© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 252/18 Die Verwertung von Handlungsvorschlägen der Bundesministerien durch politische Parteien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 252/18 Seite 2 Die Verwertung von Handlungsvorschlägen der Bundesministerien durch politische Parteien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 252/18 Abschluss der Arbeit: 12. Juli 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 252/18 Seite 3 1. Fragestellung Bundesministerien erarbeiten regelmäßig unter anderem Gutachten oder Handlungsvorschläge.1 Politische Parteien können diese Handlungsvorschläge für ihre Arbeit nutzen. Es stellt sich die Frage, unter welchen Umständen Vorarbeiten eines Ministeriums eine unzulässige Finanzierung einer Partei darstellen. 2. Grenzen der Parteienfinanzierung Politische Parteien in Deutschland finanzieren sich neben Mitgliedsbeiträgen, Spenden und eigener wirtschaftlicher Betätigung auch aus staatlichen Mitteln (§ 18 f. Parteiengesetz – PartG). Es besteht der Grundsatz, dass hierüber hinausgehend keine (verdeckte) staatliche Parteienfinanzierung stattfinden soll.2 Daher verbietet § 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG politischen Parteien, „Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften“ anzunehmen. Die Spende eines Bundesministeriums wäre daher unzulässig: Der Bund ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Spenden sind nicht nur Geldleistungen sondern auch „geldwerte Zuwendungen aller Art“ (§ 27 Abs. 1 S. 3 und 4 PartG). Dies schließt Sach-, Werk- und Dienstleistungen ein,3 wie z. B. die unentgeltliche Bereitstellung von Personal oder vorhandenen Organisationsstrukturen.4 Unzulässig wäre es daher, wenn ein Bundesministerium Produkte erarbeitet, die ausschließlich einer politischen Partei dienen sollen. Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein Bundesministerium für eine Partei eine Wahlkampfbroschüre entwirft oder druckt.5 Denkbar sind aber auch Fälle, bei denen ein Bundesminister einen Handlungsvorschlag sowohl für die Bundesregierung nutzt, als auch für die Partei, der er angehört. Im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anerkannt, dass eine „strikte Trennung der Sphären“ eines „Bundesministers“ und eines „Parteipolitikers“ nicht möglich ist.6 Die Abgrenzung „ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen“.7 In Anlehnung an diese Rechtsprechung ließe sich auch bei der Parteienfinanzierung darauf abstellen, welchem der beiden 1 Zum Aufgabenbereich von Bundesministerien siehe Detterbeck, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III: Demokratie – Bundesorgane, 2005, § 66 Rn. 25 ff. 2 BVerfGE 85, 164, 320 f.; VG Berlin, Urt. v. 26. November 2004 – 2 A 146/03, Rn. 19 – juris; BT-Drs. 14/6710 „Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung“, S. 34; Jochum, in: Ipsen, ParteienG, 2008, § 25 Rn. 20, 31; Kersten, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und europäisches Parteienrecht , 2009, § 25 Rn. 58, 87. 3 Jochum, in: Ipsen, ParteienG, 2008, § 28 Rn. 17. 4 BVerfGE 85, 264, 320 f.; in der gerichtlichen Praxis stellte sich die Frage bislang fast ausschließlich im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit, siehe Lenski, DÖV 2014, 585, 587. 5 Vgl. VG Berlin, Urt. v. 26. November 2004 – 2 A 146/03. 6 BVerfGE 138, 102 Rn. 54 (Hervorhebung durch Autor); BVerfGE 44, 125, 187. 7 BVerfGE 138, 102 Rn. 57. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 252/18 Seite 4 Bereiche das Handeln primär zuzuordnen ist:8 Ist die Umsetzung auf Regierungsebene nachrangig und geht es vor allem um die Einbettung in das Parteiprogramm, ist der Handlungsvorschlag primär der parteipolitischen Arbeit zuzuordnen. Wirbt ein Bundesminister aber vor allem dafür, dass die Regierung seinen Handlungsvorschlag umsetzt, ist der Handlungsvorschlag primär dem Ministeramt zuzuordnen. 3. Staatliches Neutralitätsgebot Das Grundgesetz gewährt den Parteien das Recht, „gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Damit unvereinbar ist jede parteiergreifende Einwirkung von Staatsorganen als solchen zugunsten oder zulasten einzelner oder aller am politischen Wettbewerb beteiligten Parteien “.9 Geht es bei der Äußerung oder dem Handlungsvorschlag eines Ministers um „politischen Meinungskampf […], muss sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt.“10 Nimmt ein Regierungsmitglied mit seiner Äußerung oder seinem Handlungsvorschlag hingegen amtliche Aufgaben wahr, kann es auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel zurückgreifen.11 Die Abgrenzung beurteilt sich nach den oben unter Punkt 2 dargestellten Kriterien. 4. Zweckentfremdung öffentlicher Mittel Verwendet ein Minister öffentliche Mittel für seine amtlichen Funktionen, ist dies haushaltsrechtlich grundsätzlich unproblematisch. Verwendet er die öffentlichen Mittel hingegen für parteipolitische Arbeit oder politischen Meinungskampf, liegt regelmäßig ein Verstoß gegen haushaltsrechtliche Prinzipien vor. 12 Für die Abgrenzung ist wie bei der Parteienfinanzierung (oben Punkt 2) und dem Neutralitätsgebot (oben Punkt 3) darauf abzustellen, welchem der beiden Bereiche die Mittelverwendung primär zuzuordnen ist.13 *** 8 BVerfGE 138, 102 (Rn. 57-58); VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2. Juli 2002 – VGH O 3/02, bei Nr. 2 b) bb); ihm folgend VG Berlin, Urt. v. 26. November 2004 – 2 A 146/03; siehe auch Bayerischer Oberster Rechnungshof, Beratende Äußerung zu Gutachtens- und Beratungsaufträgen der Staatskanzlei zur Erforschung der öffentlichen Meinung, Januar 2011, S. 8 f. mit weiteren Nachweisen, https://www.orh.bayern.de/media/com_form2content /documents/c7/a311/f43/11-01-28_Beratende_Auesserung_Meinungsumfragen.pdf. 9 BVerfGE 138, 102 (Rn. 27 ff., 38 ff). 10 BVerfGE 138, 102, Leitsatz 2 (Hervorhebung durch Autor). 11 BVerfGE 138, 102, Leitsatz 2 und Rn. 39-40. 12 Vgl. Bayerischer Oberster Rechnungshof (Fn. 8) S. 7. 13 Vgl. Bayerischer Oberster Rechnungshof, ebenda, S. 27.