Auswirkungen der Föderalismusreform I Mitwirkungsrechte und Gesetzgebungskompetenzen - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 255/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Auswirkungen der Föderalismusreform I – Mitwirkungsrechte und Gesetzgebungskomptenzen Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 255/09 Abschluss der Arbeit: 25. August 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Im Überblick lassen sich die staatspraktischen Auswirkungen der Föderalismusreform I für die Bereiche „Mitwirkungsrechte und Gesetzgebungskompetenzen“ drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten wie folgt beschreiben: A. Zur Statistik der Gesetzgebung Für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2009 wurde – basierend auf einer Statistik des Bundesrates - ein Anteil von 39 % verkündeter Zustimmungsgesetze ermittelt. Der Wert liegt deutlich unter dem alten Durchschnittswert der Zustimmungsquote (53 %) und hält sich auch im Rahmen der gesetzgeberischen Erwartungen. Im Gesetzgebungsverfahren zur Föderalismusreform I war nämlich eine Zustimmungsquote von künftig 35 bis 40 % angestrebt worden. Die Neuregelung hat im Ergebnis zu einer deutlichen Senkung der Zustimmungsquote geführt. Auf der Basis des statistischen Materials des Bundesrates ergibt sich für den ausgewerteten Zeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2009 im Hinblick auf die einzelnen Zustimmungstatbestände: Der Anteil der als Zustimmungsgesetze verkündeten Gesetze gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 Grundgesetz (GG) beträgt 7,3 % bezogen auf die insgesamt verkündeten Gesetze; 4,5 % waren gemäß Art. 104a Abs. 4 GG zustimmungsbedürftig. Damit liegt der Anteil für den neuen Tatbestand des Art. 104a Abs. 4 GG zwischen den für die 14. und 15. Wahlperiode in der Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 zum Thema „Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform“ für die Gesetzesbeschlüsse des Bundestages hypothetisch festgehaltenen Werten von 3,9 % bzw. 6,5 %. Der Bund hat bisher recht maßvoll von der Möglichkeit eines Abweichungsausschlusses nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG Gebrauch gemacht. Es sind dies vor allem Fälle des Umweltverfahrensrechts und abweichungsfeste Regelungen aufgrund internationaler Bindungen. Nach Inkrafttreten der Föderalismusreform I lag die Quote der Fälle, in denen der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, bei ca. 3,3 % bezogen auf die insgesamt verkündeten Gesetze. In 10 von den insgesamt 16 Fällen seit Inkrafttreten der Reform betrafen die Vermittlungsverfahren zustimmungsbedürftige Gesetze, das entspricht einem Prozentanteil von 62,5 % bezogen auf alle verkündeten Gesetze, bei denen Vermittungsverfahren durchgeführt wurden. Nur in der Hälfte dieser Fälle, d. h. in rund 31,3 % hat der Bundesrat aufgrund der neuen Zustimmungstatbestände (Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG sowie 104 a Abs. 4 GG) zugestimmt. Dieses Ergebnis liegt auch in der Größenordnung der in der Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 zum Thema „Zustim- mungsgesetze nach der Föderalismusreform“ ermittelten hypothetischen Angaben für die 14. und 15. Wahlperiode (27,6 % bzw. 29,8 %). Nur in zwei Fällen war Art. 104a Abs. 4 GG einschlägig. Das entspricht einem Anteil von ca. 11,8 % der insgesamt verkündeten Gesetze, bei denen Vermittlungsverfahren durchgeführt wurden (hypothetische Feststellung der Ausarbeitung für die 14. und 15. WP: 7,9 % bzw. 13,8 %). B. Zu den weiteren Auswirkungen der Reform Zu den neuen ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes gemäß Art. 73 Abs. 1 GG ist zusammenfassend festzustellen, dass der Bund bis auf den Bereich „Versorgung und Fürsorge bei Kriegsbetroffenen“ in jedem Bereich der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen gesetzgeberisch tätig geworden ist. Jedoch dienten die Gesetze größtenteils - zumindest auch - der Umsetzung europäischen oder internationalen Rechts und waren insoweit determiniert. Zu nennen sind z. B. das Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt, das Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften und die Atomrechtsnovelle. Das Vorhaben einer umfassenden Reform des Melderechts konnte bislang nicht umgesetzt werden. Schwerpunkte der gesetzgeberischen Tätigkeit der Länder im Rahmen der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen lagen auf dem Strafvollzug, dem Ladenschlussrecht und dem Gaststättenrecht, wobei die Kompetenz für den letztgenannten Bereich für die Verabschiedung von Nichraucherschutzgesetzen genutzt wurde. In diesem Zusammenhang ist auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 zu erwähnen, in denen das Gericht bestimmte Regelungen der Nichtraucherschutzgesetze von Baden-Württemberg und Berlin für verfassungswidrig erklärte und eine Neugestaltung des Nichtraucherschutzes für Ein-Raum-Gaststätten aufgab. Diese Vorgaben sind vielfach bereits in landesrechtlichen Neuregelungen umgesetzt worden . Neue Gesetze wurden in jüngster Zeit auch im Bereich des Beamtenrechts (Beamtenbesoldung und -versorgung, Laufbahnen) und des Hochschulwesens erlassen. Erwähnenswert ist hier, dass die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes des Bundes bislang nicht realisiert wurde. Abgrenzungsprobleme zu bundesrechtlichen Kompetenzen waren im Bereich des Heimrechts und beim Recht des Schutzes vor verhaltensbezogenem Lärm zu verzeichnen. Bei den neuen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 74 Abs. 1 GG ist vor allem festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber von der neuen Kompetenz nach der Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG Gebrauch gemacht und die Grundstrukturen des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern unmittelbar und bundeseinheitlich im am 1. April 2009 in Kraft getretenen Beamtenstatusgesetz gere- gelt hat, das seinerseits landesrechtliche Anpassungen erforderlich machte. Im Bereich der neuen konkurrierenden Zuständigkeiten für das Umweltrecht (Naturschutzund Landschaftspflege sowie Wasserhaushalt) ist das Gesetzesvorhaben eines Umweltgesetzbuches zu nennen, das mangels Konsens im Hinblick auf eine integrierte Vorhabengenehmigung im Februar 2009 scheiterte. Im Juni 2009 hat der Bundestag daraufhin umweltrechtliche Einzelgesetze als bundesgesetzliche Vollregelungen beschlossen , nämlich das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und das Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts. Zur Abweichungsgesetzgebung ist festzuhalten, dass laut Auskunft des Bundesinnenministeriums vom 16. Juli 2009 die Länder bislang lediglich in zwei Fällen von ihrem materiellen Abweichungsrecht gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1, 125b Abs. 1 S. 3 GG Gebrauch gemacht haben, wobei diese beide dem Jagdrecht entstammen. Landesgesetzliche Abweichungen von bundesgesetzlichem Verfahrens- und Organisationsrecht gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2, 125b Abs. 2 GG waren in drei Fällen zu verzeichnen, die allesamt die Sozialgesetzgebung betreffen. Die Reichweite des Verbotes, Aufgaben durch Bundesgesetz auf Gemeinden und Gemeindeverbände zu übertragen (Durchgriffsverbot - Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG sowie Übergangsregelung nach Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG) ist streitig. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Problematik noch nicht Stellung bezogen. Es hatte nämlich in seinem Urteil vom 20. Dezember 2007 zu den Hartz IV-Arbeitsgemeinschaften nach altem Recht (Art. 84 Abs. 1 GG a. F.) zu entscheiden, weil die Aufgabenübertragung gemäß § 44b SGB II - Bestimmung der kreisfreien Städte und Kreise zu (Mit- )trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende - vor der Föderalismusreform I erfolgt war. Daher ließ es die Frage, ob künftig eine Erweiterung der Aufgabenzuweisung durch Bundesgesetz nach Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG möglich sei, offen. In der Praxis hat die neue Rechtslage bereits zu Problemfällen geführt, etwa bei der sog. Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner nach SGB XII, beim Ausbau der Kinderbetreuung sowie dazu geführt, dass der Bundespräsident das Verbraucherinformationsgesetz von 2006 unter Hinweis auf einen offensichtlichen Verfassungsverstoß nicht ausgefertigt hat. - 5 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 7 2. Statistik der Gesetzgebung (Teil A des Auftrags) 8 2.1. Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze nach Inkrafttreten der Föderalismusreform I 8 2.2. Anrufung des Vermittlungsausschusses 10 3. Weitere Auswirkungen der Reform 12 3.1. Vorbemerkungen 12 3.1.1. Bundesgesetzgebung aufgrund der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen 13 3.1.1.1. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Melde- und Ausweiswesen nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG 13 3.1.1.2. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG 14 3.1.1.3. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Abwehr des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG 14 3.1.1.4. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Waffen- und Sprengstoffrecht nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG 15 3.1.1.5. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Versorgung und Fürsorge bei Kriegsbetroffenen nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 13 GG 15 3.1.1.6. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Kernenergie nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG 16 3.1.2. Landesgesetzgebung aufgrund der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder 17 3.1.2.1. Strafvollzug, einschließlich Vollzug der Untersuchungshaft (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) 17 3.1.2.2. Versammlungsrecht (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) 19 3.1.2.3. Heimrecht (bisher Teil der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 Abs 1 Nr. 7 GG) 20 3.1.2.4. Teile des Rechts der Wirtschaft (bisher Art. 74 Abs. Nr. 11 GG) 21 3.1.2.5. Ladenschlussrecht 21 3.1.2.6. Gaststättenrecht 22 3.1.2.7. Weitere Bereiche (Rechte der Spielhallen/Schaustellung von Personen/Recht der Messen, Ausstellungen und Märkte) 24 3.1.2.8. Flurbereinigungsrecht (bisher Teil des Rechts der Förderung der landund forstwirtschaftlichen Erzeugung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) 25 - 6 - 3.1.2.9. Recht des landwirtschaftlichen Grundstücksverkehrs (bisher Teil des Recht des Grundstücksverkehrs in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) 25 3.1.2.10. Teilbereiche des Wohnungswesens (soziale Wohnraumförderung und Finanzhilfe; Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen; Wohnungsbindungsrecht; Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen; Wohnungsgenossenschaftsvermögensrecht) 26 3.1.2.11. Recht des Siedlungs- und Heimstättenwesens (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) 27 3.1.2.12. Recht des Schutzes vor verhaltensbezogenem Lärm (bisher Teil des Rechts der Lärmbekämpfung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) 27 3.1.2.13. Recht der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung der Beamten des Landes, der Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Richter des Landes (bisher Art. 74a GG und Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG) 29 3.1.2.14. Recht der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 1a GG) 31 3.1.2.15. Recht der allgemeinen Verhältnisse der Presse (bisher Art. 75 Abs.1 Nr. 2 GG) 33 3.1.3. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen 33 3.1.3.1. Statusrechte der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) 33 3.1.3.2. Jagdwesen (Art. 74 Abs. Nr. 28 GG) 34 3.1.3.3. Naturschutz und Landschaftspflege (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) 35 3.1.3.4. Bodenverteilung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 30 GG) 36 3.1.3.5. Raumordnung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG) 36 3.1.3.6. Wasserhaushalt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG) 37 3.1.3.7. Hochschulzulassung und -abschlüsse (Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG) 37 3.1.3.8. Abweichungsgesetzgebung 38 3.1.3.8.1. Materielles Abweichungsrecht gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG, 125b Abs. 1 S. 3 GG 38 3.1.3.8.2. Abweichung von bundesgesetzlichem Verfahrens- und Organisationsrecht gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG, 125b Abs. 2 GG 39 3.1.3.9. Aufgabenübertragungsverbot gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG 39 3.1.3.9.1. Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner nach SGB XII 41 3.1.3.9.2. Ausbau der Kindertagesbetreuung 42 3.1.3.9.3. Verbraucherinformationsgesetz 44 - 7 - 1. Einleitung Am 30. Juni 2006 hat der Deutsche Bundestag das Reformpaket zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (Föderalismusreform I) beschlossen, dem der Bundesrat am 7. Juli 2006 zugestimmt hat. Am 1. September 2006 ist das entsprechende „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“1 in Kraft getreten. Das am 12. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreformbegleitgesetz (FödBegleitG)2 enthält die im Zusammenhang mit den Verfassungsänderungen notwendigen Folgeänderungen auf einfachgesetzlicher Ebene. Die Reform von 2006 weist drei Kernelemente auf:3 - Erstens wurden die Mitwirkungsrechte des Bundesrates durch Reduzierung der Zustimmungsrechte nach Art. 84 Abs. 1 GG und die Einführung der Zustimmungstatbestände bei Bundesgesetzen mit erheblichen Kostenfolgen für die Länder (Art. 104a Abs. 4 GG neu) modifiziert. Auch wurde in Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG ein Aufgabenübertragungsverbot im Hinblick auf die Kommunen verankert. - Zweitens beinhaltet die Reform eine Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern: Abschaffung der Rahmengesetzgebung und Neuordnung des Katalogs der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen einschließlich Einschränkung des Anwendungsbereichs der Erforderlichkeitsklausel gemäß Art. 72 Abs. 2 GG sowie Einführung einer Abweichungsgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 GG, Umverteilung von Kompetenzen in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes bzw. der Länder. - Drittens wurde die Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern in Teilbereichen neu geordnet: Teilweise Abschaffung von Gemeinschaftsaufgaben (Hochschulbau , Bildungsplanung) und Ersetzen durch die Möglichkeit des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Forschungsförderung und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich (Art. 91b GG neu), Befugnis der Länder zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbssteuer, Neuregelung der Finanzhilfen des Bundes für Investitionen (Art. 104a Abs. 4 GG neu) sowie Verteilungsregel für die innerstaatliche Haftung bei Verstößen gegen den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt (Art. 109 Abs. 5 GG neu). In der nachfolgenden Darstellung sollen die staatspraktischen Auswirkungen der Föderalismusreform I für die Bereiche „Mitwirkungsrechte und Gesetzgebungskompetenzen “ drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten im Überblick beschrieben werden. 