© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 253/18 Wahlrecht für Ausländer auf nationaler Ebene (Aktualisierung des Sachstands WD 3 - 3000 - 164/18 vom 20. Juni 2018) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 2 Wahlrecht für Ausländer auf nationaler Ebene (Aktualisierung des Sachstands WD 3 - 3000 - 164/18 vom 20. Juni 2018) Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 253/18 Abschluss der Arbeit: 5. Juli 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtslage in Deutschland 4 3. Rechtslage in anderen EU-Mitgliedstaaten 4 3.1. Belgien 4 3.2. Estland 4 3.3. Finnland 5 3.4. Frankreich 5 3.5. Griechenland 5 3.6. Großbritannien 5 3.7. Irland 6 3.8. Kroatien 6 3.9. Lettland 6 3.10. Litauen 6 3.11. Österreich 7 3.12. Polen 7 3.13. Portugal 7 3.14. Rumänien 7 3.15. Schweden 7 3.16. Slowakei 8 3.17. Slowenien 8 3.18. Spanien 8 3.19. Tschechien 8 3.20. Ungarn 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 4 1. Fragestellung Die deutsche Rechtsordnung räumt Ausländern weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht bei Bundestagswahlen ein. Vor diesem Hintergrund wird die Frage gestellt, ob es in anderen europäischen Staaten ein Wahlrecht für Ausländer auf nationaler Ebene gibt und wenn ja, wie dieses konkret ausgestaltet ist. Ferner wird gefragt, ob es in diesen Staaten in der Vergangenheit Gesetzesinitiativen zur Einführung eines Wahlrechts für Ausländer gab. Die Ausführungen dazu basieren auf Informationen, die aus verschiedenen europäischen Staaten eingeholt wurden. Der Sachstand WD 3 - 3000 - 164/18 wurde um die Informationen zum Wahlrecht für Ausländer in Griechenland, Lettland und Spanien ergänzt. 2. Rechtslage in Deutschland Das Staatsvolk wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von den Deutschen – also den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen – gebildet. Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages „Vertreter des ganzen Volkes“. Demnach setzt das Wahlrecht, mit dem das Volk die ihm zukommende Staatsgewalt primär ausübt, die deutsche Staatsangehörigkeit voraus. Einfachgesetzlich ist diese Voraussetzung in § 12 Abs. 1 Bundeswahlgesetz geregelt. Mit Blick auf die Wahlen in Kreisen und Gemeinden bestimmt Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG, dass auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen , nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar sind. Die Vorschrift dient der Umsetzung der „Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen“. 3. Rechtslage in anderen EU-Mitgliedstaaten 3.1. Belgien Unionsbürger haben bei Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament ein aktives und passives Wahlrecht. Seit 2004 haben auch Ausländer, die sich legal und dauerhaft länger als fünf Jahre in Belgien aufgehalten haben, das Recht bei Kommunalwahlen zu wählen. Sie können aber nicht selbst gewählt werden. Auf der Bundes- oder Landesebene sieht die belgische Rechtsordnung kein aktives oder passives Wahlrecht für Ausländer vor. 3.2. Estland In Estland haben Ausländer das Recht an Kommunalwahlen teilzunehmen, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft in Estland wohnen oder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben. Dieses Wahlrecht gilt aber nicht für Personen, denen das Wahlrecht entzogen wurde oder die aufgrund einer Gerichtsverurteilung eine Haftstrafe absitzen. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres haben Ausländer außerdem ein passives Wahlrecht, wenn sie in Estland bis zum 1. August des Wahljahres ihren Wohnsitz genommen haben. Gesetzesinitiativen zur Änderung dieser Regelungen gab es bisher keine. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 5 3.3. Finnland Die finnische Rechtsordnung sieht kein aktives oder passives Wahlrecht für Ausländer bei Präsidentschafts - oder Parlamentswahlen vor. Unionsbürger können an der Wahl zum Europäischen Parlament und an Kommunalwahlen teilnehmen. Andere Ausländer, die seit mindestens zwei Jahren ihren Wohnsitz in Finnland haben, können bei Kommunalwahlen ebenfalls wählen. Es gab bisher keine Gesetzesinitiativen zur Änderung dieser Regelungen. 