Deutscher Bundestag Stilllegung von Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 - 254/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 2 Stilllegung von Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 - 254/11 Abschluss der Arbeit: 27. Juli 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Fragestellung und Hintergrund 5 3. Uranabbau 5 4. Urananreicherung 6 4.1. Handlungsoptionen nach geltendem Recht 6 4.1.1. Rücknahme 6 4.1.2. Widerruf 7 4.2. Änderungsmöglichkeiten 7 4.2.1. Eigentumsgarantie 7 4.2.2. Eingriff 8 4.2.2.1. Enteignung 9 4.2.2.2. Inhalts- und Schrankenbestimmung 10 5. Brennelementeherstellung 11 6. Wiederaufbereitung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 4 1. Zusammenfassung In Deutschland bestehen neben Kernkraftwerken sowie den Zwischen- und Endlagern zwei Anlagen des Brennstoffkreislaufs: die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen. Beide verfügen über unbefristete Betriebsgenehmigungen, die nur unter strengen Voraussetzungen des Atomgesetzes aufgehoben werden könnten. Denkbar wäre jedoch, ähnlich wie bei Kernkraftwerken die Betriebsdauer dieser Anlagen durch Gesetz zu begrenzen. Ein entsprechendes Gesetz müsste sich an der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG messen lassen. Es dürfte sich dabei nicht um eine Enteignung sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung handeln, die verhältnismäßig auszugestalten wäre. Hinsichtlich weiterer Stufen des Brennstoffkreislaufs ist anzumerken, dass in Deutschland zwar kein Uranabbau betrieben wird, dieser aber grundsätzlich genehmigungsfähig wäre. Der Betrieb einer Anlage zur Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennelementen wäre hingegen nicht genehmigungsfähig. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 5 2. Fragestellung und Hintergrund Am 17. Juni 2011 hat der Bundesrat eine Stellungnahme zum Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes beschlossen.1 Ziffer 8 der Stellungnahme lautet: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Sinne der Vollendung eines konsequenten und glaubwürdigen Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie zur Elektrizitätserzeugung die gesetzlichen Voraussetzungen zur Stilllegung aller Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs (außer den für die inländische Entsorgung erforderlichen Zwischen- und Endlagern) zu schaffen. Dies gilt in Nordrhein-Westfalen insbesondere für die Urananreicherungsanlage Gronau.“ Diese Ausarbeitung untersucht, in welchen Gesetzen Änderungen erforderlich wären, um Anlagen des Brennstoffkreislaufs mit Ausnahme der erforderlichen Zwischen- und Endlager sowie der Kernkraftwerke stillzulegen. Der Begriff Brennstoffkreislauf beschreibt den Prozess der Gewinnung, Nutzung, Wiederaubereitung und Endlagerung von Kernbrennstoffen.2 Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen geschlossenen Kreislauf, da für die erneute Verwendung abgebrannter Kernbrennstoffe eine Uranzufuhr erforderlich ist und zudem radioaktive Abfälle entstehen, die dem Brennstoffkreislauf nicht wieder zugeführt werden können.3 3. Uranabbau Der Brennstoffkreislauf beginnt mit der Gewinnung von Uran. In Deutschland gibt es zwar mehrere Uranvorkommen, es findet jedoch derzeit kein Uranabbau statt. Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe existieren in Deutschland Uranreserven von etwa 7.000 t, die in der Preiskategorie unter 130 $ pro kg Uran gewinnbar sind. Darüber hinaus verfügt Deutschland über spekulative Uranressourcen von 74 000 t Uran mit Gewinnungskosten oberhalb von 130 $ pro kg Uran.4 Demnach könnte in Deutschland theoretisch Uranabbau betrieben werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür sind im Bundesberggesetz5 geregelt. Danach besteht grundsätzlich ein 1 BR-Drs. 340/11. 