© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 255/15 Auswirkungen begangener Straftaten auf den Aufenthalt von Ausländern in der Bundesrepublik Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 2 Auswirkung begangener Straftaten auf den Aufenthalt von Ausländern in der Bundesrepublik Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 255/15 Abschluss der Arbeit: 29. Oktober 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Begriffe 4 1.2. Rechtsfolgen der Straffälligkeit 5 2. Schutzstatus und Straffälligkeit 5 2.1. Asylberechtigung und Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention 6 2.1.1. Konzept der Asylunwürdigkeit 6 2.1.2. Gefahr für die Bundesrepublik 7 2.2. Internationaler subsidiärer Schutz 8 2.3. Nationaler subsidiärer Schutz 8 2.4. Widerruf 9 3. Aufenthaltsberechtigung und Straffälligkeit 9 3.1. Ausschluss der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung wegen Straffälligkeit 10 3.2. Erlöschen der Aufenthaltsberechtigung durch Ausweisung 10 4. Duldung und Straffälligkeit 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 4 1. Einleitung Es wird um die Prüfung der Fragen gebeten, bei welchen Straftaten/Verurteilungen ein Asylbewerber bzw. Flüchtling unter der Genfer Flüchtlingskonvention sein Grundrecht auf Asyl bzw. sein Aufenthaltsrecht „verwirkt“ (1), bei welchen Straftaten/Verurteilungen ein Asylant bzw. Inhaber eines anderen Aufenthaltstitels sein Aufenthaltsrecht „verwirkt“ (2) und nach welchen Regelungen ein ausreisepflichtiger Ausländer in Folge einer in Deutschland begangenen Straftat daraus ein Abschiebungshindernis geltend machen kann (3). 1.1. Begriffe Die Verwirkung ist weder im Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) noch im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Lediglich Art. 18 Satz 1 GG erwähnt die Verwirkung des Asylrechts bei dessen Missbrauch zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung; diese Verwirkung kann jedoch nur durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden (Art. 18 Satz 2 GG)1. Auch der allgemeine, für die die gesamte Rechtsordnung geltende2 Verwirkungsbegriff3 passt systematisch nicht zu den in den Fragen angesprochenen Konstellationen4. Weiterhin haben die in den Fragen angesprochenen Begrifflichkeiten unterschiedliche rechtliche Bedeutung. Asylbewerber, Flüchtling unter der Genfer Flüchtlingskonvention, Grundrecht auf Asyl und Asylant betreffen den Schutzstatus eines Ausländers; das Aufenthaltsrecht und der Aufenthaltstitel seine Aufenthaltsberechtigung und das Abschiebungshindernis die vorübergehende Aussetzung seiner Abschiebung (Duldung). Der Schutzstatus ist keine Aufenthaltsberechtigung. Als Folge der Zuerkennung des Schutzstatus kann dem Ausländer aber eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden (vgl. § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG). Eine Aufenthaltserlaubnis kann aber auch unabhängig von der Zuerkennung des Schutzstatus erteilt werden (vgl. §§ 24 ff., 25 Abs. 4 bis 5 AufenthG). Der Aufenthalt eines Ausländers , der über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt, ist rechtswidrig (vgl. § 51 AufenthG). Insoweit ist der Ausländer zur Ausreise verpflichtet (vgl. § 50 AufenthG). Kommt er dieser Ausreisepflicht nicht nach, kann unter den Voraussetzungen des § 58 AufenthG seine Abschiebung erfolgen. Die Abschiebung ist die Vollziehung der Ausreisepflicht als aufenthaltsbeendende 1 Dieses „Monopol des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dadurch gegenstandlos gemacht werden, dass der Gesetzgeber – oder im Wege der Auslegung die Rechtsprechung – Tatbestände schafft, deren Rechtsfolgen der Verwirkung von Grundrechten gleichkommen“, vgl. BVerfGE 63, 266 (306 f.). Im Rechtsleben kommt Art. 18 GG nur geringe praktische Bedeutung zu, vgl. Pagenkopf, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 7. Auflage 2014, Art. 18 Rn. 7. 2 Vgl. BVerwGE 108, 93 – juris Rn. 31. 3 Pagenkopf, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 7. Auflage 2014, Art. 18 Rn. 13 spricht vom allgemeinen Verwirkungsbegriff des Zivil- und Verwaltungsrechts; für die Unterscheidung nur zum zivilrechtlichen Verwirkungsbegriff Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 58. Lieferung April 2010, Art. 18 Rn. 22. 