1 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (Bundgesetzblatt (BGBl). I S. 2034). 2 BGBl I 2006 S. 2098. 3 Vgl. hierzu auch Hofmann, Hans, Föderalismusreformen im Verfassungsstaat, Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2008, S. 833 ff., S. 834. - 8 - 2. Statistik der Gesetzgebung (Teil A des Auftrags) 2.1. Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze nach Inkrafttreten der Föderalismusreform I Aus dem bereits vorhandenen statistischen Material zu dieser Fragestellung ergibt sich folgendes Bild: Die Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 zum Thema „Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform“4, die der Frage nachgegangen ist, wie sich der Anteil der Zustimmungsgesetze verändert hätte, wenn die Föderalismusreform I bereits 2008 in Kraft getreten wäre, stellt für die 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages fest, dass statt 55,2 % aller Gesetzesbeschlüsse des Bundestages nur 25,8 % Zustimmungsgesetze gewesen wären.5 Für 3,9 % der Gesetzesbeschlüsse wurde eine Zustimmungsbedürftigkeit nach dem Zustimmungstatbestand des neuen Art. 104a Abs. 4 GG als einschlägig erachtet. Als zustimmungsbedürftig verkündet wurden ca. 54,8 % der insgesamt in der 14. Wahlperiode verkündeten Gesetze.6 In der 15. Wahlperiode wären statt 51 % aller Gesetzesbeschlüsse nur 24 % Zustimmungsgesetze gewesen.7 Für 6,5 % der Gesetzesbeschlüsse wurde eine Zustimmungsbedürftigkeit nach dem Zustimmungstatbestand des neuen Art. 104a Abs. 4 GG als einschlägig erachtet. Der Anteil der verkündeten Zustimmungsgesetze lag hier bei ca. 50,6 %.8 Die Bundesregierung hatte den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. August 2007 im Rahmen einer Antwort auf die Große Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Auswirkungen der ersten Stufe der Föderalismusreform“9 zu untersuchen. Es wurde differenziert nach Verkündung im Bundesgesetzblatt, Teil I und II, sowie im Vergleich der alten und neuen Rechtslage untersucht. Das Ergebnis stellt sich wie folgt dar:10 Von den im Bundesgesetzblatt I im Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. August 2007 verkündeten Gesetzen bedurften 33,6 % der Zustimmung des Bundesrates; nach altem Recht hätte der Anteil 54,2 % betragen. Von den in diesem Zeitraum im 4 , Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 – 37/06 und 123/06 vom 15. Mai 2006. 5 , WD 3 – 37/06 und 123/06, S. 3, 40. 6 Prozentangabe beruht auf Zahlenmaterial des Referates ID 3 (Parlamentsdokumentation) der Bundestagsverwaltung . 7 , WD 3 – 37/06 und 123/06, S. 3, 41. 8 Laut Zahlenmaterial des Referates ID 3 der Bundestagsverwaltung. 9 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Dr. Volker Wissing, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 16/6499 - Auswirkungen der ersten Stufe der Föderalismusreform, Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 16/8688 vom 2. April 2008. 10 BT-Drs. 16/8688, S. 2. - 9 - Bundesgesetzblatt II verkündeten Gesetzen unterlagen 72,5 % der Zustimmung des Bundesrates. Nach altem Recht hätte der gleiche Anteil der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Insgesamt lag der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze bei 44,2 %; nach altem Recht hätte er 59,2 % betragen. Im Mittel ergibt sich laut Statistik des Bundesrates im Zeitraum vom 7. September 1949 bis 31. August 2006 ein Anteil der Zustimmungsgesetze von 53 % der insgesamt in diesem Zeitraum verkündeten Gesetze.11 Als Ergebnis der Einjahresbilanz (1. September 2006 bis 31. September 2007) stellt der Bundesrat 45 % verkündete Zustimmungsgesetze fest, bei der Zweijahresbilanz (1. September 2006 bis 31. August 2008) einen Wert von noch 40 %.12 Für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2009 wurde ein Anteil von 39 % verkündeter Zustimmungsgesetze ermittelt.13 Der Wert liegt deutlich unter dem alten Durchschnittswert der Zustimmungsquote (53 %) und hält sich auch im Rahmen der gesetzgeberischen Erwartungen. Im Gesetzgebungsverfahren zur Föderalismusreform I war nämlich eine Zustimmungsquote von künftig 35 bis 40 % angestrebt worden.14 Die Neuregelung hat im Ergebnis zu einer deutlichen Senkung der Zustimmungsquote geführt.15 Darüber hinaus hat der Bundesrat für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2009 alle verkündeten Gesetze, zu denen der Gesetzesbeschluss des Bundestages ab dem 1. September 2006 gefasst worden ist, auch im Hinblick auf die einzelnen Zustimmungstatbestände ausgewertet. Nach dieser Zusammenstellung16 ergibt sich, dass von den 137 in diesem Zeitraum als Zustimmungsgesetze verkündeten Gesetzen 42 nach den neuen Zustimmungstatbeständen (Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG bzw. Art. 104a Abs. 4 GG) zustimmungsbedürftig waren. Das entspricht einem Anteil von ca. 30,7 % an den als Zustimmungsgesetzen verkündeten Gesetzen und einer Quote von ca. 11,9 % im Hinblick auf die Gesamtzahl aller in dem genannten Zeitraum verkündeten Gesetze. Der Anteil der als Zustimmungsgesetze verkündeten Gesetze gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG beträgt 7,3 % bezogen auf die insgesamt verkündeten Gesetze; 4,5 % waren gemäß Art. 104a Abs. 4 GG zustimmungsbedürftig. Damit liegt der Anteil für den neuen Tatbestand des Art. 104a Abs. 4 GG zwischen den für die 14. und 15. Wahlperiode in der Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 zum Thema „Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform“ für die Gesetzesbeschlüsse des Bundestages hypothetisch festgehaltenen Werten von 3,9 % bzw. 6,5 % (s. o.). 11 Laut Bundesrat - Dokumentation (Stand 01. März 2009) (Anlage 1). 12 Laut Bundesrat - Dokumentation. 13 Laut Bundesrat - Dokumentation. 14 BT-Drs. 16/813, S. 14. 15 So auch BT-Drs. 16/8688, S. 3. 16 Laut Übersicht Bundesrat, Dokumentation (Anlage 2). - 10 - Es ist weiter festzuhalten, dass der Bund bisher recht maßvoll von der Möglichkeit eines Abweichungsauschlusses nach Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG Gebrauch gemacht hat.17 Wie auch schon in der Gesetzesbegründung zur Grundgesetzänderung als Anwendungsfall erwähnt18, sind dies etwa Fälle des Umweltverfahrensrechts (z. B. im Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG- Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz) vom 9. Dezember 200619 und Gesetz zur Ablösung des Abfallverbringungsgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 19. Juli 200720). Auch ergibt sich das Erfordernis der abweichungsfesten Regelungen aufgrund internationaler Bindungen, etwa wegen europarechtlicher Vorgaben (z. B. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 2. Dezember 200721).22 Es hat bisher auch keine ernsthaften Konflikte zwischen Bundestag und Bundesrat über den Umfang eines Abweichungsausschlusses gegeben, was aber auch daran liegen mag, dass der Bundesrat wegen seines Zustimmungsrechts hierbei ohnehin das letzte Wort hat.23 2.2. Anrufung des Vermittlungsausschusses Aus dem bereits vorhandenen statistischen Material zu dieser Fragestellung ergibt sich folgendes Bild: Die Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 zum Thema „Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform“ stellte fest, dass von den vom Bundestag in der 14. Wahlperiode beschlossenen Gesetzen, in denen der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, 32,9 % der Vermittlungsverfahren zustimmungsfreie Gesetze und 67,1 % zustimmungsbedürftige Gesetze betrafen. Die Quote der Vermittlungsverfahren für die nach neuem Recht zustimmungsbedürftigen Gesetze hätte nur bei 27,6 % gelegen.24 Für die 15. Wahlperiode wurde festgehalten, dass von den vom Bundestag beschlossenen Gesetzen, in denen der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, 51,1 % der Vermittlungsverfahren zustimmungsfreie Gesetze und 48,9 % zustimmungsbedürftige Gesetze betrafen. Die Quote der Vermittlungsverfahren für die nach neuem Recht zustimmungsbedürftigen 17 So auch schriftliche Auskunft des Bundesministeriums des Innern Referat VI1 (Grundsätzliche Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsrechts; Staatskirchenrecht) - per e-Mail vom 16. Juli 2009. 18 BT-Drs. 16/813, S. 15. 19 BGBl. I S. 2819. 20 BGBl. I S. 1462. 21 BGBl. I S. 2686. 22 Schriftliche Auskunft des Bundesministeriums des Innern – Referat VI1 - per e-Mail vom 16. Juli 2009 (Tabellarische Übersicht vom 10. Juli 2009). 23 Schriftliche Auskunft des Bundesministeriums des Innern – Referat VI1 - per e-Mail vom 16. Juli 2009. 24 , WD 3 – 37/06 und 123/06, S. 40. - 11 - Gesetze hätte nur bei 29,8 % gelegen.25 Art. 104a Abs. 4 GG wäre in 7,9 % der Fälle in der 14. Wahlperiode und in 13,8 % der Fälle in der 15. Wahlperiode einschlägig gewesen . Bei den 559 in der 14. Wahlperiode vom Bundestag verabschiedeten Gesetzen ist in 100 Fällen der Vermittlungsausschuss angerufen worden;26 das entspricht einer Quote von ca. 17,9 %. Geht man von d 385 verkündeten Gesetzen aus, ist davon in 88 Fällen der Vermittlungsausschuss angerufen worden; das entspricht einer Quote von ca. 22,9 %. Bei 400 in der 15. Wahlperiode vom Bundestag verabschiedeten Gesetzen ist in 75 Fällen der Vermittlungsausschuss angerufen worden;27 das entspricht einer Quote von ca. 18,8 %. Geht man von 549 verkündeten Gesetzen aus, ist davon in 65 Fällen der Vermittlungsausschuss angerufen worden; das entspricht einer Quote von ca. 11,8 %. Bei 582 in der 16. Wahlperiode vom Bundestag verabschiedeten Gesetzen ist nur in 17 Fällen der Vermittlungsausschuss angerufen worden;28 das entspricht einer Quote von ca. 2,9 %. Geht man von 489 verkündeten Gesetzen aus, liegt bei 17 Vermittlungsfällen die Quote bei ca. 3,5 %. Nach Inkrafttreten der Föderalismusreform I waren es sogar nur 16 Fälle; die Quote liegt bei ca. 3,3 %. In 10 von 16 Fällen seit Inkrafttreten der Reform betrafen die Vermittlungsverfahren zustimmungsbedürftige Gesetze, das entspricht einem Prozentanteil von 62,5 % bezogen auf alle verkündeten Gesetze, bei denen Vermittungsverfahren durchgeführt wurden. Nur in der Hälfte dieser Fälle, d. h. in rund 31,3 % durchgeführt wurden, hat der Bundesrat aufgrund der neuen Zustimmungstatbestände (Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG sowie 104a Abs. 4 GG) zugestimmt . Dies liegt auch in der Größenordnung der in der Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 zum Thema „Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform“ ermittelten hypothetischen Angaben für die 14. und 15. Wahlperiode (s.o. 27,6 % bzw. 29,8 %) Nur in zwei Fällen war 104a Abs. 4 GG einschlägig. Das entspricht einem Anteil von ca. 11,8 % der insgesamt verkündeten Gesetze, bei denen Vermittlungsverfahren durchgeführt wurden (hypothetische Feststellung der Ausarbeitung für die 14. und 15. Wahlperiode : 7,9 % bzw. 13,8 %). 25 WD 3 – 37/06 und 123/06, S. 41. 26 Stand der Gesetzgebung (GESTA), abzurufen unter: http://dserver.bundestag.btg/gesta/14/StatistischerUberblick.pdf. 27 Stand der Gesetzgebung (GESTA), abzurufen unter: http://dserver.bundestag.btg/gesta/15/StatistischerUberblick.pdf. 28 Laut Übersicht des Referates ID 3 der Bundestagsverwaltung. - 12 - 3. Weitere Auswirkungen der Reform 3.1. Vorbemerkungen Als Ergebnis einer umfangreichen Recherche in den einschlägigen Datenbanken (u. a. Juris, Beck-Online, Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge - DIP), auch unter Einbindung der Informationsvermittlung aus externen Datenbank der Hotline W der Bundestagsverwaltung, ist zunächst festzuhalten, dass eine umfassende aktuelle und umfassende Auswertung zur Föderalismusreform I und ihren Auswirkungen bislang nicht existiert. Einen Überblick über die gesetzgeberischen Aktivitäten des Bundes und der Länder im Bereich ihrer ausschließlichen Zuständigkeiten enthält – allerdings nur für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. August 2007 – die bereits unter 2.1 zitierte Antwort der Bundesregierung29. Nach Auskunft des zuständigen Fachreferates im Bundesministerium des Innern30 ist diese Auswertung bislang nicht weiter aktualisiert worden. Lediglich zu Teilaspekten sind neue Daten verfügbar, z. B. zum Abweichungsrecht der Länder nach Art. 72 Abs. 3 und 84 Abs. 1 GG,31 die nachfolgend eingearbeitet wurden (siehe hierzu 3.1.3.8). Zur Gesetzgebung der Länder nach der Föderalismusreform I wurde darüber hinaus für die Landtagsdirektorenkonferenz vom 20. bis 22. April 2008 eine Umfrage zur bisherigen Ausschöpfung der durch die Föderalismusreform I auf die Länder übertragenen Gesetzgebungskompetenzen durchgeführt. Die auf der Basis der Antworten der Landtage vom Wissenschaftlichen Dienst des Landtages Rheinland-Pfalz erstellte Synopse (Landtagsdrucksache, LDK-Dok 803 – Anlage 3) gibt den Stand vom 5. März 2008 wieder. Mit Schreiben des Landtages Rheinland-Pfalz vom 18. Juni 2009 wurden die Landtage zur Aktualisierung der Angaben für den Bereich ihres jeweiligen Landesrechtes aufgefordert. Die Fertigstellung der überarbeiteten Synopse ist zur Landtagsdirektorenkonferenz im September 2009 avisiert.32 Die nachfolgende Darstellung basiert auf den genannten Dokumenten, ergänzt durch Informationen aus den einschlägigen Datenbanken zum aktuellen Stand der Gesetzgebung in ausgewählten Bereichen. Hinzu kommen Informationen zu weiteren 29 BT-Drs. 16/8688. 30 Laut telefonischer Auskunft des Bundesministeriums des Innern - Referates VI1 - vom 15. Juli 2009. 31 So schriftliche Auskunft des Bundesministeriums des Innern - Referat VI1 - per e-Mail vom 16. Juli 2009. 32 Laut telefonischer Auskunft des Referates PM 3 (Parteienfinanzierung, Landesparlamente) der Bundestagsverwaltung vom 14. Juli 2009 und telefonischer Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages Rheinland-Pfalz vom 16. Juli 2009. Der aktuelle Sachstand laut Umfrage der Landtage vom 18.6.2009 zur LDK im September 2009 wird zu gegebener Zeit nachgereicht. - 13 - Kompetenztiteln, die in der Antwort der Bundesregierung nicht thematisiert wurden (z. B. konkurrierende Zuständigkeiten im Bereich der ehemaligen Rahmengesetzgebung ) sowie Aufsätze zur gesamten Thematik und Teilaspekten. Angesichts der Fülle der zu untersuchenden Kompetenzbereiche kann nur ein Überblick gegeben werden, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 3.1.1. Bundesgesetzgebung aufgrund der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen 3.1.1.1. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Melde- und Ausweiswesen nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG Im Zusammenhang mit der neuen ausschließlichen Kompetenz für das Meldewesen war vorgesehen, im Jahr 2008 das Gesetzgebungsverfahren für ein Bundesmeldegesetz einzuleiten . Ziel war das Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2009.33 Im April 2008 hat das Bundesministerium des Innern einen Referentenentwurf vorgelegt, der eine umfassende Neuregelung des Meldewesens und die Einrichtung eines Bundesmelderegisters vorsieht . Ziel war die Schaffung einer Rechtseinheit im Melderecht durch das Zusammenführen von Regelungen des Melderechtsrahmengesetzes und der Landesmeldegesetze.34 Der ursprüngliche Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren konnte jedoch wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige Struktur des Meldewesens nicht eingehalten werden35, so dass es bislang noch nicht zur angestrebten Reform des Melderechts gekommen ist (Stand: August 2009).36 Der Bund hat jedoch von seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Ausweiswesen Gebrauch gemacht und das Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 18. Juni 2009 erlassen.37 Hierdurch wird der hergebrachte Personalausweis zu einem biometriegestützten Identitätsdokument und einem elektronischen Identitätsnachweis für E-Government und E-Business. 