3.4. Frankreich Art. L2 des französischen Gesetzes über die Wahlen besagt, dass das Wahlrecht nur Franzosen zusteht, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Nach Art. 88-3 der französischen Verfassung sind Unionsbürger mit Wohnsitz in Frankreich bei Kommunalwahlen wahlberechtigt und wählbar. Dennoch dürfen sie nicht zum Bürgermeister ihrer Gemeinde oder dessen Stellvertreter gewählt werden. Denn diese sind Teil des Wahlgremiums, das die Senatoren wählt. Art. 4 der französischen Verfassung vom 24. April 1793 sprach auch Ausländern ein Wahlrecht zu, sofern bestimmte Voraussetzungen gewahrt wurden. Diese umfassten den einjährigen Aufenthalt in Frankreich, die finanzielle Unabhängigkeit, das Eigentum an einem Grundstück innerhalb Frankreichs oder die Ehe mit einem Franzosen. Diese Regelung wurde aber kaum benutzt und schnell wieder aus der Verfassung entfernt. Derzeit räumt die französische Rechtsordnung Drittstaatsangehörigen weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht ein. Gesetzesinitiativen, die der Erweiterung des Wahlrechts auch auf Unionsbürger und Drittstaatsangehörige dienen, werden gelegentlich von Parteien, die üblicherweise dem linken oder sehr linken Spektrum zuzuordnen sind, eingereicht. 3.5. Griechenland EU-Bürger können an Wahlen zum Europäischen Parlament und an Kommunalwahlen teilnehmen. Hierzu müssen sie ihren Wohnsitz in Griechenland haben, mindestens 17 Jahre alt und im Wählerverzeichnis der Gemeinde eintragen sein. Im Jahr 2010 wurde das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige, die für mindestens fünf Jahre legal in Griechenland gelebt hatten und bestimmte Voraussetzungen erfüllten, eingeführt . 2013 erklärte der Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht in Griechenland, das Gesetz für verfassungswidrig. 3.6. Großbritannien In Großbritannien dürfen neben den britischen Staatsbürgern irische Staatsbürger sowie Staatsbürger des Commonwealth, die in Großbritannien wohnen, an allen nationalen und kommunalen Wahlen teilnehmen. Daneben können auch Staatsbürger von Zypern und Malta, die in Großbritannien wohnen, an Parlamentswahlen teilnehmen. Unionsbürger können an der Wahl zum Europäischen Parlament und an Kommunalwahlen teilnehmen, solange Großbritannien noch Mitglied der Europäischen Union ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 6 Die schottische Regierung hat im Dezember 2017 ihre Beratungen hinsichtlich einer Wahlrechtsreform veröffentlicht. Danach soll das Wahlrecht bei Kommunalwahlen erweitert werden und für alle Personen ab dem 16. Lebensjahr mit rechtmäßigem Wohnsitz in Schottland gelten. Die walisische Regierung berät derzeit darüber, ob das Recht der Unionsbürger an den Kommunalwahlen teilzunehmen, nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union fortbestehen soll und ob das Recht zur Teilnahme an Kommunalwahlen auch auf andere Ausländer ausgedehnt werden sollte. 3.7. Irland In Irland haben nur irische Staatsbürger das Recht an allen Wahlen und Referenden teilzunehmen. Unionsbürger können an Wahlen zu Europäischen Parlament sowie Kommunalwahlen teilnehmen. Britische Staatsbürger können darüber hinaus auch an Wahlen zum Dáil (Unterhaus des Parlaments) teilnehmen. Weitere Ausländer haben hingegen nur das Recht zur Teilnahme an Kommunalwahlen. 3.8. Kroatien Unionsbürger, die dauerhaft oder vorübergehend in Kroatien wohnen, können in ihrer Kommune wählen und gewählt werden. Damit sich Unionsbürger zur Wahl aufstellen lassen können, müssen sie dieselben Anforderungen erfüllen wie kroatische Staatsbürger. 3.9. Lettland Nur lettische Staatsbürger sind berechtigt, an Parlamentswahlen und Referenden teilzunehmen. EU-Bürger können an Wahlen zum Europäischen Parlament und Kommunalwahlen teilnehmen. Hierzu müssen sie in das Einwohnerregister eingetragen sein. Ist ein Staatsangehöriger eines anderen EU-Mitgliedstaats in seinem Land nicht stimmberechtigt, kann er auch in Lettland nicht an Wahlen zum Europäischen Parlament und Kommunalwahlen teilnehmen. Es gab eine Debatte über die Einführung eines Wahlrechts für Ausländer bei lokalen Wahlen. Hierzu wurden mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt, diese fanden aber keine Mehrheiten. In Lettland gibt es den besonderen Rechtsstatus „Nichtbürger“ für Einwohner, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen. Die überwiegende Mehrheit der Nichtbürger ist russischer Abstammung. Sie gelten rechtlich als Personen ohne lettische Staatsbürgerschaft oder Personen ohne Staatsangehörigkeit eines anderen Landes. Dieser Rechtsstatus wurde als Übergangsmaßnahme für jene ständigen nicht lettischen Einwohner geschaffen, die während der Sowjetzeit nach Lettland gekommen waren und 1991, als Lettland seine Unabhängigkeit zurückerlangte, die Staatsbürgerschaft der Sowjetunion verloren hatten. Sie können jedoch in einem vereinfachten Einbürgerungsverfahren lettische Staatsbürger werden. Viele ethnische Russen beantragen die lettische Staatsbürgerschaft nicht und sind infolgedessen von der Teilnahme an Kommunal- und Parlamentswahlen sowie von Volksabstimmungen und Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen. 3.10. Litauen Die litauische Rechtsordnung gewährt Ausländern weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht bei Wahlen zur Seimas (Parlament Litauens) oder Präsidentschaftswahlen. Daneben haben sie auch nicht das Recht an einem Referendum teilzunehmen. Allerdings können Ausländer bei Kommunalwahlen und Unionsbürger zusätzlich auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wählen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 7 oder gewählt werden, wenn sie dauerhaft in Litauen wohnen. Ein dauerhafter Wohnsitz wird angenommen, wenn der Ausländer seinen Wohnsitz in Litauen angezeigt hat und in das Einwohnerregister eingetragen wurde. Die Wahl eines Ausländers zum Bürgermeister einer Kommune ist aber unzulässig. 