4 Nach diesem darf ein Recht nicht mehr ausgeübt werden, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen; erforderlich ist also immer ein zeitliches und ein Vertrauensmoment, vgl. nur BVerwGE 108, 93 – juris Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 5 Maßnahme gegenüber einem sich im Bundesgebiet aufhaltenden ausreisepflichtigen Ausländer5. Die hierein liegende Vollziehung der Ausreisepflicht ist jedoch unter den Voraussetzungen des § 60a Abs. 1 bis 2b AufenthG auszusetzten. In diesem Fall verfügt der Ausländer über eine Duldung, bleibt aber ausreisepflichtig (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Die Duldung „erschöpft sich in dem zeitlich befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht“6, sie vermittelt kein Aufenthaltsrecht7. 1.2. Rechtsfolgen der Straffälligkeit Unter welchen Voraussetzungen die Straffälligkeit eines Ausländers dazu führt, dass er tatsächlich zur Ausreise aus dem Bundesgebiet gezwungen werden kann, lässt sich abstrakt-generell kaum feststellen. Zunächst kann dieselbe Straffälligkeit ganz unterschiedliche Rechtsfolgen für den Schutzstatus, die Aufenthaltsberechtigung oder die Duldung eines Ausländers haben. Bei einem einmal anerkannten Schutzstatus liegen die Grenzen, die erfüllt sein müssen, damit der Ausländer das Bundesgebiet tatsächlich verlassen muss, weiteraus höher als bei Ausländern, denen der Schutzstatus nicht zuerkannt wurde. Bestimmte Straffälligkeiten können jedoch auch dazu führen, dass dem Ausländer der Schutzstatus bereits nicht zuerkannt oder – einmal zuerkannt – widerrufen wird; hieraus muss jedoch nicht folgen, dass der Ausländer auch zum Verlassen des Bundesgebiets gezwungen werden kann. Insgesamt ist bei der Prüfung, welche Auswirkungen die Straffälligkeit eines Ausländers auf seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat, eine Betrachtung und Abwägung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Angesichts dieser Komplexität der asyl- und ausländerrechtlichen Materie kann vorliegend nur ein Überblick zum grundsätzlichen Zusammenspiel zwischen Schutzstatus, Aufenthaltsberechtigung und Abschiebung unter Berücksichtigung der Straffälligkeit eines Ausländers gegeben werden. 2. Schutzstatus und Straffälligkeit Die Asylberechtigung (Art. 16a GG, § 2 AsylVfG) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) (Art. 1 A GFK, Art. 9 ff. Richtlinie 2011/95/EU, § 3 AsylVfG) betreffen den Schutzstatus eines Ausländers. Ebenfalls als Schutzstatus zu qualifizieren ist die Anerkennung als international subsidiär Schutzberechtigter (vgl. Art. 15 ff. Richtlinie 2011/95/EU, § 4 AsylVfG). Dem Schutzstatus vergleichbar ist die Anerkennung als national subsidiär Schutzberechtigter nach § 60 Abs. 5 AufenthG (Abschiebungsschutzberechtigter nach Maßgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK) oder nach § 60 Abs. 7 AufenthG (Abschiebungsschutzbegünstigter)8. Die Zu- oder Anerkennung dieses Schutzstatus wird grundsätzlich in demselben, durch den Asylantrag nach § 13 Abs. 1 AsylVfG einzuleitenden asylrechtlichen Verfahren geprüft. Ein 5 Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 60 AufenthG Rn. 13. 6 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 74. Aktualisierung November 2011, § 60a AufenthG Rn. 83. 7 Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015, S. 22. 8 Vgl. für alle Status und Positionen die Übersicht bei Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015, S. 27, 32 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 6 Asylantrag liegt hiernach vor, wenn sich dem Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG droht9. Nach § 24 Abs. 2 AsylVfG wird nach Stellung des Asylantrags auch geprüft, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen10. Das Begehen bestimmter Straftaten kann die An-/Zuerkennung des Schutzstatus ausschließen oder zu seinem Widerruf führen. 