100 Milliarden DM.56 Nach§ 2 Abs. 2 Satz 4 der Haushaltsgesetze 200057 und 200158 wurde das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt , die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in diesen Haushaltsjahren zur Tilgung von Schulden des Bundes zu verwenden.59 Nach Auskunft der damaligen Bundesregierung flossen die mit der Vergabe der UMTS- Lizenzen erzielten Erlöse dem Bund zu, da der Bund für die Vergabe der Lizenzen zuständig gewesen sei.60 Das Bundesverfassungsgericht verwarf die Anträge der Länder Baden -Württemberg und Hessen festzustellen, dass die Länder an den Erlösen zu beteiligen seien. Artikel 106 und Artikel 107 GG grenzten die Ertragszuständigkeiten für Steuern und Finanzmonopole im Verhältnis zwischen Bund und Ländern sowie im Verhältnis zwischen den Ländern untereinander ab. Für Einnahmen, die nicht aus Steuern oder Fi- 53) BVerfGE 82, 159 [169]. 54) Financial Times Deutschland vom 13. Juli 2010, Atomstrom per Auktion. 55) BGBl. I S. 1120. 56) Zu den Einzelheiten des Verfahrens siehe: Koenig/Neumann, Telekommunikationsrechtliche Optimierung künftiger Lizenz- und Frequenz-Versteigerungen, ZRP 2001, S. 252 [253 ff.]. 57) Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2561). 58) Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1920). 59) Kritisch dazu: Semler, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG: Alle Fragen offen, NVwZ 2003, S. 1304; Ritgen, Versteigerung von Funkfrequenzen und Vergabe von Telekommunikationslizenzen, AöR 127 (2002) S. 351. 60) PSt Hendricks, Drs. 14/4055, Schriftliche Frage Nr. 54 (S. 33). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 14 nanzmonopolen stammten, bei denen vielmehr ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe oder Tätigkeit bestehe, folge die Ertragszuständigkeit mangels anderweitiger Regelung grundsätzlich der jeweiligen Verwaltungszuständigkeit für die Sachaufgabe, für die die Abgabe erhoben werde. Für den Sachbereich der Telekommunikation komme dem Bund gemäß Artikel 73 Nr. 7 GG die Gesetzgebungszuständigkeit und gemäß Artikel 87f GG die Verwaltungszuständigkeit zu.61 Eine genaue rechtliche Einordnung der Erlöse aus der Versteigerung nahm das Bundesverfassungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit nicht vor. Es stellte lediglich fest, dass die Versteigerungserlöse den in Artikel 106 Abs. 3 GG behandelten Steuerarten nicht vergleichbar seien.62 5.2. Zulässigkeit der Versteigerung von Strommengen? In der juristischen Literatur ist die Zuteilung knapper Güter durch den Staat im Wege der Versteigerung, insbesondere am Beispiel der UMTS-Lizenzen sehr kontrovers diskutiert worden.63 Ob die Versteigerung von Genehmigungen zur Produktion bestimmter Strommengen mittels Kernkraft verfassungsrechtlich zulässig wäre, ist bisher weder gerichtlich entschieden noch in der rechtswissenschaftlichen Literatur hinreichend erörtert worden. Mit der Vergabe von UMTS-Lizenzen wäre die Erteilung von atomrechtlichen Betriebsgenehmigungen im Wege der Versteigerung nicht vergleichbar. Grund und Voraussetzung für die Versteigerung der UMTS-Lizenzen war nach § 10 TKG in der damaligen Fassung, dass „für eine Lizenzerteilung nicht in ausreichendem Umfang Frequenzen entsprechend dem Frequenznutzungsplan vorhanden sind“. Die objektiv die Berufszulassung beschränkende Wirkung der Versteigerung der Lizenzen war nur wegen der technisch bedingten und durch Frequenzbewirtschaftung zu bewältigenden Knappheitssituation mit Artikel 12 GG vereinbar.64 An einer vergleichbaren physikalischen oder technischen Knappheit der Produktions- oder Vertriebsfaktoren für Atomstrom fehlt es. 61) BVerfGE 105, 185 [193]. 62) BVerfGE 105, 185 [194]. 