3.11. Österreich Die österreichische Rechtsordnung entspricht hinsichtlich des Ausländerwahlrechts der deutschen Gesetzeslage. Im Jahr 2003 hat Wien das Wahlrecht für Ausländer auf die Bezirksebene (Bezirksvertretungswahl) ausgedehnt. Das Verfassungsgericht hat 2004 entschieden, dass eine solche Regelung verfassungswidrig sei. 3.12. Polen Polen sieht ein Wahlrecht für EU-Bürger bei Kommunalwahlen sowie bei Wahlen zum Europäischen Parlament vor. 3.13. Portugal In Portugal haben Unionsbürger und Ausländer das Recht, bei kommunalen Wahlen und Referenden zu wählen. Daneben haben Unionsbürger auch das Recht, an Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Brasilianer, die in Portugal leben und dieselben politischen Rechte haben wie Portugiesen, haben das Recht an allen Wahlen und Referenden teilzunehmen. Unionsbürger müssen zur Ausübung ihres Wahlrechts nachweisen, dass sie in Portugal wohnhaft sind. Ausländer eines portugiesischsprachigen Landes müssen nachweisen, dass sie seit mehr als vier Jahren in Portugal wohnen; andere Ausländer müssen einen fünfjährigen Aufenthalt in Portugal nachweisen. Darüber hinaus müssen sich Ausländer in das Wählerverzeichnis einschreiben lassen. 3.14. Rumänien Unionsbürger, die in Rumänien ansässig sind, haben bei Wahlen zum Europäischen Parlament und bei Kommunalwahlen dasselbe aktive und passive Wahlrecht wie rumänische Staatsbürger. Drittstaatsangehörige haben hingegen kein Wahlrecht. 3.15. Schweden In Schweden haben nur schwedische Staatsbürger das Recht an Wahlen zum Riksdag (schwedisches Parlament) teilzunehmen. Unionsbürger und norwegische sowie isländische Staatsbürger, die im Einwohnermelderegister geführt werden, haben das Recht in ihrer Kommune zu wählen. Drittstaatsangehörige , die seit drei aufeinanderfolgenden Jahren in Schweden als Einwohner registriert sind, können ebenfalls in ihrer Kommune wählen. Die Regierung hat hinsichtlich einer Änderung dieser Regelungen in letzter Zeit keinen Gesetzesentwurf eingebracht und es gab auch sonst keine anderweitige bedeutsame Debatte. In den letzten Jahren gab es sowohl hinsichtlich einer Erweiterung als auch einer Beschränkung des Wahlrechts von Ausländern vereinzelte Anträge. Das Parlament hat jedoch keinem dieser Anträge zugestimmt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 253/18 Seite 8 3.16. Slowakei In der Slowakei haben Ausländer mit dauerhaftem Wohnsitz ein aktives und passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen, Wahlen zum Europäischen Parlament und bei lokalen Referenden. Ein Recht zur Teilnahme an Parlamentswahlen, Präsidentschaftswahlen oder nationalen Referenden besteht hingegen nur für slowakische Staatsbürger. Eine Gesetzesinitiative für eine Änderung dieser Regelungen gab es bisher nicht. 3.17. Slowenien In Slowenien können nur slowenische Staatsbürger an allen Wahlen teilnehmen. Unionsbürger, die sich in Slowenien aufhalten, haben das Recht an den Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Drittstaatsangehörige können ebenfalls an den Kommunalwahlen teilnehmen, wenn sie in eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben. Allerdings dürfen sie nicht zum Bürgermeister gewählt werden. 3.18. Spanien In Spanien können nur spanische Staatsbürger an allen Wahlen teilnehmen. Ausnahmen können durch Verträge oder Gesetze über das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen festgelegt werden. Unionsbürgern steht das Wohnsitzwahlrecht zum Europäischen Parlament zu. 3.19. Tschechien In Tschechien haben Ausländer das Recht an Wahlen zum Gemeinderat oder zum Europäischen Parlament teilzunehmen sowie die Möglichkeit bei kommunalen Referenden abzustimmen. 3.20. Ungarn Das ungarische Wahlrecht sieht nur für ungarische Staatsangehörige ein aktives und passives Wahlrecht bei Parlamentswahlen und nationalen Volksabstimmungen vor. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament hat jeder Bürger eines anderen EU-Mitgliedstaats, der einen vorübergehenden Wohnsitz in Ungarn hat, das Recht zu wählen und zu kandidieren. Hierzu muss er eine Erklärung abgegeben, dass er sein aktives und passives Wahlrecht in Ungarn ausüben möchte. ***