2.1. Asylberechtigung und Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention 2.1.1. Konzept der Asylunwürdigkeit Nach dem Konzept der Asylunwürdigkeit11 ist ein Ausländer dann nicht Flüchtling im Sinne der GFK und nicht asylberechtigt12, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er (1) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), (2) vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebietes begangen hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG) oder (3) andere zu derartigen Straftaten angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Ob ein Verbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG vorliegt, bestimmt sich nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (IStGH-Statut)13. Für die Feststellung einer nichtpolitischen schweren Straftat außerhalb des Bundesgebietes (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG) ist unter Rückgriff auf internationale Standards eine Abwägung im 9 Vgl. zum Ablauf des Asylverfahrens im Einzelnen Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfahrens - und Prüfungsschritte im Asylverfahren, Ausarbeitung vom 22. September 2015, WD 3 - 3000 - 220/15. 10 Tiedemann bezeichnet die Entscheidung über § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG als Annexentscheidung zum Asylverfahren , vgl. Ausländerrecht, S. 87, 118. 11 Dieses Konzept findet seine Grundlage in Art. 1 F GFK, vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage vom 14. Oktober 2008 – 10 C 48/07 – juris Rn. 37. Siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 10 C 2/10 – juris Rn. 22; BT-Drucks. 16/5065, S. 213 und EuGH, Urteil vom 9. November 2010, C-57/09 und C-101/09, juris Rn. 104. Die in der GFK formulierten Ausschlussgründe sind in Art. 12 Abs. 2 RL 2011/95/EU übernommen worden und national in § 3 Abs. 2 AsylVfG geregelt, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 – juris Rn. 30. Zu den historischen Hintergründen für die Begrenzung des Asyls ebda, Rn. 24 ff. 12 § 3 AsylVfG betrifft zwar nur die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Eigenschaft als Flüchtling im Sinne der GFK, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei Vorliegen dieser zwingenden Ausschlussgründe jedoch auch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG nicht mehr gegeben, BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 10 C/10 – juris, Rn. 53 und Urteil vom 7. Juli 2011 – 10 C 26/10 - juris Rn. 33. Einfachrechtlich ergibt sich die entsprechende Anwendung der Ausschlussgründe auch für den Asylberechtigten aus § 30 Abs. 4 AsylVfG. 13 BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 – juris Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 7 Einzelfall erforderlich14. Der Straftat muss ein gewisses Gewicht zukommen15 (Kapitalverbrechen oder sonstige Straftat, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist)16. Nicht erforderlich ist ein dem Strafrecht vergleichbarer Beweisstandard17 oder, dass von dem Ausländer noch eine fortbestehende Gefahr für den Aufnahmestaat ausgeht18. Schwerwiegend im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylVfG sind die Gründe dann, wenn klare und glaubhafte Indizien für die Begehung derartiger Verbrechen vorliegen, die einen Verdacht begründen19. Hierzu muss ein Strafverfahren oder eine strafgerichtliche Verfolgung (noch) nicht förmlich eingeleitet worden sein20. 2.1.2. Gefahr für die Bundesrepublik Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Anerkennung als Asylberechtigter ist nach § 3 Abs. 4 AsylVfG bzw. nach § 30 Abs. 4 AsylVfG ausgeschlossen, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (§ 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG)21. Anders als beim Prinzip der Asylunwürdigkeit geht es bei diesem Ausschlusstatbestand um eine Abwägung zwischen den Interessen des politisch Verfolgten oder Flüchtlings mit den Sicherheitsinteressen des aufnehmenden Staates22. Im Hinblick auf die Bedeutung des zurücktretenden Asylrechts ist der Tatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG eng auszulegen23. Zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 14 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 3, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 3 AsylVfG Rn. 31. 15 BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 – juris Rn. 41. 16 BVerwG, EuGH-Vorlage vom 14. Oktober 2008 – 10 C 48/07 – juris Rn. 19. Für Beispiele vgl. Hailbronner, Ausländerrecht , Kommentar, Band 3, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 3 AsylVfG Rn. 32 f. 17 BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 10 C 2/10 – juris Rn. 26 und Urteil vom 7. Juli 2011 – 10 C 26/10 – juris Rn. 38. 