63) Berg, Der Staat 1976, S. 1; Tomuschat, Der Staat 1973, S. 433; Selmer/Brodersen, Grundrechtskonforme “Verwaltung des Mangels” und Gebührenrecht, dargestellt an einem Beispiel aus dem Fernmeldegebührenrecht , NJW 1983, S. 1088; Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, 1994; Badura, in: Festschr.f. Friauf, 1996, S. 529; Voßkuhle, Die Verwaltung 1999, S. 21; Pöcker, Rechtsschutzfragen bei Verteilungsentscheidungen der öffentlichen Hand, NVwZ, 2003, S. 688; Schumacher , Versteigerungserlöse nach § 11 TKG als Verleihungsgebühr?, NJW 2000, S. 3096; Kötter, Wettlauf der Abgabepflichtigen?, DVBl. 2001, S. 1156; Faber, Die Verteilung knapper öffentlicher Güter durch Höchstgebot, GewArch 2002, S. 264; Hufeld, JZ 2002, S. 871; Becker, Die Verwaltung 2002, S. 1 (6 ff.); Kämmerer, NVwZ 2002, S. 161; Ritgen, Versteigerung von Funkfrequenzen und Vergabe von Telekommunikationslizenzen, AöR 127 (2002), S. 351. 64) Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG: Alle Frage bleiben offen, NVwZ 2003, S. 1304 [1310]. Zu der Knappheit der Luft im Rahmen des CO2-Emissionshandels: Martini/Gebauer, „Alles umsonst?“ Zur Zuteilung von CO2-Emissionszertifikaten: Ökonomische Idee und rechtliche Rahmenbedingungen , ZUR, 2007, S. 225 [232 f.]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 15 Die Genehmigungsbedürftigkeit des Betriebes von Atomkraftwerken rechtfertigt sich vielmehr aus den für erforderlich gehaltenen Sicherheitsanforderungen (Vgl. § 1 Nr. 2 und 3 des Atomgesetzes65) und dient dem Grundrechtsschutz Dritter vor den Gefahren der Atomkraft.66 Die Verknüpfung von Atomgenehmigungen mit zu erzielenden Versteigerungserlösen dürfte sachwidrig und damit willkürlich sein.67 Offen ist auch, was die Ersteigerung einer Lizenz zur Produktion von Atomstrom für später notwendig werdende zusätzliche Sicherheitsauflagen oder den Entzug der Betriebserlaubnis bzw. eine Stilllegungsverfügung bedeuten könnte. Unzulässig wäre die Erteilung von Genehmigungen im Versteigerungswege, wenn hierdurch die Freiheit des Gesetzgebers , die ihm obliegende grundsätzliche Entscheidung für oder gegen die Nutzung der Kernenergie zu korrigieren, für die Zukunft einschränken würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist „die normative Grundsatzentscheidung für oder gegen die rechtliche Zulässigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland […] wegen ihrer weitreichenden Auswirkungen auf die Bürger, insbesondere auf ihren Freiheitsbereich und ihren Gleichheitsbereich, auf die allgemeinen Lebensverhältnisse und wegen der notwendigerweise damit verbundenen Art und Intensität der Regelung eine grundlegende und wesentliche Entscheidung im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes. Sie zu treffen ist allein der Gesetzgeber berufen.“68 Im Bereich der Nutzung der Kernenergie muss der Gesetzgeber diese Grundsatzentscheidung in der Zukunft ändern können. „Hat der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen, deren Grundlage durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehenden Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, dann kann er von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist.“69 5.3. Verteilung des Aufkommens In seiner Entscheidung zu den UMTS-Lizenzen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt , fehle es an einer anderweitigen Regelung, folge die Ertragszuständigkeit grundsätzlich der jeweiligen Verwaltungszuständigkeit für die Sachaufgabe, für die die Abgabe erhoben wird.70 65) In der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. März 2009 (BGBl. I S. 556). Siehe auch: BVerfGE 49, 89 [129]. 66) BVerfGE 49, 89 [137, 140 f.]. 67) Vgl. für die Zuteilung von CO2-Emissionszertifikaten: Martini/Gebauer, „Alles umsonst?“ Zur Zuteilung von CO2-Emissionszertifikaten: Ökonomische Idee und rechtliche Rahmenbedingungen, ZUR, 2007, S. 225 [231]. Zur Unzulässigkeit eines staatlichen Monopols auf Sportwetten aus rein fiskalischen Gründen: BVerfGE 115, 276 [307]. 68) BVerfGE 49, 89 [127 f.]. 69) BVerfGE 49, 89 [130]. 