2 Eine Übersicht aller Anlagen des Brennstoffkreislaufs in Deutschland abrufbar unter: http://www.bfs.de/de/bfs/recht/rsh/A17_Brennstoffkreislauf_1210.pdf (abgerufen am: 20. Juli 2011). 3 Vgl. Brennstoffkreislauf, Brockhaus Enzyklopädie Online. 4 Bericht der BGR, abrufbar unter: www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/Energierohstoffe_2009_Teil3.pdf?__blob= publicationFile&v=2 5 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), das zuletzt durch Artikel 15a des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 6 Anspruch auf Erteilung einer bergrechtlichen Bewilligung zum Abbau von Bodenschätzen.6 Uran ist hiervon nicht ausgenommen, so dass bei Vorliegen der sonstigen bergrechtlichen Voraussetzungen und Einhaltung der Strahlenschutzvorschriften eine Bewilligung zu erteilen wäre. 4. Urananreicherung Um Uran für den Brennstoffkreislauf nutzbar zu machen, muss das „Natururan“ angereichert werden. Durch physikalische Verfahren wird das „Natururan“ in zwei Fraktionen getrennt, von denen eine einen höheren Anteil des Isotops 235U aufweist. Dieses Uran wird für die die Brennelementeherstellung benötigt. In Deutschland ist eine Urananreicherungsanlage in Betrieb. Sie wird in Gronau von der Firma Urenco betrieben.7 Die Anlage nahm 1985 ihren Betrieb auf, 2005 wurde eine Erweiterung genehmigt , die seit 2008 stufenweise in Betrieb genommen wird. Der Betrieb einer Urananreicherungsanlage fällt in den Anwendungsbereich des Atomgesetzes (AtG)8 und bedarf nach § 7 Abs. 1 S. 1 AtG als Betrieb einer ortsfesten Anlage zur Erzeugung von Kernbrennstoffen einer Genehmigung. Unter den Begriff Kernbrennstoff fällt nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AtG u.a. mit dem Isotop 235U angereichertes Uran. Eine Genehmigung nach § 7 AtG darf nicht befristet werden (§ 17 Abs. 1 S. 3 AtG). Es ist folglich anzunehmen, dass die Urananreicherungsanlage über eine unbefristete Betriebsgenehmigung verfügt. 4.1. Handlungsoptionen nach geltendem Recht Nach dem geltenden AtG kommt eine Betriebseinstellung nur in Betracht, wenn die Betriebsgenehmigung zurückgenommen oder widerrufen wurde. 4.1.1. Rücknahme Nach § 17 Abs. 2 AtG kann eine atomrechtliche Genehmigung zurückgenommen werden, wenn eine ihrer Voraussetzungen bei Erteilung (§ 7 Abs. 2 AtG) nicht vorgelegen hat. Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. 6 Vgl. VGH BW v. 9. Juni 1988, AZ: 6 S 2972/84 zur bergrechtlichen Bewilligung des Uranabbaus im Schwarzwald. 7 Nähere Informationen über das Unternehmen abrufbar unter: http://www.urenco.com/content/45/urenco-deutschland.aspx 8 Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1817) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 7 4.1.2. Widerruf § 17 Abs. 3 AtG sieht für verschiedene Fallkonstellationen die Möglichkeit eines Widerrufs vor. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die in das pflichtgemäße Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt sind, d.h. die Genehmigung kann widerrufen werden. Dies gilt zunächst für den Fall, dass von einer Genehmigung innerhalb von zwei Jahren kein Gebrauch gemacht wurde, § 17 Abs. 3 Nr. 1 AtG. Des Weiteren ist ein Widerruf möglich, wenn eine der Genehmigungsvoraussetzungen später weggefallen ist und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wurde, § 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG. Dabei ist zu beachten, dass hinsichtlich des Wegfalls der Genehmigungsvoraussetzungen eine allgemeine Neubewertung der Gefahren von kerntechnischen Anlagen als Begründung für einen Widerruf nicht ausreichen dürfte. Vielmehr ist eine konkrete Prüfung der jeweiligen Anlage erforderlich . Sofern