18 BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 – 10 C 26/10 – juris Rn. 25 mit Hinweis auf EuGH, Urteil vom 9. November 2010 – C 57/09 und 101/09 – juris Rn. 101 ff. 19 BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 10 C 2/10 – juris Rn. 26. 20 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 3, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 3 AsylVfG Rn. 54. 21 Der Ausschlussgrund lehnt sich an die Ausnahme vom non-refoulement Gebot des Artikel 33 Abs. 2 GFK an. Art. 33 Abs. 1 GFK bestimmt, dass keiner der vertragsschließenden Staaten einen Flüchtling ausweisen oder zurückweisen darf, dessen Leben oder Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung bedroht sein würde; nach Art. 33 Abs. 2 GFK kann sich auf diese Vergünstigungen nicht berufen, wer aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Landes bedeutet, in dem er sich befindet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde. 22 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 60 AufenthG Rn. 106 mit zahlreichen Nachweisen zur diesbezüglich ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 23 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 60 AufenthG Rn. 107. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 8 drei Jahren muss entweder hinzutreten, dass Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen gegenwärtig und gewichtig gefährdet sind24 oder hinsichtlich der Gefahr für die Allgemeinheit eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht25. 2.2. Internationaler subsidiärer Schutz Von der Zuerkennung des ebenfalls im Asylverfahren zu prüfenden internationalen subsidiären Schutzes ist ein Ausländer dann ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er (1) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), (2) eine schwere Straftat begangen hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG), (3) eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG) oder (4) andere zu derartigen Straftaten angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat (§ 4 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Bis auf den Ausschlussgrund der Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG) entsprechen diese Ausschlussgründe (ungeachtet des geringfügig anderen Wortlauts) den zuvor dargestellten Gründen für den Ausschluss von Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft26. Auch für das Vorliegen einer Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik kann auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 8 AufenthG verwiesen werden. Anders als im Rahmen von § 60 Abs. 8 AufenthG setzt der vorliegend zusätzlich vorgeschriebene Ausschlussgrund jedoch keine rechtkräftige Verurteilung voraus, sondern knüpft allein an das Bestehen einer Gefahr an27. 2.3. Nationaler subsidiärer Schutz Die Zuerkennung des nationalen subsidiären Schutzes bestimmt sich nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Der Schutz ist zu erteilen, wenn sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung des Ausländers unzulässig ist (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Der Schutz soll erteilt werden, wenn in dem Staat, in den die Abschiebung erfolgen müsste, für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (§ 60 Abs. 7 AufenthG). Die Prüfung bezieht sich auf die Verhältnisse im Zielstaat und lässt zunächst das persönliche, auch straffällige Verhalten des Ausländers außen vor. Mit anderen Worten werden von der Zuerkennung des so normierten subsidiären nationalen Schutzes auch die Fälle erfasst, in denen dem Ausländer aus Gründen seiner Straffälligkeit die Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre 24 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 60 AufenthG Rn. 110 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30. März 1999, vom 5. Mai 1998 und vom 31. Mai 1994. 25 Vgl. für die Einzelheiten der Feststellung des Vorliegens der Wiederholungsgefahr BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 – 9 C 6/00 – juris Rn. 12 ff. und Urteil vom 1. November 2005 – 1 C 21/04 – juris Rn. 35. 