33 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gisela Piltz, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/7205 – Stand der Reform des Melderechts sowie Einführung des Datenaustauschformats X-Meld - BT-Drs. 16/7383 vom 3. Dezember 2007; BT-Drs. 16/8688, S. 5, Antwort auf Frage Nr. 19. 34 BT-Drs. 16/7383. S. 1. 35 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gisela Piltz, Christian Ahrendt , Hartfried Wolff (Rems-Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 16/10372 - Meldewesen und Datenschutz, BT-Drs. 16/10523 vom 10. Oktober 2008, S. 3. 36 Vgl. zur Thematik auch Welsch, Harald, Aktuelle Entwicklungen im Melde-, Pass- und Ausweisrecht vor dem Hintergrund der Föderalismusreform, KommunalPraxis spezial 1/2008, S. 6 ff., S. 6 f., 15 f. 37 Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 18. Juni 2009, BGBl. I S. 1346. Das Gesetz tritt am 1. November 2010 in Kraft. Artikel 1 § 21 tritt am 1. Mai 2010 in Kraft. - 14 - 3.1.1.2. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG Der Bund hat das UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut durch das Kulturgüterrückgabegesetz vom 18. Mai 2007 umgesetzt .38 Das Gesetz ist am 24. Mai 2007 in Kraft getreten. Die Bundesregierung plant darüber hinaus keine Gesetzesinitiative in diesem Bereich in den nächsten drei Jahren (Stand: April 2008).39 Die Bundesregierung prüft aber im Hinblick auf das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Kulturgutschutzgesetz), ob Novellierungsbedarf besteht . Aus Sicht der Bundesregierung ist eine Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes nur sinnvoll, wenn sie umfassend ist, die Verzahnung und Verschränkung zum Kulturgüterrückgabegesetz berücksichtigt und beide Gesetze zu einem Gesetz vereint.40 Bislang ist seitens der Bundesregierung jedoch noch keine Initiative diesbezüglich erfolgt. Jedoch hat der Freistaat Bayern dem Bundesrat am 1. Juli 2008 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung zugeleitet.41 Dieser hat hierüber bislang noch nicht beraten. Der Gesetzentwurf hat die Einfügung einer Ermächtigung für die Länder zum Schutz fossiler Funde vor der Ausfuhr zum Gegenstand. 3.1.1.3. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Abwehr des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG Auf der Grundlage der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für die Abwehr des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt ist das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25. Dezember 2008 vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden und am 1. Januar 2009 in Kraft getreten.42 Hierdurch erhält das Bundeskriminalamt in bestimmten Fallgruppen die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus sowie entsprechende Befugnisse. 38 Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Ausführgesetz zum Kulturgutübereinkommen - KGUAG) vom 18. Mai 2007, BGBl. I S. 757. 39 BT-Drs. 16/8688, S. 5, Antwort auf Frage Nr. 20. 40 BT-Drs. 16/8688, S. 5, Antwort auf Frage Nr. 20. 41 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung , Bundesratsdrucksache, BR-Drs. 457/08 vom 1. Juli 2008. 42 Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25. Dezember 2008, BGBl. 2008 I S. 3083. - 15 - 3.1.1.4. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Waffen- und Sprengstoffrecht nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG Auf der Grundlage der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Waffen - und Sprengstoffwesen hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 26. März 2008 beschlossen.43 Das Gesetz ist am 1. April 2008 in Kraft getreten. Es regelt im Wesentlichen vier Themenkomplexe: 1.) Es stellt die Ratifizierungsfähigkeit des von der Bundesrepublik Deutschland bereits gezeichneten, aber mangels innerstaatlicher Umsetzung noch nicht ratifizierten VN- Schusswaffenprotokolls her. 2.) Das Führen von Anscheinswaffen (Kriegswaffen und „Pumpgun“-Imitate) in der Öffentlichkeit wird verboten. 3.) Im Hinblick auf den Fristablauf des „Erbenprivilegs“ in § 20 des Waffengesetzes gemäß Artikel 19 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970) zum 1. April 2008 trifft der Entwurf eine Regelung zur Einführung von Blockiersystemen für Erbwaffen. 4.) Daneben setzt das Gesetz die notwendigen Folgerungen aus der Evaluierung des Vollzugs des Waffengesetzes um.44 Des Weiteren hat der Bundestag am 18. Juni 2009 das Vierte Gesetz zur Änderung des Sprengstoffgesetzes beschlossen.45 Das Gesetz tritt in Teilen am Tag nach seiner Verkündung, am 1. Oktober 2009 bzw. am 1. Januar 2010 in Kraft. Das Gesetz beinhaltet Änderungen des Sprengstoffgesetzes, des Waffengesetzes, der Ersten und Zweiten Verordnung zum Sprengstoffgesetz und der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (Artikel 1 bis 3). Es dient der Umsetzung europäischen Rechts, u. a. der Richtlinie 2007/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Mai 2007 über das Inverkehrbringen pyrotechnischer Gegenstände46 und der Behebung der bei der Auslegung und im Vollzug zu Tage getretenen Unzulänglichkeiten.47 3.1.1.5. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Versorgung und Fürsorge bei Kriegsbetroffenen nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 13 GG Von der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für die Versorgung und Fürsorge von Kriegsbetroffenen wurde bislang kein Gebrauch gemacht. Die Bundesregierung plant dies auch nicht.48 43 Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 26. März 2008, BGBl. 2008 I S. 426. 44 BT-Drs. 16/8688, S. 5, Antwort auf Frage Nr. 28; vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 16/7717 vom 11. Januar 2008. 45 Viertes Gesetz zur Änderung des Sprengstoffgesetzes vom 17. Juli 2009, BGBl. 2009 I S. 2062. 46 Amtsblatt (ABl). L 154 vom 14. Juni 2007, S. 1. 47 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 16/12597 vom 8. April 2009. 48 BT-Drs. 16/8688, S. 7, Antwort auf Frage Nr. 29. - 16 - 3.1.1.6. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Kernenergie nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG Der Bundestag hat das Gesetz zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften vom 29. August 2008 beschlossen.49 Es ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Die Änderungen des Atomgesetzes waren infolge der Ratifizierung der am 12. Februar 2004 unterzeichneten Änderungsprotokolle zu den beiden Atomhaftungskonventionen (Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie und Brüsseler Zusatzübereinkommen) erforderlich geworden. Die Änderungsprotokolle bezwecken im Wesentlichen durch die Anhebung der Haftungs- und Deckungssummen sowie der garantierten staatlichen Ersatzleistungen, durch die Ausdehnung des territorialen Anwendungsbereichs und durch die Erweiterung des Schadensbegriffes eine Verbesserung des Schutzes von Opfern möglicher nuklearer Ereignisse. Hierdurch wurden insbesondere Änderungen der haftungsrechtlichen Vorschriften des Atomgesetzes notwendig . Auf den 29. August 2008 datiert auch das Gesetz zu den Pariser Atomhaftungs- Protokollen 2004.50 Es ist am 5. September 2008 in Kraft getreten. Gemäß Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 GG bedürfen Verträge, die sich wie die Änderungsprotokolle auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Gesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes . Aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit für die Kernenergie hat der Bundestag ferner das Zehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 17. März 2009 beschlossen .51 Artikel 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes sind am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten; im Übrigen tritt das Gesetz am 1. Januar 2010 in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es zum einen, § 12b des Atomgesetzes (AtomG) an die veränderte Beurteilung der Sicherheitslage nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika und weiteren terroristischen Ereignissen in der Folgezeit (London, Madrid) auch hinsichtlich der Gefährdung von kerntechnischen Anlagen und Nukleartransporten anzupassen. § 12b AtomG in Verbindung mit der Atomrechtlichen Zuver- 49 Gesetz zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften vom 29. August 2008, BGBl. I S. 1793. 50 Gesetz zu den Protokollen vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Übereinkommens vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964 und des Protokolls vom 16. November 1982 und zur Änderung des Zusatzübereinkommens vom 31. Januar 1963 zum Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964 und des Protokolls vom 16. November 1982 (Gesetz zu den Pariser Atomhaftungs-Protokollen 2004) vom 29. August 2008, BGBl. 2008 II S. 902. 51 Zehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 17. März 2009, BGBl. 2009 I S. 556. - 17 - lässigkeitsüberprüfungs-Verordnung regelt die Überprüfung der Zuverlässigkeit von in Genehmigungs-, Planfeststellungs- und Aufsichtsverfahren nach dem Atomgesetz oder einer aufgrund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnung als Verantwortliche benannten Personen sowie von Personen, die in kerntechnischen Anlagen oder Einrichtungen oder beim Umgang mit oder bei der Beförderung von radioaktiven Stoffen tätig sind. Mit dem Gesetz wird zum anderen festgelegt, dass für den Betrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II künftig die Vorschriften des Atomgesetzes über Endlager des Bundes gelten sollen (Artikel 1 Nr. 2 und 3 - §§ 23 und 57b des Atomgesetzes). 3.1.2. Landesgesetzgebung aufgrund der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder 3.1.2.1. Strafvollzug, einschließlich Vollzug der Untersuchungshaft (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) Auf dem Gebiet der neuen ausschließlichen Länderkompetenz für den Strafvollzug hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 31. Mai 2006 bereits vor Inkrafttreten der Föderalismusreform I entschieden, dass für Maßnahmen, die in Grundrechte der Gefangenen eingreifen, auch im Jugendstrafvollzug eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, und für den Erlass eines Jugendstrafvollzugsgesetzes eine Frist bis zum Ablauf des Jahres 2007 gesetzt.52 Inzwischen haben alle Bundesländer ein Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet.53 Einige Länder haben ein reines Jugendstrafvollzugsgesetz erlassen (z. B. Baden-Württemberg54, Brandenburg55 und Mecklenburg- Vorpommern56). Andere Länder haben ein Gesetz erlassen, das Freiheitsstrafe, Jugendstrafe und Sicherungsverwahrung zusammenfasst (Bayern57 und Hamburg58). Schließlich gibt es das Modell eines Justizvollzugsgesetzes mit Abschnitten über Jugendvollzug und Untersu- 52 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 116, 69 ff. 53 BT-Drs. 16/8688, S. 9, Antwort auf Frage Nr. 31. 54 Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Baden-Württemberg (Jugendstrafvollzugsgesetz - JstVollzG) vom 27. Juni 2007, Gesetzblatt (GBl.) S. 298. 55 Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Brandenburg (Brandenburgisches Jugendstrafvollzugsgesetz - BbgJStVollzG) vom 18. Dezember 2007, Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl.) I S. 348. 56 Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe (Jugendstrafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - JStVollzG MV) vom 14. Dezember 2007, GVOBl. MV S. 427. 57 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) vom 10. Dezember 2007, GVBl. 2007 S. 866, zuletzt geändert durch § 3 G zur Änd. des Bayerischen DatenschutzG, des PolizeiaufgabenG und des Bayerischen StrafvollzugsG vom 10. Juni 2008, GVBl. S. 315. 58 Gesetz zum Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Hamburgisches Strafvollzugsgesetz - HmbStVollzG) vom 14. Dezember 2007, HmbGVBl. S. 471, zuletzt geändert durch Art. 16 G zum Neuerlass des Hamburgischen InformationsfreiheitsGs vom 17. Februar 2009, HmbGVBl. S. 29. - 18 - chungshaft (Niedersachsen59). Hiermit haben die Länder Bayern, Hamburg und Niedersachsen gleichzeitig von der neuen Gesetzgebungskompetenz für den Erwachsenenstrafvollzug Gebrauch gemacht. Denn sie haben sich nicht auf eine bloße Regelung des Jugendstrafvollzugs beschränkt. In den anderen Ländern gilt bislang (nach dem neuen Art. 125a GG) das bisherige bundesrechtliche Strafvollzugsgesetz (StVollzG) für die Erwachsenen weiter.60 Jedoch sind auch in den übrigen Ländern Bestrebungen erkennbar, den Erwachsenenstrafvollzug zu regeln. Dies gilt im Speziellen für das Recht der Untersuchungshaft. So haben die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig- Holstein mittlerweile einen Musterentwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft erarbeitet, der am 3. November 2008 der Presse vorgestellt wurde.61 Das Land Thüringen hat am 19. Juni 2009 als erstes Bundesland das Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft verabschiedet. Es soll am 1. Januar 2010 in Kraft treten. Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen haben sich diesem Musterentwurf nicht angeschlossen, sondern gehen eigene Wege: Das nordrhein-westfälische Kabinett hat am 17. Februar 2009 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen gebilligt.62 Im März 2009 hat ferner die Regierung des Landes Baden-Württemberg den Entwurf eines Justizvollzugsgesetzes zur Anhörung freigegeben. Im Juli 2009 hat schließlich Hessen den Entwurf eines Hessischen Vollzugsgesetzes vorgestellt. Ergänzend ist zu erwähnen, dass im Anschluss an das Bayerische Strafvollzugsgesetz zudem in Bayern auch ein Bayerisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz geschaffen werden soll.63 59 Gesetz zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen vom 14. Dezember 2007, Nds. GVBl. S. 720. 60 Köhne, Michael, 3 Landesstrafvollzugsgesetze - Beiträge zum „Wettbewerb der Schäbigkeit“?, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2009, S. 130 ff., S. 130. 