nach Einschätzung der Aufsichtsbehörde aufgrund der Gefahrenlage keine Genehmigung hätte erteilt werden dürfen, ist zu prüfen, ob durch nachträgliche Auflagen Abhilfe geschaffen werden könnte. Dies wäre gegenüber dem Widerruf der Genehmigung das mildere Mittel. Auch hierfür ist eine sorgfältige und umfassende Prüfung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls durchzuführen. Die dritte Fallgruppe in § 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG erfasst erhebliche oder wiederholte Verstöße gegen das AtG, atomrechtliche Rechtsverordnungen, Anordnungen, Verfügungen der Aufsichtsbehörden , Bestimmungen des Genehmigungsbescheids oder nachträgliche Auflagen. Erforderlich ist außerdem, dass in angemessener Zeit keine Abhilfe geschaffen wird. Darüber hinaus verpflichtet § 17 Abs. 5 AtG die Aufsichtsbehörde zum Widerruf, wenn dies wegen einer erheblichen Gefährdung der Beschäftigten, Dritter oder der Allgemeinheit erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann. Derzeit liegen keine Anhaltspunkte vor, die einen Widerruf der Genehmigung für die Urananreicherungsanlage in Gronau begründen könnten. 4.2. Änderungsmöglichkeiten Um eine Betriebseinstellung zu erreichen, müssten daher gesetzliche Regelungen zur Begrenzung der Anlagenlaufzeit erlassen werden. Diese müssten sich an der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG messen lassen. 4.2.1. Eigentumsgarantie Die Eigentumsgarantie schützt die rechtliche Zuordnung eines vermögenswerten Gutes zu einem Rechtsträger. Welche vermögenswerten Rechtsgüter als Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne geschützt werden, ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Leitbild des verfassungsrechtlichen Eigentums, dem Sacheigentum nach bürgerlichem Recht, und dem Zweck sowie der Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfas- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 8 sung.9 Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet.10 Bezogen auf den Betrieb einer Urananreicherungslagen könnten verschiedene eigentumsrechtliche Positionen betroffen sein.11 Nahe liegt zunächst, auf die aus dem Grundeigentum folgenden umfassenden Nutzungsbefugnisse12 abzustellen. Darüber hinaus kommt auch die atomrechtliche Genehmigung, die den unbefristeten Betrieb erlaubt in Betracht.13 Schließlich wäre an den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu denken.14 Durch eine gesetzliche Beschränkung der Betriebsdauer wäre der Betreiber der Anlage jedenfalls in den aus dem Grundeigentum folgenden Nutzungsbefugnissen betroffen. 4.2.2. Eingriff Eingriffe in das Eigentumsrecht können in Form von Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG oder als Enteignung, d.h. vollständiger Entziehung von Eigentumspositionen nach Art. 14 Abs. 3 GG erfolgen. Letztere sind nach Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG nur auf Grund eines Gesetzes zulässig, das auch Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Demgegenüber sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen nur im Ausnahmefall ausgleichspflichtig.15 Ferner gilt, dass eine rechtswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht in eine entschädigungspflichtige Enteignung umgedeutet werden kann.16 Die Frage, ob es sich bei einer Begrenzung der Nutzungsdauer einer Anlage mit unbefristeter atomrechtlicher Genehmigung um eine Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt, wurde intensiv im Vorfeld des Atomausstiegs unter der rot-grünen Bundesregierung diskutiert. Diese Frage wurde jedoch gerichtlich nicht geklärt, da es sich um die gesetzliche Umsetzung des Atomkonsenses handelte. In der Literatur war diese Frage allerdings umstritten. Ähnlich könnte 9 Axer in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand 1. Juli 2011, Art. 14 Rn. 42. 