26 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 3, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 4 AsylVfG Rn. 75. 27 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 3, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 4 AsylVfG Rn. 76. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 9 internationale Schutz nicht zuerkannt werden28. Ist der Ausländer im Falle der Abschiebung der konkreten Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 der EMRK ausgesetzt, greift § 60 Abs. 5 AufenthG auch dann ein, wenn sein Verbleib im Inland die nationale Sicherheit gefährdet29. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) selbst dann, wenn der Ausländer in besonders schwerer Weise straffällig geworden ist30. Auf den nationalen subsidiären Schutz wird insoweit im Folgenden noch ausführlicher eingegangen (vgl. 4.). 2.4. Widerruf Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Diese Vorschrift erfasst auch die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG31 oder des Tatbestands des § 60 Abs. 8 AufenthG32. Nach § 73 Abs. 3 AsylVfG ist bei Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder für § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist nach § 73b Abs. 3 Satz 1 AsylVfG zurückzunehmen, wenn der Ausländer von der Gewährung nach § 4 Abs. 2 AsylVfG hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist. 3. Aufenthaltsberechtigung und Straffälligkeit Vom Schutzstatus zu unterscheiden ist die Frage, ob der Ausländer zum Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt ist33. 28 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Verfahrens- und Prüfungsschritte im Asylverfahren, Ausarbeitung vom 22. September 2015, WD 3 – 220/15, S. 15. 29 Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 202. Ergänzungslieferung Mai 2015, § 60 AufenthG Rn. 13. 30 EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996, NVwZ 1997, 1100 (1101); EGMR, Urteil vom 15. November 1996, NVwZ 1997, 1093 (1094); Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, 202. Ergänzungslieferung Mai 2015, § 60 AufenthG Rn. 13. 31 BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 10 C 2/10 – juris Rn. 20 ff. 32 Vgl. zur Zulässigkeit und Vereinbarkeit dieser Handhabung mit auch mit der GFK BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 – 1 C 21/04 – juris Rn. 31 ff. 33 Der sachliche Unterschied zwischen Schutzstatus und Aufenthaltsberechtigung spiegelt sich auch in unterschiedlichen Zuständigkeiten wider: Für die Zu- oder Anerkennung des Schutzstatus ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig (vgl. § 5 Abs. 1 AsylVfG) während Entscheidungen über die Aufenthaltsberechtigung in die grundsätzliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden fallen (vgl. § 71 Abs. 1 AufenthG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 10 3.1. Ausschluss der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung wegen Straffälligkeit Die Straffälligkeit kann Auswirkungen darauf haben, dass dem Ausländer in Folge der Zuerkennung eines Schutzstatus eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wird: So soll dem Ausländer, bei dem die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen , grundsätzlich auch eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden (§ 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Die Erteilung ist jedoch ausgeschlossen, wenn im Einzelnen in § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG aufgeführte Gründe vorliegen (Nr. 1: Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen; Nr. 2: Straftat von erheblicher Bedeutung; Nr. 4: Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Bundesrepublik). Die hier formulierten Ausschlussgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entsprechen weitgehend den im Vorangegangenen aufgezeigten, die Zuerkennung des Schutzstatus als Asylberechtigter, Flüchtling oder international Schutzbedürftiger ausschließenden Gründen34. Weitergehend als § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bestimmt § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG, dass dem Ausländer bei An-/Zuerkennung der Asylbewerber-, Flüchtlings- oder Eigenschaft als Schutzberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt dies jedoch nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Die hier angesprochene Ausweisung verhindert nicht nur die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern führt auch zum Erlöschen einer (einmal erteilten) Aufenthaltsberechtigung (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dabei kann insbesondere die Straffälligkeit eines Ausländers zu seiner Ausweisung führen. 