70) BVerfGE 105, 185 [193]; im Ergebnis zustimmend: Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG: Alle Frage bleiben offen, NVwZ 2003, S. 1304 [1308]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 16 Wäre die Versteigerung von Betriebsgenehmigungen für Atomkraftwerke verfassungsrechtlich zulässig, so stünde dem Bund hierfür nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 14 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Nach Artikel 87c GG kann durch Gesetz bestimmt werden, dass das Atomrecht von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt wird. Damit steht die Verwaltungskompetenz grundsätzlich den Ländern zu. Durch Bundesgesetz kann der Bund nach Artikel 87 Abs. 3 Satz 1 GG aber auch eine selbständige Bundesoberbehörde zur Erfüllung dieser Aufgabe errichten. Dies ist zulässig für Aufgaben , die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittelund Unterbau und ohne Inanspruchnahme der Länder wahrgenommen werden können.71 Der Bundesgesetzgeber hätte es damit theoretisch in der Hand, ob er die Erlöse aus einer Versteigerung von Strommengen dem Bund oder den Ländern zufließen lässt. Schwer vorstellbar ist allerdings, dass die Versteigerung in jedem Land gesondert durch die jeweiligen Landesbehörden erfolgen soll. Sachnäher wäre eine bundesweite Versteigerung durch eine Bundesoberbehörde. In diesem Falle flössen die Erlöse dem Bund zu. 6. Gewinnabschöpfung per Vertrag Denkbar wäre, dass der Gesetzgeber behördliche Entscheidungen, durch die der zulässige Betrieb von Kernkraftwerken zeitlich verlängert wird, von der Zahlung der Betreiber an einen Fonds abhängig macht. Die Mittel des Fonds könnten zweckgebunden für Projekte der Länder vergeben werden. 6.1. Kompetenz für die Errichtung eines Fonds In seiner Entscheidung zu dem Klärschlamm-Entschädigungsfonds aufgrund des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. September 199472 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Kompetenz zur Errichtung eines solchen Fonds folge der Gesetzgebungszuständigkeit nach den Artikeln 70 ff. GG.73 Für das Atomrecht ist der Bund ausschließlich zuständig (Artikel 73 Abs. 1 Nr. 14 GG). In diesem Bereich haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Artikel 71 GG). 6.2. Gesetzliche Ermächtigung Wird bei Erlass eines Verwaltungsakts dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben, ist dies als Auflage nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG74 zu qualifizieren. Eine solche ist nur zulässig, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist.75 Für die 71) BVerfG vom 14. Mai 2007, 1 BvR 2036/05. 72) BGBl. I S. 2705. 73) BVerfGE 110, 370 [384]. 74) Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2827). 75) Im Einzelnen hierzu: Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, 2006, § 22 Rn. 12 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 17 Erteilung einer Auflage müsste also eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsnorm geschaffen werden, für die nur der Bund zuständig wäre (siehe oben). In Betracht kommt auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach § 56 VwVfG. Danach kann sich die Genehmigungsbehörde von dem Genehmigungsadressaten – hier also vom Kraftwerksbetreiber – versprechen lassen, als Gegenleistung für die Erteilung der Genehmigung einen Geldbetrag zu zahlen, wenn die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dient. Hat der Genehmigungsadressat auf die Genehmigung einen Anspruch, kann gemäß § 56 Abs. 2 VwVfG als Gegenleistung nur vereinbart werden, was Inhalt einer Auflage nach § 36 VwVfG sein könnte. Die Erteilung der Betriebsgenehmigung müsste also ins Ermessen der Behörde gestellt oder die Zahlungsauflage gesetzlich zugelassen werden. 6.3. Einfachgesetzliches Kopplungsverbot In jedem Fall müsste die Gegenleistung jedoch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen („Koppelungsverbot“). Durch diese Bestimmung soll einerseits dem „Ausverkauf von Hoheitsrechten“ begegnet werden, andererseits soll der Bürger vor ungerechtfertigten Gegenleistungen geschützt werden.76 Ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung darf eine hoheitliche Entscheidung nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden, es sei denn, erst die Gegenleistung würde ein der Entscheidung entgegenstehendes rechtliches Hindernis beseitigen .77 Das Gebot der Angemessenheit ist eine einfachgesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbots78, hat also auch verfassungsrechtliche Bedeutung. Es soll sicherstellen, dass die Gegenleistung bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig außer Verhältnis zur behördlichen