61 Vgl. den Gesetzentwurf von Sachsen-Anhalt: http://www.landtag.sachsenanhalt .de/fileadmin/parlamentsdokumentation/d2019lge_5.pdf. (letzter Abruf: 28. Juli 2009). Vgl. zum Musterentwurf: Brune, Ulrike/Müller, Simon, Wohin geht der Untersuchungshaftvollzug? - Ein Vergleich der (beabsichtigten) landesrechtlichen Regelungen, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2009, S. 143 ff., S. 144; Harms, Sven, Der Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts , Forum Strafvollzug (FS) 2009, S. 13 ff. 62 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen (GVUVS NRW), abrufbar unter: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD14-8631.pdf (letzter Abruf: 28. Juli 2009). Vgl. hierzu Piel, Milena/Püschel, Christof/Tsambikakis, Michael, Der Entwurf eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes - Ein rechtliches und politisches Ärgernis, ZRP 2009, S. 33 ff. 63 Vgl. Koop, Gerd, Untersuchungshaft im Wandel?, FS 2009, S. 6. - 19 - Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zwar auch die Gesetzgebungskompetenz für den Maßregelvollzug auf die Länder übergegangen ist. Gemäß § 138 StVollzG galt allerdings bisher schon, dass sich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Erziehungsanstalt nach Landesrecht richtet, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Bundesgesetzlich geregelt sind nur die Fragen der Kostenerhebung und der Rechtsmittel im Maßregelvollzug. Dementsprechend haben alle Länder eigene Maßregelvollzugsgesetze und Psychisch-Kranken-Gesetze erlassen.64 3.1.2.2. Versammlungsrecht (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) Nur wenige Länder haben bereits von der neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Versammlungsrechts Gebrauch gemacht. Als erstes Bundesland hat Bayern im Juli 2008 ein umfassendes Versammlungsgesetz erlassen (Bayerisches Versammlungsgesetz)65 und damit das auf das Jahr 1953 zurückgehende Versammlungsgesetz des Bundes gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG ersetzt. Das Gesetz ist am 1. Oktober 2008 in Kraft getreten. Es übernimmt einige Regelungen des Versammlungsgesetzes des Bundes teilweise wörtlich, enthält aber auch neuartige Verpflichtungen für die Veranstalter und Leiter von Versammlungen.66 Am 17. Februar 2009 hat das Bundesverfassungsgericht jedoch Teile des Bayerischen Versammlungsgesetzes einstweilen außer Kraft gesetzt.67 Bei den einstweilen außer Kraft gesetzten Regelungen handelt es sich um Bußgeldvorschriften und Befugnisse der Polizei zu Filmaufnahmen. Diese Bußgeldvorschriften erheben den Verstoß gegen weitreichende versammlungsrechtliche Mitwirkungspflichten und Verbote zu einer Ordnungswidrigkeit.68 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts droht hierdurch der Inanspruchnahme eines elementaren demokratischen Kommunikationsgrundrechts die Unbefangenheit genommen zu werden. Damit verbundene Einschüchterungseffekte wögen auch für die Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung schwer.69 Was die Befugnisse der Polizei zu Filmaufnahmen betrifft, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Erstellung von Übersichtsaufzeichnungen für die Versammlungsteilnehmer zu gewichtigen Nachteilen führe. Denn sie begründe für sie das Bewusstsein, dass ihre Teilnahme und die Form ihrer Beiträge unabhängig von einem zu verantwortenden Anlass festgehalten werden könnten und die 64 BT-Drs. 16/8688, S. 9, Antwort auf Frage Nr. 31. 65 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) vom 22. Juli 2008, BayGVBl. S. 421. 66 Vgl. hierzu Kutscha, Martin, Neues Versammlungsrecht - Bayern als Modell?, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2008, S. 1210 ff. 67 BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, Aktenzeichen: 2 BvR 1492/08, NVwZ 2009, S. 441 ff. Die einstweilige Anordnung wurde am 17. August 2009 um sechs Monate verlängert, vgl. http://www.sueddeutsche.de/65B38Z/3010711/Paragraphen-im-Wartestand.html (letzter Abruf: 21. August 2009). 68 BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, Aktenzeichen: 2 BvR 1492/08, NVwZ 2009, S. 441 ff., S. 444. 69 BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, Aktenzeichen: 2 BvR 1492/08, NVwZ 2009, S. 441 ff., S. 445. - 20 - so gewonnenen Daten über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar blieben.70 Auch hierdurch würden Einschüchterungseffekte erzielt, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirkten.71 Andere Bundesländer haben lediglich einzelne Paragrafen des Versammlungsgesetzes des Bundes durch eigene Regelungen ersetzt. So hat Brandenburg mit Wirkung zum 30. Oktober 2006 in Ersetzung von § 16 des Versammlungsgesetzes durch das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge an und auf Gräberstätten (GräbVersammlG) verabschiedet.72 Vergleichbare Landesgesetze finden sich etwa in Hamburg, Rheinland- Pfalz, Thüringen und Brandenburg (Gedenkstättenschutzgesetze).73 Die Sächsische Staatsregierung legte im Februar 2008 den Entwurf für ein Sächsisches Versammlungsgesetz vor, der in der Sache eine Konkretisierung des § 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes zum Gegenstand hat.74 Laut Antwort der Bundesregierung und der Umfrage zur bisherigen Ausschöpfung der übertragenen Gesetzgebungskomptenzen bestehen außerdem in Berlin, Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachsen Planungen für den Erlass eines Landesversammlungsgesetzes.75 3.1.2.3. Heimrecht (bisher Teil der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 Abs 1 Nr. 7 GG) Durch die Übertragung des Heimrechts in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder haben sich Abgrenzungsprobleme im Hinblick auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergeben. Eindeutig ist, dass der Bund nunmehr keine Regelungen im Bereich des Heimrechts treffen darf, die sich auf dessen öffentlich-rechtlichen Teil beziehen . Unklar war allerdings, ob der Bund noch die zivilrechtlichen Teile des Heimrechts regeln darf.76 Der Bund hat jüngst auf der Grundlage seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG das Gesetz zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform vom 29. Juli 2009 verabschiedet.77 Dieses Gesetz beinhaltet unter anderem ein Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG), das die Rechte älterer, pflegebedürftiger und behinderter Menschen stärkt, wenn sie Verträge über die 70 BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, Aktenzeichen: 2 BvR 1492/08, NVwZ 2009, S. 441 ff., S. 446. 71 BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, Aktenzeichen: 2 BvR 1492/08, NVwZ 2009, S. 441 ff., S. 446. 72 Gesetz zur Ersetzung von § 16 des Versammlungsgesetzes vom 26. Oktober 2006, GVBl. I S. 114. 73 Scheidler, Alfred, Änderung der Gesetzgebungskompetenz im Versammlungsrecht – Erste Aktivitäten der Länder, ZRP 2008, S. 151 ff., S. 153. 74 Sächs. LT, Drs. 4/11380. 75 BT-Drs. 16/8688, S. 11, Antwort auf Frage Nr. 33. 76 , Zur Reichweite der neuen Länderkompetenzen im Bereich der Gesetzgebung, WD 3 – 468/06 vom 9. Januar 2007, S. 3, S. 10 f. 77 Gesetz zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform vom 29. Juli 2009, BGBl. I S. 2319. - 21 - Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen abschließen. Das Gesetz tritt am 1. Oktober 2009 in Kraft. Vor dem Bund haben bereits drei Bundesländer (Bayern78, Baden-Württemberg79 und Nordrhein-Westfalen80) von der übergegangenen Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht Gebrauch gemacht und ein Landesheimgesetz erlassen.81 Soweit die Bundesländer bereits Regelungen zu Heimverträgen erlassen haben, müssen sie sich an der neuen bundeseinheitlichen Vorgabe orientieren und die abweichenden Regelungen korrigieren .82 Nach der Umfrage der Landtagsdirektorenkonferenz zur bisherigen Ausschöpfung der durch die Föderalismusreform auf die Länder83 übertragenen Gesetzgebungskompetenzen planen außerdem noch Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen -Anhalt und Schleswig-Holstein den Erlass von Gesetzen im Rahmen der neuen Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht. 3.1.2.4. Teile des Rechts der Wirtschaft (bisher Art. 74 Abs. Nr. 11 GG) 3.1.2.5. Ladenschlussrecht Bis auf Bayern haben alle Bundesländer von der neuen Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Ladenschlussrechtes Gebrauch gemacht.84 Dabei sind folgende Tendenzen 78 Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Pflege- und Wohnqualitätsgesetz - Pfl-WoqG), BayGVBl. 2008 S. 346, in Kraft seit dem 1. August 2008. 79 Heimgesetz für Baden-Württemberg (Landesheimgesetz - LHeimG), GBl. BW 2008 S. 169, in Kraft seit dem 1. Juli 2008. 80 Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform auf dem Gebiet des Heimrechts und zur Änderung von Landesrecht, GVBl. NRW 2008 S. 738, in Kraft seit dem 18. November 2008. Das Gesetz beinhaltet u.a. ein Gesetz über das Wohnen mit Assistenz und Pflege in Einrichtungen (Wohn- und Teilhabegesetz - WTG). Vgl. zum Inhalt: Tersteegen, Jens, Letztwillige Verfügungen zugunsten des Heimträgers - Inkrafttreten des Wohn- und Teilhabegesetzes - WTG NRW, Rheinische Notar- Zeitschrift (RNotZ) 2009, S. 222 ff. 81 Für einen Vergleich der Landesheimgesetze vgl. Burmeister, Julian, Die Heimgesetzgebung der Bundesländer - Ein Rechtsvergleich, NVwZ 2009, S. 628 ff. 82 Vgl. „Weitere Bundesratsbeschlüsse vom 10. Juli 2009“, Bundesrat gibt grünes Licht: Heimvertragsrecht bleibt Bundesrecht, abrufbar unter: http://beckonline .beck.de/Default.aspx?words=becklink+285145&btsearch.x=0&btsearch.y=0&btsearch.x=42. 83 Vgl. Landtagsdrucksache, LDK-Dok 803. 84 Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) vom 14. Februar 2007, GVBl. S. 135; Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) vom 14. November 2006, GVBl. S. 1046; Brandenburgisches Ladenöffnungsgesetz (BbgLöG) vom 27. November 2006, GVBl. I S. 158; Bremisches Ladenschlussgesetz vom 22. März 2007, BremGBl. S. 221; Hamburgisches Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz) vom 22. Dezember 2006 (HbgGVBl. S. 611); Hessisches Ladenöffnungsgesetz (HessLöG) vom 23. November 2006, GVBl I, S. 606; Niedersächsisches Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NdsLöffVZG) vom 8. März 2007, NdsGVBl. S. 111; Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz - LÖG NRW) vom 16. November 2006, GVBl. NRW S. 516; Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (Ladöffn G) vom 21. November 2006, GVBl. S. 351; Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten - 22 - sichtbar: Während die Ladenöffnungszeiten an Werktagen vollkommen liberalisiert worden sind, ist der Handel an Sonn- und Feiertagen weiterhin reglementiert.85 Die liberalste Regelung ist in Berlin in Kraft getreten: Hiernach können die Verkaufsstellen an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, u. a. auch an allen vier Adventssonntagen geöffnet werden. Hiergegen haben die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz und das Erzbistum Berlin im November 2007 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die mündliche Verhandlung fand am 23. Juni 2009 statt.86 In Bayern gibt es derzeit keine konkreten Planungen für eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Damit gilt dort das Ladenschlussgesetz des Bundes gemäß Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG als partikulares Bundesrecht fort. 3.1.2.6. Gaststättenrecht Im Jahr 2007 haben sämtliche Bundesländer Nichtraucherschutzgesetze erlassen, die ein Rauchverbot in Gaststätten vorsehen.87 Alle Gesetze sehen als Sanktion bei Verstoß gegen das Rauchverbot Geldbußen für den Gaststättenbetreiber der jeweiligen Gaststätte vor. Mit Ausnahme des Bayerischen Gesetzes, das die Einrichtung von Rauchernebenräumen nicht gestattet88, lassen die jeweiligen Landesgesetze das Rauchen in abgetrennten , gekennzeichneten Nebenräumen zu. Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen , Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein sehen (Ladenöffnungsgesetz - LÖG Saarland) vom 15. November 2006, Abl. S. 1974; Sächisches Gesetz über die Ladenöffnungszeiten (Sächsisches Ladenöffnungsgesetz - SächsLadÖffG) vom 16. März 2007, SächsGVBl. S. 42; Gesetz über die Ladenöffnungszeiten im Land Sachsen-Anhalt (Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen-Anhalt - LÖffzeitG LSA) vom 22. November 2006 (SachsAnhGVBl. S. 528); Gesetz über die Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungszeitengesetz - LÖffZG) vom 29. November 2006, SchlHGVBl. S. 243; Thüringer Ladenöffnungsgesetz (ThürLadÖffG) vom 24. November 2006, GVBl. S. 541. 85 Vgl. hierzu Schmitz, Holger, Die Ladenöffnung nach der Föderalismusreform, NVwZ 2008, S. 18 ff.; , Regelung der Ladenöffnungszeiten nach der Föderalismusreform , WD 3 – 404/06 vom 8. November 2006. 86 Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 48/2009 vom 7. Mai 2009. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte mit Beschluss vom 1. April 2008 eine Verfassungsbeschwerde gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz zurückgewiesen, s. Beschluss vom 1. April 2008, Aktenzeichen: Verf GH 120/07, NVwZ 2008, S. 1005. 87 Detaillierte Aufstellung bei , Regelungen der Bundesländer zum Rauchverbot in Gaststätten, Info-Brief, WD 3 - 3010 - 138/08, Stand: 19. Januar 2009. 88 Gesetz zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz - GSG) vom 20. Dezember 2007, GVBl. S. 919, geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2008, GVBl. S. 465. Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 waren jedoch vorübergehend betriebene Bier-, Wein- und Festzelte sowie vorübergehend entsprechend als Festhallen genutzte ortsfeste Hallen auf Volksfesten und vergleichbar großen Veranstaltungen vom Rauchverbot befreit (Art. 11 Abs. 2 GSG). Die gegen bayerische Nichtraucherschutzregelungen gerichteten Verfassungsbeschwerden einer Raucherin und zweier Gastwirte hatten keinen Erfolg. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen , da die angegriffenen Regelungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien, Beschluss vom 6. August 2008, Aktenzeichen: 1 BvR 3198/07, 1 BvR 1431/08. - 23 - für zeitlich befristete (Hessen und Rheinland-Pfalz: bis zu 21 Tagen, Saarland: bis zu 14 Tagen) und örtlich begrenzte Bier-, Wein- und Festzelte Ausnahmen vor. In Nordrhein- Westfalen darf bei allen vorübergehenden Veranstaltungen mit Volksfestcharakter, auch in umbauten Räumlichkeiten, geraucht werden, soweit es sich um im Brauchtum verankerte regional typische Feste handelt (Karneval). In den übrigen Bundesländern gilt auch in Festzelten und bei „vorübergehenden Veranstaltungen“ ausdrücklich oder implizit das Rauchverbot.89 Am 30. Juli 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht bestimmte Regelungen der Nichtraucherschutzgesetze von Baden-Württemberg und Berlin für verfassungswidrig.90 Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die derzeitige Ausgestaltung des Nichtraucherschutzes die Betreiber von inhabergeführten Ein-Raum-Gaststätten in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.91 Es setzte den Landesgesetzgebern eine Frist bis zum 31. Dezember 2009, um verfassungskonforme Neuregelungen zu schaffen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gilt das Rauchverbot bis zum Inkrafttreten der Neuregelungen grundsätzlich fort. In „Ein-Raum-Gaststätten“ darf der Gaststättenbetreiber das Rauchen aber unter folgenden Voraussetzungen erlauben: Die Gastfläche umfasst nicht mehr als 75 Quadratmeter; die Gaststätte hat keinen abgetrennten Nebenraum; Personen unter 18 Jahren wird der Zutritt verweigert; der Gaststättenbetreiber verfügt über eine Gaststättenerlaubnis , die das Verabreichen zubereiteter Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle nicht einschließt; die Gaststätte wird am Eingangsbereich in deutlich erkennbarer Weise als Rauchergaststätte, zu der Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, gekennzeichnet . Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind bereits in folgenden Bundesländern Neuregelungen des Rauchverbots in Kraft getreten, die die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Ausnahme vom Rauchverbot für Ein-Raum-Gaststätten geschaffen haben92: Baden-Württemberg93, Bayern94, Berlin95, Bremen96, Niedersachsen97, 89 Vgl. für eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Landesregelungen: „DEHOGA aktuell“, Nichtraucherschutzgesetze in den Bundesländern: Fragen und Antworten für Hotel und Gastronomie , Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA), Stand: 9. Dezember 2008, abzurufen unter: www.dehoga-bundesverband.de (letzter Abruf: 28. Juli 2009). 