10 BVerfGE 102, 1, 15. 11 Zur vergleichbaren Problematik bei Kernkraftwerken vgl. Übersicht bei Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 4. Auflage, 2000, S. 504. 12 Di Fabio, Der Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie, 1999, S. 123. 13 Stüer/Loges, Ausstieg aus der Atomenergie zum Nulltarif?, NVwZ 2000, 9 (12). 14 Di Fabio (Fn. 12), S. 123; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Fragen eines Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, AöR 124 (1999), 1 (7 f.); allerdings hat das BVerfG bislang die Frage, ob es sich beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um ein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentumsrecht oder nur um ein Bündel einzelner, eigentumsrechtlich geschützter Rechtpositionen handelt, offen gelassen, vgl. Nachweise bei Papier in: Maunz/Dürig, Grundgesetz 61. Ergänzungslieferung 2011, Art. 14 Rn. 95. 15 BVerfGE 58, 137. 16 BVerfGE 58, 300, 330 ff.; 79, 174, 191 f.; 100, 226, 240 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 9 bei einer Regelung zur Begrenzung der Laufzeit einer Urananreicherungsanlage argumentiert werden. 4.2.2.1. Enteignung Vertreter, die die Laufzeitbegrenzung für Kernkraftwerke als Enteignung werteten, verwiesen zur Begründung auf die gebräuchliche „Faustformel“ zur Abgrenzung von Enteignung und Inhaltsund Schrankenbestimmung. Danach ist eine Enteignung durch eine konkret-individuelle Entziehung von Eigentumspositionen gekennzeichnet. Demgegenüber ist eine Inhalts- und Schrankenbestimmung eine generell-abstrakte beschränkende Regelung.17 Daran anknüpfend wurde vertreten, dass eine gesetzliche Regelung zum Atomausstieg die konkreten Eigentumspositionen der Kraftwerksbetreiber gezielt entziehen würde. Das Recht zur Nutzung eines in ihrem Eigentum stehenden Kernkraftwerks würde in der Zukunft dauerhaft entfallen und damit eine Eigentumsposition von erheblichem Wert entzogen.18 Zudem seien die betroffenen Kraftwerksbetreiber dem Gesetzgeber bekannt, sodass eine individuelle Regelung vorliege.19 Ferner wurde angeführt, dass die Begrenzung der Laufzeit einem Verbot der Nutzung eines bestimmten Brennstoffs gleich komme, und damit den Betreibern der Kernkraftwerke die Produktionsbasis entzogen werden solle.20 Die Gegenauffassung verwies darauf, dass die Laufzeitbegrenzung im Zuge einer generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets erfolgen solle. Sofern dabei bestehende Rechtspositionen abgeschafft würden, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gebe, liege hierin nach der Rechtsprechung des BVerfG zum bergrechtlichen Vorkaufsrecht21 keine Enteignung sondern eine (u.U. ausgleichspflichtige) Inhalts- und Schrankenbestimmung.22 Hinzu komme, dass es bei der Laufzeitbeschränkung an dem für eine Enteignung typischen Übergang von Eigentumsbefugnissen fehle.23 In der Rechtsprechung werden Enteignungen aber regelmäßig nur in Fällen angenommen, die als „Güterbeschaffungsvorgänge“ umschrieben werden könnten. Im Fall der Laufzeitbeschränkung gelangen die Kernkraftwerke bzw. das Recht zur Stromerzeugung weder in staatliche Hand noch werden diese Rechtspositionen an private Dritte übertragen. Auch der 17 Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Band 1, 6. Auflage, 2010, Art. 14 Rn. 253 m.w.N. 18 Di Fabio (Fn. 12), S.137 ff.; Schmidt-Preuß, Atomausstieg und Eigentum, NJW 2000, 1524, 1525; Wagner , Atomkompromiss und Ausstiegsgesetz, NVwZ 2001, 1089, 1096. 19 Di Fabio (Fn. 12), S. 139. 20 Schmidt-Preuß (Fn. 18), S. 1526. 