Leistung steht.79 Ein sachlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung kann fehlen, wenn die vom Privaten zu erbringende Leistung einem anderen öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist als die von der Behörde zu erbringende oder in Aussicht gestellte Leistung.80 Ohne sachlichen Zusammenhang steht etwa eine Zahlung des Privaten zugunsten einer beliebigen öffentlichen Aufgabe der Behörde.81 Dient die Genehmigungsnorm der Gewährleistung der Sicherheit der Atomkraft, müsste auch die Zahlung diesem Zweck dienen. Sollen mit der Zahlung etwa erneuerbare Ener- 76) Begründung des Gesetzentwurfs, Drs. 7/910, S. 79 f. 77) BVerwG, NVwZ 2000, 1285 [1287]; BVerwGE 111, 162. 78) BGH, NJW 2002, 429; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, 2006, § 31 Rn. 11. 79) Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, 2006, § 31 Rn. 11. 80) BVerwG, NVwZ 2000, S. 1285 [1287]; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, 2006, § 31 Rn. 11. 81) Begründung des Gesetzentwurfs, Drs. 7/910, S. 80; BVerwG, NVwZ 2000, 1285 [1287]; BVerwGE 111, 162 [169 f.]. Einzelfälle, in denen die Rechtsprechung einen sachlichen Zusammenhang verneint hat, siehe: Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage, München 2001, § 56 Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 18 gien erforscht oder sonst gefördert werden, könnte es am sachlichen Zusammenhang fehlen . Neben § 56 VwVfG finden sich spezialgesetzliche Regelungen des Koppelungsverbotes insbesondere zum Städtebaulichen Vertrag und im Bauplanungsrecht, für den Folgelastvertrag bei Ausweisung neuer Baugebiete (§ 11 Abs. 2 BauGB82), zum Erschließungsvertrag (§ 124 Abs. 3 BauGB) sowie im Landesrecht zu Garagen und Stellplatzersatzverträgen .83 Nach § 11 Abs. 2 BauGB müssen die vereinbarten Leistungen „den gesamten Umständen nach angemessen sein“. Außerdem ist die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Beim Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB müssen die vereinbarten Leistungen „in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen“. § 56 VwVfG und die erwähnten spezialgesetzlichen Bestimmungen sind einfachgesetzlich . Ihre Anwendbarkeit kann durch ein späteres – verfassungskonformes – Gesetz beseitigt werden. 6.4. Verfassungsrechtliches Kopplungsverbot Allerdings stellt sich die Frage, ob ein solches „Koppelungsverbot“ verfassungsrechtlich vorgegeben ist und vom einfachen Gesetzgeber nicht zur Disposition gestellt werden kann. Bereits vor Bestehen des VwVfG ist das Bundesverwaltungsgericht bei öffentlichrechtlichen Verträgen im Baurecht von einem Koppelungsverbot ausgegangen:84 „Als Ausdruck des Koppelungsverbotes wird […] vielfach der Grundsatz verstanden, dass hoheitliche Entscheidungen in der Regel nicht von (zusätzlichen) wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden dürfen.“85 Nur so könne ein „Verkauf von Hoheitsrechten “ vermieden werden. Ein solcher Verkauf führe zu einer „ungerechtfertigten wirtschaftlichen Bereicherung“ der Gemeinde. In der weiteren Begründung differenziert das Gericht zwischen der Gegenleistungsabhängigkeit generell und dem „Verkauf“ von Hoheitsrechten . Verfassungsrechtlich sei dies nur zulässig, soweit die vereinbarte Gegenleistung ein vorweggenommener Ersatz für Aufwendungen der öffentlichen Hand ist, die ursächlich durch das durch die hoheitliche Entscheidung ermöglichte Vorhaben entstehen . „Die Wahrung des Erfordernisses der Ursächlichkeit lässt sich von den am Vertrag Beteiligten nur übersehen, - [...] - wenn sich der Vertragswille aller Beteiligten auf bestimmte Zusammenhänge zwischen dem [Vorhaben] und den dadurch veranlassten […] 82) Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585). 83) Zahlreiche Beispiele öffentlich-rechtlicher Verträge finden sich bei: Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage, München 2001, § 54 Rn. 80 ff.; vgl. auch Bonk, § 56 Rn. 60. 84) BVerwGE 42, 331 [338 f.]; so auch: BVerwG, NVwZ, 2000, S. 1285 [1287]; BVerwGE 111, 162. 85) BVerwGE 42, 331 [339]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 19 Kosten bezieht. Dem ist genügt, wenn die vereinbarten Beträge durch den Vertrag in bestimmter Höhe bestimmten Folgemaßnahmen zugeordnet werden.