90 BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008, Aktenzeichen: 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08 und 1 BvR 906/08, BVerfGE 121, 317 ff. 91 Vgl. zum Inhalt des Urteils: Limpert, Martin, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rauchverbot, Aktueller Begriff Nr. 42/08 vom 31. Juli 2008, abrufbar unter: http://www.bundestag.btg/ButagVerw/Abteilungen/W/Ausarbeitungen/Einzelpublikationen/Rubrik. php?Rubrik=026 (letzter Abruf: 28. Juli 2009); Wolff, Heinrich, Die Auswirkungen der BVerfG- Entscheidung vom 30.7.2008 auf das Nichtraucherschutzgesetz in Brandenburg, Landes- und Kommunalverwaltung , Landes- und Kommunalverwaltung (LKV) 2009, S. 62 ff. 92 Vgl. hierzu die Synopse des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes e.V. (DEHOGA), Stand: 23. Juli 2009, abrufbar unter: www. dehoga-bundesverband.de (letzter Abruf: 28. Juli 2009). - 24 - Rheinland-Pfalz98, Saarland99 und Schleswig-Holstein100. In den übrigen Bundesländern liegen teilweise schon Gesetzentwürfe vor. 3.1.2.7. Weitere Bereiche (Rechte der Spielhallen/Schaustellung von Personen /Recht der Messen, Ausstellungen und Märkte) Für diese Kompetenzbereiche wird offensichtlich bislang kein Regelungsbedarf gesehen . Auf Landesebene ist lediglich zu verzeichnen, dass beispielsweise die SPD- Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg im Juni 2007 die Landesregierung ersucht hat, einen Gesetzentwurf für das Recht der Spielhallen vorzulegen, der Eingangskontrollen , Suchtpräventionsmaßnahmen, lokale und regionale Mengenbegrenzungen von Spielgeräten und eine Verhinderung von Spielhallenkomplexen aufgrund von Mehrfachkonzessionen vorsieht.101 Diesem Ersuchen ist die Landesregierung Baden -Württemberg auch unter Berufung auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich nicht nachgekommen. Damit ist die Frage der Reichweite der neuen Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Recht der Spielhallen angesprochen.102 Einerseits wird vertreten, dass die Länder aufgrund ihrer neuen Gesetzgebungskompetenz 93 §§ 7 und 9 des Landesnichtraucherschutzgesetzes (LNRSchG) vom 25. Juli 2007 (GBl. 2007 S. 337) sind durch Gesetz vom 3. März 2009, GBl. 2009 S. 81, geändert worden. Die Änderungen sind am 7. März 2009 in Kraft getreten. 94 Der Bayerische Landtag hat am 15. Juli 2009 ein Gesetz beschlossen, das eine Ausnahme vom Rauchverbot für die Einraum-Gastronomie mit weniger als 75 Quadratmetern Gastfläche vorsieht, sofern die Gaststätte getränkegeprägt ist, Drs. 16/1867. Das Gesetz soll am 1. August 2009 in Kraft treten. Gesetzentwurf der Staatsregierung vom 17. März 2009, Drs. 16/954. 95 Erstes Gesetz zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes vom 14. Mai 2009, GVBl. Nr. 13/2009 S. 250. Die Änderungen sind am 28. Mai 2009 in Kraft getreten. 96 Änderungsgesetz zum Nichtraucherschutzgesetz vom 16. Dezember 2008 (Brem.GBl. S. 413), Brem.GBl. S. 515. Das Gesetz ist am 1. Januar 1009 in Kraft getreten. 97 §§ 2 und 4 des Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes sind durch Gesetz vom 10. Dezember 2008 geändert worden, Nds. GVBl. S. 380. Das Gesetz ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. 98 §§ 2, 4, 7, 8 und 11 des Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz (GVBl. 2007 S. 188) sind durch Gesetz vom 26. Mai 2009 geändert worden, GVBl. S. 205. Die Änderungen sind am 6. Juni 2009 in Kraft getreten. 99 Das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (Nichtraucherschutzgesetz) vom 21. November 2007 wurde zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Mai 2009, Abl. S. 906. Die Änderungen sind am 19. Juni 2009 in Kraft getreten. Das saarländische Nichtraucherschutzgesetz wurde bereits durch das Gesetz zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes und des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, Gesetz Nr. 1670 vom 14. Januar 2009 geändert. Das erste Änderungsgesetz berücksichtigte die Vorgaben eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 1. Dezember 2008, Aktenzeichen: Lv 2/08, Lv 3/08, Lv 6/08. 100 §§ 2, 3 und 5 des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (GVOBl. 2007 S. 485) sind durch Gesetz vom 25. April 2009 geändert worden, GVOBl. S. 222. Die Änderungen sind am 29. Mai 2009 in Kraft getreten. 101 Vgl. LT-Drs. 14/1350 vom 5. Juni 2007 mit angeschlossener Stellungnahme des Finanzministeriums vom 27. Juni 2007. S. hierzu Schneider, Hans-Peter, Das Recht der Spielhallen nach der Föderalismusreform , Baden-Baden 2009, S. 55. 102 Vgl. hierzu WD 3 – 468/06, S. 16; Schneider, Hans-Peter, Das Recht der Spielhallen nach der Föderalismusreform, Baden-Baden 2009, S. 59 ff.; Höfling, Wolfram /Rixen, Stephan, Die Landes-Gesetzgebungskompetenzen im Gewerberecht nach der Föderalismusreform , Gewerbearchiv (GewArch) 2008, S. 1 ff, S. 7. - 25 - auch die höchstzulässige Gerätezahl in Spielhallen festlegen dürften.103 Eine andere Auffassung stützt sich auf die Beratungen während der Föderalismuskommission, wonach nur solche Bereiche mit „lokal radizierten Auswirkungen“ verlagert werden sollten .104 Deswegen müsse der Begriff „Recht der Spielhallen“ eng ausgelegt werden und erfasse nur die Kriterien der baulichen Ausgestaltung, die grundsätzliche Frage der Erlaubnispflicht bzw. die Definition der Zulässigkeitskriterien für die Betreiber von Spielhallen .105 Nicht hiervon erfasst sei die Regelung, welche Anzahl von Geldspielgeräten aufgestellt werden dürfen.106 3.1.2.8. Flurbereinigungsrecht (bisher Teil des Rechts der Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) Für diese Kompetenzbereiche wird offensichtlich bislang kein Regelungsbedarf gesehen . 3.1.2.9. Recht des landwirtschaftlichen Grundstücksverkehrs (bisher Teil des Recht des Grundstücksverkehrs in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) Für diese Kompetenzbereiche ist offensichtlich bislang kein Regelungsbedarf gesehen worden. Es findet sich lediglich in der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 die Aussage, dass Baden-Württemberg „demnächst“ von der Ersetzungsbefugnis im Bereich der Gesetzgebungsmaterien landwirtschaftlicher Grundstücksverkehr, landwirtschaftliches Pachtwesen und ländliches Siedlungswesen Gebrauch machen wolle.107 Baden-Württemberg hat jedoch von der Gesetzgebungskompetenz bislang keinen Gebrauch gemacht. Auch von den Ländern angedachte Streichungen des Landpachtverkehrsgesetzes sind offenbar bislang nicht realisiert worden. Grundsätzlich dürften bei der Wahrnehmung der neuen Gesetzgebungskompetenz Abgrenzungsprobleme kaum zu vermeiden sein108: So wird es im Einzelfall schwierig sein, zwischen landwirtschaftlichem Grundstücksverkehr (neue Landeskompetenz) und städtebaulichem Grundstücksverkehr (weiter Bundeskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zu unterscheiden.109 Ferner stellt sich bei der neuen Länderzuständigkeit für das 103 So die Darstellung des Diskussionsstands bei Schönleitner, Ulrich, Föderalismusreform und Gewerberecht , GewArch 2006, S. 371 ff., S. 372; Höfling, Wolfram/Rixen, Stephan, Die Landesgesetzgebungskompetenzen im Gewerberecht nach der Föderalismusreform, GewArch 2008, S. 1 ff., S. 7. 104 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 14/1617 vom 30. Juli 2007, S. 3. 105 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 14/1617 vom 30. Juli 2007, S. 3. 106 So die Darstellung des Diskussionsstands bei Schönleitner, Ulrich, Föderalismusreform und Gewerberecht , GewArch 2006, S. 371 ff., S. 372; vgl. Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 14/1617 vom 30. Juli 2007, S. 3. 107 BR-Drs. 544/07, Stellungnahme des Bundesrates vom 21. September 2007. 108 Vgl. die Problemanalyse bei , WD 3 – 468/06, S. 19. 109 Vgl. auch , WD 3 – 468/06 , S. 19. - 26 - landwirtschaftliche Pachtwesen die Frage, wie mit dem in §§ 585 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregeltem Landpachtvertragsrecht umgegangen wird. 3.1.2.10. Teilbereiche des Wohnungswesens (soziale Wohnraumförderung und Finanzhilfe ; Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen; Wohnungsbindungsrecht ; Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen; Wohnungsgenossenschaftsvermögensrecht ) Bislang haben Baden-Württemberg110, Bayern111, Hamburg112 und jüngst Schleswig- Holstein113 von ihrer neuen Gesetzgebungskompetenz für Teilbereiche des Wohnungswesens Gebrauch gemacht und rechtliche Grundlagen für die Wohnraumförderung geschaffen. Während in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein das Kostenmietprinzip abgeschafft wurde, bleibt es in Bayern und Hamburg bestehen.114 Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat am 10. Juni 2009 einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Föderalismusreform I im Wohnungswesen vorgelegt, der u. a. ein Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen vorsieht.115 Das Gesetz befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass einige Bundesländer auch Sondervermögen für die Wohnraumförderung errichtet haben. So hat etwa das Land Mecklenburg- Vorpommern mit Gesetz vom 17. Dezember 2007 ein Sondervermögen „Wohnraumförderung Mecklenburg-Vorpommern“ errichtet.116 110 Landesgesetz zur Förderung von Wohnraum und Stabilisierung von Quartiersstrukturen (Landeswohnraumförderungsgesetz - LWoFG), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 11. Dezember 2007, GBl. S. 581. Das Gesetz ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. 111 Gesetz über die Wohnraumförderung in Bayern (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz - Bay- WoFG) vom 10. April 2007, BayGVBl. S. 260. Das Gesetz ist am 1. Mai 2007 in Kraft getreten. 112 Gesetz über die Wohnraumförderung in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgisches Wohnraumförderungsgesetz - HmbWoFG), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 19. Februar 2008, HmbGVBl. S. 74. Das Gesetz ist am 1. April 2008 in Kraft getreten. 113 Gesetz über die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein (Schleswig-Holsteinisches Wohnraumförderungsgesetz - SHWoFG) vom 25. April 2009, GVBl. SH S. 194. Das Gesetz ist am 1. Juli 2009 in Kraft getreten. 114 Zum Inhalt der verschiedenen Gesetze vgl. Feßler, Sigrid, Föderalismusreform - Abschaffung der Kostenmiete in Baden-Württemberg, Wertpapiermitteilungen (WM) 2009, S. 90 ff.; zum Inhalt des bayerischen Gesetzes vgl. Rahm, Christian, Die Umsetzung der Föderalismusreform I am Beispiel des öffentlichen Wohnungsrechts in Bayern, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen, Jahrbuch des Föderalismus 2008, Baden-Baden 2008, S. 204 ff. 115 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen, zur Steigerung der Förderungsmöglichkeiten der NRW.BANK und zur Änderung anderer Gesetze, LT-Drs. 14/9394. 116 Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens „Wohnraumförderung Mecklenburg- Vorpommern“ vom 17. Dezember 2007, verkündet als Art. 7 des Haushaltsbegleitgesetzes 2008/2009 vom 17. Dezember 2007, GVOBl. MV S. 472, 475. - 27 - Bayern117 und Hamburg118 haben fast zeitgleich mit Landeswohnraumförderungsgesetzen jeweils auch ein neues Wohnungsbindungsgesetz erlassen. Diese sind nahezu identisch mit dem Wohnungsbindungsgesetz des Bundes. Beibehalten wurden insbesondere die bisherigen Regelungen zur Ermittlung und Erhebung der Miete für den bereits gebundenen Wohnraum nach den Grundsätzen der Kostenmiete.119 3.1.2.11. Recht des Siedlungs- und Heimstättenwesens (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) Für diese Kompetenzbereiche wird offensichtlich bislang kein Regelungsbedarf gesehen . 3.1.2.12. Recht des Schutzes vor verhaltensbezogenem Lärm (bisher Teil des Rechts der Lärmbekämpfung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) Umstritten in diesem Zusammenhang ist die Frage, was unter dem Begriff „verhaltensbezogener Lärm“ zu verstehen ist120: Nach einer Auffassung ist in Anlehnung an die bisherige Auslegung zwischen anlagenbezogenem und verhaltensbezogenem Lärm zu differenzieren.121 Wird der Lärm durch das Betreiben einer Anlage verursacht, so sei der Bund gesetzgebungsbefugt. Die Länder seien hingegen zuständig, wenn der Lärm auf das soziale Verhalten von Personen zurückzuführen ist. Von der Bundeskompetenz seien außerdem auch die Fälle erfasst, in denen der Lärm zwar von Personen, nämlich den Nutzern einer Anlage ausgehe, mit dem Betrieb der Anlage aber in einem funktionellen Zusammenhang stehe.122 Dieser Ansicht zufolge wäre der Bund weiterhin befugt für die Regelung der Lärmbekämpfung bei Sportstätten, Kindertagesstätten, Spielplätzen etc., sofern diese Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) darstellen. Zum andern wird eine neue Auslegung des Begriffs „verhaltensbezogen“ befürwortet. Der Klammerzusatz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG stelle klar, dass die Länder auch anlagenbezogenen Lärmschutz regeln können, soweit der Verhaltensbezug von Nutzern 117 Bayerisches Wohnungsbindungsgesetz, verkündet als § 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 10. April 2007, BayGVBl. S. 267. Das Gesetz ist am 1. Mai 2007 in Kraft getreten. 118 Hamburgisches Wohnungsbindungsgesetz, verkündet als Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 19. Februar 2008, HmbGVBl. 2008 S. 74ff. Das Gesetz ist am 1. April 2008 in Kraft getreten. 119 Feßler, Sigrid, Föderalismusreform - Abschaffung der Kostenmiete in Baden-Württemberg, WM 2009, S. 90 ff., S. 90. 120 Vgl. zum Streitstand , WD 3 - 468/06, S. 22, 23; , Zuständigkeit für den Lärmschutz hinsichtlich der Nutzung von Sportanlagen, Kindertagesstätten und Spielplätzen, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages - WD 3 - 309/08 - vom 20. August 2008, S. 7. 121 , WD 3 - 309/08, S. 5. 122 BVerwGE 101, 157, 165. - 28 - dominiert, der Lärm also schwerpunktmäßig von Personen ausgeht (sogenannter „sozialer Lärm“).123 Demnach hätten die Länder die Kompetenz für Regelungen zum Lärmschutz bei Sportplätzen, Kindertagesstätten, Spielplätzen und sonstigen Anlagen mit überwiegend lokaler Bedeutung. Auch die Bundesregierung geht davon aus, dass die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen im Lärmschutz nach der Föderalismusreform I noch nicht abschließend geklärt ist.124 In den Verfassungsressorts ist aber abgestimmt, dass man für die hier in Rede stehende Frage auf die bisherige Rechtsprechung zum BImSchG abstellt: Die Abgrenzung müsse von dem hergebrachten, in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Begriff des anlagenbezogenen Lärms her erfolgen.125 Als Konsequenz dieser Rechtsauffassung plante die Bundesregierung zunächst, auf der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG für Kindergärten etc. eine Verordnung zu erlassen.126 Die Länder haben einen Regelungsbedarf auf Bundesebene verneint; das Rechtsetzungsverfahren ist aus diesem Grund nicht weiter verfolgt worden. Die Länder haben auf der Grundlage des § 23 Abs. 2 BImSchG die Möglichkeit, selbst eine entsprechende Verordnung zu erlassen oder gemäß Art. 80 Abs. 4 GG eine gesetzliche Regelung zu treffen.127 Der (abgelehnte) Entwurf der Hamburger GAL sah z. B. ein Gesetz (und keine Verordnung) vor und stützte dieses kumulativ auf Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG und Art. 80 Abs. 4 GG i. V. m. § 23 Abs. 2 S. 1 BImSchG.128 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus kürzlich den Entwurf zu einer Gesetzesänderung des Landesimmissionsschutzgesetzes beschlossen hat, die im Herbst 2009 im Parlament verabschiedet werden soll.129 Danach soll Kinderlärm als sozialadäquate Lebensäußerung künftig gegenüber anderen Lärmquellen privilegiert und grundsätzlich toleriert werden. In den Vorjahren hatte die CDU-Fraktion bereits mehrere Anträge gestellt, das Landesimmissionsschutz- 123 Vgl. zum Streitstand , WD 3 - 468/06, S. 22, 23; , WD 3 - 309/08, S. 7. 