21 BVerfGE 83, 201, 211 f. 22 Bender/Sparwasser/Engel (Fn. 11), S. 505; Koch, Der Atomausstieg und der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, NJW 2000, 1529, 1535; Roller in: Roßnagel/Roller, Die Beendigung der Kernenergienutzung durch Gesetz, 1998, S. 386 ff.; Roßnagel (ebd.) S. 34; Stüer/Loges (Fn. 13), S. 13. 23 Stüer/Loges (Fn. 13), S. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 10 Gesetzgeber des Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität ging davon aus, dass die Laufzeitbeschränkung eine Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellte.24 Folgt man dieser an die neuere Rechtsprechung des BVerfG anknüpfenden Auffassung, wäre die im Jahr 2002 eingeführte Laufzeitbegrenzung als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren. Gleiches gilt für eine mögliche Begrenzung der Betriebsdauer einer Urananreicherungsanlage . 4.2.2.2. Inhalts- und Schrankenbestimmung Bei der konkreten Ausgestaltung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung hat der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum, er muss jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und dem Vertrauensschutz Rechnung tragen.25 Dies gilt in besonderem Maße, wenn durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung letztlich Rechtspositionen für die Zukunft entzogen werden.26 In diesen Fällen können Übergangsregelungen sowie u.U. auch Entschädigungsregelungen (sog. ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen) geboten sein.27 Diese Pflicht zum finanziellen Ausgleich ist eine von der Rechtsprechung entwickelte Besonderheit des Eigentumsgrundrechts.28 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Begrenzung der Betriebsdauer wäre zu berücksichtigen , dass der Betreiber der Anlage im Vertrauen auf die unbefristete Betriebsgenehmigung Investitionen getätigt hat, die sich möglicherweise noch nicht amortisiert haben. Demgegenüber dient die Begrenzung der Betriebsdauer dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie dem Recht auf Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG und dem Schutz der Umwelt nach Art. 20a GG.29 Sollte sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine drastische Kürzung der Betriebsdauer als unzumutbar erweisen, bestünde für den Gesetzgeber die Möglichkeit, die Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise über eine Regelung zum finanziellen Ausgleich der Belastung durch die Inhalts- und Schrankenbestimmung sicherzustellen.30 24 BR-Drs. 705/01, S. 35. 25 Bender/Sparwasser/Engel (Fn. 11), S. 505. 26 Koch/Roßnagel, Neue Energiepolitik und Ausstieg aus der Kernenergie, NVwZ 2000, 1, 5. 27 BVerfGE 100, 226, 244; BVerwG NJW 1999, 2877; Stüer/Loges (Fn. 13), S. 14. 28 Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 17), Art. 14 Rn. 236 ff. 29 Vgl. Roller (Fn. 22), S. 81. 30 Stüer/Loges (Fn. 13), S. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 254/11 Seite 11 5. Brennelementeherstellung Die Herstellung von Brennelementen bildet den nächsten Schritt im Brennstoffkreislauf. Derzeit gibt es eine Brennelementefabrik in Lingen, die von der Firma Areva betrieben wird.31 Für die Herstellung von Brennelementen ist ebenso wie für die Urananreicherung eine Genehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG erforderlich. Da diese nicht befristet werden darf, kann für eine etwaige Betriebseinstellung, sei es durch Aufhebung der Genehmigung oder durch gesetzlich geregelte Begrenzung der Betriebsdauer, auf die Ausführungen zur Urananreichungsanlage verwiesen werden . 6. Wiederaufbereitung In Deutschland ist keine Wiederaufbereitungsanlage in Betrieb. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 AtG wäre der Betrieb einer derartigen Anlage zudem nicht genehmigungsfähig. ( ) 31 http://www.areva-np.com/scripts/de/publigen/content/templates/show.asp?P=482&L=DE