“86 Im Anschluss an diese Entscheidung sah das Bundesverwaltungsgericht das Koppelungsverbot verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verankert. Dieses Prinzip besage , dass „durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nichts miteinander verknüpft werden darf, was nicht ohnedies zueinander in einem inneren Zusammenhang steht.“ Hoheitliche Entscheidungen dürften „in der Regel nicht von (zusätzlichen) wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden“. Liegen spezialrechtliche Vorschriften zu der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung vor, die eingehalten werden, greife das allgemeine Koppelungsverbot, wo die vertraglich vorgenommene Verknüpfung „aus rechtsstaatlichen Gründen nicht mehr toleriert werden kann“.87 Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen.88 Für Zahlungsauflagen im Zweckentfremdungsrecht bei Wohnraum hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, Zahlungen dürften nur zur Auflage gemacht werden, um die „durch die Zweckentfremdung bedingte[n] Mehraufwendungen der Allgemeinheit […] teilweise zu kompensieren. In jedem Falle sind es allein die von dem Vorhaben ausgehenden Nachteile […], die […] den Grund, aber auch die Grenze kompensatorischer Entscheidungen zu Lasten des Eigentümers bilden.“89 Das Bundesverfassungsgericht hat hier allerdings kein aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitendes allgemeines Koppelungsverbot erörtert, sondern sah in dem entschiedenen Fall einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Eigentums. In der Gesamtschau dürfte von einem verfassungsrechtlichen Grundsatz auszugehen sein, der es verbietet, mit einer hoheitlichen Entscheidung eine Verpflichtung oder Auflage zu verknüpfen, wenn jeglicher innerer Zusammenhang fehlt. Soll die Ermöglichung der Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten durch Behördenentscheidung von einer Verpflichtung zur Einzahlung in einen Fonds abhängig gemacht werden, müsste ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem durch die Atomkraft bedingten Aufwand der öffentlichen Hand oder den Folgen des Kraftwerksbetriebs für die Allgemeinheit mit den Aufgaben des Fonds dargetan werden. 6.5. Verhandlungen durch die Länder? Ohne ausdrückliche Ermächtigung durch ein Bundesgesetz sind die Länder nicht befugt, mit der Atomwirtschaft über einen Fonds als Gegenleistung für Laufzeitverlängerungen zu verhandeln (siehe oben: 6.1 und 6.2, S. 16 f.).90 86) BVerwGE 42, 331 [343]. 87) BVerwG, DÖV 1979, S. 756 [757]. 88) Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage, München 2001, § 56 Rn. 3 f., 49 m.w.N.w. 89) BVerfGE 55, 249 [259]. 90) Das strebt offenbar der Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Pfister, an: Die Zeit vom 4. Juli 2010, Fraktionschefs gegen Röttgen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 20 6.6. Auszahlung der Fondsmittel über die Länder Nicht entscheidend sein dürfte der Verwaltungsträger für die Erfüllung der Aufgaben des Fonds. Aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich wäre es, wenn der Bund einen Fonds einrichtet, der Projekte der Länder, die in sachlichem Zusammenhang mit den Belastungen durch die Atomkraft und deren Folgen steht, finanziert. 7. Freiwillige Zahlungsversprechen für den Fall einer Änderung des Atomgesetzes Die Bundesregierung könnte mit der Atomwirtschaft eine freiwillige, aber verbindliche Vereinbarung treffen, nach der die Atomwirtschaft im Falle einer die Kraftwerkslaufzeit verlängernden Gesetzesänderung an einen einzurichtenden Fonds bestimmte Geldzahlungen leistet.91 Selbstverpflichtungen sind seit Mitte der siebziger Jahre ein verbreitetes Instrument insbesondere der Umweltpolitik.92 Sie finden in der Regel in Form von einseitigen Erklärungen von Branchenverbänden oder einzelnen Unternehmen statt. Bekannt sind aber auch vertragliche Bindungen zwischen den betreffenden Verbänden oder Unternehmen, teilweise auch gegenüber Ministerien.93 Jeder Privatpeson und jeder juristischen Person des