124 BT-Drs. 16/8688, S. 11. 125 Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) vom 19. August 2008 auf Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste vom 18. August 2008, bestätigt auf Nachfrage am 27. Februar 2009. 126 Auskunft des BMU vom 27. Februar 2009. 127 Auskunft des BMU vom 27. Februar 2009. 128 BÜ-Drs. 18/7324, S.1, 3; vgl. dazu auch Sauer, Oliver, Anlagenbezogener Immissionsschutz gegen verhaltensbezogenen Lärm?, Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland (NordÖR) 2008, S. 480 ff., 482. 129 „Kinder dürfen Krach machen“, Der Tagesspiegel vom 5. August 2009. - 29 - gesetz Berlin zu ändern.130 In den übrigen Bundesländern wurde bislang noch kein Regelungsbedarf gesehen. 3.1.2.13. Recht der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung der Beamten des Landes, der Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Richter des Landes (bisher Art. 74a GG und Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG) Klarstellend sei zunächst darauf hingewiesen, dass durch die Föderalismusreform I die Rahmenkompetenz des Bundes nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG („Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen“) für den Erlass des Beamtenrechtsrahmengesetzes entfallen ist. Die Länder waren bisher verpflichtet, ihre Landesbeamtengesetze an den Vorgaben dieses Rahmenrechts auszurichten. An die Stelle der bisherigen Rahmengesetzgebung für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Landes- und Kommunalbeamtinnen und -beamten ist die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG getreten. Hiernach hat der Bund nunmehr die Kompetenz zur Regelung der Statusrechte und -pflichten der Angehörigen des öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts, die in einem Dienst- und Treueverhältnis stehen, mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung. Zur Regelung der Besoldung und Versorgung dieser Personen war der Bund bislang über die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74a GG zu regeln befugt. Zusammenfassend ist danach festzuhalten, dass die Länder für die Rechtsverhältnisse ihrer Beamten zuständig sind, soweit nicht die Statusrechte und -pflichten betroffen sind. Das Laufbahnrecht sowie Besoldung und Versorgung ihrer Beamten liegen ebenfalls in ausschließlicher Kompetenz der Länder. Mit dem im Wesentlichen am 1. April 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) hat der Bund nunmehr von seiner Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG Gebrauch gemacht (vgl. im Einzelnen auch im Hinblick auf landesrechtliche Anpassungen unter Ziffer 3.1.3.1.). Im Bereich Besoldung haben mit Ausnahme des Landes Berlin alle Länder durch entsprechende Besoldungsanpassungsgesetze in den Jahren 2007 und 2008 die für ihren Bereich geltenden Dienst-, Anwärter- und Versorgungsbezüge erhöht.131 Es wurden auch Regelungen im Besoldungsbereich für Richterinnen und Richter im Landesdienst 130 Zuletzt am 6. Januar 2009, „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, Drucksache des Abgeordnetenhauses Berlin, Drs. 16/2029. 131 Antwort des Ministers des Innern und für Sport des Landes Hessen auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Irmer, Bauer, Caspar, Klein (Freigericht), Utter, Wallmann, Wiesmann (CDU) vom 16. April 2009 betreffend Föderalismusreform vom 01.09.2006 - II, LT-Drs. 18/349 (Hessischer Landtag ) vom 24. Juni 2009, S. 2, Antwort auf Frage Nr. 1. - 30 - getroffen. Einmalzahlungsgesetze wurden in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland beschlossen.132 Als bisher einziges Land hat Thüringen mit dem Thüringer Besoldungsneuregelungsund vereinfachungsgesetz133 das fortgeltende Bundesbesoldungsgesetz abgelöst und seine Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter in das neue Thüringer Besoldungsgesetz überführt.134 Im Bereich Beamtenversorgung hat bislang kein Land das geltende Recht vollständig durch eigene landesgesetzliche Regelungen ersetzt. Einzelne Änderungen und Anpassungen sind jedoch zu verzeichnen.135 Einige Länder haben das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) in der Fassung vor der Föderalismusreform I zunächst formal in Landesrecht transformiert, es damit ersetzt und im Anschluss punktuell geändert, so z. B. Bremen.136 In den meisten anderen Ländern, darunter Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen, gilt das Bundesbesoldungsgesetz jedoch in der am 31. August 2006 geltenden Fassung fort und ist den Änderungen durch einzelne Landesbesoldungsvorschriften oder einer Ablösung mit nur geringfügigen Änderungen als Landesrecht zugänglich.137 Es sei auch erwähnt, dass sich die norddeutschen Küstenländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen , Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zusammengeschlossen und den Entwurf eines Muster-Landesbeamtengesetzes erarbeitet haben, um vergleichbare Regelungen im Bereich des Beamten- und Laufbahnrechts zu schaffen.138 Mittlerweile hat etwa Niedersachsen auf der Grundlage dieses Mustergesetzes das Gesetz zur Modernisierung des niedersächsischen Beamtenrechts mit Regelungen zum 132 BT-Drs. 16/8688, S. 11, Antwort auf Frage Nr. 31 und eigene aktualisierte Recherche. 133 Thüringer Besoldungsneuregelungs- und vereinfachungsgesetz vom 24. Juni 2008, GVBl. S. 134. Das Gesetz ist am 1. Juli 2008 in Kraft getreten. 134 LT-Drs. 18/349, S. 2, Antwort auf Frage Nr. 1. 135 BT-Drs. 16/8688, S. 11, Antwort auf Frage Nr. 31. 136 Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften vom 27. Oktober 2007, GBl. 2007 S. 480. Vgl. hierzu Findeisen, Andreas, Die Föderalismusreform und ihre Auswirkungen auf die Beamtenversorgung, BetrAV 2009, S. 345 ff., S. 347. 137 LT-Drs. 18/349, S. 2, Antwort auf Frage Nr. 1. 138 Das Muster-Landesbeamtengesetz ist abzurufen unter: http://www.personalnetzonline .de/tarifwissendata/download/MusterLBG.pdf. (letzter Abruf: 3. August 2009). Vgl. hierzu Frank, Götz/Heinicke, Thomas, Die Auswirkungen der Föderalismusreform auf das öffentliche Dienstrecht - das neue Spannungsfeld von Solidarität, Kooperation und Wettbewerb zwischen den Ländern, Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 2009, S. 34 ff., S. 38; Herzog, Jana, Gestaltung des neuen Laufbahnrechts - Das Beispiel der Norddeutschen Küstenländer, Der Personalrat (PersR) 2009, S. 101 ff. - 31 - Laufbahnrecht und zur Besoldung verabschiedet.139 In Hamburg liegt ein entsprechender Gesetzentwurf vor.140 3.1.2.14. Recht der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (bisher Art. 74 Abs. 1 Nr. 1a GG) Mit der Föderalismusreform wurde die Rahmengesetzgebung des Bundes für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG aufgehoben, die in der Vergangenheit die Grundlage für die meisten Regelungen im Hochschulrahmengesetz (HRG) bildeten. Das Hochschulrahmengesetz regelt die grundsätzlichen Aufgaben der Hochschulen, Rechtsstellung und die Mitgliedschaft an der Hochschule als Selbstverwaltungskörperschaft, die Zulassung zum Studium und die Rechtsstellung der Hochschule und enthält Vorgaben zur Anpassung des Landesrechts. Die Bundesregierung hatte im Mai 2007 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes beschlossen.141 Dieser sah vor, dass das Hochschulrahmengesetz am 1. Oktober 2008 außer Kraft tritt. Dies hätte jedoch keine wesentlichen Änderungen bedeutet , weil das Hochschulrahmengesetz in allen Ländern umgesetzt wurde.142 Da das Hochschulrahmengesetz im Wesentlichen nur Vorschriften für die Gesetzgebung der Länder enthält, hätte sich das unmittelbar geltende Hochschulrecht damit ohnehin aus dem Landesrecht ergeben. Durch die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes wären damit keine materiellen Regelungslücken entstanden.143 Das Gesetz wurde jedoch bislang nicht vom Bundestag verabschiedet. Nach den Übergangsregelungen der Art. 125a Abs. 1 S. 1, 125b Abs. 1 S. 1 GG gilt das Hochschulrahmengesetz weiter. Die Regelungen des Hochschulrahmengesetzes, für die der Bund nunmehr keine Gesetzgebungskompetenz mehr besitzt, d. h. für die Bereiche, die weder Hochschulzulassung noch Hochschulabschlüsse betreffen, können jedoch gemäß Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG ohne Einhaltung einer Frist und ohne Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber 139 Gesetz zur Modernisierung des niedersächsischen Beamtenrechts vom 25. März 2009, Nds. GVBl. 2009, S. 72. Das Gesetz ist am 1. April 2009 in Kraft getreten; siehe auch Frank, Götz/Heinicke, Thomas, Die Auswirkungen der Föderalismusreform auf das öffentliche Dienstrecht - das neue Spannungsfeld von Solidarität, Kooperation und Wettbewerb zwischen den Ländern, ZBR 2009, S. 34 ff., S. 38. 140 Vgl. die Pressemitteilung des Senats vom 13. Januar 2009 , abzurufen unter: http://www.hamburg.de/ pressearchiv-fhh/1065542/2009-01-13-pa-beamtenrecht.html (letzter Abruf : 14. August 2009). 141 Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 16/6122. 142 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - BT-DRs. 16/11355 - Stand im Aufhebungsverfahren des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 16/11550 vom 5. Januar 2009, S. 2. S. hierzu auch , Zur Regelung der Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse nach Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes, WD 3 - 116/07 vom 24. April 2007, S. 12 ff. 143 BT-Drs. 16/11550, S. 2. - 32 - durch Landesrecht ersetzt werden.144 Das Hochschulwesen unterfällt damit weitgehend der Gesetzgebungskompetenz der Länder. In den Bereichen, in denen den Ländern eine sofortige Ersetzungsbefugnis zusteht, haben einige Länder bereits unterschiedlich umfangreich von ihren Gesetzgebungskompetenzen Gebrauch gemacht. Es kann im Folgenden nur beispielhaft auf einige dieser Neuregelungen eingegangen werden:145 So wurde etwa in Baden-Württemberg 2007 ein Erstes Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich erlassen . Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt in der Neuordnung der Personalkategorien an Hochschulen.146 Ende 2008 folgte ein Zweites Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich.147 Es ist am 1. März 2009 in Kraft getreten. Neben der Umwandlung der Berufsakademie zur Dualen Hochschule Baden-Württemberg betreffen weitere Änderungen die Themenbereiche Qualitätsmanagement - Akkreditierung, bessere Vereinbarkeit von Studium und Familie und Hochschulzugang. In Brandenburg wurde z.B. am 19. Dezember 2008 ein Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts des Landes Brandenburg verkündet, das im Wesentlichen am 20. Dezember 2008 in Kraft trat.148 Auch dieses Gesetz betrifft die Neuordnung von Personalkategorien und den Aufbau neuer Organisationsstrukturen.149 Auch in Bremen ist bereits Anfang 2007 ein Hochschulreformgesetz in Kraft getreten. Neben Neuregelungen in Folge der Umsetzung der „Bologna-Vereinbarungen“ und der verpflichtenden Akkreditierung von Studiengängen und privaten Hochschulen sind insbesondere die Nutzung des neuen Gestaltungsspielraums im Bereich der Personalkategorien und der Binnenstruktur der Hochschulen zu nennen.150 In Sachsen-Anhalt und im Saarland erfolgte dagegen offenbar noch keine Änderung des Landeshochschulgesetzes im Anschluss an die Föderalismusreform I. 144 , WD 3 - 116/07, S. 25. 145 Vgl. etwa auch Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) in der Fassung vom 26. Februar 2007, Nds. GVBl. S. 69; Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 31. Oktober 2006, GVBl. S. 474; Gesetz über die Hochschulen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Hochschulgesetz - SächsHSG) vom 10. Dezember 2008, SächsGVBl. 2008 S. 900. 146 Hofmann, DÖV 2008, S. 833 ff., Fn. 32. 147 Zweites Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3. Dezember 2008, GBl. 2007 S. 435. 148 Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2008, GVBl. I S. 318. 149 Vgl. zum Inhalt: Knopp, Lothar, Das neue Brandenburgische Hochschulgesetz im Kontext der aktuellen Hochschulpolitik, LKV 2009, S. 145 ff. 150 Hochschulreformgesetz vom 27. Februar 2007, GBl. 2007 S. 157. - 33 - 3.1.2.15. Recht der allgemeinen Verhältnisse der Presse (bisher Art. 75 Abs.1 Nr. 2 GG) Für diesen Kompetenzbereich wird offensichtlich bislang kein Regelungsbedarf gesehen . Von der Kompetenzverlagerung ist das Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses und § 41 des Bundesdatenschutzgesetzes betroffen (Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Medien).151 Gesetzesinitiativen der Länder hinsichtlich der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse sind nicht bekannt.152 3.1.3. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen153 3.1.3.1. Statusrechte der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) Wie bereits unter 3.1.2.13 erwähnt, hat der Bund in Ausfüllung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG für das Statusrecht der Beamten der Länder das Beamtenstatusgesetz154 erlassen. Es gilt nicht für die Bundesbeamten , deren Status einheitlich im Bundesbeamtengesetz auf der Grundlage des Art 73 Abs. 1 Nr. 8 GG geregelt ist, sondern nur für die Beamten der Länder. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Bund in Bezug auf seine Beamten das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG)155 mit Neufassung des Bundesbeamtengesetzes sowie Novellierung des Bundesbesoldungs- und des Beamtenversorgungsgesetzes erlassen hat.156 Das Gesetz ist am 12. Februar 2009 in Kraft getreten. Für die Beamtinnen und Beamten in den Ländern gilt nach Art. 125a GG das bisherige Beamtenbesoldungsbzw . Beamtenversorgungsgesetz unverändert weiter, soweit es nicht durch Landesrecht abgelöst wurde (siehe hierzu auch 3.1.2.13). Zielrichtung des Beamtenstatusgesetzes ist die Festlegung der beamtenrechtlichen Grundstrukturen zur Gewährleistung der erforderlichen Einheitlichkeit des Dienstrechts, 151 , WD 3 - 468/08, S. 23. 152 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bodo Ramelow, Wolfgang Nescovic und der Fraktion Die Linke vom 7. September 2006 - BT-Drs. 16/2545 - Die neuen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder und ihre Auswirkungen auf das geltende Bundesrecht , BT-Drs. 16/2691 vom 22. September 2006, S. 5, Antwort auf Frage Nr. 13. 153 Nachfolgend bleiben die eher nur klarstellenden Änderungen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, 22, 24, 26 GG (vgl. im Einzelnen Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/813 S. 13 f.) außer Betracht. 154 BGBl. I 2008 S. 1010. Vgl. zum Inhalt: Peters, Cornelia, Das Dienstrecht des Bundes nach der Föderalismusreform , Recht im Amt (RiA) 2008, S. 97 ff.; Dillenburger, Anja, Das Beamtenstatusgesetz als neues Beamtenbundesrecht für die Beamtinnen und Beamten der Länder, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2009, S. 1115 ff. 155 BGBl. I S. 160. 