3.2. Erlöschen der Aufenthaltsberechtigung durch Ausweisung Das gegenwärtige Regelungssystem der Ausweisung35 ist nur noch bis zum 31. Dezember 2015 gültig. Nach dem zum 1. Januar 2016 in Kraft tretenden Regelungsinstrumentarium36 wird „ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt“ (§ 53 Abs. 1 AufenthG n.F. 37). In jedem Fall ist (neben der Feststellung des Vorliegens der in § 53 Abs. 1 AufenthG näher definierten Gefahr) ein einzelfallbezogener Abwägungsprozess erforderlich, bei dem nach § 53 34 Siehe hierzu oben unter 2.1. bis 2.3.; vgl. für im Einzelnen bestehende Wertungsunterschiede Hailbronner, Ausländerrecht , Kommentar, Band 1, 87. Aktualisierung September 2014, § 25 AufenthG Rn. 74 ff. 35 Dreistufiges Ausweisungsrecht, das zwischen zwingender Ausweisung (§ 53 AufenthG), Ausweisung im Regelfall (§ 54 AufenthG) und Ermessensausweisung (§ 55 AufenthG) unterscheidet. 36 Vgl. BGBl I 2015, 1386 (1392, 1399). Diese Novellierungen wurden mit Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 beschlossen; mit Ausnahme der Neuregelungen des Ausweisungsrechts traten die in diesem Gesetz geregelten Bestimmungen am Tag nach der Verkündung in Kraft. 37 Soweit nicht weiter angegeben, handelt es sich im Folgenden um die neue Fassung der Normen des Aufenthaltsgesetzes . Diese finden sich im BGBl I 2015, 1392 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 11 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige zu berücksichtigen sind. Für Ausländer, die über einen Schutzstatus verfügen, schreibt § 53 Abs. 3 AufenthG darüber hinaus vor, dass die Ausweisung nur erfolgen darf, wenn das persönliche Verhalten der Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Anders als bei Ausländern ohne Schutzstatus kann die Ausweisung von Asylberechtigen oder Flüchtlingen im Sinne der GFK also nicht auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden38. Ähnliches gilt nach § 53 Abs. 4 AufenthG für Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen werden in § 54 AufenthG (Ausweisungsinteresse) und § 55 AufenthG (Bleibeinteresse) in umfassenden Tatbestandskatalogen definiert. In Bezug auf Straffälligkeiten wiegt das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer – wegen vorsätzlicher Straftat(en) zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde (Nr. 1), – (unter genauer beschriebenen Voraussetzungen) die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet (Nr. 2), – zur Leitung eines unanfechtbar verbotenen Vereins gehört (Nr. 3), – sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt, öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht (Nr. 4). Nach § 54 Abs. 2 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer – wegen vorsätzlicher Straftat(en) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (Nr. 1) oder zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist (Nr. 2), – Handel mit Betäubungsmitteln betreibt oder das Betreiben versucht (Nr. 3) oder gefährliche Betäubungsmittel verbraucht und nicht zur Rehabilitation bereit ist (Nr. 4), – eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik teilzunehmen (Nr. 5), – eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht (Nr. 6), 38 BT-Drucks. 18/4097, S. 49. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 12 – einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebietes eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche Straftat anzusehen ist (Nr. 9). Im Hinblick darauf, dass die Ausweisung als Ergebnis einer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durchgeführten Abwägung von Bleibe- und Ausweisungsinteressen39 vorgesehen ist, kann aus den aufgeführten Straffälligkeiten jedoch nicht gefolgert werden, dass der Ausländer im Regelfall auszuweisen ist. 4. Duldung und Straffälligkeit Ist die Aufenthaltsberechtigung erloschen40 und kommt der Ausländer seiner bestehenden Ausreisepflicht nicht nach, kann grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 58 AufenthG seine Abschiebung erfolgen (vgl. bereits oben 1.2.). Im Zusammenhang mit der Straffälligkeit eines Ausländers ist insoweit insbesondere § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG relevant. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt ist. In diesem Sinne rechtlich unmöglich sind die Fälle, in denen eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden kann und daher trotz Abschiebeverbots eine Ausreisepflicht fortbesteht41. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen (vgl. oben 2.3.), die Straffälligkeit des Ausländers aber aufgrund der in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG formulierten Voraussetzungen dazu führt, dass ihm keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (vgl. oben 3.1.). Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dies umfasst in jedem Fall eine Behandlung, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde42. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Insoweit kann der Umstand, dass dem Ausländer wegen einer begangenen Straftat in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, eine Strafe droht, die gegen Art. 3 EMRK verstößt, zu einem absoluten Abschiebungshindernis führen. Eine solche Strafe kann insbesondere auch eine drohende 39 BT-Drucks 18/4097, S. 23. 40 Neben der Ausweisung kommen für das Erlöschen des Aufenthaltstitels auch andere Gründe in Betracht, vgl. die Aufzählung in § 51 Abs. 1 AufenthG. 41 Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 64. Aktualisierung Juni 2009, § 60a AufenthG Rn. 22. 42 Ob sich der Abschiebungsschutz hierüber hinausgehend auf weitere Bestimmungen der EMRK bezieht, ist dagegen umstritten, vgl. für verschiedene Ansichten nur Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015, S. 76 ff. und Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Band 2, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 60 AufenthG Rn. 54 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/15 Seite 13 Todesstrafe43 oder lebenslange Freiheitsstrafe sein, wenn das staatliche Recht die Überprüfung einer möglichen Entlassung nicht vorsieht44. Art. 3 EMRK schließt nach der Rechtsprechung des EGMR „stillschweigend die Verpflichtung ein, den Betroffenen nicht in das Land auszuweisen“, in dem er einer Behandlung ausgesetzt wäre, die mit Art. 3 EMRK unvereinbar ist45. Der Schutz gilt demnach „ausnahmslos“, lässt nicht „einmal im Falle eines öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht, Abweichungen zu“ und gilt unabhängig von den Aktivitäten der betroffenen Person46. Im Übrigen bestimmt § 60 Abs. 6 AufenthG, dass die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können oder die konkrete Gefahr einer gesetzmäßigen Bestrafung, der Abschiebung nicht entgegenstehen. Ende der Bearbeitung. 43 Valerius, in: Graf (Hrsg.), Beck‘scher Online Kommentar zur StPO, Stand 1. September 2015, Art. 3 EMRK Rn. 4.1. mit Hinweis auf EGMR NJW 1990, 2183 (2186). Dagegen ist eine in einem fairen Verfahren verhängte Todesstrafe nicht zwangsläufig von Art. 3 EMRK erfasst, vgl. Valerius, in: Graf (Hrsg.), Beck‘scher Online Kommentar zur StPO, Stand 1. September 2015, Art. 3 EMRK Rn. 4.1. mit Hinweis auf EGMR EuGRZ 2003, 472 (484); EuGRZ 2005, 463 (466). Insoweit könnte sich jedoch aus Art. 1 Abs. 1 GG ergeben, dass die Abschiebung des Ausländers zwingend nach § 60 Abs. 7 AufenthG ausgeschlossen ist. § 60 Abs. 2, 3 AufenthG, die unmittelbar Abschiebungsverbote wegen drohender Todesstrafe betreffen, finden hingegen wohl nicht unmittelbar Anwendung, wenn die Zuerkennung als international subsidiär Schutzbedürftiger nach § 4 Abs. 2 AsylVfG nicht erfolgt ist, vgl. Hailbronner, Ausländerrecht , Kommentar, Band 2, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 60 Rn. 41 ff. 44 Vgl. Valerius, in: Graf (Hrsg.), Beck‘scher Online Kommentar zur StPO, Stand 1. September 2015, Art. 3 EMRK Rn. 4.1 mit Hinweis auf EGMR BeckRS 2014, 17398. 45 St. Rspr., EGMR, Urteil vom 15. November 1996, NVwZ 1997, 1093 (1094) und Urteil vom 17. Dezember 1996, NVwZ 1997, 1100 (1101). 46 St. Rspr., EGMR, Urteil vom 15. November 1996, NVwZ 1997, 1093 (1094) und Urteil vom 17. Dezember 1996, NVwZ 1997, 1100 (1101).