Privatrechts steht es frei, sich zu einer Leistung zu verpflichten.94 Das ist sogar losgelöst von einer vertraglichen Grundlage möglich. Zur Gültigkeit eines solchen abstrakten Schuldversprechens ist nach § 780 BGB95 lediglich die Schriftform erforderlich.96 Ein solches Leistungsversprechen kann auch unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) abgegeben werden.97 Kraftwerksbetreiber könnten sich zu einer Zahlung eines festen oder laufenden Geldbetrages verpflichten für den Fall, dass sich die im Atomgesetz festgeschriebenen Reststrommengen erhöhen. Ein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes, nach dem entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts normative Grundsatzentscheidungen über die Nutzung der Kernenergie wegen ihrer weitreichenden Auswirkungen auf die Bürger eines Gesetzes bedürfen,98 liegt nicht vor. Die Entscheidung über eine Verlängerung der 91) Zur Rechtsnatur einer solchen Vereinbarung und ihrer rechtlichen Bindungswirkung vgl. BVerfGE 104, 249 [268]; Kloepfer, Rechtsfragen zur geordneten Beendigung gewerblicher Kernenergienutzung in Deutschland – Umkehrbarkeit und Strommengenübertragungen beim Atomausstieg, DVBl. 2007, S. 1189 [1191 f.]. 92) Umweltgutachten 1998 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Drs. 13/10195, S. 130, mit zahlreichen Beispielen. 93) Umweltgutachten 1998 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Drs. 13/10195, S. 132. 94) Handels- und gesellschaftsrechtliche, insbesondere aktienrechtliche Aspekte sind für die hier zu erörternde Frage irrelevant. 95) Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. September 2009 (BGBl. I S. 3161). 96) Zu einem öffentlich-rechtlichen Schuldversprechen nach § 781 BGB, siehe: BVerwGE 96, 326. 97) BGH vom 16. 3. 2004 – XI ZR 169/03; Meder, WM 2002, S. 1993 [1996]. 98) BVerfGE 49, 89 [127]; 56, 54 [63 ff.]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 256/10 Seite 21 Nutzung der Kernkraft ergeht erst mit einem Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes. Das Zahlungsversprechen der Atomwirtschaft löst keine atomrechtlichen Wirkungen aus. Dem Gesetzgeber steht es frei, unter Berücksichtigung der Folgen eines bedingt abgegebenen Zahlungsversprechens das Atomgesetz in der erwarteten Weise zu verändern oder nicht.99 Eine rechtswidrige Umgehung des Kopplungsverbots dürfte in einer solchen (freiwilligen ) bedingten Selbstverpflichtung nicht zu sehen sein. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit erscheint es unbedenklich, wenn Unternehmen sich in der Erwartung oder für den Fall gesetzgeberischen Handeln wirtschaftlich verhalten. Ebenso wenig dürfte es problematisch sein, wenn der Gesetzgeber auf das Verhalten privater Unternehmen reagiert. So hat der Verordnungsgeber mit der Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackVO) vom 12. Juni 1991100 den Handel grundsätzlich verpflichtet, Verpackungen zurückzunehmen, ihm aber gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, sich durch Beteiligung an flächendeckenden neuen Sammel- und Verwertungssystemen („Duale Entsorgungssysteme“) von dieser Verpflichtung zu befreien.101 Die Bundesregierung ging davon aus, dass ein Teil der Ziele der Verordnung freiwillig umgesetzt wird.102 Als die mit der Verordnung angestrebte Mehrwegquote von 72 % in den Getränkebereichen verfehlt wurde, wurde die Pfandpflicht in Vollzug gesetzt.103 Entsprechend könnte der Bundesgesetzgeber den Vollzug der Reststrommengenbegrenzung von der Schaffung eines Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien abhängig machen . 99) Klöck, Der Atomausstieg im Konsens – ein Paradefall des umweltrechtlichen Kooperationsprinzips?, NuR 2001, S. 1 [3]. 100) BGBl. I S. 1234; geändert durch Verordnung vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379). 101) Begründung des Verordnungsentwurfs, BRats-Drs. 817/90, S. 27. 102) Begründung des Verordnungsentwurfs, S. 28. 103) Entwurf einer zweiten Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 18. Mai 2001, BRats-Drs. 361/01; Trittin, BMin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BRat-PlenProt 766, S. 351.