156 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/7076, vom 12. November 2007. - 34 - insbesondere zur Sicherstellung von Mobilität der Beamtinnen und Beamten bei Dienstherrenwechsel.157 Das Gesetz macht von der Kompetenz des Bundes Gebrauch und enthält einheitlich geltende Regelungen für die Landesbeamtinnen, Landesbeamten, Kommunalbeamtinnen und Kommunalbeamten. Dem Gesetz liegt die Konzeption zugrunde, das Statusrecht hinsichtlich der wesentlichen Kernbereiche wie z. B. bei Begründung oder Beendigung des Beamtenverhältnisses oder für Pflichten und Rechte der Beamtinnen und Beamten erschöpfend zu regeln.158 Da, wo der Bund keine Regelung trifft, sind die Länder zur Gesetzgebung befugt. Gleichzeitig wird dort, wo bereits heute eigene statusrechtliche Regelungen der Länder bestehen, Raum gelassen für landesrechtliche Regelungen . Dies gilt insbesondere für die Festlegung von Verfahrensfragen, Fristen oder landesspezifischen Besonderheiten.159 Als Vollregelung ersetzt es also zum Teil Regelungen der Landesbeamtengesetze. Es sind darüber hinaus Anpassungen des Landesrechts an das Beamtenstatusgesetz erforderlich geworden. Einige Bundesländer haben diese Anpassungen bereits vollzogen : So hat etwa Hessen das Gesetz zur Anpassung des Beamtenrechts in Hessen an das Beamtenstatusgesetz verabschiedet, das zeitgleich mit dem Beamtenstatusgesetz am 1. April 2009 in Kraft getreten ist.160 In anderen Bundesländern ist das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen, so z. B. in Baden-Württemberg und Sachsen- Anhalt.161 Dort gelten zurzeit die alten Landesbeamtengesetze fort. 3.1.3.2. Jagdwesen (Art. 74 Abs. Nr. 28 GG) Durch die Föderalismusreform I wurde ferner das Jagdrecht ein Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (vorher Rahmengesetzgebung). Die Bundesländer haben das Recht erhalten, vom geltenden Bundesjagdgesetz abzuweichen (Art. 72 Abs. 3 Nr. 1 GG). Dies gilt allerdings nicht für das Recht des Jagdscheins. Der Bund hat bislang aufgrund der Föderalismusreform I noch keinen Bedarf für eine Änderung des geltenden Bundesjagdgesetzes gesehen.162 157 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/4027 vom 12. Januar 2007. 158 Vgl. BT-Drs. 16/4027, Begründung, S. 20. 159 BT-Drs. 16/4027, Begründung, S. 20. 160 Gesetz zur Anpassung des Beamtenrechts in Hessen an das Beamtenstatusgesetz (Hessisches Beamtenrechtsanpassungsgesetz - HBRAnpG) vom 5. März 2009, GVBl. 2009 S. 95. 161 Vgl. LT-Drs. 18/349, S. 4, Anlage. 162 Vgl. hierzu die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 16/5793 - Jagdrechtliche Änderungen nach der Föderalismusreform , BT-Drs. 16/5887 vom 4. Juli 2007, S. 1 ff. - 35 - Da der Bund auf eine Novellierung bislang verzichtet hat, sahen die Länder die Gefahr einer Zersplitterung des Jagdrechts in Deutschland, falls jedes Land selbständig von seiner Abweichungskompetenz Gebrauch machen sollte. Im Jahr 2008 erarbeiteten die Länder deswegen gemeinsame Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Jagdrechts. Auf deren Grundlage plant nun etwa das Land Rheinland-Pfalz eine Novellierung des Landesjagdgesetzes (Stand: Mai 2009).163 Das Land Niedersachsen hatte z. B. schon im Dezember 2007 ein neues Niedersächsisches Jagdgesetz164 beschlossen und damit die Gestaltungsspielräume nach der Föderalismusreform I ausgeschöpft. 3.1.3.3. Naturschutz und Landschaftspflege (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) Durch die Föderalismusreform I wurde die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für Naturschutz und Landschaftspflege (sowie Wasserhaushalt) abgeschafft und in eine konkurrierende Gesetzgebung mit Abweichungsrecht der Länder nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 5 GG überführt. Ausgenommen vom Abweichungsrecht sind bei Nr. 2 die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes. Ohne Abweichungsrecht kann der Bund im Bereich des Wasserhaushaltsrechts nach Nr. 5 stoff- oder anlagebezogene Regelungen regeln. Hierdurch erhielt der Bund die Möglichkeit zur Schaffung eines einheitlichen Umweltgesetzbuches (UGB), mit dem das zersplitterte deutsche Umweltrecht einheitlich kodifiziert werden sollte.165 Im November 2007 wurde ein erster Referentenentwurf eines UGB erarbeitet und am 20. Mai 2008 ein überarbeiteter Entwurf vom Bundesumweltministerium 166 vorgelegt. Hauptziele des Entwurfs waren insbesondere die Stärkung des integrativen Umweltschutzes, die strukturelle Modernisierung des Umweltrechts durch die Beseitigung von Doppelregelungen und die Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens (Stichwort: Integrierte Vorhabengenehmigung - iVG).167 Zur iVG als ein Kernstück des Gesetzesvorhabens konnte letztlich kein Konsens erzielt werden: Widerstand gab es hiergegen aus der Union und aus Bayern, die u. a. eine iVG ohne materielle Integration forderten. Es sollte ein materielles Abweichungsrecht der Länder bestehen, mit der Folge, dass diese landesrechtlichen Regelungen statt der iVG weiterhin die bis- 163 Vgl. Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland- Pfalz vom 8. Mai 2009, abzurufen unter: http://www.mufv.rlp.de/index.php?id=5732 (letzter Abruf: 4. August 2009). 164 Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften vom 13. Dezember 2007, Nds. GVBl. S. 708. 165 Vgl. zur Historie des Umweltgesetzbuches: Knopp, Lothar, Umweltgesetzbuch - ein Trauerspiel ohne Ende?, Umweltplanungsrecht (UPR) 2009, S. 121 ff. 166 Abzurufen unter: http://www.bmu.de/umweltgesetzbuch/downloads/doc/40448.php (letzter Abruf: 4. August 2009). 167 Knopp, Lothar, Umweltgesetzbuch - ein Trauerspiel ohne Ende?, UPR 2009, S. 121 ff., S. 123; vgl. Kahrl, Frederic, Das Umweltgesetzbuch zwischen Rechtswissenschaft und Politik, DÖV 2009, S. 160 ff. - 36 - herigen Genehmigungsverfahren für anwendbar erklären könnten.168 Am 1. Februar 2009 gab Bundesumweltminister Gabriel mangels Einigung das Scheitern des UGB bekannt.169 Nach dem Scheitern des UGB sind die folgenden Einzelgesetze am 19. Juni 2009 vom Bundestag verabschiedet worden, mit denen das Umweltrecht in Deutschland auf Bundesebene neu geregelt wird. Im Bereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG wurde das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege170 erlassen . Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang das - Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts171, - Gesetz zur Regelung des Schutzes vor nichtionisierender Strahlung172 und das - Gesetz zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des BMU (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU)173 zu erwähnen. 3.1.3.4. Bodenverteilung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 30 GG) Für diesen Kompetenzbereich wird offensichtlich bislang kein Regelungsbedarf gesehen . 3.1.3.5. Raumordnung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG) Der Bund hat von der konkurrierenden Gesetzgebung im Bereich der Raumordnung Gebrauch gemacht und das Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes ver- 168 Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums: Umweltgesetzbuch ist am Widerstand Bayerns und der Union (1. Februar 2009), abzurufen unter: http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/43013.php (letzter Abruf: 4. August 2009); Bundesumweltministerium, Zeittafel zum UGB, abzurufen unter: http://www.bmu.de. 169 Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums: Umweltgesetzbuch ist am Widerstand Bayerns und der Union gescheitert (1. Februar 2009), abzurufen unter: http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/43013.php (letzter Abruf: 4. August 2009). 170 Am 10. Juli 2009 hat der Bundesrat beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Das Gesetz ist bislang (Stand: 4. August 2009) noch nicht verkündet worden. S. den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, BT-Drs. 16/12274 und deckungsgleich BT-Drs. 16/12785. 171 Am 10. Juli 2009 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Das Gesetz ist bislang (Stand: 4. August 2009) noch nicht verkündet worden. S. den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts , BT-Drs. 16/12786. 172 Das Gesetz ist bislang (Stand: 4. August 2009) noch nicht verkündet worden. S. den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Schutzes vor nichtionisierender Strahlung, BT-Drs. 16/12276. 173 Am 10. Juli 2009 hat der Bundesrat beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Das Gesetz ist bislang (Stand: 4. August 2009) noch nicht verkündet worden. S. Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU), BT-Drs. 16/12788. - 37 - abschiedet.174 Das Gesetz ist am 31. Dezember 2008 bzw. 30. Juni 2009 in Kraft getreten . Es enthält die Neufassung des Raumordnungsgesetzes (ROG) sowie Anpassungen in anderen Gesetzen. Das ROG hält an dem bisherigen System der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Raumordnung fest. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, „die bewährten Regelungen im bisherigen Raumordnungsgesetz“ möglichst weitgehend in bundesrechtliche Vollregelungen zu überführen und den Ländern gleichzeitig von vornherein einen ausreichend großen Abweichungsspielraum zu belassen, um so die Gefahr eines „Ping-Pong-Spiels“ zwischen Bund und Ländern zu minimieren.175 Die Neuregelung des ROG wird in der Literatur so eingeschätzt, dass sie im Grundsatz keinen Anlass gibt für abweichende Landesgesetzgebung.176 Das Raumordnungsgesetz wurde bereits im Vorfeld des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens intensiv mit den Ländern abgestimmt und im Bundesrat von einem breiten Konsens getragen. Dementsprechend sieht etwa auch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie keine Notwendigkeit, von der Abweichungsbefugnis nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG Gebrauch zu machen.177 3.1.3.6. Wasserhaushalt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG) Von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Wasserhaushaltsrechts hat der Bund in dem unter Ziffer 3.1.3.3. beschriebenen Umfang Gebrauch gemacht. 3.1.3.7. Hochschulzulassung und -abschlüsse (Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG) Nach der Föderalismusreform I besitzt der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse. Die Bundesregierung hatte im Mai 2007 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) beschlossen.178 Das Gesetz wurde jedoch bislang nicht vom Bundestag verabschiedet (vgl. Ziffer 3.1.2.14). Nach Art. 125b Abs. 1 GG können die Länder seit dem 1. August 2008 von Bundesrecht auf den Gebieten der Hochschulzulassung und -abschlüsse abweichende Rege- 174 Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (Ge- ROG) vom 22. Dezember 2008, BGBl. 2008 I S. 2986. Das damit neu gefasste Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 wurde durch Art. 4 des Gesetzes vom 22. März 2009 (BGBl. 2009 I S. 643) geändert; diese Änderung beinhaltet lediglich eine Korrektur von Verweisungen in § 8 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 S. 2 ROG. 175 BR-Drs. 563/08. Kment, Martin/Grüner, Johannes, Ausnahmen von Zielen der Raumordnung - zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes - , UPR 2009, S. 93. Vgl. zum Inhalt ferner Söfker, Wilhelm , Das Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes, UPR 2009, S. 161 ff. 176 So Söfker, Wilhelm, Das Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes, UPR 2009, S. 161 ff., S. 169. 177 Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vom 5. Mai 2009 auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Muthmann, Freie Wähler, vom 24. März 2009, LT-Drs. 16/1334. 178 BT-Drs. 16/6122. - 38 - lungen gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG treffen. Es hat offenbar noch kein Land von diesem Recht Gebrauch gemacht. Der Bundesregierung liegen auch keine Erkenntnisse über dahingehende Planungen der Länder vor (Stand: Januar 2009).179 Die Regelungen für den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit den wissenschaftlichen und künstlerischen und studentischen Hilfskräften der Hochschulen sowie mit den wissenschaftlichen und künstlerischen und studentischen Hilfskräften der Hochschulen sowie mit dem wissenschaftlichen Personal der außerhochschulischen Forschungseinrichtungen im Sinne des § 57d Hochschulrahmengesetz (HRG) (§§ 57a – 57f HRG) beruhen nach herrschender Meinung auf der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung des Arbeitsrechts gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Auf der Grundlage dieser konkurrierenden Gesetzgebung für das Arbeitsrecht hat der Bundesgesetzgeber das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) verabschiedet.180 Es ist am 18. April 2007 in Kraft getreten. Damit regelt der Gesetzgeber die mit Drittmitteln finanzierten Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen . 3.1.3.8. Abweichungsgesetzgebung 3.1.3.8.1. Materielles Abweichungsrecht gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG, 125b Abs. 1 S. 3 GG Bislang haben die Länder lediglich in zwei Fällen von ihrem Abweichungsrecht gemäß Art 72 Abs. 3 S. 1 GG Gebrauch gemacht181: Beide Fälle entstammen dem Jagdrecht. Das Land Baden-Württemberg hat ein Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes beschlossen.182 Hiermit weicht der Landesgesetzgeber von § 21 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes ab und statuiert mit § 27 Abs. 8 des Landesjagdgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 11. Oktober 2007 Ausnahmen von der bundesgesetzlichen Abschussverpflichtung von Wild. Eine Abweichung von § 21 Abs. 2 Bundesjagdgesetz wurde durch 179 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - BT-Drs. 16/11355 - Stand im Aufhebungsverfahren des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 16/11550 vom 5. Januar 2009, S. 3. 180 Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - Wiss- ZeitVG), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft vom 12. April 2007, BGBl. 2007 I S. 506; vgl. hierzu auch: , Zur Reichweite der neuen Länderkompetenzen im Bereich der Gesetzgebung, WD 3 – 468/06 vom 9. Januar 2007, S. 25 f. 181 Laut schriftlicher Auskunft des Bundesministeriums des Innern, Referat VI1, per e-Mail vom 16. Juli 2009. 182 Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes vom 11. Oktober 2007, GBl. 2007 S. 473. - 39 - § 22 Abs. 14 des Landesjagdgesetzes vom 19. Juni 2007 auch in Nordrhein-Westfalen beschlossen.183 3.1.3.8.2. Abweichung von bundesgesetzlichem Verfahrens- und Organisationsrecht gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG, 125b Abs. 2 GG In drei Fällen ist eine Abweichung gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG zu verzeichnen.184 Alle Fälle entstammen der Sozialgesetzgebung. Das Land Baden-Württemberg weicht mit § 2 Abs. 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg (LKJHG) vom 14. Oktober 2008 von § 71 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ab. Niedersachsen hat in Abweichung von § 69 Abs. 6 SGB VIII § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) vom 15. Dezember 2006 beschlossen. Nordrhein-Westfalen weicht mit § 5 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2008 von § 14 Abs. 3 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes vom 23. September 1975 ab. 3.1.3.9. Aufgabenübertragungsverbot gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG Die Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG beinhaltet ein Aufgabenübertragungsverbot des Bundes an die Kommunen. Der neue Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG lautet: „Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden .“ Für die Bundesauftragsverwaltung enthält Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG eine entsprechende Formulierung. Aufgaben können den Kommunen nunmehr nur noch nach Maßgabe des Landesverfassungsrechts durch Landesgesetz übertragen werden.185 Nach Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG gilt Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen Einfügung des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, als Bundesrecht fort. Nach Satz 2 der Vorschrift kann es durch Landesrecht ersetzt werden. Die Reichweite des neuen Aufgabenübertragungsverbots und der genannten Übergangsregelung ist streitig.186 Es lassen sich beim Durchgriffsverbot des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG im Wesentlichen zwei Interpretationslinien ausmachen: Von der Bundesregierung 187 und teilweise auch in der Literatur188 wird die Auffassung vertreten, dass 183 Artikel 4 des Gesetzes zur Änderung des Landschaftsgesetzes sowie sonstiger Vorschriften vom 19. Juni 2007, GVBl. 2007 S. 234. 184 Laut schriftlicher Auskunft des Bundesministeriums des Innern, Referat VI1, per e-Mail vom 16. Juli 2009. 185 Vgl. BT-Drs. 16/813, S. 15. 186 Vgl. hierzu weiterführend auch , Verbot des bundesgesetzlichen Durchgriffs auf die Kommunen und (Mehr-)belastungsausgleich, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 3 - 221/08 vom 19. Juni 2008. 187 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gisela Piltz, Jörg Rohde, Christian Ahrendt u. weiterer Abgeordneter u. der Fraktion der FDP – BT-Drs. 16/3882- Kommuna- - 40 - bloße Aufgabenerweiterungen nach Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG nicht schlechthin unzulässig seien. Vielmehr sei an die zum bisherigen Art. 84 Abs. 1 GG bekannte Unterscheidung zwischen der rein quantitativen Vermehrung bereits bestehender Aufgaben und der Übertragung neuer Aufgaben anzuknüpfen. Letztere sei durch Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG lediglich ausgeschlossen. Nach anderer Ansicht189 gilt das Aufgabenübertragungsverbot ausnahmslos. Materiell -rechtliche Erweiterungen bereits bestehender Aufgaben und finanzielle Anspruchsausweitungen könnten nicht mehr weiter an die Kommunen adressiert werden. Art. 125a Abs. 1 GG erfasse diesen Fall nicht, da die hiernach fortgeltenden Zuständigkeitsbestimmungen nicht zukunftsoffen und dynamisch auf das jeweils geltende Recht verwiesen. Juristisch konsequent sei vielmehr eine Verfassungsinterpretation, die es dem Bund untersage, materiell-rechtliche Rechtsänderungen zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben an die Kommunen zu adressieren. Mitunter wird auch eine differenzierende Betrachtung vorgenommen: So wird beispielweise betont, dass der dogmatisch saubere Weg einer Problemlösung beim hier in Frage stehenden Gegenstand, d. h. bei der „Aufgabe“, anzusetzen habe.190 Interpretationsleitend sollte danach eine Unterscheidung danach sein, ob eine bestimmte Tätigkeit zugewiesen oder erweitert werde (nur dann sei Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG einschlägig) oder ob das „Wie“ des Tätigwerdens in einem als solchen unverändert bleibenden Tätigkeitsbereich reglementiert werde.191 Formen, Verfahren, Rechtsverhältnisse und Maßstäbe seien demzufolge nicht vom Verdikt des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG erfasst.192 Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Problematik noch nicht Stellung bezogen : Es hatte nämlich in seinem Urteil vom 20. Dezember 2007193 zu den Hartz IV- Arbeitsgemeinschaften nach altem Recht (Art. 84 Abs. 1 GG a. F.) zu entscheiden, weil die Aufgabenübertragung gemäß § 44b SGB II – Bestimmung der kreisfreien Städte und Kreise zu (Mit-)trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende – vor der Föderalismusreform I erfolgt war. Daher ließ es die Frage, ob künftig eine Erweiterung der les Aufgabenübertragungsverbot und Weihnachtshilfe, BT-Drs. 16/3989 vom 2. Januar 2007, S. 2; BT-Drs. 16/8688, S. 18. 188 Maiwald, Christian, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Hofmann, Hans/Hopfauf, Axel, Grundgesetz, Kommentar, 11. Aufl., 2008, Art. 125a GG Rn. 3; so ohne weitere Begründung auch Pieroth, Bodo, in: Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 10. Auflage, 2009, Art. 84 Rn. 7. 189 Schoch, Friedrich, Verfassungswidrigkeit des bundesgesetzlichen Durchgriffs auf die Kommunen, Das Deutsche Verwaltungsblatt (DVBl) 2007, S. 261 ff., S. 263; Henneke, in: Schmidt- Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 84 Rn. 26 ff.; Wieland, Joachim, Art. 84 GG – Klare Verantwortungszuordnung oder neue Vernetzungsstrategien?, Der Landkreis (LK) 2008, S. 184 ff., S. 186. 190 Burgi, Martin, Künftige Aufgaben der Kommunen im sozialen Bundesstaat, DVBl 2007, S. 70 ff., S. 77. 191 Burgi, DVBl 2007, S. 70 ff., S. 77. 192 Burgi, DVBl 2007, S. 70 ff., S. 77. 193 BVerfG, NVwZ 2008, S. 183 ff. - 41 - Aufgabenzuweisung durch Bundesgesetz nach Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG möglich sei, offen . Es stellt lediglich fest, dass dies „Fragen namentlich des Übergangsrechts des Art. 125a GG“ aufwerfe, „die in diesem Verfahren zu klären kein Anlass besteht.“194 Ob der Bund gegen Art. 84 Abs. 1 GG a. F. verstoßen hat, ließ das Gericht im Ergebnis offen, weil es die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 GG als nicht verletzt betrachtete. Allerdings gab es auch zu verstehen, dass es die nunmehr geltende Fassung des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG dagegen als Konkretisierung der Selbstverwaltungsgarantie verstehe.195 Für künftige Streitfälle wird mitunter daraus geschlossen, dass bei einem Verstoß des Bundesgesetzgebers gegen diese Norm der Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht als verletzt angesehen werde und damit eine im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde rügefähige Position für Gemeinden und Kreise eröffnet sei.196 In der Praxis hat die neue Rechtslage bereits zu Problemfällen, etwa bei der sog. Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner nach SGB XII, beim Ausbau der Kinderbetreuung sowie dazu geführt, dass der Bundespräsident das Verbraucherinformationsgesetz von 2006 unter Hinweis auf einen offensichtlichem Verfassungsverstoß nicht ausgefertigt hat.197 3.1.3.9.1. Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner nach SGB XII Hier geht es um das Gesetz zur Änderung des zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)198, das für das Jahr 2006 eine einmalige Weihnachtsbeihilfe (§ 133b SGB XII) in Höhe von mindestens 36 Euro für sozialhilfebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen vorsieht. Für die Zeit ab dem Jahr 2007 wurde der Barbetrag, den die Sozialhilfeträger an die Leistungsberechtigten gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII zahlen , um einen Prozentpunkt erhöht.199 Die Bundesregierung200 hat hierzu die Auffassung vertreten, dass in beiden Leistungstatbeständen keine neue Aufgabenzuweisung im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG liege. 194 BVerfG, NVwZ 2008, S. 183 ff, Rn. 136. 195 Vgl. auch Meyer, Hubert, Das SGB II als Ernstfall des Föderalismus – BVerfG schützt sozialpolitischen Gestaltungsspielraum und föderale Eigenverantwortung, NVwZ 2008, S. 275 ff., S. 276. 196 Meyer, NVwZ 2008, S. 275 ff., S. 276. 197 Henneke, Der Bund und die Kommunen – Aufgaben- und Finanzbeziehungen an den Beispielen SGB II, SGB VIII und SGB XII, Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (Födko II), Kommissionsdrucksache (Kom-Drs.) 058 (Beitrag für Niedersächsische Verwaltungsblätter Heft 1/2008), S. 1. 198 Vom 2. Dezember 2006, BGBl I S. 2670. 199 Kleine Anfrage der Abgeordneten Gisela Piltz, Jörg Rohde, Christian Ahrendt u. weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT-Drs. 16/3882- Kommunales Aufgabenübertragungsverbot und Weihnachtshilfe, BT-Drs. 16/3989, S. 1. 200 BT-Drs. 16/3989; S. 2 f. - 42 - Eine Aufgabenerweiterung sei nicht schlechthin unzulässig. Vielmehr sei an die zum bisherigen Art. 84 Abs. 1 GG bekannte Unterscheidung zwischen der rein quantitativen Vermehrung bereits bestehender Aufgaben und der Übertragung neuer Aufgaben anzuknüpfen . Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Barbetrag gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII in Höhe von mindestens 26 Prozent des Eckregelsatzes zu gewähren gewesen. Auch zukünftig würden die zuständigen Träger der Sozialhilfe dazu verpflichtet sein, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Barbetrag zu gewähren, die Aufgabe bleibe somit insoweit qualitativ gleich. Aus Sicht der Bundesregierung sei es rechtlich nicht haltbar, allein aufgrund einer Erhöhung des Barbetrags von mindestens 26 auf 27 Prozent eine neue Aufgabe im Sinne des Artikels 84 Abs. 1 GG anzunehmen. Soweit § 133b SGB XII die Gewährung einer einmaligen Weihnachtsbeihilfe für das Jahr 2006 in Höhe von mindestens 36 Euro vorsehe, könne ebenfalls nicht von der Zuweisung einer neuen Aufgabe gesprochen werden. Mit der Einführung des SGB XII seien die bis dahin nach dem Bundessozialhilfegesetz den Leistungsberechtigten außerhalb stationärer Einrichtungen zustehenden einmaligen Leistungen pauschal durch eine Erhöhung der Regelsätze abgegolten worden. Demgegenüber sei der Barbetrag unverändert geblieben bei weiter bestehender Möglichkeit der Gewährung der Weihnachtsbeihilfe . Mit der Änderung in § 35 Abs. 2 SGB XII wird die Weihnachtsbeihilfe in den Barbetrag einbezogen (vgl. amtliche Begründung). Somit werde nur die Art und Weise, wie die Weihnachtsbeihilfe zu gewähren ist, geändert, jedoch keine neue Aufgabe geschaffen . Entscheidend sei allein die Tatsache, dass das SGB XII schon bisher die Gewährung einer Weihnachtsbeihilfe vorgesehen habe. Solche rein quantitativen Vermehrungen bereits bestehender Aufgaben griffen aber nicht in den den Ländern vorbehaltenen Bereich ein. Es sei von einer auch für den neuen Artikel 84 Abs. 1 S. 7 GG zulässigen quantitativen Vermehrung bestehender Aufgaben auszugehen. Hierfür spreche auch, dass andernfalls dem Bundesgesetzgeber jede gesetzgeberische Modifikation bestehender kommunaler Aufgaben versagt und damit eine Versteinerung des insoweit bereits geltenden Rechts zu besorgen wäre. 3.1.3.9.2. Ausbau der Kindertagesbetreuung Mit dem Erlass eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - Ki- - 43 - föG)201 will der Bundesgesetzgeber das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren ausbauen. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten sollen aber nicht - wie bisher - unmittelbar an die Kommunen als kraft unmittelbarer bundesgesetzlicher Vollzugseinschaltung handelnde Leistungsträger weitergereicht werden, ohne dass diese einen Kostenerstattungsanspruch geltend machen können.202 Die Bundesregierung führt in ihrer Gesetzesbegründung aus, dass eine direkte Aufgabenzuweisung seit der Föderalismusreform I wegen Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG nicht mehr zulässig sei.203 Deswegen bestimmt der neue § 69 Abs. 1 SGB VIII nunmehr: „Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden durch Landesrecht bestimmt.“ Nach bisheriger Gesetzeslage waren gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 SGB VIII die Kreise und kreisfreien Städte örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Damit führte die Regelung einer neuen Aufgabe automatisch zur Zuweisung and die kommunale Gebietskörperschaft und zur damit verbundenen Kostenlast .204 Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 13. Juni 2008 die Änderung des § 69 Abs. 1 SGB VIII mit der Begründung abgelehnt, dass die Neuregelung über das neu geschaffene Aufgabendurchgriffsverbot in Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG hinausgehe. Bestehende bundesrechtliche Aufgabenzuweisungen würden von der Neuregelung nicht erfasst .205 Die Bundesregierung hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen. Sie war der Meinung, dass ohne die Änderung des § 69 SGB VIII dem Bund wegen des Verbots der unmittelbaren Aufgabenzuweisung Regelungen verwehrt wären, mit denen er in Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG qualitativ neue Aufgaben oder Leistungspflichten im SGB VIII begründe, die unmittelbar die kommunalen Gebietskörperschaften beträfen. Der Deutsche Bundestag hat der Änderung des § 69 SGB VIII am 17. Oktober 2008 und der Bundesrat am 7. November 2008 zugestimmt.206 Das Gesetz wurde am 10. Oktober 2008 verkündet.207 201 Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG) vom 10. Dezember 2008, BGBl. 2008 I S. 2403. 202 Knitter, Janna, Das Verbot der Aufgabenübetragung auf die Kommunen und die Behandlung von Altfällen, Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG) 2009, S. 18 ff, S. 18 f. 203 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG), BT-Drs. 16/10173, S. 16; Gesetzesentwurf der Fraktion der CDU/CSU und der SPD zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG), BT- Drs. 16/9299, S. 11. 204 BT-Drs. 16/10173, S. 16; BT-Drs. 16/9299, S. 11. 205 BT-Drs. 16/10173, S. 10. 206 Vgl. zur Gesetzeshistorie Henneke, Hans-Günter, Kinderförderungsgesetz bewirkt Durchbruch des Aufgabenübertragungsverbots zwischen Bund und Kommunen in Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG, Der Landkreis 2008, S. 668. 207 BGBl. 2008 I S. 2403. - 44 - 3.1.3.9.3. Verbraucherinformationsgesetz Mit Schreiben vom 8. Dezember 2006208 verweigerte Bundespräsident Horst Köhler aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken die Ausfertigung dieses Gesetzes. Hierin vertritt er die Auffassung, dass in der Verpflichtung der kommunalen Behörden, Anträge nach dem Verbraucherinformationsgesetz auf Herausgabe von Informationen zu prüfen und zu bescheiden, eine Aufgabenübertragung im Sinne des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG liege. Er sehe hierin einen klaren Verstoß gegen die seit dem 1. September 2006 geltende negative Kompetenzvorschrift des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG, der ihn daran hindere, das Gesetz auszufertigen. Nach seiner Einschätzung könne den berechtigten Belangen des Verbraucherschutzes sehr schnell durch die erneute Verabschiedung des Gesetzes ohne die verfassungsrechtlich unzulässige Aufgabenzuweisung Rechnung getragen werden. Im neuen Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des gesundheitsbezogenen Verbraucherschutzes (Verbraucherinformationsgesetz – VIG) wurde den Einwänden des Bundespräsidenten durch § 1 Abs. 2 S. 2 VIG Rechnung getragen, in dem es heißt, dass Satz 1 im Falle einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes nur gilt, wenn der Gemeinde oder dem Gemeindeverband die Aufgaben nach diesem Gesetz durch Landesrecht übertragen worden sind. Am 5. Juli 2007 wurde das Verbraucherinformationsgesetz durch den Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat hat das Gesetz am 21. September 2007 gebilligt. Es wurde am 9. November 2007 im Bundesgesetzblatt209 verkündet. 208 Siehe: Zu BR-Drs 584/06 (Beschluss) vom 8. Dezember 2006. 209 BGBl. I 2007 S. 2558.